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    Deutscher Bundestag 110. Sitzung Bonn, den 5. Februar 1964 Inhalt: Glückwünsche zu den Geburtstagen der Abg. Schneider (Hamburg) und Wehking 5033 A Überweisung von Gesetzentwürfen an den Haushaltsausschuß gemäß § 96 GO . . . 5033 B Fragestunde (Drucksache IV/1884) Fragen des Abg. Schmidt (Kempten) : Öffentliche Mittel für den sozialen Wohnungsbau Dr. Ernst, Staatssekretär 5034 C, 5035 A, B Hammersen (FDP) 5035 B Frage des Abg. Dröscher: BRANDARIS-Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung Dr. Carstens, Staatssekretär . . . . 5035 B Fragen des Abg. Dr. Dr. h. c. Friedensburg: Entwicklungshilfe für Indonesien und Nachbarstaaten Israels . . 5035 C, 5036 A Fragen des Abg. Dr. Kanka: Visum für Nationalchinesen aus Taiwan Dr. Carstens, Staatssekretär . . . 5036 B, D Dr. Kanka (CDU/CSU) 5036 C, D Frage des Abg. Dr. Mommer: Entsendung von Abgeordneten in das Europäische Parlament Dr. Carstens, Staatssekretär . . . . 5036 D, 5037 B, C, D Dr. Mommer (SPD) 5037 A Wehner (SPD) 5037 C, D Frage des Abg. Dr. Mommer: Initiativen zur politischen Einigung Europas Dr. Carstens, Staatssekretär . . . 5038 A, B Dr. Mommer (SPD) 5038 A, B Fragen des Abg. Baier (Mosbach) : Rentenzahlungen der österreichischen Rentenversicherung . . . . . . . 5038 C Fragen des Abg. Jahn: Entwurf eines Deutschen Arbeitsgesetzbuches Blank, Bundesminister 5038 C, D, 5039 A, B Jahn (SPD) . . . . . . . . . 5039 A, B Frage des Abg. Dr. Schmidt (Offenbach) : Chronische Emphysem-Bronchitis Blank, Bundesminister . . . . . 5039 B, D, 5040 A, B, C Dr. Schmidt (Offenbach) (SPD) . . 5039 C, D Heiland (SPD) 5039 D, 5040 A Arendt (Wattenscheid) (SPD) . . . 5040 B Frage des Abg. Fritsch: Unerledigte Versorgungsanträge in der Kriegsopferversorgung Blank, Bundesminister 5040 C, 5041 A, B, C Fritsch (SPD) 5041 A, B Riegel (Göppingen) (SPD) . . 5041 B, C Fragen des Abg. Maucher: Unfallversicherung für Pflegepersonen von Schwerstbeschädigten Blank, Bundesminister 5041 C II Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 110. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 5. Februar 1964 Frage des Abg. Peiter: Krankenpapiere beim Kb-Verfahren Blank, Bundesminister . 5041 D, 5042 A, B Peiter (SPD) 5042 A Maucher (CDU/CSU) 5042 B Frage des Abg. Dr. Dittrich: Unfallfürsorge beim Betriebssport Höcherl, Bundesminister 5042 C Frage des Abg. Jahn: Änderungen des Grundgesetzes Höcherl, Bundesminister 5042 D, 5043 B, C, D Jahn (SPD) 5043 A, B Dr. Schäfer (SPD) 5043 C Hammersen (FDP) . . . . . . 5043 D Frage des Abg. Varelmann: Besoldung der Steuerbeamten • Höcherl, Bundesminister . 5043 D, 5044 A Varelmann (CDU/CSU) 5044 A Frage des Abg. Dr. Kanka: Vermerke in Pässen ausländischer Studenten Höcherl, Bundesminister 5044 A Frage des Abg. Fritsch: Grenzübergänge an der deutschtschechoslowakischen Grenze Höcherl, Bundesminister 5044 B Frage des Abg. Schmidt (Kempten) : Gesetzentwurf über die Aufhebung der Baulandsteuer . . . . . . . . . 5044 B Frage des Abg. Varelmann: Personelle Lage bei der Finanzverwaltung Dr. Dahlgrün, Bundesminister . . 5044 C, D Varelmann (CDU/CSU) 5044 D Fragen des Abg. Memmel: Urteile des Bundesfinanzhofes betr. Steuerermäßigung bei einem Konkubinat und für Prostituierte Dr. Dahlgrün, Bundesminister . . . 