Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 133. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1964 6599
Anlage 1
Liste der beurlaubten Abgeordneten
Abgeordnete (r) beurlaubt bis einschließlich
a) Beurlaubungen
Dr. Achenbach * 26.6.
Arendt (Wattenscheid) 26.6.
Dr. Arndt (Berlin) 30. 6.
Dr. Dr. h. c. Baade 26. 6.
Bading ** 26. 6.
Bauer (Würzburg) * 26. 6.
Berkhan * 26. 6.
Fürst von Bismarck * 26. 6.
Blachstein * 26. 6.
Dr. Bleiß 25. 6.
Dr. h. c. Brauer * 26. 6.
Dr. Brenck 26. 6.
Dr. von Brentano 4. 7.
Burckardt 25. 6.
Corterier * 26. 6.
Eisenmann 27. 6.
Even (Köln) 4. 7.
Faller * 26. 6.
Frau Dr. Flitz (Wilhelmshaven) * 26. 6.
'Dr. Dr. h. c. Friedensburg 26. 6.
Dr. Furler * 26. 6.
Haase (Kassel) 28.6.
Haase (Kellinghusen) 27.6.
Dr. Hahn (Heidelberg) 26. 6.
Hammersen 26. 6.
Dr. Harm (Hamburg) 4. 7.
Dr. Hellige 2. 7.
Frau Dr. Heuser 25. 6.
Höhmann (Hessisch Lichtenau) 27. 6.
Frau Dr. Hubert * 26. 6.
Kahn-Ackermann * 26. 6.
Kemmer 26. 6.
Dr. Kliesing (Honnef) * 26. 6.
Klinker * 26. 6.
Dr. Kopf * 26. 6.
Kriedemann ** 26. 6.
Frau Dr. Kuchtner 4.7.
Lenz (Bremerhaven) 27. 6.
Lenze (Attendorn) * 26. 6.
Lermer * 26.6.
Liehr 26. 6.
Dr. Löhr 26.6.
Lücker (München) ** 25. 6.
Mauk ** 26. 6.
Frau Dr. Maxsein * 26. 6.
Memmel * 26. 6.
Menke 4.7.
Dr. von Merkatz * 26. 6.
Metzger 26. 6.
Dr. Meyer (Frankfurt) * 26. 6.
Müller (Aachen-Land) 28. 6.
Dr.-Ing. Philipp Rademacher 26. 6.
26. 6.
* Für die Teilnahme an einer Tagung der Versammlung der Westeuropäischen Union.
** Für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments.
Anlagen zum Stenographischen Bericht
Abgeordnete (r) beurlaubt bis einschließlich
Frau Renger * 26. 6.
Dr. Schmid (Frankfurt) * 26. 6.
Schmidt (Würgendorf) 26. 6.
Seidl (München) 26. 6.
Dr. Serres * 26. 6.
Storch ** 26. 6.
Striebeck 27. 6.
Dr. Süsterhenn * 26. 6.
Wienand * 26. 6.
Wischnewski ** 25. 6.
Dr. Zimmer * 26. 6.
b) Urlaubsanträge
Kraus 4. 7.
Anlage 2
Schriftliche Ausführungen
des Abgeordneten Meis zu dem Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes (Drucksache IV/2342). *)
Mit dem Antrag auf Umdruck IV/2342 wollen die Antragsteller erreichen, daß die Besteuerung der von den Arbeitgebern unmittelbar an ihre früheren Arbeitnehmer gezahlten Pensionen an die Besteuerung der Renten angenähert wird. Bekanntlich unterliegt seit dem 1. 1. 1955 bei sämtlichen Renten nur der Ertragsanteil der Einkommensteuer. Dieser Ertragsanteil bestimmt sich gemäß § 22 EStG nach dem Lebensalter des Rentenempfängers bei Beginn der Rente. Das sind nach der im Gesetz enthaltenen Tabelle 65 verschiedene Sätze für die einzelnen Altersstufen von 0 bis 99 Jahren. So beläuft sich beispielsweise der Ertragsanteil bei einem maßgeblichen Alter,
wenn die Rente vom 65. Lebensjahr an gezahlt wird,
auf 20%
wenn die Rente vom 55. Lebensjahr an gezahlt wird,
auf 29 %
wenn die Rente vom 50. Lebensjahr an gezahlt wird,
auf 34 %
der Rente.
Die Auswirkung dieser Regelung sieht so aus, daß ein verheirateter Rentenbezieher, der keine anderen Einkünfte hat und seit seinem 65. Lebensjahr eine Rente bezieht, steuerfrei bleibt bis zu einer Rentenhöhe von rd. 21 000 DM jährlich oder rd. 1750 DM monatlich. Wird die Rente vom 50. Lebensjahr ab bezogen, so bleibt sie ohne andere Einkünfte auch einkommensteuerfrei bis zu einem Betrag von ca. 1000 DM monatlich.
Demgegenüber werden die vom Arbeitgeber an seine früheren Arbeitnehmer gezahlten Versorgungsbezüge nach § 19 EStG wie normaler Arbeitslohn voll der Lohnsteuer bzw. der Einkommensteuer
*) Siehe 132. Sitzung Seite 6499 B.
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unterworfen. Zahlt somit ein Rentner im Normalfall, d. h. im Alter von 65 Jahren von einer Rente von monatlich 1500 DM keine Steuern, so ist von den sonstigen Versorgungsbezügen, die jemand von seinem früheren Arbeitgeber erhält, bei gleichen Voraussetzungen in Steuerklasse III/0 eine Steuer von 2746 DM jährlich oder 228,80 DM monatlich zu zahlen.
Ein sogenannter kleiner Beamter mit einer Pension von monatlich 450 DM — das ist der Postschaffner in der Besoldungsgruppe A 2 — zahlt von dieser Pension bereits als Junggeselle 336 DM jährlich oder 28,— DM monatlich und als Verheirateter auch noch 168,— DM jährlich oder 14,— DM monatlich an Lohnsteuer.
Ich möchte in diesem Zusammenhang gleich erwähnen, daß die angestrebte Annäherung der Besteuerung der Pensionen an die Rentenbesteuerung nicht nur für die pensionierten Beamten in Frage kommen soll, sondern auch, wie aus dem Ihnen vorliegenden Vorschlag zur Änderung des § 19 des EStG hervorgeht, für alle diejenigen, die auf Grund eines Gesetzes, eines Tarifvertrages, einer Betriebsvereinbarung oder eines Einzelvertrages Bezüge und Vorteile aus früheren Dienstverhältnissen beziehen.
Nach dem Ergebnis unserer Prüfung ist aus verschiedenen Gründen eine genaue Anpassung an die Rentenbesteuerung nicht möglich, sondern nur eine Annäherung. Der Hauptgrund dürfte wohl darin zu erblicken sein, daß die Bezieher eines Ruhegehaltes im Gegensatz zu den Rentenbeziehern unmittelbar
keine eigenen Beiträge zur Ansammlung des Versorgungskapitals leisten. Die Bezieher von Renten sollen etwa 50 % des Rentenkapitals selbst aufbringen. Die Beiträge zum Rentenkapital werden aber im Normalfall aus dem unversteuerten Einkommensteil geleistet. Außerdem werden die Arbeitgeberanteile in der Regel weder vom Arbeitnehmer als Teil des Lohnes noch vom Arbeitgeber versteuert.
Es wird nun häufig der Einwand gebracht, daß auch die Arbeitgeberanteile an den Beiträgen zur Rentenversicherung bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise Teile des Lohnes seien. Das ist ohne Zweifel richtig und von den Wirtschaftswissenschaftlern bereits in den 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts vertreten worden. Das spricht jedoch keineswegs gegen die von uns begehrte Reform der Ruhegehaltsbesteuerung; denn dann muß• man auch für die Besteuerung der Pensionen von der jahrhundertealten Auffassung ausgehen, daß es sich z. B. bei der Alters- und Hinterbliebenenversorgung der Beamten um „erdiente" Pensionen handelt und sie steuerlich so behandeln wie die Rententeile, die, auf den Arbeitgeberbeiträgen basieren, d. h. sie nur mit dem Ertragsanteil von der gesamten Pension der Steuer unterwerfen. Diese Auffassung ist noch in jüngster Zeit vom Bundesverwaltungsgericht in der Begründung des Urteils vom 29. 6. 1961 (Zeitschrift für Beamtenrecht von Oktober 1961, Seite 319) bestätigt worden. Darin wird ausdrücklich festgestellt, daß auch die Beamten zu ihrer späteren Versorgung indirekt dadurch geleistet haben, daß ihre Gehaltsbezüge während der aktiven Dienstzeit entsprechend niedriger festgesetzt wurden.
Geht man dagegen von den Fakten aus, so dürfte man m. E. bei einer Angleichung der Besteuerung der Pensionen an die Rentenbesteuerung höchstens 50 % der Pensionen voll versteuern, weil der rentenversicherungspflichtige Arbeitnehmer im Normalfall an sich die Hälfte des Rentenkapitals selbst aufbringen soll, dagegen derjenige, der Pension von seinem Arbeitgeber bezieht, nicht.
Wenn wir nun in unserem Antrag vorschlagen, für die Besteuerung der restlichen 50 % der Pensionen nicht die in § 22 des EStG aufgeführte Rententabelle anzuwenden, sondern in jedem Falle als Ertragsanteil 20 % abzuziehen und ohne Rücksicht auf das Alter 40 % der Pensionen steuerfrei zu lassen, so hat uns dazu folgendes bewogen: Einmal haben wir die Absicht, weitere Komplizierungen des Steuerrechts zu vermeiden, und zweitens wollen wir diese Einkünfte nicht unter § 22 EStG subsumieren, weil wir vermeiden möchten, daß die ganze Rentenbesteuerung wieder überprüft und neu geordnet werden müßte. Dabei darf man noch anmerken, daß sicher alle Parteien schon aus politischen Gründen nicht bereit sein würden, die jetzige Besteuerung der Renten zu Lasten der Rentenempfänger zu ändern, insbesondere auch deshalb nicht, weil die jetzige Regelung nach Auffassung des Bundesfinanzhofes nicht verfassungswidrig ist.
Trotzdem erscheint es mir richtig, die Unterschiede innerhalb der Besteuerung der Renten kurz aufzuzeigen, um zu beweisen, daß eine gerechte Besteuerung nicht gegeben und in vielen Fällen auch nicht zu erreichen ist.
1. Die Rentenversicherungsbeiträge betrugen
a) vor 1948 = 5,60/o
b) von 1948-1958 = 11,0 0/o und
c) ab 1958 = 14,0 0/0.
Unterschiede in den Renten, die auf die zeitlich verschieden hohen Beitragssätze zurückzuführen sind, gibt es nicht.
2. Die freiwillig Versicherten haben die Beiträge für die Zeit der Weiterversicherung nicht wie die übrigen Normalversicherten nur zur Hälfte aufbringen, sondern zu 100 % zahlen müssen, wenn auch hierbei wieder mit unterschiedlicher steuerlicher Wirkung, wie bei Steuerfreiheit im Rahmen der Sonderausgabenhöchstbeträge oder teilweiser Steuerpflicht bei Überschreitung dieser Höchstbeträge, weiter bei Erstattung eines Teils der Beiträge für die freiwillige Weiterversicherung durch den Arbeitgeber im Rahmen der Freigrenze von 312,— DM und darüber hinausgehende Zahlungen.
3. Die Aufteilung der Beiträge auf Arbeitgeber und Arbeitnehmer ist unterschiedlich; so trägt z. B. von den Beiträgen zu den Zusatzversorgungskassen für den öffentlichen Dienst der Arbeitgeber 2/3, der Arbeitnehmer 1/3.
4. Unentgeltlich erworbene Leibrenten werden ebenfalls nach § 22 EStG besteuert; das gilt z. B. auch dann, wenn der Rentenempfänger sie aus An- laß des unentgeltlichen Überganges eines gewerblichen Betriebes erworben hat.
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5. Laufende Leistungen aus betrieblichen Unterstützungskassen beruhen nicht von vornherein auf einem Anspruch und haben evtl. nicht den Charakter einer Leibrente. Die Verwaltung hat aber Anweisung gegeben, solche Zahlungen aus Billigkeitsgründen von Anfang an als Renten im Sinne des § 22 EStG anzusehen, obwohl eigene Leistungen des Arbeitnehmers nicht vorliegen.
6. Die Zuschüsse des Bundes zu den einzelnen Arten der Rentenversicherung sind sehr unterschiedlich und betragen z. Z.
bei der Angestelltenversicherung ca. 14 %
der Versicherungsleistungen,
bei der Arbeiterversicherung ca. 26 %
der Versicherungsleistungen,
bei der Knappschaftsversicherung ca. 60 %
der Versicherungsleistungen.
Man darf allerdings dann auch nicht unterlassen, darauf hinzuweisen, daß diese Zuschüsse in einer Reihe von Umständen begründet liegen, die zumindest dem größten Teil der Beamtenschaft nicht vollständig bekannt sind. Es sind dies in der Hauptsache folgende Tatsachen:
a) Vermögensverluste der Rentenversicherungen durch Inflation, Währungsreform und Kriegsschäden,
b) Übernahme von Leistungen für die Kriegsbeschädigten und Hinterbliebenen, die im Normalfall vielleicht noch Beitragszahler und nicht Rentenempfänger gewesen wären,
c) Zahlungen von Fremd- und Auslandsrenten,
d) Minderung der Fürsorgeleistungen bzw. Sozialhilfe,
e) Leistungen für Ersatzzeiten wie Wehr- und Kriegsdienstzeiten und für Zeiten des Schulbesuchs,
f) Rentenleistungen für Flüchtlinge und Heimatvertriebene und höhere Renten für politisch Verfolgte,
g) die hohen Zuschüsse an die Knappschaft als Beitrag des Bundes an den Bergbau für die notwendige Umstrukturierung in diesem Industriezweig.
Alle diese Tatbestände mit ihren Unterschieden in der Aufbringung der Mittel und deren Besteuerung zeigen einwandfrei erhebliche Unterschiede bei der Rentenbesteuerung. Wenn man aber, wie bereits aufgeführt, solche Ungleichbehandlung nicht beseitigen kann, aber den Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung noch in etwa wahren will, kann man diejenigen, die ihre Alters- und Hinterbliebenenversorgung von ihren Arbeitgebern beziehen, nicht einem Sonderrecht — in diesen Fall einem Sonderunrecht — unterstellen, sondern muß wenigstens einen Teil der Versorgungsbezüge steuerfrei lassen.
