Rede:
ID0411918200

insert_comment

Metadaten
  • sort_by_alphaVokabular
    Vokabeln: 32
    1. und: 2
    2. die: 2
    3. zu: 2
    4. Herr: 1
    5. Abgeordneter: 1
    6. Jacobi,: 1
    7. ich: 1
    8. gehe: 1
    9. sogar: 1
    10. einen: 1
    11. Schritt: 1
    12. weiter: 1
    13. bitte: 1
    14. Damen: 1
    15. Herren,: 1
    16. Privatgespräche: 1
    17. führen: 1
    18. wünschen,: 1
    19. das: 1
    20. außerhalb: 1
    21. des: 1
    22. Saales: 1
    23. tun,: 1
    24. damit: 1
    25. der: 1
    26. Redner: 1
    27. den: 1
    28. Gesetzentwurf: 1
    29. in: 1
    30. Ruhe: 1
    31. begründen: 1
    32. kann.: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 119. Sitzung Bonn, den 5. März 1964 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung 5509 A Fragestunde (Drucksache IV/1993) Frage des Abg. Kahn-Ackermann: Gutachten betr. Geschäftsverteilung auf dem Gebiet der Entwicklungshilfe Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister 5509 B, C Kahn-Ackermann (SPD) . . . . . 5509 C Fragen des Abg. Schmitt-Vockenhausen: Anpassung der Beamtenbesoldung Höcherl, Bundesminister 5509 D, 5510 A, B, C, D, 5511 A Schmitt-Vockenhausen (SPD) . 5510 A, B, 5511 A Wilhelm (SPD) . . . . . . . 5510 C Brück (CDU/CSU) 5510 D Gscheidle (SPD) . . . . 5510D, 5511 A Frage des Abg. Freiherr von Mühlen: Ehrensold für Träger höchster Kriegsauszeichnungen des ersten Weltkrieges Höcherl, Bundesminister 5511 B Frage des Abg. Rademacher: Erfolgsprämien für Besteigung der Eiger-Nordwand Höcherl, Bundesminister 5511 C Dürr (FDP) 5511 C Fragen des Abg. Flämig: Verbot des Mitführens von Stichwaffen Höcherl, Bundesminister 5511 D Frage des Abg. Weigl: Grenzübergang Waldhaus Höcherl, Bundesminister . . . . 5512 A, B Weigl (CDU/CSU) 5512 B Frage des Abg. Fritsch: Öffnung der Grenze bei Furth im Wald Höcherl, Bundesminister . . . . 5512 B, C Fritsch (SPD) 5512 C Fragen des Abg. Dr. Dr. h. c. Friedensburg und des Abg. Schmitt-Vockenhausen: Stiftungsrat der Stiftung „Preußischer Kulturbesitz" — Prof. Dr. Reidemeister Höcherl, Bundesminister 5512 D, 5513 B, C, D Dr. Dr. h. c. Friedensburg (CDU/CSU) 5513 A, B Schmitt-Vockenhausen (SPD) . . 5513 C Brand (CDU/CSU) 5513 D Frage des Abg. Peiter: Ergänzung des Verzeichnisses für Heilbäder Höcherl, Bundesminister . . . . 5514 A, B Peiter (SPD) 5514 A Schwabe (SPD) . . . . . . . 5514 B II Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 119. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. März 1964 Frage des Abg. Jahn: Zweites Ausführungsgesetz zu Artikel 26 Abs. 2 des Grundgesetzes Höcherl, Bundesminister . . 5514 B, C, D Jahn (SPD) . . . . . . . . 5514 C, D Frage des Abg. Seibert: Beteiligung der einzelnen Fahrzeugarten an Unfällen Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister 5515 A, B Haage (München) (SPD) 5515 B Frage des Abg. Seibert: Abmessungen und Gewichte für Nutzkraftfahrzeuge Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 5515 B Frage des Abg. Dr. Bechert: Schmutzfänger an den Rädern von Fahrzeugen Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 5515 D, 5516 A, B, C Dr. Bechert (SPD) . . . 5515 D, 5516 A Haage (München) (SPD) . . . . 5516 A Börner (SPD) 5516 B Fragen des Abg. Biegler: Schienengleicher Bahnübergang in Oppenheim Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 5516 D Frage der Abg. Frau Schanzenbach: Murgtalstraße Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . . . 5517 A, C, D Dr. Rinderspacher (SPD) 5517 C Dr. Hauser (CDU/CSU) . . . . 5517 D Fragen des Abg. Dr. Kübler: Schnellförderungsanlage auf der Strecke Stuttgart—Frankfurt—Ruhrgebiet Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister 5518 A, B Fragen der Abg. Frau Schanzenbach: Elektrifizierung der Schwarzwaldbahn Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 5518 C, 5519 A, B, C Faller (SPD) . . . . . . . . 5519 A, B Haage (München) (SPD) 5519 B Biechele (CDU/CSU) 5519 C Fragen des Abg. Schwabe: Fernreklame entlang der Autobahn Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister 5519 C, D, 5520 B, C Schwabe (SPD) 5520 B Margulies (FDP) 5520 C Fragen des Abg. Bühler: Zollfreie Straße zwischen Lörrach und Weil — Tunnel durch den Tüllinger Berg Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 5520 D, 5521 A, B Bühler (CDU/CSU) . . . 