Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie bitte, daß Ihnen nach den Darlegungen des Herrn Berichterstatters und der drei Sprecher der Fraktionen auch der zuständige Ressortminister seine Auffassung zu dem Thema vorträgt, das heute das Hohe Haus beschäftigt.
Ich darf mit einer grundsätzlichen Feststellung beginnen und herausstellen, daß nicht nur ich persönlich, sondern auch das Ministerium der Verteidigung die Institution des Wehrbeauftragten bejahten, und zwar nicht nur, weil sie im Gesetz verankert ist, das das Hohe Haus gegeben hat, sondern weil meine Mitarbeiter und ich persönlich auch von der nützlichen Wirksamkeit dieser Einrichtung überzeugt sind.
Ich darf aber auf ein paar Punkte eingehen, die im Laufe dieser Debatte von den Sprechern der Fraktionen genannt worden sind. Es wurde wenig angedeutet, daß nicht überall in der Bundeswehr, auch nicht im Ministerium, diese Einrichtung wirklich begrüßt werde und überall ihre Unterstützung finde. Ich möchte ausdrücklich darauf hinweisen, daß die Richtlinie des Ministeriums vorschreibt, alles zu tun, um dem Herrn Wehrbeauftragten seine Arbeit draußen zu erleichtern. Sollte hier und dort vielleicht einmal ein begründeter Vorgang von Ihnen zur Kenntnis genommen werden, so lassen Sie uns das wissen; dann werden wir diesem Vorgang nachgehen.
Eingangs wurde von dem Herrn Abgeordneten Paul, dem Sprecher der Sozialdemokratischen Partei, die Frage gestellt, ob es nicht besser sei, diesen Bericht bis in die Kompanien hinein zu verteilen. Er meinte, wenn das geschehen wäre, hätte es möglicherweise für die Erscheinungen, die in Nagold jetzt sichtbar geworden sind, nicht erst einen Ansatzpunkt gegeben. Dazu darf ich darauf verweisen, daß bei uns eine Weisung besteht, daß sich die Einheiten — und zwar in diesem Fall die Bataillone —
diesen Bericht, der nicht vom Ministerium erstellt wird, sondern vom Wehrbeauftragten, also einem Organ des Bundestages, beschaffen und ihn verteilen bis zu den Kompanien hin. Ich würde es persönlich begrüßen, wenn man einen einfachen Weg dadurch fände, daß uns im Ministerium dieser Bericht in einer ausreichenden Anzahl zur Verfügung gestellt würde, damit wir vom Ministerium aus die Verteilung bis unten hin vornehmen könnten. Ich möchte persönlich diese Bitte äußern. Ich wäre dankbar, wenn das Hohe Haus bei dem nächsten Bericht — 1963 — in dieser Weise verfahren könnte.
In der Debatte hat der Abgeordnete Paul schon darauf verwiesen, daß die Kommandeure, die Offiziere, aber auch die Unteroffiziere überfordert seien, und zwar nicht nur mit soldatischen Aufgaben, sondern auch, wie er sich ausdrückte, mit „überflüssigem Bürokram". Er meinte, es sei wichtiger, an Stelle der Erstattung formaler Meldungen oder des Studiums der Erlasse des Ministeriums die Menschen selber, die Soldaten, zu betreuen. Ich stimme zunächst dem letzten Satz zu, daß wir alles zu tun haben, um den Soldaten zu betreuen, den Soldaten zu führen, ihn anzuleiten, ihn auch zu der Aufgabe, die er in der Bundeswehr zu erfüllen hat, anzuleiten, ihn wirklich zu führen.
Zu der Frage aber, ob man statt der Betreuung der Menschen die Zeit damit verbringt, formale Meldungen zu erstatten und Erlasse zu studieren, darf ich doch vielleicht auf folgendes hinweisen. Nicht nur von dem Abgeordneten Paul, sondern auch von dem Sprecher der Freien Demokraten ist die Behauptung aufgenommen worden, daß ein Übermaß an Papierkrieg draußen den Einheitsführer bedrücke, und zwar seit 1958. Herr Abgeordneter Schultz, ich darf darauf aufmerksam machen, daß das Ministerium 1958 eine Vereinfachungskommission eingesetzt hat, die den Papierkrieg bereits um 60 auf 40% vermindert hat, und zwar mit dem Schwerpunkt auf dem vielgeplagten Kompaniechef.