Ein Vergleich der Besteuerung von Pensionen und Renten wäre unvollständig, wenn dabei nicht auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs eingegangen würde. Der BFH hat sich in seinem Urteil
vom 29. 1. 1960 (BStBl. 1960, Teil III, S. 105) ausführlich mit diesem Fragenkomplex befaßt. Er hält die unterschiedliche Besteuerung dieser beiden Einkunftsarten für richtig. Erstaunlich ist allerdings die Begründung hierfür. U. a. heißt es in der Begründung: „Die Beiträge der Arbeitgeber (Arbeitgeberanteile an den Versicherungsbeiträgen) sind in diesen Fällen grundsätzlich Arbeitslohn, der im Zeit punkt der Beitragsleistung den Arbeitnehmern zufließt und deshalb alsbald bei ihnen der Einkommensteuer unterworfen wird." Es ist unerfindlich, warum eine solche wahrheitswidrige Behauptung als wichtigster Grund für die getroffene Entscheidung angeführt wird. Jedenfalls ist es bis heute noch nicht vorgekommen, daß ein Arbeiter den von seinem Arbeitgeber gezahlten Beitragsanteil zur Invalidenversicherung als Arbeitslohn versteuert hat. Bei den Angestellten könnte es ausnahmsweise vorkommen, daß die Arbeitgeberanteile lohnsteuerpflichtig werden, wenn bei freiwilliger Weiterversicherung oder Zusatzversicherung der Arbeitgeber Beitragsteile zahlt. Aber auch dabei gelten noch gewisse Einschränkungen.
Weiter ist in der Urteilsbegründung ausgeführt: „Wenn ein Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer während der aktiven Dienstzeit für die Zeit der späteren Pensionierung eine Altersversorgung nur zusagt, ihm also eine Anwartschaft auf eine spätere Versorgung einräumt, ohne in der Gegenwart schon Aufwendungen dafür zu machen, die entweder alsbald dem Arbeitnehmer zufließen oder ihm gegenüber einer Versorgungseinrichtung einen Rechtsanspruch auf spätere Versorgungsleistungen verschaffen, so fließt dem Arbeitnehmer noch kein geldwerter Vorteil zu. Arbeitslohn bezieht ein solcher Arbeitnehmer erst, wenn er tatsächlich Versorgungsleistungen von seinem Arbeitgeber erhält." Es ist m. E. nicht erkennbar, wie man mit solchen Gründen die unterschiedliche Besteuerung rechtfertigen kann. Wenn man z. B. Beamte und Sozialversicherte gegenüberstellt, so muß man doch zunächst darauf hinweisen, daß die Beamten zwar in der größeren Zahl von ihrem Arbeitgeber unmittelbar ihre Pension beziehen, daß aber andererseits die Zahl der Arbeitgeber (nur Bund, Länder, große Städte und vielleicht einige wenige andere), die die Pensionen selbst zahlen, sehr gering ist, während mehr als 10 000 Gemeinden, Gemeindeverbände und andere Körperschaften des öffentlichen Rechts die Beamtenpensionen auf dem Wege über besondere selbständige Versorgungseinrichtungen zahlen, wie ja auch die Renten aus den besonderen Versorgungseinrichtungen, den Landesversicherungsanstalten und der Bundesanstalt für Angestelltenversicherung fließen. Daß die Mittel, die die Versorgungseinrichtungen für die Zahlungen der Beamtenpensionen benötigen, als Beiträge in der Art von Umlagen von den Gemeinden usw. erhoben werden, bedeutet zum mindesten steuerlich keinen Unterschied gegenüber den Rentenversicherungsbeiträgen.
In der Rentenversicherung haben wir, wenn auch in anderer Form, ebenfalls ein Umlagesystem, was schon für jeden Laien daran erkennbar ist, daß wir in einem Jahrzehnt drei verschieden hohe Beitrags-
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sätze gehabt haben. Daß die Beamtenpensionen, gezahlt aus besonderen Versorgungseinrichtungen, zumindest steuerlich sich nicht von den Renten unterscheiden, zeigt auch folgendes Beispiel: Eine kleine Gemeinde, die einen oder zwei Beamte beschäftigt, zahlt jahrzehntelang Beiträge an die Versorgungskasse, ohne daß ein Beamter dieser Gemeinde irgendeinen Vorteil davon hat, weil zufällig der beschäftigte Beamte vor der Pensionierung stirbt und keine versorgungsberechtigten Angehörigen hinterläßt. Die Versorgungskasse ist eben die Einrichtung einer echten Solidargemeinschaft wie bei der Rentenversicherung.
Es bleibt weiter zu sagen, daß man allein aus der Tatsache, daß Beiträge gezahlt werden, steuerlich auch keine Schlußfolgerungen ziehen kann. So zahlen z. B. große Gemeinden mit einer Eigenunfallversicherung laufend Unfallrenten, ohne daß sie jemals an sich selbst Unfallversicherungsbeiträge gezahlt haben. Solche Renten müßten, wenn man von der Urteilsbegründung des BFH ausginge, beim Empfänger voll steuerpflichtig sein, obwohl sämtliche Unfallrenten steuerfrei sind.
Der einzige Unterschied zwischen Renten und Pensionen, der steuerlich in etwa berücksichtigt werden müßte, ist, abgesehen von den Unfallrenten, den laufenden Zahlungen aus Unterstützungskassen und den unentgeltlich erworbenen Leibrenten darin zu sehen, daß für die Renten im Normalfall die Hälfte der Mittel durch die Arbeitnehmerbeiträge aufgebracht werden sollen, — im Durchschnitt sind es allerdings zur Zeit nur 25 %. Aus diesem Grunde
müßte dann aber mindestens eine Hälfte der vom Arbeitgeber gezahlten Pension steuerlich mit den Renten gleichgestellt werden. Dadurch würde in jedem Fall auch dem Versicherungscharakter Rechnung getragen. Das gilt nicht nur für die Beamtenpensionen, sondern auch für die sonstigen auf Grund von Arbeitsverträgen usw. vom Arbeitgeber gezahlten Pensionen. Auch hierbei ist im Grunde auf beiden Seiten ein Versicherungsrisiko gegeben. Bei Vertragsabschluß wird von beiden Seiten der Wert der Arbeitskraft nach Gehalt und wahrscheinlicher Pension bemessen. Der Arbeitnehmer stellt seine volle Arbeitskraft nur unter Berücksichtigung dieser zusätzlichen Vergünstigung zur Verfügung und kommt vielleicht niemals in den Genuß dieses erdienten und mit seiner Arbeitskraft bezahlten Vorteils (Tod usw.). Umgekehrt ist selbstverständlich auch das dem Versicherungsverhältnis ähnliche Risiko des Arbeitgebers durch die vertraglich vereinbarte Pensionszusage beachtlich groß.
Soweit das erwähnte Urteil des BFH in Frage kommt, möchte ich der Urteilsschelte doch ein Lob anfügen. Am Schluß der Urteilsbegründung ist folgendes ausgeführt: „Der Senat hat allerdings schon mehrfach darauf hingewiesen, daß die verschiedenen Formen der Alterssicherung von Arbeitnehmern zu einer verschieden hohen steuerlichen Belastung führen können. Es ist auch bereits dem Gesetzgeber nahegelegt worden, zum Zwecke der Anpassung das EStG zu ändern (z. B. Troeger, „Denkschrift zur Verbesserung der Einkommensbesteuerung 1957", S. 9). Aber es geht dabei um eine Frage
der Steuerpolitik und der zweckmäßigen Gesetzesgestaltung." Aus dieser Bemerkung des Bundesfinanzhofs geht eindeutig hervor, daß er die verschieden hohen steuerlichen Belastungen nicht für glücklich hält. Diese Auffassung wird auch in der vom BdF herausgegebenen Schrift „Untersuchungen zum Einkommensteuerrecht" auf Seite 217 vertreten.
Wir haben aber für den Kampf um die Verwirklichung unserer Absicht noch weitere Bundesgenossen gefunden. So hat der Herr Bundesinnenminister am 9. 1. 1964 auf einer beamtenpolitischen Tagung auf der Bühler Höhe folgendes ausgeführt: „Weil ich Ihr Interesse an diesem Fragenbereich (Pensionsbesteuerung) kenne, freue ich mich, daß im vergangenen Jahr die Reform der Besteuerung der Versorgungsbezüge in Angriff genommen werden konnte. Zwar ist für diese Frage der Bundesminister der Finanzen federführend, der Bundesminister des Innern kann aber für sich in Anspruch nehmen, daß er sich um eine befriedigende Lösung dieser Frage bemüht hat und dies auch weiter tun wird. Ich hoffe, daß wir in dieser Frage bald zu greifbaren Ergebnissen kommen werden". Herr Minister Höcherl hat auch in der Fragestunde am 26. 5. 1964 auf eine Frage des FDP-Kollegen Hammersen in gleichem Sinne geantwortet.
Wenn man der Fama Glauben schenken darf, dann vertreten der Bundesverkehrsminister, der Verteidigungsminister und der Bundespostminister, d. h. die Minister, die in ihrem Bereich eine große Zahl von Beamten beschäftigen, denselben Standpunkt. Auch die Länder stehen unserem Begehren aufgeschlossen gegenüber.
Herr Staatssekretär Dr. Freienstein vom Landesfinanzministerium in Düsseldorf hat in einem Schreiben vom 2. 1. 1963 an den Deutschen Beamtenbund bereits mitgeteilt, daß das Bundesfinanzministerium z. Z. — d: h. also bereits Anfang 1963 — den gesamten Komplex der steuerlichen Behandlung der Versorgungsbezüge überprüfe; Herr Staatssekretär Dr. Freienstein führt dann fort: „Ich teile Ihre Auffassung, daß die unterschiedliche Behandlung der Versorgungsbezüge — Sozialrenten und Beamtenpensionen — sachlich in dem derzeitigen Umfang
nicht ohne weiteres gierechtfertigt erscheint."
Selbst von dem zuständigen Ministerium, dem Bundesfinanzministerium, ist bereits geäußert worden, daß wohl grundsätzlich anerkannt werden müsse, daß ein Mißverhältnis zwischen der Besteuerung der Pensionen und der Sozialrenten bestehe. Jedoch müsse der Umfang dieses Mißverhältnisses und insbesondere auch eine mögliche Auswirkung der Änderung der Pensionsbesteuerung auf die Besteuerung anderer Einkünfte noch genauer untersucht werden.
Gedacht ist hierbei in erster Linie daran, daß Berufungsfälle vermieden werden sollen, soweit es sich um Fälle der Altersversorgung etwa in der Form von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung, aus Kapitalvermögen oder aus Gewerbebetrieb ohne eigene Mitarbeit handelt. Man rechnet mit der Möglichkeit, daß bei einer Steuerbegünstigung der
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Pensionen ein Berufungsfall für die vorgenannten Formen der Altersversorgung geschaffen wird. Eine solche Annahme ist aber durchaus unbegründet. Der wesentliche Unterschied zwischen diesen verschiedenen Formen der Altersversorgung besteht darin, daß bei den Pensionen wie auch bei allen Renten die Altersversorgung an die Person gebunden ist, während bei den anderen Formen, wie bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung usw., die Einkünfte nicht von der zu versorgenden Person abhängig ist. Die Basis, aus der die Einkünfte fließen, bleibt auch nach dem Tode desjenigen, der damit seine Altersversorgung gesichert hat, erhalten. Die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung usw. können auch noch von den Kindern und Kindeskindern bezogen werden. Es bleiben im Normalfall sowohl die Einkünfte als auch das Vermögen über den Tod desjenigen hinaus erhalten, der sich diese Art der Altersversorgung geschaffen hat. Irgendeine Form von Versicherung oder eine den Pensionen ähnliche Form ist nicht gegeben. Es ist vielmehr gerade der Versicherungscharakter ausgeschaltet, weil Krankheit, Tod usw. die Einkunftsquelle nicht versiegen lassen und außerdem das Vermögen erhalten bleibt. Auch ist die Einnahme aus irgendwelchen Vermögen nicht wie bei den Renten- oder Pensionsansprüchen vom Alter oder der Erwerbsunfähigkeit abhängig.
Von den Äußerungen des Bundesfinanzministeriums wirkt eine allerdings nicht überzeugend, nämlich, daß es bisher noch nicht möglich gewesen sein soll, den Fragenkomplex abschließend zu überprüfen. Ich möchte dazu folgendes feststellen: Die „Troeger-Denkschrift", in der die Anpassung der Pensionsbesteuerung an die Rentenbesteuerung empfohlen wird, stammt aus dem Jahre 1957. Bei den Beratungen des letzten Jahressteuergesetzes 1961 habe ich selbst im Finanzausschuß den Antrag auf Verbesserung der Pensionsbesteuerung gestellt. Ein entsprechender Beschluß wurde mit dem Hinweis verhindert, daß der gesamte Fragenkomplex erst überprüft werden müßte. Ich erinnere weiter an die erwähnte schriftliche Äußerung des Herrn Staatssekretärs Dr. Freienstein. Danach war das Bundesfinanzministerium Anfang 1963 mit der Überprüfung des gesamten Komplexes der steuerlichen Behandlung der Versorgungsbezüge befaßt. Ich bin der Meinung, daß die Überprüfung inzwischen sicher wohl ein solches Ausmaß angenommen hat, daß eine Beratung unseres Antrages im Zusammenhang mit den Beratungen des Steueränderungsgesetzes im Finanzausschuß möglich sein wird, zumal da diese Beratung erst im Herbst beginnen soll und deswegen noch mehrere Monate zur weiteren Überprüfung des ganzen Fragenkomplexes verbleiben.
Wie ich inzwischen erfahren habe, hat eine besondere Kommission, die aus Fachreferenten der obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder besteht, bereits Übereinstimmung über die erforderliche Reform der Ruhegehaltsbesteuerung erzielt. Die Angelegenheit ist somit entscheidungsreif. Eine weitere Verzögerung einer gerechten Lösung sollte verhindert werden. Schließlich 'hat man den
Betroffenen seit mehr als 7 Jahren eine gerechte Lösung versprochen. Wenn man bedenkt, daß es sich dabei meist um ältere Personen handelt, so ist es nach meiner Ansicht nicht nur ein Gebot der Gerechtigkeit, ,sondern auch ein solches der Fairneß, nunmehr 'die erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Mit unserem Antrag wollen wir den entscheidenden Anstoß dazu geben und erwarten Ihre Unterstützung.
Auf weitere Einzelheiten der von uns vorgeschlagenen Gesetzesänderung brauche ich jetzt nicht einzugehen; das wird bei der Beratung im Finanzausschuß geschehen.
Anlage 3
Schriftliche Begründung
des Abgeordneten Jahn zum Antrag der Fraktion der SPD für ein Zweites Ausführungsgesetz zu Artikel 26 Abs. 2 des Grundgesetzes (Gesetz über die Beteiligung Deutscher an der Herstellung und dem Vertrieb von Waffen außerhalb des Bundesgebietes) (Drucksache IV/2355) *).