5520 D, 5521 A Faller (SPD) 5521 B Fragen des Abg. Härzschel: Straßenausbau bei Lörrach Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister 5521 C, 5522 A, B, C Faller (SPD) 5522 A Härzschel (CDU/CSU) 5522 B, C Entwurf eines Dritten Wohnungsbaugesetzes (Bundeswohnungsbaugesetz) (SPD) (Drucksache IV/1850) — Erste Beratung — Jacobi (Köln) (SPD) . . 5522 D, 5545 A Lücke, Bundesminister . . . . . 5528 B Dr. Hesberg (CDU/CSU) . 5531 D, 5548 B Frau Berger-Heise (SPD) . . . . 5537 B Hammersen (FDP) 5539 D Dr. Czaja (CDU/CSU) 5540 D Entwurf eines Gesetzes zur Änderung von Wertgrenzen in der Zivilgerichtsbarkeit (Drucksache IV/1924) — Erste Beratung Dr. Bucher, Bundesminister . . . 5548 D Jahn (SPD) 5549 C Frau Dr. Diemer-Nicolaus (FDP) . 5552 B Benda (CDU/CSU) 5554 D Mündlicher Bericht des Immunitätsausschusses betr. Genehmigung zur Durchführung eines Strafverfahrens gegen den Abgeordneten Heiland Mischnick (FDP) 5557 C Antrag betr. Anrufung des Vermittlungsausschusses (Abg. Dr. Hamm [Kaiserslautern], Dr. Jungmann, Frau Dr. Hubert, Dr. Dittrich, Dr. Tamblé u. Gen. und Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP) (Drucksache IV/1958) Dr. Hamm (Kaiserslautern) (FDP) . 5558 A Dr. Tamblé (SPD) 5559 B Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 119. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. März 1964 III Antrag betr. Einsetzung eines Sonderausschusses „Reparationsschäden" (Abg. Dr. Weber [Koblenz], Dr. Wahl, Dr. Dehler u. Gen.) (Drucksache IV/1954) Dr. Elbrächter (CDU/CSU) . . . 5560 C Hirsch (SPD) 5561 A Windelen (CDU/CSU) 5561 B Antrag betr. Gesundheitsgefährdung durch Schädlingsbekämpfungsmittel (SPD) (Drucksache IV/1952) Dr. Bechert (SPD) 5561 D Schwarz, Bundesminister . . . 5564 A Frau Geisendörfer (CDU/CSU) . 5564 D Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Inneres über den Antrag der Fraktion der SPD betr. Studienkommission zur Ausarbeitung von Vorschlägen für das Beamtenrecht (Drucksachen IV/1351, IV/1966) Gscheidle (SPD) . . . . . . . . 5565 D Hammersen (FDP) . . . . . . . 5566 D Wagner (CDU/CSU) . . 5567 A, 5568 B Schmitt-Vockenhausen (SPD) . . . 5568 A Brück (CDU/CSU) . . . . . . 5568 C Nächste Sitzung 5569 Anlage 5571 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 119. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. März 1964 5509 119. Sitzung Bonn, den 5. März 1964 Stenographischer Bericht Beginn: 14.01 Uhr
  • folderAnlagen
    Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 119. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. März 1964 5571 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordneter) beurlaubt bis einschließlich Dr. Achenbach 6.3. Dr. Arnold 6.3. Bading 6.3. Dr.-Ing. Balke 6.3. Bergmann 6.3. Dr. Bieringer 6.3. Birkelbach 6.3. Fürst von Bismarck 15.3. Blachstein 6.3. Dr. Bleiß 21.3. Dr. h. c. Brauer 6.3. Dr. von Brentano 21.3. Corterier 6.3. Dr. Deist 31.3. Deringer * 6.3. Dr. Dichgans* 5. 3. Frau Döhring 6. 3. Dopatka 15.3. Drachsler 6.3. Dr. Dr. h. c. Dresbach 21.3. Frau Dr. Elsner 6.3. Erler 6.3. Gehring 6.3. Glüsing (Dithmarschen) 17.3. Freiherr zu Guttenberg 6.3. Hahn (Bielefeld) 6.3. Hansing 17.4. Dr. Harm (Hamburg) 26. 3. Hauffe 15.3. Hesemann 6.3. Höhne 21.3. Hoogen 6.3. Kemmer 6.3. Frau Dr. Kiep-Altenloh 6.3. Klinker 6.3. Koenen (Lippstadt) 5. 3. Dr. Kopf 6. 3. Dr. Kreyssig 6.3. Kriedemann 17.3. Frau Dr. Kuchtner 4.7. Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Lenz (Bremerhaven) 15.3. Lenz (Brühl) 6. 3. Liehr 6.3. Dr. Löhr 20. 3. Lücker (München) * 6.3. Dr. Mälzig 6.3. Mattick 6.3. Frau Dr. Maxsein 6.3. Memmel 6.3. Dr. Meyer (Frankfurt) 20. 3. Michels 6.3. Dr. Miessner 21. 3. Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller 15.3. Murr 22. 3. Nellen 6.3. Neumann (Allensbach) 5. 3. Paul 6. 3. Dr. Pflaumbaum 22. 3. Dr.-Ing. Philipp 6. 3. Frau Dr. Probst 17.3. Rademacher 6.3. Frau Dr. Rehling 6.3. Richarts 6. 3. Ruland 21.3. Saxowski 22. 3. Frau Schanzenbach 6. 3. Schlick 6.3. Dr. Schmid (Frankfurt) 6.3. Schneider (Hamburg) 6.3. Dr. Seffrin 6.3. Dr. Serres 6. 3. Storch 6. 3. Dr. Süsterhenn 14. 3. Weinkamm* 6.3. Frau Welter (Aachen) 21.3. Dr. Winter 6.3. Dr. Zimmer 6.3. Zoglmann 6. 3. * Für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Werner Jacobi