Sie sind Abgeordneter des Bundestages, vom Volke gewählt, und Sie sind souverän. Herr Abgeordneter Schultz, wenn Sie morgens Ihre Post abholen, dann werden Sie als souveräner Abgeordneter wahrscheinlich 90 % des Papiers, das Sie vorfinden, in den Papierkorb schieben.
— Sehr richtig! — Wenn ich aber bei meinen Kompaniechefs nachher etwa auch konstatiere, daß sie sich souverän fühlen und 90% des Papiers, das von uns kommt, in den Papierkorb fegen, dann möchte ich einmal sehen, wie rasch das Thema Ungehorsam aufkommt und geklagt wird, daß der Kompaniechef nicht gelesen hat, was ihm von oben zugeleitet worden ist.
Es ist also nicht ganz einfach, eine Auswahl zu treffen zwischen dem Papier, das ein Offizier oder auch ein Unteroffizier lesen muß, und dem, was man ihm gerne ersparen würde. Denn, meine Da-
5372 Deutscher Bundestag — 4. Wahiperiode — 117. Sitzung. Bonn, Freitag, den 21. Februar 1964
Bundesminister von Hassel
men und Herren, das Papier kommt nicht nur von den Verwaltungsstellen des Ministeriums; auch die Soldaten selber sind durchaus geübte „Papierkrieger" und bereit, sehr viel Papier zu produzieren, und zwar einfach deshalb, Herr Abgeordneter, weil alles, was nicht von oben befohlen wird, irgendwann einmal dem Soldaten unten vorgehalten werden kann, daß er etwas getan hat, was nicht von oben befohlen worden ist, und daß er unter Umständen etwas falsch gemacht hat, einen Fehlgriff getan hat. Damit wird er nachher in den Augen seiner Vorgesetzten oder in den Augen der Öffentlichkeit sehr rasch abqualifiziert.
Das Ministerium bemüht sich deshalb, den papiernen Teil seiner Aufgabe so gering wie irgend möglich zu halten. Ich habe schon einmal von diesem Pult aus das Hohe Haus gebeten, dabei behilflich zu sein, daß auch das, was man in Gesetzesform kleidet, nicht nachher bei der Ausführung nach unten in einem Übermaß an Papier verarbeitet werden muß. Wenn man bereit ist, und zwar vom Parlament aus, uns in dieser Richtung zu helfen, dann glaube ich, daß auch der einzelne Einheitsführer unten eine gewisse Entlastung erfährt.
Der Abgeordnete Schultz hat bei den Themen, die er angesprochen hat, auch auf die Informationstagungen zwischen dem .Bundesjustizministerium, den Wehrstrafrichtern und den Anwälten verwiesen, und er hat dabei auch das Thema des Arrests und des Arrestanten im Verhältnis zu dem Soldaten, der einen harten Dienst machen muß, gestreift. Dazu möchte ich zweierlei sagen, Herr Abgeordneter Schultz. Das eine ist dies: die Tagungen, die der Bundesminister der Justiz veranstaltet, werden von dem Bundesminister der Verteidigung sehr begrüßt. Wir würden es aber auch begrüßen, wenn Abgeordnete des Bundestages daran teilnähmen. Wie ich vom Bundesministerium der Justiz erfahren habe, ist für die nächste Tagung vom 24. bis zum 28. Februar bisher nicht ein einziger Abgeordneter gemeldet worden, obgleich diese Tagung schon in der nächsten Woche beginnt und obwohl die Fraktionen angeschrieben worden sind.
— Ja, ja, da waren auch nur Sie da, aber nicht die anderen.
— Jawohl. Ich habe — Sie können sich darauf verlassen — einen sehr graben Brief an meine politischen Freunde geschrieben; er hat aber offenbar nicht gefruchtet; denn bis heute sind keine Meldungen eingegangen.