Die Fraktion der SPD legte den Entwurf eines Zweiten Ausführungsgesetzes zu Artikel 26 Abs. 2 des Grundgesetzes vor, um nachmehr als einem Jahr dem Willen des Bundestages auf Regelung eines längst fälligen Auftrages Ides Grundgesetzes Ausdruck zu verleihen und das Hohe Haus in den Stand zu versetzen, an Hand dieses Entwurfs in die Beratungen einzutreten. Sie sah sich dazu veranlaßt, nachdem die Bundesregierung sich bis zum heutigen Tage außerstande gesehen hat, den vor genau einem Jahr ,am 28. Juni 1963 gefaßten Beschluß des Bundestages auf Vorlage eines Gesetzes zu Artikel 26 Abs. 2 des Grundgesetzes zu erfüllen.
Im März des Jahres 1963 wurde der Öffentlichkeit zum ersten Male bekannt, 'daß deutsche Staatsbürger als Wissenschaftler im Ausland an der Entwicklung und Herstellung von Kriegswaffen ,arbeiten. Die Tatsache, daß diese Tätigkeit in einem Spannungsgebiet der Weltpolitik erfolgte, führte alsbald zu der Frage, ob eine derartige Tätigkeit mit den Vorstellungen des Grundgesetzes über die Stellung der Bundesrepublik Deutschland in der .Gemeinschaft der Völker und mit ihren Interessen überhaupt vereinbart werden kann.
Am 21. März 1963 kündigte die Bundesregierung eine Prüfung der Frage an, ob und wann sie in dieser Angelegenheit tätig werden könnte.
Am 22. März 1963 erklärte die Bundesregierung durch Staatssekretär von Hase, wenn sich deutsche Staatsangehörige in Ägypten ;an der Herstellung von Angriffswaffen beteiligten, .so .geschehe dieses ohne Wissen und ohne Billigung ,der Bundesregierung. Die Bundesregierung habe jedoch keine rechtliche Handhabe, die Ausreise 'deutscher Wissenschaftler nach Ägypten und deren Tätigkeit dort zu unterbinden.
*) Siehe Seite 6524 C
6604 Deutscher Bundestag 4. Wahlperiode — 133. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1964
Am 26. März 1963 beschäftigte sich der Vorstand der Fraktion der SPD mit dieser Frage und erklärte folgendes:
„Der Vorstand der .Sozialdemokratischen Bundestagsfraktion hat mit Beunruhigung von den Nachrichten über die Tätigkeit deutscher Wissenschaftler bei der Entwicklung und Herstellung von Raketen und Düsentriebswerken Kenntnis genommen. Er ist der Auffassung, daß diese Tätigkeit den deutschen Interessen nicht dient und erwartet, ,daß die Bundesregierung alle zur Wahrung des deutschen Ansehens und des friedlichen Zusammenlebens der Völker erforderlichen Schritte unternimmt.
Die Sozialdemokratische Bundestagsfraktion wird prüfen, welche parlamentarischen Schritte in Zusammenarbeit mit den anderen Fraktionen des Bundestages ergriffen werden können."
Am 27. März 1963 erklärte die Bundesregierung u. a., sie verurteile die Mitwirkung deutscher Staatsangehöriger bei der Entwicklung und Herstellung von Waffen in Spannungsgebieten. Wörtlich heißt es dann:
„Die Bundesregierung hat von jeher darauf hingewirkt, daß deutsche Staatsangehörige, deren Tätigkeit ian Ausland zur Erhöhung politischer Spannungen beitragen könnte, in die Bundesrepublik zurückkehren. Die Bundesregierung wird ihre Bemühungen in dieser Richtung fortsetzen. Es wird geprüft, ob sich solche Vorgänge durch weitere
gesetzliche oder Verwaltungsmaßnahmen wirksam verhindern lassen."
Offen blieb dabei, an welche gesetzlichen oder Verwaltungsmaßnahmen die Bundesregierung dachte.
Am 2. April 1963 forderte der Vizepräsident des Bundestages, Professor Carlo Schmid, ein Gesetz zur Ausführung des Artikels 26 Absatz 1 ides Grundgesetzes, wonach Handlungen, die geeignet sind und in der Absicht vorgenommen werden, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören, insbesondere die Führung eines Angriffskrieges vorzubereiten, verfassungswidrig sind und unter Strafe gestellt werden müßten.
Am selben Tage trat eine Arbeitsgruppe von Abgeordneten aller Fraktionen, zu der die Abgeordneten Professor Böhm, Dr. Güde, Bausch, Dr. Dehler und Jahn gehörten, mit Vertretern der Bundesregierung, darunter mehreren Staatssekretären, zusammen und erörterte die Möglichkeiten gesetzlicher Maßnahmen. Die Abgeordneten, die in dieser Besprechung mitgewirkt haben, erklärten:
„Abgeordnete der Bundestagsfraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP haben heute mit Vertretern der Bundesregierung die Mitarbeit deutscher Wissenschaftler bei der Herstellung von Kriegswaffen in Ägypten erörtert. Sie verurteilen diese Tätigkeit deutscher Staatsbürger, durch die sie die Gefahr eines Krieges in jenem Teil der Welt heraufbeschwören, schärfstens. Sie halten es für dringend erforderlich, daß diese Mitwirkung unverzüglich eingestellt wird.
Sie werden alles tun, daß umgehend die erforderlichen gesetzlichen Regelungen geschaffen werden."
Am 3. April 1963 befaßte sich das Bundeskabinett erneut mit den Möglichkeiten, gesetzliche Maßnahmen gegen die Beteiligung deutscher Forscher und Techniker an der Herstellung von Kriegswaffen im Ausland zu treffen. Wiederum wurde anschließend zwar auf die Schwierigkeiten hingewiesen, eine Lösung deutete sich aber nicht einmal an.
Am 17. April 1963 lehnte es das Bundeskabinett ab, Staatssekretär Westrick die Genehmigung zu erteilen, an weiteren Beratungen der interfraktionellen Abeitsgruppe des Bundestages, die sich mit der Ausarbeitung eines Gesetzentwurfs beschäftigte, mitzuwirken.
Am 3. Mai 1963 teilte der Bundesjustizminister mit, das Bundeskabinett habe beschlossen, hinsichtlich der Tätigkeit deutscher Wissenschaftler im Ausland selbst keine Initiative zu ergreifen. Es habe den Bundesminister der Justiz jedoch beauftragt, der interfraktionellen Arbeitsgruppe bei ihren Bemühungen um eine Gesetzesinitiative Formulierungshilfe zu leisten.
Die interfraktionelle Arbeitsgruppe schloß ihre Beratungen am 9. Mai 1963 ab und leitete den Entwurf eines Gesetzes über die Beteiligung Deutscher an der Herstellung von Waffen außerhalb des Bundesgebietes den Fraktionen zur Entscheidung zu. Der Entwurf sah vor, daß die Mitwirkung Deutscher an der Herstellung von ABC-Waffen und Raketen im Ausland der Genehmigung bedarf. Wer diese Tätigkeit ohne Genehmigung ausübt, macht sich strafbar.
Die SPD-Fraktion billigte den Entwurf im Juni 1963 und beschloß, sich an seiner interfraktionellen Einbringung zu beteiligen. Ende Juni beschloß jedoch die CDU-Fraktion, den Gesetzentwurf nicht zu unterstützen und im Bundestag einen Antrag einzubringen, durch den die Regierung aufgefordert werden sollte, ein Zweites Ausführungsgesetz zu Artikel 26 Abs. 2 des Grundgesetzes einzubringen.
Bei dieser Sachlage hielt es die Fraktion der SPD für zweckmäßig, sich diesem Vorhaben anzuschließen, um so zu einer möglichst breiten Grundlage für die notwendigen gesetzgeberischen Maßnahmen zu gelangen.
Am 28. Juni 1963 beschloß der Bundestag einstimmig aufgrund eines interfraktionellen Antrages auf Drucksache IV/1388 (neu):
„Die Bundesregierung wird ersucht,
dem Deutschen Bundestag ein weiteres Gesetz zur Ausführung des Artikels 26 Abs. 2 GG vorzulegen.
In diesem Gesetz soll insbesondere § 4 des Gesetzes über die Kontrolle von Kriegswaffen vom 20. April 1961 (BGB1. I S. 444) dahin gehend erweitert werden, daß die Bundesregierung in die Lage versetzt wird, die Beteiligung Deutscher an der Herstellung von Massenvernichtungswaffen
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und zugehörigen Trägern im Ausland verhindern zu können."
In der Debatte erklärte der Abgeordnete Erler für die SPD-Fraktion u. a.:
„ ... Wir hätten es begrüßt, wenn es möglich gewesen wäre, noch einen Schritt weiterzugehen und heute bereits eine Gesetzesvorlage den Ausschüssen des Bundestages zur weiteren Beratung — an der dann auch die Regierung beteiligt gewesen wäre — zu überweisen. Immerhin liegt jetzt eine Willenskundgebung des Bundestages vor, die klarmacht, daß wir — bei allem Respekt vor der Notwendigkeit der Verteidigung eines jeden einzelnen Landes und Volkes gegen Angriffe von außen — wünschen, daß sich deutsche Staatsbürger und Einwohner der Bundesrepublik Deutschland nach unserem. Grundgesetz und dem Geiste dieses Grundgesetzes richten, auch wenn sie eine Tätigkeit im Ausland ausübe
handelt sich bei diesem Problem — das sei offen ausgesprochen — nicht nur um die unmittelbare außenpolitische Interessenwahrung der Bundesrepublik Deutschland; nach allem, was in der deutschen Geschichte geschehen ist, handelt es sich für den Deutschen Bundestag hierbei auch um ein moralisches Problem."
Am 2. August 1963 meldete demgegenüber die Zeitung „Der Tagesspiegel", die Bundesregierung bemühe sich, auf eine unauffällige Weise das Problem zu lösen. Der Plan, deutschen Staatsangehörigen 'die Mitarbeit an ausländischen Rüstungsprojekten durch ein besonderes Gesetz zu verbieten, werde kaum noch weiter verfolgt werden, weil die Schwierigkeiten fast unüberwindlich seien. Statt dessen versuche der zuständige Wissenschaftsminister Lenz, die deutschen Raketenforscher nach Deutschland zurückzuholen.
Wiederum nach Pressemeldungen, nämlich in den „Stuttgarter Nachrichten" vom 12. September 1963 erklärte der der CDU-Fraktion angehörige Abgeordnete Dr. Martin laut einer dpa-Meldung aus Kairo, es stehe den deutschen Wissenschaftlern völlig frei, in Ägypten zu arbeiten; das vorgeschlagene Gesetz werde nicht von den deutschen Parlamentsmitgliedern unterstützt. Nach seiner Rückkehr interpretierte Dr. Martin seine Auffassung damit, das vorgesehene Gesetz sei auf Grund der Verfassung nicht praktikabel.
Am 3. Dezember 1963 erklärte der Bundeskanzler vor der Bundespressekonferenz, die Bundesregierung sehe in der Tätigkeit deutscher Wissenschaftler in Ägypten zwar einen in höchstem Maße unerwünschten Vorgang; andererseits sei aber die deutsche Beteiligung nicht so groß, daß man daraus eine politische Aktion machen sollte.
In der Fragestunde des Bundestages in der 98. Sitzung am 4. Dezember 1963 stellte ich 51/2 Monate nach der Verabschiedung des einstimmigen Beschlusses des Bundestages die Frage:
„Wann wird die Bundesregierung dem einstimmigen Beschluß des Deutschen Bundestages vom
28. Juni 1963 entsprechen und ein weiteres Gesetz zur Ausführung des Artikels 26 Abs. 2 GG (Herstellung und Vertrieb von Waffen) vorlegen?"
Die Antwort lautete:
Schmücker, Bundesminister für Wirtschaft: „Die beteiligten Bundesministerien haben geprüft, ob ein weiteres Ausführungsgesetz zu Art. 26 Abs. 2 des Grundgesetzes vorgelegt werden kann oder andere Maßnahmen vorzuschlagen sind. Das Ergebnis ist in einer Kabinettsvorlage dargestellt. Die Bundesregierung wird darüber am 11. Dezember beraten."
Am 11. Dezember 1963 beschloß das Bundeskabinett, den Bundesinnenminister zu beauftragen, eine Änderung des Paßgesetzes zu erarbeiten. Seitens der SPD-Fraktion wurde dazu am 12. Dezember 1963 erklärt, daß die vorgesehene Änderung des Paßgesetzes nicht ausreiche und die Regierung offenbar einer eindeutigen Entscheidung ausweichen wolle.
Am 16. Januar 1964 fand auf Einladung des Bundesministers des Innern eine Besprechung mit Vertretern der Fraktionen über die Ausführung des Beschlusses des Bundestages vom 28. Juni 1963 statt. Der Bundesinnenminister erklärte, daß nach seiner Auffassung ein Ausführungsgesetz zur Artikel 26 Grundgesetz nicht möglich sei und er eine Änderung des Paßgesetzes vorschlage.
Dazu nahm die Fraktion der SPD verabredungsgemäß mit Schreiben vom 23. Januar 1964 Stellung und erklärte:
„Die Fraktion der SPD hat Kenntnis genommen von den Plänen der Bundesregierung, wonach beabsichtigt ist, einzelne Bestimmungen des Paßgesetzes zu ändern und gewisse Strafbestimmungen im Zusammenhang damit einzuführen.
Meine Fraktion ist der Auffassung, daß mit derartigen Vorschlägen allein weder dem Beschluß des Bundestages vom 28. Juni 1963 noch überhaupt dem sachlichen Bedürfnis hinreichend Rechnung getragen wird. Sie ist insbesondere der Auffassung, daß es geboten ist, in Anlehnung an Artikel 26 Abs. 1 und 2 GG und die Bestimmungen des Kriegswaffengesetzes ein Verfahren vorzusehen, das auch die persönliche Tätigkeit bei der Herstellung von Kriegswaffen von einer Genehmigung abhängig macht insbesondere dann, wenn diese Tätigkeit im Ausland ausgeübt wird.
Die hierzu vorgetragenen verfassungsrechtlichen Bedenken vermögen nicht zu überzeugen. Es kann nicht darauf ankommen, ob der aus Artikel 26 Abs. 2 herzuleitende Auftrag bereits erfüllt, diese Bestimmung also "verbraucht" ist oder nicht. In jedem Falle bietet Artikel 26 Abs. 2 in Verbindung mit Abs. 1 eine hinreichende verfassungsrechtliche Grundlage und auch Sicherheit für Überlegungen in dem angeregten Sinne.