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dem Entwurf eines Dritten Wohnungsbaugesetzes, den ich namens der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion begründen darf und der Ihnen als Drucksache IV/1850 vorliegt, kommt eine besondere Bedeutung zu. Er soll nicht nur Antwort auf die Frage geben, in welcher Weise der



    Jacobi (Köln)

    öffentlich geförderte Wohnungsbau nach einem Auslaufen des Zweiten Wohnungsbaugesetzes fortzuführen ist; aus seiner zusätzlichen Überschrift „Bundeswohnungsgesetz" ergibt sich, daß die Verfasser des Entwurfs an mehr als an eine gleichwie geartete Fortsetzung der bisherigen Wohnungsbauförderung gedacht haben. Ihnen liegt an einer umfassenden, materiell und zeitlich weit gespannten gesetzlichen Regelung, die über den Wohnungsneubau hinausreicht und das gesamte Wohnungswesen erfaßt.
    Gestatten Sie mir, zur Erläuterung Ihr Augenmerk auf die Gliederung des Gesetzentwurfs zu lenken, die das ausweist, was ich soeben ausgeführt habe. Aus dem Inhaltsverzeichnis ist ersichtlich, daß der Entwurf in vier Teile zerfällt, die folgende Titel führen: Erster Teil — Die öffentliche Verantwortung für die Wohnungsversorgung, Zweiter Teil — Wohnungsstandard, Dritter Teil — Finanzierung der Wohnungsversorgung, Vierter Teil — Schlußvorschriften. Der umfassende, über den bisherigen Gesetzesrahmen für den Wohnungsbau hinausreichende Charakter des Entwurfs wird auch ohne eine nähere Befassung mit den Einzelheiten durch Zwischenüberschriften wie diese deutlich: „Mindestanforderungen für den Wohnungsneubau", „Periodische Festsetzungen des Wohnungsstandards", „Anpassung bestehender Wohnungen an den Wohnungsstandard", „Wohnungsaufsicht", „Modernisierung, Instandsetzung und Sanierung". So unmöglich es ist, den Gesetzentwurf heute in seinen Einzelheiten darzustellen, so unerläßlich ist es, wenigstens einige
    seiner tragenden Ideen anzudeuten. Ich werde das in der denkbar knappsten Form tun, um Möglichkeiten zu einer eingehenden Aussprache offenzulassen.
    Der Entwurf geht von dem Gedanken aus, daß die Wohnungsversorgung auch in einer marktwirtschaftlichen Ordnung eine öffentliche Aufgabe bleibt. Sie soll dem Ziel dienen, jedem Staatsbürger eine Wohnung zugänglich zu machen — ich darf wörtlich zitieren —, „die der Würde des Menschen gerecht wird, die freie Entfaltung der Persönlichkeit fördert und die Pflege des Familienlebens ermöglicht". Bund, Länder und Gemeinden wird zur Pflicht gemacht, diesem Ziel gerecht zu werden, und zwar im Rahmen ihrer Zuständigkeiten und Befugnisse durch langfristige Programme, unter anderem auch durch die Bereitstellung von Bauland zu tragbaren Bedingungen. Damit werden also Prinzipien wiederholt und erneut statuiert, die. wir im Grunde genommen schon bisher in unserer Wohnungsbaugesetzgebung verankert haben. Andererseits wird in unserem Gesetzentwurf dem Staatsbürger zur Pflicht gemacht, zu seiner Wohnungsversorgung nach seinen wirtschaftlichen Möglichkeiten beizutragen.
    Wie ist die Ausgangslage? Vom 1. Januar 1967 an wird das Gesetz zum Abbau der Wohnungszwangswirtschaft in vollem Umfang wirksam. Zu diesem Zeitpunkt werden ohne Rücksicht auf das rechnerische Defizit alle Wohnungen aus der Wohnraumbewirtschaftung und aus der Mietpreiskontrolle entlassen, mit Ausnahme der öffentlich geförderten Wohnungen nach dem Ersten und Zweiten Wohnungsbaugesetz. Im Jahre 1967 endet zugleich die
    gesetzliche Verpflichtung für den Bund, den sozialen Wohnungsbau finanziell zu fördern. Zu diesem Zeitpunkt wird jedoch immer noch ein Zustand der Unterversorgung bestehen, dem nur durch eine gesetzlich klar festgelegte Fortsetzung öffentlicher Hilfen begegnet werden kann. Die Einstellung der Förderung des sozialen Wohnungsbaues durch Bund, Länder und Gemeinden, die durch das Auslaufen des Gesetzesbefehls im Zweiten Wohnungsbaugesetz am 1. Januar 1967 möglich ist, wenn nicht eine Änderung erfolgt, halten wir für unvertretbar.
    Die Bundesregierung geht bekanntlich davon aus, daß ein statistisch errechnetes Wohnungsdefizit von 3% eine ausreichende Rechtfertigung für die Liberalisierung der Wohnungswirtschaft ist. Die volkswirtschaftlich demgegenüber anzuführende These besagt, daß ein marktwirtschaftlicher Zustand in der Wohnungsversorgung erst gegeben ist, wenn eine Leerraumreserve von 2% an kleineren und mittleren Wohnungen besteht. Ein Defizit von 3%, soweit es sich auf alle Wohnungen erstreckt, entspricht nahezu einer Jahresproduktion an neuen Wohnungen. Die 2%ige Leerraumreserve, von der ich sprach, kann ungefähr mit einer halben Jahresproduktion angenommen werden. Mit anderen Worten: die Bundesregierung hält es für vertretbar, bei einem Fehlbestand von etwa 700 000 bis 750 000 Wohnungen im Bundesgebiet die Wohnraumversorgung über den Markt sich vollziehen zu lassen.
    Am 31. Dezember 1966 werden aber außerdem noch 300 000 bis 350 000 Wohnungen aus dem Nachholbedarf fehlen. Zu diesem Defizit von 1 bis 1,1 Millionen Wohnungen kommt der Jahresneubedarf an Wohnungen ab 1967 von wenigstens 50 % der Eheschließungen. Das allein entspricht für die nächsten 15 bis 20 Jahre einem jährlichen Wohnungsbedarf von etwa 200 000 bis 220 000 Wohnungen.
    Eine weitere Zahl, die kaum bestritten werden kann: Gering gerechnet 30 000 bis 40 000 Wohnungen werden aus Alters-, Verkehrs- und sonstigen Gründen abgerissen oder für Nichtwohnzwecke verwendet; sie stehen nicht mehr zur Verfügung.
    Schätzungsweise eine Million Wohnungen sind nach den bisherigen Untersuchungen wohnunwürdig; sie müssen abgerissen werden. Das ist eine Zahl, die das Bundeswohnungsbauministerium selbst auf Grund von Feststellungen, die das Ministerium hat treffen lassen, wiederholt genannt hat.
    Etwa 3,5 Millionen Wohnungen bedürfen der Modernisierung. Es mag nur am Rande bemerkt werden, daß hierbei der Aufwand je Wohnung nach den heutigen Preisen bei über 10 000 DM liegt. Wirtschaftliche Erwägungen, aber auch städtebauliche Überlegungen lassen es geraten erscheinen, aus dieser Gruppe eine nicht unbeträchtliche Anzahl von Wohnungen ebenfalls abzureißen.
    Schließlich müssen wiederum rund 3,5 Millionen Wohnungen mit einem Kostenaufwand je Wohnung renoviert werden, der im Durchschnitt bei 5000 DM je Wohnung liegen dürfte.
    Eine weitere Aufgabe bedarf allmählicher Lösung — sie kann nicht sofort gelöst werden —: Unsere Wohngebiete müssen mehr denn je vom Verkehrs-