5044 D, 5045 A, C, D, 5046 A, B Memmel (CDU/CSU) 5045 C, D Dr. Wuermeling (CDU/CSU) . 5046 A, B Hammersen (FDP) 5046 B Dr. Mommer (SPD) 5046 C Entwurf eines Umsatzsteuergesetzes (Drucksache IV/1590) — Erste Beratung —; in Verbindung mit dem Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes (CDU/CSU, FDP, SPD) (Drucksache IV/1659) — Erste Beratung —; und dem Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes (Abg. Schulhoff, Opitz u. Gen.) (Drucksache IV/1509) — Erste Beratung — Dr. Dahlgrün, Bundesminister . . . 5046 D, 5086 B Dr. Luda (CDU/CSU) 5055 C Dr. Imle (FDP) 5064 B Dr. Besold (CDU/CSU) 5069 C Seuffert (SPD) 5072 B Dr. Toussaint (CDU/CSU) . . . 5079 A Opitz (FDP) 5081 A Frau Dr. Diemer-Nicolaus (FDP) . 5082 C Riedel (Frankfurt) (CDU/CSU) . . 5083 D Dr. Aschoff (FDP) 5085 A Dr. Schmidt (Wuppertal) (CDU/CSU) 5085 C Dr. Starke (FDP) 5085 D Dr. Mommer (SPD) 5086 D Erweiterung der Tagesordnung . . . . 5069 B Schriftlicher Bericht des Außenhandelsausschusses über die Dritte Verordnung über die Verringerung von Abschöpfungssätzen bei der Einfuhr von Eiprodukten (Drucksachen IV/1726, IV/1876) . . . . 5087 B Entwurf eines Gesetzes über die allgemeinen Rechtsverhältnisse der Presse (Presserechtsrahmengesetz) (FDP) (Drucksache IV/1814) — Erste Beratung —; in Verbindung mit dem Entwurf eines Rahmengesetzes zur Vereinheitlichung des Presserechts (Presserechtsrahmengesetz — PRRG) (SPD) (Drucksache IV/1849) — Erste Beratung —; dem Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Strafprozeßordnung (SPD) (Drucksache IV/1696) — Erste Beratung —; dem Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Strafprozeßordnung (Abg. Dr. Schmidt [Wuppertal], Bading, Margulies u. Gen.) (Drucksache IV/1734) — Erste Beratung — und dem Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 110. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 5. Februar 1964 III Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Strafprozeßordnung (FDP) (Drucksache IV/1815) — Erste Beratung — Busse (FDP) 5087 C Sänger (SPD) 5090 C Präsident D. Dr. Gerstenmaier . . 5091 D, 5106 C, 5111 B Neumann (Allensbach) (CDU/CSU) 5092 C Höcherl, Bundesminister 5096 D Hirsch (SPD) . . . . . . . . 5102 B Dr. Müller-Emmert (SPD) 5105 B Frau Dr. Diemer-Nicolaus (FDP) . 5106 B Dr. Kanka (CDU/CSU) 5109 D Dr. Bucher, Bundesminister . . . 5113 A Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung der Absetzungen für Abnutzung bei Gebäuden (Abg. Dr. Hesberg, Dr. Czaja, Stiller, Baier [Mosbach], Hammersen, Dr. Mälzig u. Gen.) (Drucksache IV/1892) — Erste Beratung — . . . . . . . . . 5115 C Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes (Abg. Dr. Schmidt [Wuppertal], Etzel, Dr. Vogel, Dr. Imle, Frau Funcke [Hagen] u. Gen.) (Drucksache IV/1894) — Erste Beratung — 5115 C Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes (SPD) (Drucksache IV/1897) — Erste Beratung — Seuffert (SPD) . . . . . . . . 5115 D Sechsundvierzigste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1963 (Zollkontingente 1964 — Agrarwaren) (Drucksache IV/1873); in Verbindung mit Einundfünfzigster Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1963 (Zollkontingent für Tabakerzeugnisse aus EWG-Ländern) (Drucksache IV/1885) . . 