Meine Fraktion hat deshalb den Wunsch, daß noch einmal geprüft werde, ob die Bundesregierung sich nicht entschließen kann, entsprechende gesetzgeberische Vorschläge zu machen.
6606 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 133. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1964
Allerdings sollte bei aller Notwendigkeit, derartige weitere Schritte zu prüfen, das bisher geplante Gesetzesvorhaben nicht verzögert werden. Meine Fraktion wäre deshalb gegebenenfalls bereit, eine Vorlage der Bundesregierung im bisher geplanten Rahmen grundsätzlich zu unterstützen, wenn zugesichert würde, daß im weiteren Gesetzgebungsverfahren auch von ihrer Seite die von uns für notwendig gehaltenen Ergänzungen und Erweiterungen weiter verfolgt und unterstützt würden."
Trotzdem erklärte der Bundesminister am 27. Februar 1964, daß eine Änderung des Paßgesetzes die einzige in Frage kommende Maßnahme sei.
In der Fragestunde des Bundestages vom 5. März 1964 in seiner 119. Sitzung habe ich die Bundesregierung gefragt:
„Wann wird die Bundesregierung in Ausführung des einstimmigen Beschlusses des Bundestages vom 28. Juni 1963 den Entwurf eines Zweiten Ausführungsgesetzes zu Artikel 26 Abs. 2 des Grundgesetzes vorlegen?"
Der Bundesminister antwortete, in den nächsten 14 Tagen dürfte die von ihm erarbeitete Vorlage im Kabinett verabschiedet werden.
Am 27. März 1964 verlautete, die Vorlage des Innenministers sei auf Widerstand innerhalb der Bundesregierung gestoßen.
In der Fragestunde des Bundestages vom 15. April 1964 in seiner 122. Sitzung erklärte der Bundesverteidigungsminister auf die Frage des SPD-Abgeordneten Cramer, ob die Bundesregierung und ihr früherer Verteidigungsminister die Tätigkeit deutscher Flugzeugingenieure beim Bau der für Ägypten bestimmten Düsenträger gebilligt und unterstützt habe, daß weder die Bundesregierung noch ihr früherer Verteidigungsminister diese Tätigkeit gebilligt noch unterstützt habe. Das Bundesministerium für Verteidigung habe schon frühzeitig gegen die Tätigkeit deutscher Experten für militärische Zwecke in Ländern, die nicht Mitglieder der NATO sind, Vorstellungen erhoben.
Am 20. April 1964 verlautete, daß die Bedenken innerhalb der Bundesregierung gegen den Entwurf des Innenministeriums zurückgestellt worden seien.
Am 21. April 1964 erklärte der Vorsitzende des Innenausschusses des Bundestages, der SPD-Abgeordnete Schmitt-Vockenhausen, daß die zu erwartende Vorlage der Bundesregierung weder den Beschluß des Bundestages vom 28. Juni 1963 ausführe noch frei von verfassungsrechtlichen Bedenken sei.
Am 22. April 1964 erklärte das Bundeskabinett, es bestünden nach wie vor gegen den Entwurf des Innenministers rechtliche und politische Bedenken und verschob die Verabschiedung des Gesetzentwurfs erneut. Am gleichen Tage forderte der Abgeordnete Schmitt-Vockenhausen erneut die Vorlage eines Ausführungsgesetzes zu Artikel 26 des Grundgesetzes.
In der Fragestunde des Bundestages in seiner 124. Sitzung am 29. April 1964 habe ich zum dritten Male die Frage gestellt, wann die Bundesregierung in Ausführung des einstimmigen Beschlusses des Deutschen Bundestages vom 28. Juni 1963 den Entwurf ,eines Zweiten Ausführungsgesetzes zu Artikel 26 Abs. 2 des Grundgesetzes vorlegen werde. Der Herr Bundesinnenminister hat zwar ausführlich zu den von ihm behaupteten Schwierigkeiten Stellung genommen, jedoch weder erklärt noch erkennen lassen, wann mit der Vorlage eines Gesetzentwurfs durch die Bundesregierung zu rechnen sei.
Am selben Tage hat die Fraktion der SPD angekündigt, sie werde sich erneut um eine Initiative aus der Mitte des Bundestages bemühen.
In ihrer Sitzung vom 25. Mai 1964 forderte die SPD-Bundestagsfraktion auf Grund eines Berichts des Vizepräsidenten des Bundestages Professor Carlo Schmid die alsbaldige Vorlage eines Gesetzes zu Artikel 26 des Grundgesetzes.
Am 29. Mai 1964 forderte der Vorstand der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands die Bundestagsfraktion auf, die Arbeiten beschleunigt fortzusetzen, um gesetzliche Grundlagen zu schaffen, wonach deutsche Staatsbürger nicht durch waffentechnische Entwicklung an der Vorbereitung von Angriffskriegen beteiligt sein dürfen.
Am 3. Juni 1964 billigte die SPD-Bundestagsfraktion den jetzt vorgelegten Entwurf eines Zweiten Ausführungsgesetzes zu Artikel 26 Abs. 2 des Grundgesetzes und leitete ihn den beiden anderen Fraktionen des Bundestages mit dem Angebot zu, sich der Einbringung dieses Entwurfs anzuschließen. Nachdem beide Fraktionen auf dieses Angebot nicht eingegangen sind, hat die Fraktion der SPD allein die Initiative ergreifen müssen und den Gesetzentwurf nunmehr vorgelegt.
Vor nunmehr 5/4 Jahren ist das Problem der Tätigkeit deutscher Wissenschaftler und Techniker bei der Entwicklung und Herstellung von Kriegswaffen im Ausland akut geworden. Seit 5/4 Jahren hat sich die Bundesregierung als außerstande erwiesen, dieses Problem in einer den Interessen der Bundesrepublik Deutschland gerechtwerdenden Weise zu lösen. Nach einem Jahr ist noch immer nicht abzusehen, ob, wann und wie der einstimmige Auftrag des Bundestages ausgeführt werden wird. Deshalb muß das Parlament die Ausführung seines Auftrages nunmehr selbst in die Hand nehmen..
Der vorgelegte Entwurf läßt sich von folgenden grundsätzlichen Erwägungen leiten: In den Artikeln 24 bis 26 des Grundgesetzes sind für die Stellung der Bundesrepublik Deutschland in der Gemeinschaft der Völker verbindliche Grundsätze und Richtlinien festgelegt. Die Bereitschaft zum Verzicht auf eigene Hoheitsrechte zugunsten eines Systems zur Sicherung des Friedens, die Anerkennung der Verbindlichkeit der allgemeinen Regeln des Völkerrechts und schließlich das eindeutige Verbot aller Handlungen, die geeignet sind, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören, lassen sich in der Feststellung zusammenfassen: Das Grundgesetz gebietet der Bundesrepublik Deutschland und den
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 133. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1964 6607
deutschen Staatsbürgern eine unbedingte Pflicht zum Frieden. Diese Pflicht zum Frieden ist nicht beschränkt auf deutsches Gebiet, sondern gilt für das Verhalten deutschen Staatsbürger überall in der Welt. Der richtig verstandene Sinn der Vorschriften ist und kann nur sein, nicht den geringsten Zweifel am Friedenswillen der Bundesrepublik Deutschland und des deutschen Volkes aufkommen zu lassen, ganz gleich, wo und unter welchen Umständen diese Frage auftauchen könnte. Es ist eine ebenso notwendige wie selbstverständliche Folgerung daraus, daß deshalb Deutsche nirgendwo in der Welt daran mitwirken dürfen, zur Kriegführung bestimmte Waffen zu entwickeln, herzustellen, an ihrer Herstellung mitzuwirken oder in den Verkehr zu bringen.
Der vorgelegte Gesetzentwurf geht von diesem Grundsatz aus.
Es ist nicht leicht, im einzelnen zu bestimmen, welche Waffen als zur Kriegführung bestimmt angesehen werden müssen. Diese Frage ist aber schon an anderer Stelle, nämlich in dem - ich sage hier zur Erklärung - „Ersten" Gesetz über die Kontrolle von Kriegswaffen vom 20. April 1961 geklärt. Diesem Gesetz ist eine Anlage beigefügt, die im einzelnen die Kriegswaffen bestimmt. Diese bereits vorhandene gesetzliche Grundlage soll auch den Maßstab für die Anwendung des Zweiten Ausführungsgesetzes zu Artikel 26 Abs. 2 des Grundgesetzes setzen.
Der Einwand, Artikel 26 Abs. 2 des Grundgesetzes sei bereits verbraucht, ist falsch. Ein Auftrag des Grundgesetzes wird nicht dadurch verbraucht, daß in einem Ausführungsgesetz eine Teilfrage dieses Auftrages gelöst wird. Die Tatsachen haben ergeben, daß der Auftrag, der sich aus Artikel 26 Abs. 2 des Grundgesetzes auch in seinem Zusammenhang mit Artikel 26 Abs. 1 ergibt, umfassender verstanden werden muß. Nicht nur durch die Kontrolle von Kriegswaffen ist die Friedenspflicht gewährleistet. Vollständig wird sie erst gesichert durch das gesetzliche Verbot gegenüber deutschen Staatsbürgern, auch im Ausland zur Kriegsführung bestimmte Waffen zu entwickeln oder herzustellen.
Um der Sorge zu begegnen, daß dieser Grundsatz unter Umständen in Kollosion geraten könnte mit den Verteidigungs- und Bündnispflichten der Bundesrepublik Deutschland, ist vorgesehen, daß die Bundesregierung im Einzelfall auf Antrag und auf Grund besonderer sorgfältiger Prüfung Ausnahmegenehmigungen erteilen kann, allerdings nur für solche Länder, mit denen die Bundesrepublik Deutschland sich in einem gemeinsamen Verteidigungsbündnis befindet.
Der Entwurf sieht weiter vor, daß derjenige, der das gesetzliche Verbot mißachtet, bestraft wird. Es wird noch im einzelnen zu prüfen sein, ob nicht auf diesem Wege endlich auch die Möglichkeit gefunden werden kann, Artikel 26 Abs. 1 des Grundgesetzes zu erfüllen, wonach Handlungen, die geeignet sind und in der Absicht vorgenommen werden, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören, insbesondere die Führung eines Angriffskrieges vorzubereiten, verfassungswidrig sind und unter Strafe gestellt werden müssen.
Die Fraktion der SPD gibt der Erwartung Ausdruck, daß in Anerkennung des seit 15 Jahren ungelösten Verfassungsauftrages nunmehr alsbald die Beratung dieses Entwurfs in den Ausschüssen aufgenommen und abgeschlossen werden wird. Es kann nur den Interessen und dem Ansehen der Bundesrepublik Deutschland in der Gemeinschaft der Völker dienen, wenn sie ihren Willen unmißverständlich bekundet. Der vorgelegte Entwurf bietet hierzu eine Diskussionsgrundlage. Schon allzulange ist gezögert worden. Die Bundesrepublik Deutschland war und ist deshalb den unterschiedlichsten Vorwürfen und Anfeindungen ausgesetzt worden. Es wäre besser gewesen, man hätte sich rechtzeitig darum bemüht, eine solche Situation zu vermeiden.
Der Gedanke, daß an uns die Frage gestellt wird, ob Deutsche erneut in Handlungen verwickelt werden können, die zur Gewaltanwendung gegen andere Völker beitragen könnten, muß für jeden Deutschen unerträglich sein. Es wäre besser gewesen, wenn wir es niemals zu einer Situation hätten kommen lassen, in der diese Frage auch nur gestellt werden könnte. Das, was in diesem Teil der Welt gerade für Deutschland besonders bedrückend sein muß, kann sich in anderer Form in jedem anderen Teil der Welt jederzeit wiederholen. Dem können wir nur dadurch begegnen, daß endlich eindeutige gesetzliche Grundlagen geschaffen werden.
Anlage 4
Schriftliche Ergänzungen
des Bundesministers Schmücker zu seinen mündlichen Ausführungen zu dem Bericht der Bundesregierung über die Wirtschaftsentwicklung im Jahre 1963 und die Aussichten für 1964 (Drucksachen 1V/1352, zu 1752) t).
Veränderungen gegenüber
der gleichen Zeit
des Vorjahres
1964 1963 1962
Lebenshaltungskosten
Januar 2,6 3,6 3,5
Februar 1,5 4,7 3,5
März 1,3 4,4 3,8
April 1,6 3,6 4,6
Einzelhandelspreise
Januar 1,9 2,7 3,7
Februar 1,3 3,3 3,7
März 1,1 3,1 4,0
April 1,2 2,5 4,7
Industrielle Erzeugerpreise
Januar 0,8 1,0 0,9
Februar 0,8 1,0 0,8
März 0,9 0,8 1,0
April 1,2 0,5 1,3
*) Siehe Seite 6559 B
6608 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 133. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1964
Landwirtschaftliche
Erzeugerpreise
Januar 4,8 3,0 5,0
Februar 1,8 4,5 5,3
März —1,6 2,5 9,7
April —2,6 —0,3 11,4
Bauleistungen am Gebäude
Februar 4,6 7,5 8,6
Baunebenleistungen
Februar 4,0 6,4 9,5
Anlage 5
Schriftliche Begründung
des Bundesministers Dr. Dahlgrün zu .dem von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Körperschaftsteuergesetzes, des Spar-Prämiengesetzes, des Wohnungsbau-Prämiengesetzes und anderer Gesetze (Steueränderungsgesetz 1964) (Drucksache IV/2400).
Mit dem Entwurf eines Steueränderungsgesetzes
(B) 1964, den ich heute einzubringen ,die Ehre habe, setzt die Bundesregierung ihre umfassend angelegten Bemühungen zur Verbesserung des Steuerrechts fort. Im Gegensatz zu den dem Hohen Hause bereits vorliegenden Entwürfen eines neuen Umsatzsteuergesetzes und eines Änderungsgesetzes zum Bewertungsgesetz, deren wesentliches Ziel auf lange Sicht die Schaffung wettbewerbsneutralerer Besteuenungsgrundlagen darstellt, sieht der Entwurf eines Steueränderungsgesetzes 1964 erstmals wieder seit 1958 eine kräftige Entlastung der Steuerpflichtigen vor. Der Gesamtbetrag dieser Entlastung beläuft sich auf rd. 2,75 Mrd. DM.