    Jacobi (Köln)

    lärm und von den Belästigungen durch den Lärm und die pestilenzartigen Dünste gewerblicher Betriebe befreit werden. Auch fehlen in vielen alten Wohngebieten unserer Stadtkerne Gemeinschaftseinrichtungen wie Spielplätze, Kindertagesstätten, Jugendräume und allgemeine Einrichtungen.
    Meine Damen und Herren, bei dieser Gesamtsituation, die wenigstens kurz angedeutet werden mußte, um das Aufgabengebiet klarzumachen, um das es geht, ist es nicht vorstellbar, daß eine rein marktwirtschaftliche Wohnversorgung für alle Bevölkerungsgruppen gleichmäßig funktionieren kann.
    Die Wohnungsversorgung der minderbemittelten Bevölkerungskreise durch die Bereitstellung der nach dem Ersten und Zweiten Wohnungsbaugesetz gebauten Sozialwohnungen und die Gewährung von Wohnbeihilfen sind zwar wichtige Hilfsmittel; sie reichen jedoch in keiner Weise aus, um das Notwendige zu tun.
    Sämtliche Tatbestände zusammen haben meine politischen Freunde und mich zu der Erkenntnis geführt, daß durch eine Anschlußgesetzgebung, die ab 1. Januar 1967 wirksam werden sollte, die Wohnungsversorgung auch weiterhin, und zwar über den Wohnungsneubau hinaus, durch eine aktive Wohnungsbaupolitik von Bund, Ländern und Gemeinden vollzogen und garantiert werden muß. Dem trägt unser Gesetzentwurf Rechnung.
    Der jährliche Neubedarf und die Modernisierung und Sanierung machen eine gesetzliche Regelung über einen langen Zeitraum erforderlich. Es genügen keine mehr oder weniger geringfügigen Korrekturen etwa an der derzeitigen Gesetzgebung.
    Das ist eine unserer Grundthesen, zu denen eindeutig Stellung 'genommen werden muß.
    Gewiß läßt sich über Einzelheiten der von uns vorgeschlagenen Lösungen reden. Doch bedarf es zunächst einer Klärung, ob und inwieweit die öffentliche Verantwortung für die Wohnungsversorgung auch zukünftig gesetzlich eindeutig geregelt werden soll.
    Nach einer Verlautbarung im Bundesbaublatt, die ganz jungen Datums ist und im Februar-Heft steht, — ich darf wörtlich zitieren —:
    geht das Abbaugesetz davon aus, daß der Staat an einem freien Wohnungsmarkt seiner sozialen Verpflichtung in ausreichendem Maße .genügt, wenn er durch die Wohnbeihilfen einen sozialen Ausgleich schafft und es dadurch jedem Wohnungsbewerber ermöglicht, die von ihm begehrte Wohnung auch bezahlen zu können.
    In demselben Heft wird die vom Herrn Bundeswohnungsbauminister in der Öffentlichkeit angekündigte Novelle zum Zweiten Wohnungsbaugesetz als im Gegensatz zu der Initiativvorlage der SPD stehend bezeichnet. Nun, meine Damen und Herren, ohne die Kenntnis exakter Einzelheiten, das heißt, ohne daß wir eine entsprechende Gesetzesvorlage Wort für Wort und Punkt für Punkt überprüfen können, läßt sich nur schwer erkennen, ob und inwieweit sich der vorliegende Gesetzentwurf der SPD
    mit der erst angekündigten Vorlage der Bundesregierung verträgt.
    Eine Stunde bevor ich diesen Saal betrat, habe ich Kenntnis davon erhalten, daß inzwischen die CDU/CSU-Fraktion einen Antrag eingebracht hat, der sich auf eine Änderung und Ergänzung des Zweiten Wohnungsbaugesetzes bezieht. Ich weiß nicht, ob und inwieweit er heute hier behandelt wird; das werden wir ja hören. Wenn Sie etwa diesen Antrag als Entschließungsantrag bei diesem Tagesordnungspunkt vortragen und begründen sollten, dann werden wir uns über Einzelheiten unterhalten; das ist nicht meine Aufgabe. Ich möchte Ihnen aber sagen: ich habe den Eindruck, daß die Methode, die Sie hier wählen, doch ein wenig merkwürdig 'ist. Wochenlang hat der Herr Bundeswohnungsbauminister von der Absicht gesprochen, in einer Novelle zum Zweiten Wohnungsbaugesetz gewisse Tatbestände zu regeln; es ist sogar schon wie eine vollzogene Tatsache verkündet worden. Warum Sie nun gerade kurz vor der Begründung des SPD-Gesetzentwurfs diesen Antrag von sich aus einbringen, ist nicht schwer zu erraten. Sie wollen offenbar Schlagzeilen in den Zeitungen erreichen und solche für die SPD verhindern. Nun, ob das ein besonders schöner Stil ist, weiß ich nicht.

    (Abg. Stiller: Und Sie wollten Schlagzeilen bekommen!)

    — Herr Kollege Stiller, wir hätten auch ein Recht darauf, Schlagzeilen zu bekommen, denn wir haben ja eine geschlossene Konzeption vorgelegt. Wir beschränken uns eben nicht darauf, ein wenig Flickarbeit vorzuschlagen. Wir bieten Ihnen ein Paar neue Maßstiefel an.

    (Beifall bei der SPD.)

    Wie gesagt, wir werden uns zu den Einzelheiten noch erklären können und werden das tun.
    Schon auf den ersten Blick läßt sich da einiges Kritisches sagen. Aber das ist nicht meine Aufgabe. Nur das eine muß ich Ihnen sagen: Diese bestellte oder miteinander vereinbarte Arbeit ist keine Maßarbeit geworden. Es läßt sich auf den ersten Blick eine Menge erkennen.

    (Abg. Stiller: Das ist auch keine Maßarbeit!)

    — Herr Kollege Stiller, Sie halten den Gesetzentwurf der SPD hoch und erklären, das sei auch keine Maßarbeit. Nun, es kommt darauf an, wer sich das anzuziehen bereit ist, was wir vorschlagen. Im übrigen stelle ich zu meiner Freude fest, daß Sie offenbar wenigstens hineingeschaut haben.
    Eines wollen Sie bei der Betrachtung dieses Gesetzentwurfs aber bitte nicht außer acht lassen. Uns stand und steht kein Ministerium zur Seite, wenn wir Anträge oder gar Gesetzentwürfe einbringen. Wir müssen diese Arbeit überwiegend allein tun und haben ab und zu das Glück, einige sachverständige Kollegen unter uns zu wissen oder heranholen zu können. Das ist eine schwere Arbeit. Ich muß zu unserer Genugtuung feststellen, daß in einem Teil der Presse, als wir vor einigen Wochen diesen Gesetzentwurf bekannt gaben, sachlich dargestellt wurde, daß es sich zumindest um eine Fleißarbeit



    Jacobi (Köln)

    handelt und daß wir uns große Mühe gegeben haben, mehr als Vorschläge für den Alltag vorzutragen und in den Gesetzentwurf einzubauen.
    Meine Damen und Herren, wir haben es uns wirklich nicht leicht gemacht. Mit Genugtuung habe ich zur Kenntnis genommen, daß der Herr Bundeswohnungsbauminister offenbar auch erkannt hat, daß diese Vorlage einen Anspruch darauf erhebt, sachlich beurteilt zu werden und nicht mit einer einfachen Handbewegung abgetan zu werden, wie das oft bei Anträgen und Vorschlägen der Opposition in diesem Hause der Fall gewesen ist. Wenn wir in dieser oder jener Frage Kritik übten, sind wir immer wieder gefragt worden: Wo bleibt denn eure konstruktive Kritik? Meine Damen und Herren, wenn Sie sich mit dieser Vorlage ernsthaft beschäftigen, können Sie nicht leugnen, daß es sich hier um einen solchen Beitrag konstruktiver Kritik und um Vorschläge handelt, mit denen man sich sachlich beschäftigen muß.
    Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich habe soeben aus dem Bundesbaublatt eine Feststellung zitiert, die das Abbaugesetz betraf. In diesem Zitat findet sich die Bemerkung vom freien Wohnungsmarkt. Ein freier Wohnungsmarkt bedeutet leider nicht bereits ohne weiteres einen Markt mit freier Konsumwahl. Nach wie vor bestehen Widersprüche zwischen dem rechnerischen und dem tatsächlichen Wohnungsdefizit. Sie alle wissen dies, wenn Sie sich mit den Räten und den Verwaltungen in Ihren Kreisen unterhalten oder wenn Sie mit den Menschen sprechen, die an Sie Fragen richten, wie denn in Zukunft die Wohnungsversorgung aussehen soll, welche Chancen sie haben, eine bessere oder überhaupt eine Wohnung oder eine andere Wohnung zu bekommen für den Fall, daß ihnen die Kündigung droht. Unser Bundestagskollege Heinrich Müller hat sich in seiner Eigenschaft als Landrat des Landkreises Wesermarsch vor einiger Zeit in einem offenen Brief an den Herrn Bundeswohnungsbauminister gewandt und aus der Sicht seines Kreises auf den Widerspruch zwischen Statistik und Wirklichkeit hingewiesen. Ähnliche Feststellungen wurden und werden auch andernorts getroffen. Ich darf in diesem Zusammenhang auf eine besonders gründliche Untersuchung hinweisen, die die Stadt Lübeck über den tatsächlichen Wohnungsbedarf in ihrem Verwaltungsbereich durchgeführt hat, eine eingehende Untersuchung, die auf meinem Tisch liegt, die Ihnen jederzeit zur Verfügung steht,