Die Änderungsmaßnahmen des Gesetzentwurfs sind seit einigen Monaten Gegenstand der steuerpolitischen Diskussion. Diese Diskussion hat sich zunächst an der Frage entzündet, ob die vorgeschlagenen Steuersenkungsmaßnahmen den gesellschaftspollitischen Zielsetzungen einer gerechteren Verteilung der wachsenden Steuerlast entsprechen. Darüber hinaus aber ist der Gesetzentwurf auch wegen seiner haushaltsmäßigen Rückwirkungen und in letzter Zeit insbesondere wegen seiner möglichen Einflußnahne auf die in 1965 zu erwartende konjunkturelle Situation erörtert und kritisiert worden. Ich möchte deshalb die Gelegenheit benutzen, mich mit diesen Problemen ,auseinanderzusetzen. Zunächst gestatten Sie mir jedoch, daß ich Ihnen einen kurzen Überblick über den wesentlichen Inhalt des Steueränderungsgesetzes 1964 selbst gebe.
Dieses Gesetz soll in dem zur Zeit möglichen Umfang insbesondere as Einkommensteuerrecht an die veränderten wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse anpassen sowie die staatliche Sparförderung harmonisieren. Der Gesetzentwurf enthält vier Schwerpunkte:
— die Korrektur des Einkommensteuertarifs und die damit zusammenhängenden außertariflichen Maßnahmen,
— die Änderung der steuerlichen Gewinnermittlungsvorschriften durch Einfügung eines neuen § 6 b in ,das Einkommensteuergesetz,
— neue und verbesserte Sonderabschreibungen und
— die Neuregelung der Sparförderung.
Neben diesen Schwerpunkten enthält der Gesetzentwurf eine Reihe von Maßnahmen, die zwar im Einzelfall entscheidende Bedeutung haben können, die aber im Verhältnis zu den Schwerpunkten insgesamt auch haushaltsmäßig — nicht ins Gewicht fallen. In diesem Zusammenhang ist beispielsweise zu erwähnen, daß die Bundesregierung die Verlängerung der §§ 7 e und 10 a des Einkommensteuergesetzes vorschlägt, die bestimmte steuerliche Vergünstigungen für Heimatvertriebene, Flüchtlinge und Verfolgte enthalten.
Kernstück ides Gesetzentwurfs sind die Korrektur des Einkommensteuertarifs und die damit zusammenhängenden außertariflichen Maßnahmen. Durch die Korrektur des Einkommensteuertarifs soll das überproportionale Wachstum der Einkommensteuer im Verhältnis zum Wachstum der Einkommen selber tendenziell gedämpft werden. Deshalb sollen der Steuersatz in der Proportionalzone, d. h. für Einkommen bis 8000 DM für Ledige und 16 000 DM für Verheiratete, um 5 v. H., nämlich von 20 v. H. auf 19 v. H. gesenkt und die Unebenheiten im Tarifverlauf innerhalb der Progressionszone dergestalt beseitigt werden, daß im Anschluß an den Proportionalsteuersatz der Progressionstarif mit einem Spitzensteuersatz von 19 v. H. anstelle von bisher 27,2 v. H. beginnt. Diese Beseitigung von Unebenheiten führt zu einer Progressionsabschwächung bis zu Einkommen von 75 000 DM bzw. 150 000 DM. Oberhalb dieser Einkommen wird die Durchschnittsbelastung des gegenwärtigen Tarifs wieder erreicht.
Mit der Tarifkorrektur zusammen gesehen werden müssen die Einführung eines Ausbildungsfreibetrages für Kinder, die sich nach Vollendung des 15. Lebensjahres in der Ausbildung befinden, die Einführung eines Arbeitnehmerfreibetrags und die Erhöhung des Sonderausgabenpauschbetrags für Arbeitnehmer. Mit der Einführung eines Ausbildungsfreibetrags will die Bundesregierung ein spezielles bildungspolitisches Anliegen konkretisieren. Sie hofft, ,damit auch dazu beizutragen, durch eine steuerliche Entlastung die Eltern zu veranlassen, ihre Kinder über (die Volksschulzeit hinaus ausbilden zu lassen. Neu ist auch ein Arbeitnehmerfreibetrag der vorgesehenen Art, wodurch den Arbeitnehmern ein gewisser Ausgleich, u. a. auch dafür gewährt werden soll, daß sie im Lohnsteuerabzugsverfahren ihre Steuer zeitnäher als die veranlagten Steuerpflichtigen .entrichten müssen. Insgesamt führen allein die Tarifkorrektur und die damit zusammenhängenden Maßnahmen zu einer durchschnitt-
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 133. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1964 6609
lichen Steuerentlastung der Einkommensteuer- und Lohnsteuerpflichtigen von 9 v. H.
Den zweiten Schwerpunkt des Gesetzentwurfs bildet der neue § 6 b des Einkommensteuergesetzes, wodurch die bisherigen Gewinnermittlungsgrundsätze in der Weise geändert werden sollen, daß die bei der Veräußerung bestimmter Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens aufgedeckten stillen Reserven auf bestimmte Neuinvestitionen übertragen werden können. Die neue Vorschrift wird die Rationalisierung der Unternehmen erleichtern und nicht zuletzt auch die steuerlichen Probleme lösen, die sich bei der Verlagerung von Betrieben aus Ballungszentren ergeben.
Als dritten Schwerpunkt darf ich die Einführung neuer und die Verbesserung bereits bestehender Sonderabschreibungen nennen. Insbesondere die neuen Sonderabschreibungen für Einrichtungen, die der Forschung und Entwicklung dienen, sind wegen der zunehmenden volkswirtschaftlichen Bedeutung und unserer aller Abhängigkeit von der Forschung und Entwicklung unabweisbar geworden. Ebenfalls unabweisbar sind die neuen Sonderabschreibungen für Einrichtungen, die der Lärmbekämpfung dienen, sowie die verbesserten Sonderabschreibungen für Wirtschaftsgüter, die der Luftreinigung, der Abwässerbeseitigung sowie der Modernisierung des Althausbesitzes dienen.
Ein weiteres Kernstück des Gesetzentwurfs ist ein Vorschlag zur Neuregelung der Sparförderung im Sinn der vom Bundestag geforderten Harmonisierung der zur Zeit geltenden verschiedenen Förderungsmaßnahmen. Ausgangspunkt für die Konzeption der Bundesregierung ist die Überlegung, daß — unbeschadet des weiterhin geltenden Grundsatzes, daß die private Alterssicherung nicht zuletzt im Interesse individueller Gestaltungsmöglichkeiten allgemein eine steuerliche Begünstigung verdient — auf die Dauer gesehen die staatliche Förderung der Eigentumsbildung nur bei den Beziehern kleiner und mittlerer Einkommen berechtigt ist. Sie muß deshalb so gestaltet sein, daß sie den finanziellen Möglichkeiten dieser Bevölkerungskreise entspricht und die einkommensstärkeren Schichten keinen größeren Nutzen daraus ziehen als die einkommensschwächeren. Aus diesem Grunde sieht der Gesetzentwurf vor, die kumulative Inanspruchnahme der verschiedenen für das Bausparen und das Konten-und Wertpapiersparen vorgesehenen Begünstigungen für nach dem 31. Dezember 1964 abgeschlossene Verträge auszuschließen und nach Ablauf einer Übergangszeit, die am 31. Dezember 1972 enden soll, die genannten Sparformen nur noch mit nach einheitlichen Maßstäben zu errechnenden Geldprämien zu begünstigen.
Lassen Sie mich nun kurz auf einige Änderungsvorschläge zu dem Gesetzentwurf eingehen, denen nach Auffassung der Bundesregierung nicht gefolgt werden kann.
a) Zum Einkommensteuertarif hat der Bundesrat vorgeschlagen, .die Tarifkorrektur nicht erst, wie in der Regierungsvorlage vorgesehen, bei rd. 75 000 DM für Ledige und bei rd. 150 000 DM für Verheiratete
in den bisherigen Tarif einlaufen zu lassen, sondern bereits bei 60 000 DM bzw. 120 000 DM. Eine derartige Tarifgestaltung, die nur zu Mehreinnahmen von schätzungsweise 50 Mio DM führen würde, begegnet nicht zuletzt vom Tarifverlauf 'her starken Bedenken. Ohne Frage könnte der Tarif weitaus harmonischer gestaltet werden, wenn die Steuersenkung bis zu einem Einkommen von 110 000 DM bzw. 220 000 DM durchgeführt werden würde. Da jedoch .die Tarifkorrektur auch aus haushaltsmäßigen und konjunkturpolitischen Gründen in ihrer Wirkung beschränkt bleiben muß, hat die Bundesregierung mit der Begrenzung auf 75 000 bzw. 150 000 DM bereits einen Kompromißweg beschritten. Wollte man aber die Tarifkorrektur schon bei einem Einkommen von 60 000 DM bzw. 120 000 DM in den bisherigen Tarif einmünden lassen, so müßte der Tarif zu Beginn der Progressionszone einen sehr steilen Verlauf nehmen. Das hätte zur Folge, daß die Spitzensteuersätze, die für die Besteuerung des Einkommenzuwachses maßgebend und somit für das Erwerbsstreben von besonderer Bedeutung sind, stärker angehoben werden müßten. Sie lägen dann bereits bei Einkommen von 17 000 DM für Ledige und 34 000 DM für Verheiratete 'über denen des geltenden Rechts. Eine solche Verschlechterung des Tarifs würde insbesondere ,den mittelständischen Einkommensgruppen zum Nachteil gereichen, ein Nachteil, der .aus keinem Grunde zu rechtfertigen wäre.
b) Die Bundesregierung vermag auch der von der Opposition (BT-Drucksache IV/1568) geforderten Erhöhung des Spitzensteuersatzes von 53 v. H. auf 58 v. H. nicht zu folgen. Ich habe bereits von dieser Stelle aus, und zwar in der 96. Sitzung des Bundestages am 14. November 1963, darauf hingewiesen, daß eine 'derartige Tarifänderung nur Mehreinnahmen von 150 Mio DM erbringen würde. Auf diesem Weg ist also eine offensichtlich damit angestrebte Gewichtsverlagerung indem Sinn, daß die Steuerbelastung wirksam von den unteren und mittleren Einkommen auf die höheren Einkommen umgeschichtet wird, überhaupt unmöglich. Wesentlicher aber scheint mir zu sein, daß den geringfügigen fiskalischen Vorteilen unverhältnismäßig große Nachteile gegenüberstehen. So müßte eine noch stärkere Anspannung der Spitzenbelastung bei der Einkommensteuer, die ja im Zusammenhang mit der Steuerbelastung insgesamt zu sehen ist, die Investitionsneigung nachteilig beeinflussen. Auch wären Preissteigerungen, eine verstärkte Neigung 'zu wirtschaftlich unvernünftigen Betriebsausgaben sowie ein Anwachsen der Steuerflucht zu befürchten. Schließlich aber würde damit das bisher bestehende ausgewogene Verhältnis zwischen der Einkommensteuerbelastung und der Körperschaftsteuerbelastung, auf das die Bundesregierung aus volkswirtschaftlichen und gesellschaftspolitischen Gründen Wert legen muß, wieder ,empfindlich gestört.
c) Die Bundesregierung kann sich auch nicht dazu entschließen, jetzt schon die Abzugsfähigkeit der Vermögensteuer bei der Ermittlung des Einkommens einzuschränken, wie es die Opposition gefordert hat. (BT-Drucksache IV/1567). Es handelt sich hier ohnehin um eine höchst problematische Frage,
6610 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 133. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1964
Die Bundesregierung ist der Meinung, daß diese Frage überhaupt erst aufgegriffen werden sollte, wenn die Unebenheiten, die auf dem Gebiet der Vermögensbesteuerung heute noch bestehen, beseitigt sind. Ich denke dabei vor allem daran, daß die Bewertung des Grundbesitzes heute noch den Ansätzen für 1935 folgt, während die übrigen Vermögensgegenstände mit zeitnahen Werten steuerlich zu erfassen sind. Abgesehen davon bin ich der Meinung, daß bei einer Neuregelung dieses ganzen Komplexes — einschließlich der Frage des Vermögensteuerabzugs bei der Einkommensteuer — auf keinen Fall, wie ich bereits früher betont habe, die mittelständischen Einkommen und Vermögen einer höheren Belastung ausgesetzt werden dürfen, als das derzeitig der Fall ist. Die Folge der von der Opposition gemachten Vorschläge, die Abzugsfähigkeit der Vermögensteuer bei der Einkommensteuer etwa auf einen Betrag von 200 DM zu beschränken, würde aber sein, daß trotz der Senkung der Einkommensteuer eine höhere Gesamtbelastung durch Einkommensteuer und Vermögensteuer einträte. Schon aus diesen Gründen muß sich die Bundesregierung gegen diese Vorschläge aussprechen.
d) Es ist ferner vorgeschlagen worden, nicht einen Arbeitnehmerfreibetrag von 120 DM, sondern einen Arbeitnehmerfreibetrag von 360 DM einzuführen. Hierzu vertritt die Bundesregierung die Auffassung, daß der von ihr vorgesehene Freibetrag etwaige steuerliche Nachteile der Arbeitnehmer durchaus ausgleicht, zumal nicht verkannt werden darf, daß Arbeitnehmern bereits ein Weihnachtsfreibetrag in Höhe von weiteren 100 DM zugute kommt. Eine Erhöhung des Arbeitnehmerfreibetrags von 120 DM auf 360 DM würde außerdem einen zusätzlichen Steuerausfall von 800 bis 850 Mio DM zur Folge haben, der nach Auffassung der Bundesregierung nicht tragbar ist.
e) Zur Neuregelung der Sparförderung hat der Bundesrat in seiner Stellungnahme zur Regierungsvorlage Änderungsvorschläge gemacht, die der von mir bereits dargelegten Konzeption der Bundesregierung für eine allmähliche Harmonisierung der staatlichen Sparförderungsmaßnahmen, um die übrigens dieses Hohe Haus in einer Entschließung selbst ersucht hatte, widersprechen. Die Vorschläge des Bundesrats zielen darauf ab, den Vorrang des Bausparens vor dem Konten- und Wertpapiersparen steuerrechtlich durch Beibehaltung des Sonderausgabenabzugs der Bausparkassenbeiträge und prämienrechtlich durch ein erhöhtes begünstigungsfähiges Sparvolumen bei gleichzeitig höheren Prämiensätzen für die Dauer beizubehalten. Damit würde aber auf die Harmonisierung der beiden Sparformen weitgehend verzichtet. Die Bundesregierung verkennt keineswegs, daß sich für die Bausparkassen aus der Änderung der Sparförderung Probleme ergeben können. Sie ist aber der Meinung, daß die von ihr vorgesehene Übergangszeit bis 1. Januar 1973 ausreichen sollte, um sich auf diese Probleme einzustellen und. damit fertig zu werden. Deshalb vermag die Bundesregierung den Vorschlägen des Bundesrats nicht zu folgen. Das Problem der Harmonisierung der Sparförderung ist jedoch so
vielschichtig, daß es im Finanzausschuß des Bundestages sorgfältig geprüft werden sollte.