    (Abg. Dr. Hesberg: Die kennen wir auch!)

    die sicherlich dem Bundeswohnungsbauministerium und einigen Kollegen bekannt ist.
    In dieser und in anderen Untersuchungen wird in einer methodisch absolut einwandfreien Weise nachgewiesen, daß der Wohnungsbedarf, und zwar der subjektive wie auch der objektive, weit höher liegt, als die statistischen Berechnungen es zu erkennen geben. Der Vergleich zwischen Haushaltungen und Wohnungsbeständen kann — das haben wir von dieser Stelle aus und in der Öffentlichkeit immer wieder herausgestellt — nie ein richtiges Bild geben, weil nach dieser Methode die wohnungsbedürftigen Haushaltsteile, etwa die im Haushalt lebenden Einzelpersonen oder Ehepaare, die einen eigenen Haushalt bilden möchten und eine Wohnung suchen, nicht erfaßt werden. Ebensowenig gibt die Statistik einen Einblick in die aus Wohnungsgründen verhinderten Eheschließungen, ein Kapitel, für das sich eigentlich der Herr Bundesfamilienminister einmal interessieren sollte.
    Dies sind nur einige kritische Hinweise, die, wie ich bereits angedeutet habe, keineswegs neu sind, jedoch bisher immer wieder überhört wurden. Wir haben allerdings mit Aufmerksamkeit vermerkt, daß sich nach einer Presseverlautbarung seines Hauses vom 27. Februar 1964 Herr Minister Lücke gegenüber den Länderwohnungsbauministern geäußert hat, es werde auch in den weißen Kreisen weitergebaut, „weil nicht nur das rechnerische Wohnungsdefizit beseitigt, sondern auch der Wohnungsbedarf befriedigt werden müsse". Das ist eine Feststellung, die wir begrüßen. Sie sagt genau das, was Wir immer erklärt haben, daß nämlich die Wohnungsdefizitberechnung nicht ausreicht, um Schlüsse hinsichtlich des Wohnungsbedarfs zu ziehen. Alle Feststellungen haben immer wieder ergeben, daß im Zweifel die statistische Berechnung des Wohnungsdefizits nicht die Wirklichkeit wiedergibt, sondern die tatsächliche Mangellage nur unzulänglich erkennen läßt. Optimistische Schätzungen gehen bekanntlich dahin, daß das rechnerische Wohnungsdefizit, von einer Reihe von Brennpunkten des Wohnungsbedarfs abgesehen, in den nächsten zwei Jahren im wesentlichen beseitigt werden könne. Selbst wenn wir dies einmal unterstellen, so ist nach dem Ausgeführten der wirkliche Wohnungsbedarf damit keineswegs abgedeckt.
    In diesem Zusammenhang sei noch einmal an die Wohnungen erinnert, die infolge von Überalterung oder wegen der Erfordernisse einer umfassenden Sanierung ersetzt werden müssen.
    Der sozialdemokratische Gesetzentwurf versucht, allen diesen Erfordernissen Rechnung zu tragen. Er begnügt sich jedoch nicht nur mit der Aufzeigung der damit verbundenen Probleme und mit programmatischen Erklärungen, er legt auch die Verpflichtung des Bundes zu materieller Hilfe fest. In § 45 wird die Beteiligung des Bundes an der Finanzierung der Wohnungsversorgung dahin festgelegt, daß in jedem Rechnungsjahr ein Betrag von mindestens 1 Milliarde DM und alle Rückflußmittel aus Wohnungsdarlehen für die Zwecke dieses Gesetzes bereitgestellt werden. Dabei wird davon ausgegangen, daß die Länder zu entsprechenden Leistungen bereit sind. Wie bei den bisherigen Wohnungsbaugesetzen muß auf eine bundesgesetzliche Festlegung entsprechender Leistungen der Länder und der Gemeinden verzichtet werden. Das hat verfassungsrechtliche und verfassungspolitische Ursachen, die Ihnen allen bekannt sind. Die Initianten des Gesetzentwurfs gehen jedoch davon aus, daß sich sowohl die Länder als auch die Gemeinden zu der alten und immer wieder auftretenden Gemeinschaftsaufgabe bekennen und sich auch in der Zukunft materiell entsprechend beteiligen werden.
    Der Gesetzentwurf setzt an die Stelle der zwangswirtschaftlichen Wohnungsversorgung minderbemit-



    Jacobi (Köln)

    telter Bevölkerungsschichten die öffentliche Verantwortung für die Wohnungsversorgung aller Bevölkerungsgruppen. Er erklärt die Wohnungsversorgung in der Bundesrepublik damit erstmalig zu einer umfassenden öffentlichen Aufgabe. Bei der Bedeutung der Wohnung für die Freiheit des Menschen, die Menschenwürde und die sozialen Maximen, die mit der Wohnung verbunden sind, ist eine solche Grundeinstellung vollauf gerechtfertigt.
    Der Gesetzentwurf bekennt sich im Grundsatz zu einer marktwirtschaftlichen Wohnungsversorgung. Diese bedarf jedoch dort der Modifizierung, wo zu besorgen ist, daß die gesellschafts- und sozialpolitischen Grundsätze, die mit der Wohnung verbunden sind, in Gefahr geraten können. Das bedeutet keineswegs einen Rückschritt in die Zwangswirtschaft oder die Ausschaltung des Marktes als Regulators. Die bereits eingangs erwähnten, Bund, Länder und Gemeinden zur Pflicht gemachten langfristigen Programme haben keinen anderen Sinn als den einer den Bedürfnissen Rechnung tragenden Marktbelebung. In diesem Zusammenhang und um deutlich zu machen, daß volkswirtschaftlich vernünftig vorgegangen werden soll, [sei auf den Konjunkturbeirat hingewiesen, der in § 50 des Gesetzentwurfs vorgeschlagen wird. Im übrigen soll die Bedarfsdeckung nicht durch eine eigenunternehmerische Tätigkeit der öffentlichen Hand erfolgen, sondern in die Hand von privaten Bauherren und dafür geeigneten Unternehmen gelegt werden. Es ist an eine bedarfsorientierte Marktbeobachtung und auf ihr basierende Anregungen, Anreize und j Hilfen für die vielfältigen in der Wohnungswirtschaft tätigen Kräfte gedacht.
    Der Gesetzentwurf enthält unter anderem, wie bereits erwähnt, Bestimmungen über die Sanierung. Erst nachdem seine Verfasser die diesbezüglichen Bestimmungen, die sich in den §§ 15 ff. finden, formuliert hatten, sind Einzelheiten über die Absichten des Wohnungsbauministers bekanntgeworden, entsprechende Maßnahmen durch ein Städtebauförderungsgesetz regeln zu lassen. Ein Vergleich der Entwürfe zeigt, daß sich hier weitgehende Übereinstimmungen in der Auffassung und im Grundsätzlichen anbieten. Allerdings muß verwundern, daß der Entwurf des Bundeswohnungsbauministeriums jede finanzielle Verpflichtung des Bundes ausklammert. Das kann sicherlich nicht das letzte Wort in dieser Sache sein. Hier ist der sozialdemokratische Gesetzentwurf konsequenter.
    Verzeihen Sie, Herr Präsident, ich wäre dankbar, wenn sie den Herren Kollegen meine Bitte unterbreiteten, die Gespräche etwas leiser zu führen. Der Schall dringt zu mir und stört.


Rede von Dr. Richard Jaeger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Herr Abgeordneter Jacobi, ich gehe sogar einen Schritt weiter und bitte die Damen und Herren, die Privatgespräche zu führen wünschen, das außerhalb des Saales zu tun, damit der Redner den Gesetzentwurf in Ruhe begründen kann.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Werner Jacobi


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Ich danke, Herr Präsident.
    Ich sagte, daß ,der sozialdemokratische Gesetzentwurf hinsichtlich der Finanzierungsregelung konsequenter sei. Er geht davon aus, daß es nicht genügt, Grundsätze für die Sanierung zu statuieren, sondern daß in einem der Sanierung dienenden Bundesgesetz auch eindeutige Bestimmungen über die Mitbeteiligung des Bundes an der Finanzierung enthalten sein müssen.
    Ein besonders wichtiges Kapitel des sozialdemokratischen Gesetzentwurfs stellen die den Wohnungsstandard betreffenden Bestimmungen dar. Sie gehen davon aus, daß unsere Wohnungen grundsätzlich den neuzeitlichen Anforderungen entsprechen sollen, und zwar in städtebaulicher, bautechnischer, hygienischer und kulturell-zivilisatorischer Hinsicht. Beim Blick in den die Einzelheiten regelnden § 5, der die Zwischenüberschrift „Mindestanforderungen für den Wohnungsneubau" trägt, wird dieser den mit der bisherigen Gesetzgebung hierzu nicht völlig Vertrauten als ein Novum vorkommen, eben soweit es sich um die Einzelheiten handelt. In Wirklichkeit enthält bereits [das Zweite Wohnungsbaugesetz — worauf aufmerksam gemacht werden muß — in seinem § 40 ziemlich detaillierte Bestimmungen über die Mindestausstattungen der Wohnungen. Sie sind seinerzeit vom Bundestag — auf einen SPD-Entwurf zurückgehend — in die Regierungsvorlage eingebaut worden. Ihr Zweck ist, wie es damals wörtlich im Ausschußbericht hieß, „zu verhindern, daß mit öffentlichen Mitteln unzureichend ausgestattete Wohnungen gebaut werden".
    Der sozialdemokratische Gesetzentwurf paßt die Bestimmunegn über die Mindestausstattung den fortschrittlichen Erkenntnissen an, die wir für die Gegenwart und für die Zukunft in gesundheitlicher und wohnkultureller Hinsicht haben sammeln können. Die Gemeinden sollen im Wege der Wohnungsaufsicht für .die Einhaltung des Wohnungsstandards beim Neubau und für die allmähliche Anpassung bestehender Wohnungen im Rahmen .des Möglichen an den Wohnungsstandard Sorge tragen.
    Es darf darauf hingewiesen werden, daß auch das Institut der Wohnungsaufsicht keineswegs neu ist. Wir kennen es nicht nur im Ausland — so in Holland, England und in den skandinavischen Staaten—, wir haben selbst in unserem Land, und zwar in unseren Bundesländern, nach wie vor geltende dahin gehende gesetzliche Bestimmungen. Die diesbezüglichen Vorschriften, die die amtliche Aufsicht über den Zustand der Wohnungen und die Wohnungspflege aus Gründen der Erhaltung des Volksvermögens, aus sozialen und politischen Erwägungen regeln, sind lediglich in der Notzeit gleichsam in Vergessenheit geraten. Man hat es nicht für möglich gehalten, sie anzuwenden, aber sie bestehen noch. Das Institut könnte also neu belebt werden. Ich glaube, man kann gar nicht mehr darauf verzichten, wenn man an die gemeinsamen Vorstellungen denkt, die in diesem Hause hinsichtlich der Erneuerung der Städte und Dörfer herrschen.
    Im Handwörterbuch des Städtebaus, Wohnungs-und Siedlungswesens — einer der Herausgeber sitzt auf der Regierungsbank: Herr Staatssekretär Professor Dr. Ernst — wird die Wohnungsaufsicht defi-