Wenn ich mich nun den hauswirtschaftlichen Fragen zuwende, so kann ich feststellen, daß die mit dem Gesetzentwurf verbundenen Steuermindereinnahmen und Haushaltsmehrausgaben dank der Wirtschaftsentwicklung tragbar sind. Die stärkste Haushaltsbelastung tritt mit einem Ausfall von etwa 1900 Mill. DM im Rechnungsjahr 1965 ein; davon entfallen rd. 740 Mill. DM auf den Bund und 1160 Mill. DM auf die Länder. Trotz dieser sicherlich nicht unbeträchtlichen Einbußen kann jedoch nach den neuesten Schätzungen für 1965 — im Vergleich zu 1964 — mit folgenden Steuermehreinnahmen gerechnet werden:
Beim Bund
(bei einem Gesamtaufkommen
in 1965 von 57,057 Mrd. DM) 3,8 Mrd. DM
Bei den Ländern
(bei einem Gesamtaufkommen
in 1965 von 32,853 Mrd. DM) 1,8 Mrd. DM
Bei den Gemeinden
(bei einem Gesamtaufkommen
in 1965 von 13,2 Mrd. DM) 0,8 Mrd. DM
Zusammen
(bei einem Gesamtaufkommen
in 1965 von 103,1 Mrd. DM) = 6,4 Mrd. DM
Ich bin der Ansicht, daß für die Gesamtheit der öffentlichen Haushalte bei einer — auch konjunkturpolitisch gebotenen — sparsamen Haushaltsführung diese Steuermehreinahmen, wenn auch mit einiger Anstrengung, ausreichen, die zwangsläufigen Mehrausgaben der öffentlichen Hand im Jahre 1965 zu decken, ohne daß der Kapitalmarkt zusätzlich beansprucht werden müßte. In den folgenden Rechnungsjahren sind die neu hinzukommenden Steuerausfälle (mit 850 Mill. DM in 1966 und 50 Mill. DM in 1967) ohnehin geringer. Diese Feststellungen gelten aber nur unter der Voraussetzung, daß keine Maßnahmen beschlossen werden, durch die das Volumen der Steuermindereinnahmen ausgeweitet wird.
Die haushaltswirtschaftlichen Auswirkungen des Gesetzentwurfs stehen in engem Zusammenhang mit der in der Öffentlichkeit besonders heftig diskutierten Frage, wie die vorgeschlagenen Steuersenkungen unter konjunkturellen Gesichtspunkten zu beurteilen sind. Zur derzeitigen konjunkturellen Situation hat bereits heute in diesem Hohen Hause eine lebhafte Diskussion stattgefunden, so daß ich mich hier kurz fassen kann. Sie wissen, daß die Bundesregierung Maßnahmen eingeleitet hat, die einen konjunkturdämpfenden Einfluß ausüben sollen. Wenn es aber gelingt, die konjunkturelle Entwicklung im Zaume zu halten, und wenn massivere Maßnahmen konjunkturpolitischer Art mithin unterbleiben können, dann stellt sich nur die Frage, ob die für die Steuersenkung veranschlagten Beträge zweckmäßiger in der Hand der Steuerpflichtigen oder in der Hand des Staates aufgehoben sind.
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 133. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1964 6611
Wie ich bereits erwähnt habe, werden trotz der vorgesehenen Steuersenkung die Steuermehreinnahmen für das kritische Jahr 1965 im Vergleich zu 1964 auf 6-7 v. H. veranschlagt. Auf annähernd den gleichen Prozentsatz, nämlich auf 5-6 v. H., soll nach Auffassung der Bundesregierung und entsprechend den Empfehlungen des EWG-Ministerrates der Ausgabenzuwachs der öffentlichen Haushalte begrenzt werden. Eine solche Begrenzung wird am ehesten sichergestellt durch eine Beschneidung der Einnahmen.
Bei einem Verzicht auf die beabsichtigte Steuersenkung würden den öffentlichen Haushalten etwa 1,9 Mrd. DM für 1965 mehr zur Verfügung stehen, die — wie es bei der Verwendung zusätzlicher Einnahmen in der Regel der Fall ist — gerade für solche Vorhaben, insbesondere Baumaßnahmen eingesetzt werden würden, die in einen konjunkturell besonders überhitzten Bereich fallen. Demgegenüber ist die Multiplikatorwirkung einer Steuersenkung als sehr viel ungefährlicher anzusehen. Von dem in 1965 entstehenden Gesamtausfall von etwa 1,9 Mrd. DM entfallen schätzungsweise rd. 1,8 Mrd. DM auf die Ermäßigung der Einkommensteuer. Dieser Betrag verteilt sich auf über 20 Millionen Steuerpflichtige, welche die Steuerersparnis für die verschiedensten Zwecke verwenden werden. Ein großer Teil der Steuersenkung dürfte dem privaten Verbrauch zufließen, dessen Entwicklung bisher in verhältnismäßig ruhigen Bahnen verlaufen ist. Die Angebotselastizität dürfte in diesem Bereich noch relativ groß sein. Eine konjunkturpolitisch unerwünschte Ausweitung der Konsumgüternachfrage durch die Steuersenkung ist kaum zu erwarten, weil angesichts der hohen Sparneigung (die Sparquote betrug 1962: 8,5 v. H. und 1963: 9,6 v. H.) ein nicht unbeträchtlicher Teil der Steuerersparnis auf die „hohe Kante" gelegt werden und weil die Steuerentlastung der Arbeitseinkommen vermutlich auch einen mäßigenden Einfluß auf künftige Lohnverhandlungen ausüben dürfte. Von besonderer konjunkturpolitischer Bedeutung ist, daß höhere Einkommen (über 75 000 DM bzw. für Verheiratete über 150 000 DM) nach dem Regierungsentwurf durch die Korrektur des Einkommensteuertarifs keine Entlastung erfahren sollen.
Etwas schwieriger abzuwägen sind die konjunkturellen Wirkungen, die sich aus der Einführung eines neuen § 6 b EStG (Übertragung der bei der Veräußerung von bestimmten Anlagegütern aufgedeckten stillen Reserven auf Neuinvestitionen im Anlagevermögen) und durch die Einführung neuer Sonderabschreibungen ergeben. Wenn auch wegen der „nachhinkenden" Veranlagung der für das kritische Jahr 1965 zu erwartende Steuerausfall durch diese Maßnahmen nur bei etwa 50 Mill. DM liegt, so sind doch die Impulse auf die Investitionsneigung nicht zu verkennen, die von diesen neuen Bestimmungen ausgehen. Immerhin glaubt die Bundesregierung auch angesichts des noch jetzt erkennbar werdenden Nachfragedrucks nach Investitionsgütern diese Vorschläge noch befürworten zu können. In diesem Zusammenhang prüft die Bundesregierung zur Zeit den Gedanken einer Ermächtigung, die es
ihr gestatten soll, bei einer Konjunkturerhitzung steuerliche Vorschriften einzuschränken, die einen besonderen Investitionsanreiz ausüben. Eine solche Ermächtigung sollte oder könnte noch im Laufe der Beratungen des Gesetzentwurfs im Finanzausschuß erörtert und gegebenenfalls eingebaut werden.
Meine Ausführungen möchte ich mit der Bemerkung abschließen, daß nach Auffassung der Bundesregierung der vorliegende Gesetzentwurf ein wohl abgewogenes Bündel von Maßnahmen enthält, das als einheitliches Ganzes sowohl verteilungspolitischen als auch haushalts- und konjunkturpolitischen Erfordernissen Rechnung trägt. Ich möchte die Hoffnung aussprechen, daß der Gesetzentwurf rechtzeitig verabschiedet werden wird, damit die neuen Bestimmungen, wie vorgesehen, am 1. Januar 1965 in Kraft treten können.
Anlage 6
Schriftliche Ausführungen
des Abgeordneten Seuffert für die Fraktion der SPD zur ersten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Einkommensteuergesetzes, des Körperschaftsteuergesetzes und des Kapitalverkehrsteuergesetzes (Drucksache IV/2345) und zur ersten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Körperschaftsteuergesetzes, des Spar-Prämiengesetzes, des Wohnungsbau-Prämiengesetzes und anderer Gesetze (Steueränderungsgesetz 1964) (Drucksache IV/2400).
Zu Drucksache IV/2345:
Der vorgesehene Wegfall der Wertpapiersteuer wird allseits und auch von uns bejaht. Der übrige Inhalt dieses Gesetzentwurfs hat jedoch ziemlich allgemein Unbehagen hervorgerufen, das auch im Bundesrat deutlich zum Ausdruck gekommen ist. Es sind mehr deutsche Renten von Ausländern gekauft worden, als uns lieb ist; deswegen sollen die Zinsen daraus für Gebietsfremde steuerpflichtig gemacht werden. Das wird als Maßnahme zur Konjunkturdämpfung begründet; aber man muß sich doch fragen, ob Konjunkturmaßnahmen wirklich am Rentenmarkt angebracht sind, ob eine Kreditinflation wirklich von diesem Markt ausgehen kann, und andererseits, warum die Maßnahme dann nicht auch auf Schuldscheindarlehen ausgedehnt wird, die doch jedenfalls konjunkturell bedeutend heftiger virulent werden könnten. Die tatsächliche Auswirkung ist fraglich: wo Doppelbesteuerungsabkommen Anwendung finden, wird die neu vorgesehene Steuer, wenn auch mit Umständlichkeiten, zu erstatten sein, und es ist auch bereits klar, daß mindestens den EWG-Ländern, auch wo kein Doppelbesteuerungsabkommen besteht, dieselbe Handhabung zugebilligt werden muß.
Die marktkonforme Maßnahme wäre eine Sen, kung des deutschen Kapitalzinsfußes gewesen; das
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I ist einstweilen mißlungen, die Bemühungen darum war auch sehr schwächlich. Eingetreten ist eine Marktbeunruhigung, von der man nur hoffen kann, daß sie sich nicht dauernd auswirkt. Ob juristisch bei der Anwendung auf Altemissionen ein rückwirkendes Steuergesetz vorliegt, ist dabei nicht entscheidend. Die Vertrauensfaktoren des internationalen Kapitalmarkts sind sehr empfindlich und reagieren auch, wenn die juristische Frage zu verneinen ist. Die Folge, die vorauszusehen war, ist starker Abgabedruck auf dem Rentenmarkt und fallende Kurse. Was das für die Baufinanzierung und den Sparwillen bedeutet, braucht nicht ausgeführt zu werden. Es besteht der Eindruck, daß das Augenmaß dafür fehlte, ob dem Abgabedruck mit ausreichenden Mitteln entgegengetreten werden konnte, zumal dieser Druck zweifellos noch nicht in voller Stärke aufgetreten ist. Wir haben uns noch nicht überzeugen können, daß die Bundesregierung in dieser Sache von der Bundesbank gut beraten war. Jetzt ist festzustellen, daß infolge des Zeitverlustes, der durch die zeitweise unentschlossene Behandlung seitens der Bundesregierung eingetreten ist, das Gesetz frühestens mit Wirkung für den Januarzinstermin in Kraft treten könnte. Diese Feststellung kann für den Rentenmarkt einstweilen nur beruhigend wirken. Vielleicht fällt der Regierung oder uns bis dahin etwas Besseres ein, um mit der entstandenen Situation fertig zu werden.
Noch zu einer Spezialfrage: Es erreichen uns die Klagen, insbesondere von Wiedergutmachungsberechtigten, die in erfreulichem Vertrauen auf die Bundesrepublik ihre Entschädigung hier angelegt haben, aber auch von Auslandslehrern und Auslandsexperten, die ihre Ersparnisse in Deutschland halten und die von der neuen Steuer betroffen würden. Es sollte selbstverständlich sein, daß ebenso, wie von jeher individuelle Pauschalregelungen in § 31 EStG für diejenigen vorgesehen sind, die durch Zuzug ins Inland steuerpflichtig werden, dasselbe auch für den nunmehr eintretenden Fall zugelassen wird, daß man durch Wegzug steuerpflichtig werden kann. Denjenigen, die bed Inkrafttreten des Gesetzes im Ausland sind, sollte ein solcher Antrag zugestanden werden, wenn sie innerhalb der letzten Jahre ihren inländischen Wohnsitz aufgegeben haben, und das gleiche müßte für diejenigen gelten, die seinerzeit aus Verfolgungsgründen von hier vertrieben wurden.
Zu Drucksache IV/2400:
Dieses Haus ist sich mit der Bundesregierung darin einig, daß eine Tarifreform mit Steuersenkung vor allem bei kleinen und mittleren Einkommen notwendig ist. Unsere eigene Auffassung darüber haben wir bereits vor Monaten in einer Reihe von Anträgen dem Hause vorgelegt. Wir haben damit bereits deutlich gemacht, daß wir die Begründung dafür nicht aus der Konjunkturpolitik, sondern einfach aus der Steuergerechtigkeit als gegeben ansehen. Es ist auch wirklich zu paradox, wenn neuerdings versucht wird, eine Steuersenkung, deren Zeitpunkt eindeutig aus wahlpolitischen Gesichtspunkten gewählt wird, als Mittel der Konjunkturbremsung anbieten zu wollen. Wir sind aber nachdrücklich der Ansicht, daß diese erforderliche Steuersenkung auch in der sich abzeichnenden Konjunkturlage vertretbar ist und notwendig bleibt. Wir verweisen dazu auf unsere vorgelegten Anträge, welche für den zu erwartenden Steuerausfall Kompensationen vorsehen, die etwaige konjunkturpolitische Einwände weitgehend ausräumen würden.
Übrigens haben wir mit einer gewissen Genugtuung vernommen, daß einigen Kollegen im Hause — der Kollege Katzer ist dabei hervorgetreten — der Bericht des Bundesfinanzministeriums über Wettbewerbsverfälschungen aus Sitzverlagerungen in das Ausland und aus dem zwischenstaatlichen Steuergefälle (der bekanntgeworden ist, obwohl er dem Hause noch nicht vorliegt) Anlaß zu Überlegungen geben wird. Wir dürfen die Aufmerksamkeit 'darauf lenken, daß unser Antrag, die Schere beim gespaltenen Körperschaftsteuersatz etwas zuzumachen, ein wirksames Mittel zur Milderung der Wettbewerbsnachteile inländischer Unternehmen gegenüber solchen, die durch ausländische Holdinggesellschaften geführt werden, darstellt — was auch dieser Bericht unter IV/7 feststellt. Wir hoffen also, daß wir hier Unterstützung finden.
Da, wie gesagt, unsere Anträge zur Sache dem Hause vorliegen und begründet wurden, kann ich mich auf diese beziehen und nur noch einige Punkte aus den Fragen der Tarifreform hervorheben.