    Jacobi (Köln)

    niert als die behördliche Aufsicht über die Gestaltung und Unterhaltung sowie Benutzung von Wohnungen. Es wird davon gesprochen, daß eine entsprechende Einflußnahme auf die Abstellung etwaiger Mißstände eine der Aufgaben dieser behördlichen Wohnungsaufsicht ist. Es findet sich zugleid in diesem Handbuch der Hinweis darauf, daß die Wiederaufnahme einer entsprechenden Aufsicht in unserer Zeit dringlich erscheint. Ich darf das feststellen, weil man gelegentlich in diesen Wochen gehört hat, die Wohnungsaufsicht sei eine quasi marxistische Erfindung, und die Sozialdemokraten ließen in diesem Punkt ihr Godesberger Programm in Stich und versuchten, etwas Schreckliches wieder einzuführen oder neu einzuführen. Das ist ein völliger Irrtum. Er kann nur bei denen auftauchen, die das Material nicht genügend studiert haben.
    Ich darf ein weiteres Zitat aus dem Handbuch anführen:
    Wohnungsaufsicht und Wohnungspflege sind ihrem Wesen nach Wohlfahrtsmaßnahmen und sollen nach Möglichkeit Zwang vermeiden und mit Rat und Empfehlung Mißstände abzustellen versuchen. Wo notwendig, soll aber auch mit Zwang Ordnung geschaffen werden. Eine geordnete Wohnungsaufsicht verlangt periodische Überprüfungen aller Wohnungen, wie sie in den Großstädten vor 1933 die Regel waren.

    (Abg. Frau Berger-Heise: Sehr gut!)

    Meine Damen und Herren, just von solchen Erwägungen geht auch der sozialdemokratische Gesetzentwurf aus. Seine Verfasser befinden sich nach dem Ausgeführten also in recht guter und vom Standpunkt der Mehrheit dieses Hauses her sozusagen sogar in politisch einwandfreier Gesellschaft.
    Was für die Modernisierung gilt, muß ganz besonders für die Sanierung gelten. Auch hier wird die Freiwilligkeit erstes Gebot sein und die Durchführung eventuellen Zwanges mit den allgemeinen rechtsstaatlichen Garantien, die es auch hier zu beachten gilt, erst am Ende stehen. Überhaupt besteht der Kern des sozialdemokratischen Gesetzentwurfes nach dem, was seinen Verfassern vorschwebt und was sie bei der Beratung auch noch ausdrücklich und im einzelnen zusätzlich klarzustellen bereit sind, in dem Versuch der Sicherstellung einer dem einzelnen und zugleich der Gemeinschaft dienenden menschenwürdigen Versorgung mit Wohnungen durch Hilfen mannigfacher Art und nicht in Zwangsmaßnahmen.
    Andererseits ist es undenkbar, die Entwicklung einfach dem freien Spiel der Kräfte zu überlassen und etwa die These aufzustellen, daß Mietfreigaben plus Wohnbeihilfen ein genügender Regulator seien und den Markt in ordentlicher Weise in Funktion brächten.
    Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist nicht die Aufgabe der ersten Lesung, alle Einzelheiten eines Entwurfs auszubreiten. Es ist die Aufgabe, die wesentlichen Gesichtspunkte darzustellen. Nach unserer Auffassung können die mit der Weiterführung des sozialen Wohnungsbaus verbundenen Aufgaben nicht auf so einfache Weise gelöst werden wie nach der soeben von mir als ein Anhaltspunkt für das Denken vieler aufgestellten These, Mietfreigabe plus Wohnbeihilfen reichten aus. Das aber gilt in noch stärkerem Umfange über den Wohnungsneubau hinaus für die Aufgaben, die es daneben zu lösen gibt. Selbst wenn man die Förderung städtebaulicher Maßnahmen in Stadt und Land und die Herbeiführung eines Standards bei allen Wohnungen entsprechend dem kulturellen, zivilisatorischen und sozialen Fortschritt — und den bejahen wir ja wohl alle — über einen Zeitraum von 15 bis 20 Jahren verteilt, geht es ohne öffentliche Hilfen nicht.
    Ich darf zusammenfassen, was uns mit unserem Gesetzentwurf vorschwebt, was unsere Vorstellungen, was unsere Ziele sind. Wir meinen:
    Erstens. Jeder Staatsbürger hat das Recht auf eine Wohnung, die einem modernen kulturellen und zivilisatorischen Standard entspricht. Er hat allerdings zugleich die Pflicht, zu seiner Wohnungsversorgung im Rahmen seiner wirtschaftlichen Möglichkeiten beizutragen.
    Zweitens. Auch in einer marktwirtschaftlichen Ordnung bedarf es auf dem Gebiete des Wohnungswesens öffentlicher Förderung. Sie haben über die Behebung sozialer Notstände hinaus die Aufgabe, für einen jederzeit ausgeglichenen Wohnungsmarkt zu sorgen.

    (Abg. Dr. Czaja: Für alle!)

    — Selbstverständlich für alle! Das habe ich ja auch gesagt: Über die Behebung sozialer Notstände hinaus besteht die Aufgabe, für einen jederzeit ausgeglichenen Wohnungsmarkt zu sorgen. Ein ausgeglichener Wohnungsmarkt, Herr Kollege, ist ein Wohnungsmarkt, auf dem jeder seinen Wohnraumbedarf befriedigen kann.