Wir konnten uns noch nicht überzeugen, daß die Senkung des Proportionalsteuersatzes auf 19% unserem Vorschlag, die allgemeinen Freibeträge zu erhöhen, vorzuziehen sei. Das Letztere kostet nicht wesentlich mehr, entlastet die untersten Einkommenschichten wesentlich stärker und entlastet vor allem auch die Verwaltung, die das nach wie vor dringend nötig hat. In dem vorgesehenen Rahmen sollte dann auch die Ausdehnung des Geltungsbereichs des Proportionalsatzes — für Ledige bis zu 10 000, für Verheiratete bis zu 20 000 DM jährlich — möglich sein. Das gäbe auch eine bessere Grundlage für den Tarif der daran anschließenden Mittelschichteneinkommen.
Wir freuen uns, daß unser Antrag, die Sonderausgabenpauschale der Lohneinkommen zu erhöhen, endlich als Regierungsvorlage erscheint. Allerdings müssen wir leider feststellen, daß nunmehr wahrscheinlich die vorgesehene Erhöhung gar nicht mehr ausreicht, um die notwendige Erleichterung der Lohnsteuerverwaltung und der Lohnsteuerpflichtigen wirklich herbeizuführen. Auch sonst müssen wir auf unsere Anträge zur Entlastung der Arbeitnehmereinkommen verweisen, für die uns die Regierungsvorlage nicht zureichend erscheint.
Auf Einzelfragen soll weiter nicht eingegangen werden, auch nicht auf den neuen § 6 EStG, der sich mit der Auflösung oder vielmehr Nichtauflösung stiller Reserven befaßt; er wird sehr eingehend überprüft werden müssen. Ich begrüße dagegen ausdrücklich, daß § 17 EStG (Veräußerungsgewinne bei Kapitalbeteiligungen) nunmehr in eine grundgesetzmäßig vertretbare Form gebracht werden soll.
Zur Neuordnung der Sparförderung: Wir stimmen dem Grundgedanken der Harmonisierung zu, leh-
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nen aber wie der Bundesrat die Kürzung der Prämien für Bausparleistungen ab und halten an unserer bekannten Forderung fest, die Sparförderung für kleine Einkommen zu verstärken.
In diesem Sinne werden wir unsere Mitarbeit bei der Beratung dieser Vorlage geltend machen, in der Erwartung, daß das Gesetz nach der guten Gewohnheit dieses Hauses nicht ohne wesentliche Veränderungen des Regierungsentwurfs verabschiedet werden wird.
Anlage 7
Schriftliche Ausführungen
der Abgeordneten Frau Funke zu dem Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Körperschaftsteuergesetzes, des Spar-Prämiengesetzes, des Wohnungsbau-Prämiengesetzes und anderer Gesetze (Steueränderungsgesetz 1964 (Drucksache IV/2400).
Die FDP bedauert, daß durch die zeitliche Planung die Einbringung des Steueränderungsgesetzes allzusehr in eine sachliche Nähe zu den konjunkturpolitischen Beratungen des heutigen Tages gebracht worden ist. Sicherlich haben Steuern eine Steuerungsfunktion, und es gibt 'bestimmte Bereiche — etwa das der Sonderabschreibung —, die sich für konjunkturpolitische Regulierung besonders eignen; aber in ihren Grundzügen und in ihrer wesentlichen Zielsetzung sollte die Steuerpolitik nicht der Augenblickslage schwankender Konjunktur folgen, sondern den Grundüberlegungen zur Gesellschaftspolitik und zur Wirtschafts-, Sozial- und Finanzpolitik.
Gerade unter diesem Gesichtspunkt langfristiger Überlegungen begrüßt die FDP das vorgelegte Steueränderungsgesetz mit den Tarifänderungen. Sie hat bereits seit Jahren die allgemeine Steuersenkung und eine fühlbare Milderung der hohen Steuerprogression oberhalb der Proportional-Zone gefordert und begrüßt es daher, daß unsere Finanzminister Dr. Starke und Dr. Dahlgrün unabhängig von der jeweiligen Konjunkturlage eine entsprechende Änderung des Einkommensteuergesetzes vorbereitet, mit den Ländern abgestimmt und parlamentsreif gemacht haben.
Es geht darum, die ständig überproportional steigenden Steuereinnahmen — die „heimliche Steuererhöhung" — zurückzuschrauben. Wir verkennen nicht, daß dem Staat für die Allgemeinheit zunehmend Aufgaben und damit steigende Ausgaben zuwachsen, aber wir sind der Meinung, daß diese steigenden Ausgaben keinesfalls über das allgemeine Einkommens- und Wirtschaftswachstum gehen, besser darunter bleiben sollten. Wenn man weiß, daß seit der letzten Tarifreform 1958 das Volkseinkommen um 60%, die Bruttoeinnahmen der Arbeitnehmer um 71 %, die Lohn-, Einkommen- und Körperschaftsteuer hingegen um fast 100% gestiegen sind, kann man leicht erkennen, welche 'Entwicklung zu Lasten der Steuerzahler die Ausgaben der öffentlichen Hand nehmen können, wenn der Tarif nicht
in gewissen Zeitabständen gesenkt wird. Es könnte überdies geschehen, daß die öffentliche Hand in Erwartung höherer Einnahmen nicht mit ,der äußersten Energie einer schleichenden Geldentwertung entgegentritt.
Zudem zwingen hohe Steuersätze immer wieder zu Sonder- und Ausnahme-Regelungen, und diese machen das Steuerrecht nicht nur immer unübersichtlicher, sondern auch ungerecht gegenüber denen, für die die Ausnahmen nicht gelten. Es ist nun einmal nach unserer Auffassung so, wie unser Sprecher bereits bei der Beratung der Einkommensteuernovelle 1957 sagte: Tarifsenkung für alle ist besser als Steuervergünstigung für einzelne.
Daß dennoch die Sondervergünstigungen in dem vorliegenden Gesetzentwurf kaum zurückgegangen, sondern teilweise ausgeweitet sind, gehört sicher nicht zu seinen besten Seiten. Mit Recht klagen die Finanzbeamten über die wachsende Komplizierung des Steuerrechts, und es wäre aus dieser Sicht aber auch im Interesse der Gerechtigkeit besser, man könnte den Tarif generell noch weiter senken und damit das Interesse an weiteren Sonderregelungen abschwächen.
Zu dem vorliegenden Steueränderungsgesetz wurden und werden in der Öffentlichkeit zwei wesentliche Vorwürfe erhoben: einmal fürchtet man, daß durch die Befassung der nicht erhobenen Steuer beim Steuerzahler die Nachfrage und damit die Preise steigen würden, und zum anderen weist man darauf hin, daß der Ausfall in den öffentlichen Kassen dazu führen könnte, daß wichtige Einrichtungen für die Allgemeinheit nicht im erforderlichen Umfang oder nicht rechtzeitig geschaffen werden.
Den konjunkturpolitischen Überlegungen muß man jedoch entgegenhalten, daß Steuereinnahmen in der Vergangenheit voll durch die öffentliche Hand ausgegeben, cl. h. in die .Nachfrage .gegangen sind. Es wird kaum möglich sein, auf allen Ebenen des Bundes, der Länder und der Gemeinden eine Stilllegung von Steuereinnahmen zu erreichen. Dagegen sind wir der Überzeugung, daß, wenn wir dem Steuerzahler einen größeren Anteil als bisher von seinem Einkommen belassen, ein nicht unbeträchtlicher Teil tatsächlich gespart, also zur Eigentumsbildung verwendet wird. Gerade um diese Eigentumsbildung breiter Bevölkerungskreise geht es uns. Gegenüber anderen vergleichbaren Ländern ist das Eigentum an Sparkapital pro Kopf der Bevölkerung in Deutschland sehr gering. Die Gründe brauchen hier nicht untersucht zu werden. Man weist in diesem Zusammenhang auf mangelnde Sparwilligkeit und mangelnde Sparfähigkeit hin. Es hat sich jedoch gerade in der Entwicklung des letzten Jahres gezeigt, daß die Spar willigkeit durchaus vorhanden ist. 1963 wurden von den privaten Haushalten allein 3,8 Mill. DM, d. h. rund 10 % des verfügbaren Einkommens gespart. Das deutet durchaus auf ein wachsendes Vertrauen zur Spartätigkeit hin. Um so mehr muß es uns daran liegen, auch die Spar-fähigkeit zu erhöhen, und dazu soll die Steuersenkung ein Weg sein. Es darf nicht bleiben, wie es in der Vergangenheit war, daß die Vermögensbildung der öffentlichen Hand größer ist als die der
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privaten Haushalte. Wenn, wie ich schon sagte, die Spartätigkeit der privaten Haushalte 1963 um 9,6 % stieg, während das verfügbare Einkommen nur um 6,7% anstieg, gibt uns das die Zuversicht, daß auch von den durch die Steuersenkung dem Steuerzahler belassenen Beträge ein nicht unbedeutender Teil wirklich gespart oder zur Rückzahlung von Darlehen verwendet und damit der Nachfrage entzogen werden wird.
Zu dem anderen Bedenken, daß nach einer Steuerreform wichtige Aufgaben der öffentlichen Hand nicht erfüllt werden könnten, ist bereits Stellung genommen worden. Die Steuersenkung wird für 1965 nach den Berechnungen nur etwa ein Viertel der zu erwartenden Mehreinnahmen von Bund, Ländern und Gemeinden ausmachen. Wir halten es deswegen keinesfalls für notwendig, Steuererhöhungen an anderer Stelle vorzusehen, zumal auch die bereits vorliegenden Steueränderungsanträge der Opposition per Saldo, d. h. Steuersenkung gegen Steuererhöhungen, ebenfalLs einen Umfang von mindestens 2,4 Milliarden Steuerausfall enthalten. Es ist, unabhängig von der Höhe der Einnahmen, Aufgabe der Parlamente, innerhalb der verfügbaren Einnahmen eine Dringlichkeit aufzustellen und die Mittel so zu verteilen, daß die wichtigen Aufgaben vorrangig erfüllt werden. Wir sind, wie bereits Herr Kollege Dr. Starke sagte, der Auffassung, daß bei einer richtigen Haushaltspolitik für die notwendigen Ausgaben insbesondere auch auf dem Gebiet der Wissenschaft, Forschung und Bildung genügend Mittel zur Verfügung stehen werden.
Auf die einzelnen Vorschläge des Steueränderungsgesetzes möchte ich in der ersten Lesung nur kurz eingehen. Wir begrüßen die vorgeschlagenen Sonderabschreibungen wegen ihrer volkswirtschaftlichen und gesundheitspolitischen Bedeutung. Ebenso erscheint uns aus kulturpolitischen Gründen der Sonderfreibetrag für Kinder in der Ausbildung in Höhe von 720 DM besonders wichtig. Doch sollte in diesem Zusammenhang ebenfalls geprüft werden, ob nicht die Ausgaben für die Aus- und Fortbildung, die der Steuerpflichtige selbst trägt, in erweitertem Maße berücksichtigt werden können. Auf diesem Gebiete gibt es im derzeitigen Steuerrecht Abgrenzungen und Begrenzungen, die durchaus überholungsbedürftig erscheinen.
Die Anhebung der Wertgrenzen bei Veräußerungsgewinnen ist zweifellos zu begrüßen, weil die Geldwertentwicklung fortgeschritten ist. Aber aus dem gleichen Grunde sollten auch andere Wertgrenzen überprüft werden. Ich denke hier einmal an die untere Freigrenze im Einkommensteuertarif, die mit 1680 DM unverändert geblieben ist. Zwar ist für die Arbeitnehmer ein zusätzlicher Freibetrag von 120 DM jährlich eingeführt worden, der praktisch diese Untergrenze nach oben verschiebt und daher in dieser Wirkung durchaus zu begrüßen ist, aber trotzdem und besonders für die übrigen Einkommensbezieher bleibt die Freigrenze unseres Erachtens unzureichend und sollte daher überprüft werden. Auch die Begrenzung der kurzlebigen Wirtschaftsgüter auf DM 600,— entspricht längst nicht mehr den heutigen Verhältnissen und sollte nicht
zuletzt zur Vermeidung unnötiger Kleinarbeit erhöht werden.
Bedenken haben wir, ob die Begrenzung der Sparförderungsmaßnahmen in dem durch die Regierung vorgeschlagenen Umfange richtig ist. Wir sollten hier im Ausschuß über den ganzen Komplex der Sparförderung und ihrer Koordinierung eingehend sprechen, um nicht das Ziel, die Eigentumsbildung zu fördern, gerade in den Kreisen zu behindern, die in den Jahren ihrer Berufstätigkeit für das Alter vorsorgen können und müssen.
Abschließend möchte ich namens der FDP sagen: wir begrüßen den Gesetzentwurf der Regierung in seiner Zielrichtung und in seinen Schwerpunkten und stimmen der Überweisung an den Finanzausschuß —federführend —, den Ausschuß für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung, den Ausschuß für Mittelstandsfragen und den Haushaltsausschuß zu.
Anlage 8 Umdruck 486
Änderungsantrag der Fraktion der SPD zur zweiten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Kriegsgefangenenentschädigungsgesetzes (3. ÄndG KgfEG) (Drucksachen IV/997, IV/2384).
Der Bundestag wolle beschließen:
In Artikel I Nr. 2 erhält Buchstabe a ,folgende Fassung:
,a) Absatz 1 erhält folgende Fassung:
„ (1) Für jeden Kalendermonat des Festhaltens in ausländischem Gewahrsam — frühestens vom 1. Januar 1947 an — wird als Entschädigung ein Betrag von 30 Deutsche Markgewährt, der sich nach weiteren zwei Jahren ausländischen Gewahrsams auf 60 Deutsche Mark erhöht. Vom dritten Gewahrsamsjahr an — frühestens vom 1. Januar 1949 an — wird für jeden Gewahrsmonat eine zusätzliche Entschädigung von 50 Deutsche Mark gewährt; jedoch erhalten diejenigen Berechtigten, die erst im ausländischen Gewahrsam geboren worden sind, diese zusätzliche Entschädigung nicht. Die Gesamtentschädigung wird auf einen Höchstbetrag von 12 000 Deutsche Mark begrenzt. Mit der Entschädigung sind etwa bestehende Ansprüche des Berechtigten wegen Freiheitsentziehung und Arbeitsleistung im ausländischen Gewahrsam gegen die Bundesrepublik abgegolten."
Bonn, den 23. Juni 1964
Bazille Merten Riegel Erler und Fraktion
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 133. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1964 6615
Anlage 9 Umdruck 489
Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU, FDP zur zweiten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Kriegsgefangenenentschädigungsgesetzes (3. ÄndG KgfEG) (Drucksachen IV/997, IV/2384).
Der Bundestag wolle beschließen:
In Artikel I Nr. 3 wird § 4 erster Halbsatz wie folgt geändert und ergänzt:
a) Hinter der Jahreszahl 1965 wird das Wort „und"gestrichen und durch ein Komma ersetzt.
b) Hinter der Jahreszahl 1966 werden die Worte „und 1967" eingefügt.
Bonn, den 23. Juni 1964
Arndgen und Fraktion
Freiherr von Kühlmann-Stumm und Fraktion
Anlage 10 Umdruck 481 (neu)
Änderungsantrag der Abgeordneten Wieninger, Weinkamm, Weinzierl, Dr. Siemer und Genossen zur zweiten Beratung 'des von den Abgeordneten Unertl, Dr. Kempfler, Dr. Huys, Wieninger und Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Maß- und Gewichtsgesetzes (Drucksachen IV/1862, IV/2234).
Der Bundestag wolle beschließen: Artikel 1 erhält folgende Fassung:
Artikel 1
§ 56 des Maß- und Gewichtsgesetzes vom 13. Dezember 1935 (Reichsgesetzbl. I S. 1499) erhält folgenden Satz 2:
„Unter die §§ 52 bis 55 fallen auch die vom Ausland eingeführten, gefüllten Flaschen, sowie ungefüllte Flaschen, die im Reichsgebiet gefüllt und in den Verkehr gebracht werden."
Bonn, den 25. Juni 1964
Wieninger Hesemann
Weinkamm Kühn (Hildesheim)
Weinzierl Nieberg
Dr. Siemer Dr. Dr. Oberländer
Balkenhol Schulhoff
Bauer (Wasserburg) Tobaben
von Bodelschwingh Unertl
Dr. Elbrächter
Anlage 11 Umdruck 505
Entschließungsantrag der Fraktion der FDP zur dritten Beratung des von den Abgeordneten Unertl, Dr. Kempfler, Dr. Huys, Wieninger und
Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Maß- und Gewichtsgesetzes (Drucksachen IV/1862, IV/2234).
Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird ersucht,
in der geplanten Änderung 'des Maß- und Gewichtsgesetzes eine Bestimmung vorzusehen, die auch für aus diem Ausband eingeführte Flaschen mit Getränken gemäß § 54 MuGG ,die Kennzeichnung des genauen Rauminhalts zwingend vorschreibt.
Bonn, den 23. Juni 1964
Mischnick und Fraktion
Anlage 12 Umdruck 508
Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/ CSU, FDP zur Neunundsechzigsten Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1963 (Konjunkturpolitische Zollsenkung) (Drucksachen IV/2313, IV/2419); zur Zweiundsiebzigsten Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1963 (Konjunkturpolitische Zollsenkung — II. Teil) (Drucksachen IV/2314, IV/2360).
Der Bundestag wolle beschließen:
Angesichts der Risiken, die für einzelne Wirtschaftszweige mit der konjunkturpolitischen Zollsenkung verbunden sind, sollte die Bundesregierung von den angebotenen Möglichkeiten einer Wiederheraufsetzung einzelner Zölle,die das Zollgesetz im Artikel 77 Abs. 1 Nr. 2 vorsieht, in Fällen drohenden oder eingetretenen ernsthaften Schadens Gebrauch machen und entsprechende Rechtsverordnungen vorlegen.
Bonn, den 24. Juni 1964
Dr. Barzel und Fraktion Dr. Emde und Fraktion
Anlage 13
Schriftliche Ausführungen
des Abgeordneten Dr. Schmidt (Wuppertal) zu dem von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Körperschaftsteuergesetzes, des Spar-Prämiengesetzes, des Wohnungsbau-Prämiengesetzes und anderer Gesetze (Steueränderungsgesetz 1964) (Drucksache IV/2400).
Mit Rücksicht auf die Kürze der Zeit, die uns in dieser gedrängten Debatte zur Verfügung steht, lassen Sie mich nur wenige Bemerkungen zu zwei Punkten machen:
Zunächst zu der Frage, ob im Rahmen konjunkturpolitischer Maßnahmen die Umsatzausgleichsteuer und Ausfuhrvergütung manipuliert werden
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sollte und zum anderen zu der konjunkturpolitischen Bedeutung des von der Bundesregierung vorgelegten Steueränderungsgesetzes.
Herr Kollege Kurlbaum hat durchaus recht, daß vor der DM-Aufwertung auch dieses Problem der Manipulation der Umsatzausgleichsteuer und Ausfuhrvergütung zur Diskussion stand und daß es auch in unseren Reihen dafür Befürworter gab. Aber inzwischen hat sich ja nun einiges ereignet. Wir betreiben die Reform der Umsatzsteuer wesentlich auch unter dem Gesichtspunkt, einen exakten umsatzsteuerlichen Ausgleich im grenzüberschreitenden Warenverkehr herbeizuführen. Außerdem haben wir im vergangenen Jahr in ernsten Auseinandersetzungen, insbesondere mit Brüssel, die notwendigen Korrekturen auf diesem Gebiet herbeigeführt. Wir würden m. E. unglaubwürdig werden, wenn wir die leitenden Motive dieser Politik aus konjunkturpolitischen Erwägungen, die ja immer nur vorübergehenden Charakter haben können, über Bord werfen würden. Wer im Sinne der Ermächtigungsvorlage der Opposition derartige Manipulationen ermöglichen will, sollte sich lieber direkt einer neuen Aufwertung der DM zuwenden, denn eine solche Manipulation ist eine partielle Aufwertung nur verzerrter Art, weil die Senkung oder Suspendierung der Umsatzausgleichsteuer infolge der unterschiedlichen Sätze im allgemeinen die Fertigwaren weit stärker trifft als Halbwaren und Rohstoffe.
Die Ermächtigung würde der Regierung auch relativ wenig nützen. Die Regierung ist auf Grund des still-stand-Abkommens auf die Konsultationen der EWG-Kommission angewiesen. Die Kommission betreibt die Mehrwertsteuerreform auf der Grundlage des Bestimmungslandprinzips und könnte, ohne die Harmonisierung der Umsatzsteuer zu gefährden, den hier vorgeschlagenen Manipulationen den Weg nicht ebnen.
Nun noch einige Worte zu dem Entwurf eines Steueränderungsgesetzes. Auch hier möchte ich mich auf einige konjunkturpolitische Überlegungen beschränken, obwohl das Gesetz eine Fülle von Grundsatzfragen neu ordnet, die in ihrem Für und Wider auszubreiten einer ersten Lesung ;sehr wohl anstünde. Ich gelbe durchaus zu, daß, konjunkturpolitisch gesehen, das Nächstliegende wäre, den überproportionalen Zuwachs des Steueraufkommens in verfassungsrechtlicher Bindung stillzulegen, um überschüssige Nachfrage zu eliminieren. Ich weiß, was dagegen eingewandt wird, und lasse das einmal im Augenblick dahin stehen. Jedenfalls ist das zweitbeste Mittel: Steuersenkung.
Der Bürger hat sich, aufs ganze gesehen, in den letzten Jahren konjunkturgerechter verhalten als die Gebietskörperschaften. Wir können auf Grund der Entwicklung der letzten Jahre durchaus das Vertrauen haben, daß ein nicht unwesentlicher Teil der Steuerentlastungen sogar ohne Sparprämien gespart wird, immer unter der Voraussetzung, daß es gelingt, eine relative Preisstabilität zu gewährleisten. Aber selbst wenn ein Teil der 3 Milliarden DM in den Konsum fließt, ist dieser Weg ungefährlicher als der über die öffentlichen Haushalte, der im Bausektor endet. Es gibt viele Konsumgüterbranchen, die weit von einer Erhitzung oder sogar Überhitzung entfernt sind. Die Zahl der Bürger und ihrer verschiedenartigen Konsuminteressen ist so groß und mannigfaltig, die Objekte öffentlicher Ausgaben aber so begrenzt, daß im ersteren Falle die Konjunkturwirkungen verebben, im letzteren Falle diese aber oft eine Springflut darstellen. Die 3 Milliarden in den Händen von etwa 8 'Millionen Steuerpflichtigen wirken wie einige Waggon Sand, die in den Bodensee fallen; die gleiche Summe in der Verfügungsgewalt der öffentlichen Hand wirkt dagegen wie ein Bergsturz in einen Stausee. Darum sagen wir ein unbedingtes Ja zur Beschneidung öffentlicher Einnahmen als dem derzeit wirksamsten Mittel zum Stoppen öffentlicher Ausgaben. Über die 3 Milliarden verfügen die Steuerzahler ja nicht in der Weise wie die Genossen einer Genossenschaft, wenn sie ihre Rückvergütungen empfangen, also plötzlich und einmalig. Die Steuerminderungen erstrecken sich über Jahre und wirken sich nur sukzessiv aus. Um zu meinem Bodensee-Beispiel zurückzukehren: der Sand fließt nicht schubartig, sondern gleichsam wie durch ... zig Sanduhren aus den Waggons in den See.
Die Opposition hat wiederholt versucht, den Gesetzentwurf als Wahlgeschenk zu deklassieren. Diese Qualifizierung ist schlicht gesagt falsch und unsachlich. Das Gesetzgebungswerk wertet vielmehr unser Steuerrecht auf. Das ist eine gute Tat, denn das Steuerrecht bestimmt die Zukunft unserer Bundesrepublik, wie der Bundesfinanzminister am 16. 4. 1964 in diesem Hause zu Recht festgestellt hat — eine Feststellung, die sich diejenigen Persönlichkeiten zu eigen machen sollten, die in unserem Steuerrecht immer noch eine niederrangige Rechtstechnik sehen oder ein probates Mittel für momentane Routinepolitik. Der Gesetzentwurf ist weithin ein Akt der Wiedergutmachung an der Legion der Tarifgeschädigten, um es einmal undogmatisch zu formulieren. Verzerrungen im EStTarif werden .glattgestellt. Der steuerungerechte Tarif hat immerhin sieben Jahre lang mit hart zufassender progressiver Faust regiert. Das ist genug, womit ich aber nicht gesagt haben will, daß nunmehr für die betroffenen glücklichen Arbeitnehmer und Mittelständler die sieben fetten Steuerjahre angebrochen sind. Die tarifliche Steuerentlastung ist immer noch ein Kompromiß, aber unter Berücksichtigung der durch den Haushalt gesetzten Grenzen ein optimaler, bringt er doch Entlastungen bis zu 14 %.
Sodann noch ein weiteres! Die Bundesregierung hat sich nicht nur von den Forderungen der Steuergerechtigkeit leiten lassen, sondern hat ein Stück sozialer Steuerpolitik geleistet, eine Arbeit, die viel nachhaltigere Würdigung verdient. Das Schwergewicht der Steuerentlastungen liegt doch offenbar in Bereichen, in denen das unselbständige Element vorherrscht. Es überrascht daher nicht, daß der DGB im Grundsatz den Gesetzentwurf gutgeheißen hat. Über ein Drittel des Steuerverzichts entfällt auf Pflichtige mit Monatseinkommen unter 1000 DM. Die optimale Begünstigung erhalten Steuerpflichtige mit Jahreseinkommen von 15 000 DM.
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 133. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Juni 1964 6617
Aus der Palette der Einzelmaßnahmen greife ich nur zwei heraus. Endlich hat die Bundesregierung in ganz nüchterner Weise ein Problem einer Lösung entgegengeführt, das in mehrfacher Hinsicht ein Stein des Anstoßes war. Nach der bisherigen Regelung führte der Verkauf der meisten betrieblichen Anlagegüter zu einer Versteuerung unechter stiller Reserven mit der Folge einer an sich nicht gewollten Substanzbesteuerung. Diese unerwünschte Steuerfolge blockierte betriebswirtschaftlich sinnvolle Dispositionen, u. a. auch auf dem Gebiete der Rationalisierung. Was namentlich die Veräußerungen von Betriebsgrundstücken anbelangt, so beschränkt die steuerlich verursachte Nichtveräußerung unnötig das Angebot am Grundstücksmarkt, behindert im weiteren Sinne eine vernünftige Raumordnung, die ja so dringend notwendig ist. Diese neue Vorschrift kann daher als echte Strukturmaßnahme angesprochen werden.
Sodann dürfen die Maßnahmen zur steuerlichen Förderung der Forschung nicht unerwähnt bleiben. Stipendien von Forschern uund Forschungsinvestitionen erfahren nunmehr einer steuerlichen Sonderbehandlung, die ihnen zusteht, wenn man den Wert der Forschung für die Wirtschaft und damit für das ganze Volk richtig einschätzt.
Die SPD bleibt offenbar auf der Linie der Forderung nach Steuererhöhungen. Diese Forderung ist nachdrücklichst abzulehnen. Einmal haben die bekannten Vorschläge keine beträchtliche Haushaltswirksamkeit, dafür aber um so verheerendere volkswirtschaftliche Folgen. So würde die Heraufsetzung des ESt-Spitzensatzes nur 4% des projektierten
Steuerverzichtes wieder hereinbringen. Wenn die Gesamtsteuerbelastung höherer Vermögen und Einnahmen die 70er Marke überschreitet, wird das Unternehmerdenken in ein Spesendenken umdirigiert. Die Übernahme von Risiken interessiert nicht mehr. Die Investitionsfaulheit greift dann um sich mit all ihren mittelbaren schädlichen Folgen.
Höhere Steuern übernehmen damit die Funktion des Vorarbeiters für die Sozialisierung. Hinzu kommt noch, daß fühlbare Steuererhöhungen die Preissteigerung ebenso anreizen wie die Steuerflucht, übrigens zwei Ergebnisse, die die Argumentationen der SPD als sehr widersprüchlich erscheinen lassen.
Das Schreckgespenst der Steueroasen wird oft beschworen, manchmal sicherlich mit Recht. Das viel schrecklichere Schreckgespenst der Steuerwüsten wird aber totgeschwiegen. Zu hoch besteuerte Staaten sind aber Steuerwüsten, die wirtschaftlich unfruchtbar sind und zur Unternehmerflucht führen. Hohe Steuern haben zweifellos Erosionswirkung, sie verwüsten das Land. Das können wir uns wahrlich nicht leisten.
Ein federgewandter Journalist seufzte, als er vor Monaten über die Behandlung des Steueränderungsgesetzes 1964 durch den Bundesrat berichtete, das Schicksal des Entwurfs sei ungewiß, da er noch durch die rauhe Luft des Bundestages müsse. Möge diese rauhe Luft wesentliche Glieder des Gesetzes nicht erfrieren lassen, aber hier auch keine Eispanzer hinzufügen, denn auch diese wirken erstarrend. Ich mahne daher, an dem Entwurf nicht allzuviel herumlaborieren zu wollen.