5116 A Siebenundvierzigste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1963 (Zollkontingente 1964 — gewerbliche Waren — II. Teil) (Drucksache IV/1874); in Verbindung mit Neunundvierzigster Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1963 (Änderung des Gemeinsamen Zolltarifs der EWG — II. Teil) (Drucksache IV/1875) . 5116 A Antrag des Bundesministers der Finanzen betr. Veräußerung der ehem. Wehrmachtskommandantur in Kassel (Drucksache IV/1859) 5116 B Antrag des Bundesministers der Finanzen betr. Veräußerung einer Teilfläche des ehem. Flugplatzes Linter-Eschhofen (Drucksache IV/1869) . . . . . . . . 5116 C Antrag des Bundesministers der Finanzen betr. Entlastung der Bundesregierung wegen der Bundeshaushaltsrechnung für das Rechnungsjahr 1960 (Drucksache IV/1780) 5116 C Schriftlicher Bericht des Ernährungsausschusses über den 2. Halbjahresbericht über die Auswirkungen der EWG-Marktorganisationen auf dem Agrargebiet für die Zeit von Januar bis Juni 1963 (Drucksachen IV/1548, IV/ 1883) . . . . . 5116 C Nächste Sitzung 5116 D Anlagen 5117 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 110. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 5. Februar 1964 5033 110. Sitzung Bonn, den 5. Februar 1964 Stenographischer Bericht Beginn: 9.02 Uhr
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    Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Frau Albertz 8. 2. Dr. Atzenroth 6. 2. Bauer (Wasserburg) 7. 2. Dr. Bieringer 7. 2. Birkelbach* 5. 2. Blöcker 5. 2. Böhme (Hildesheim) 7. 2. Brand 5. 2. Dr. von Brentano 21. 3. Brünen 20.2. Burckardt 5. 2. Corterier 8. 2. Dr. Deist 5. 2. Frau Dr. Elsner 5. 2. Faller * 6. 2. Dr. Dr. h. c. Friedensburg * 7. 2. Dr. Furler 8. 2. Hahn (Bielefeld) * 5. 2. Hauffe 7. 2. Hilbert 8. 2. Höhmann (Hessisch Lichtenau) 5. 2. Dr. Huys 8. 2. Illerhaus * 5. 2. Dr. h. c. Jaksch 5. 2. Kalbitzer 8. 2. Frau Kettig 8. 2. Frau Dr. Kiep-Altenloh 5. 2. Klinker * 7. 2. Kriedemann * 7. 2. Lemmer 7. 2. Lenz (Bremerhaven) 15. 2. Dr. Löhr 7. 2. Lücker (München) * 5. 2. Maier (Mannheim) 7. 2. Margulies * 5. 2. Mauk * 5. 2. Mick 7. 2. Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller 15. 3. Müser 8. 2. Peters (Norden) 7. 2. Dr.-Ing. Philipp 8. 2. Frau Dr. Probst * 5. 2. Richarts * 6. 2. Ruland 21.3. Schultz 5. 2. Frau Strobel * 6. 2. Sühler 5. 2. Dr. Süsterhenn 10. 2. Theis 29. 2. Werner 14. 2. b) Urlaubsanträge Frau Beyer (Frankfurt) 13. 2. van Delden 16. 2. Ehren 22. 2. Eisenmann 14. 2. Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Even (Köln) 29.2. Gaßmann 22. 2. Dr. Harm (Hamburg) 26. 3. Höhne 20. 2. Hörauf 1. 3. Kreitmeyer 14. 2. Schneider (Hamburg) 15. 2. Wegener 29. 2. Weinzierl 22.2. Frau Welter (Aachen) 29. 2. * Für die Teilnahme an Ausschußsitzungen des Europäischen Parlaments Anlage 2 Schriftliche Ausführungen des Abgeordneten Schulhoff zu dem von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Umsatzsteuergesetzes (Drucksache IV/1590), zu dem von den Fraktionen der CDU/CSU, FDP, SPD eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes (Drucksache IV/1659) und zu dem von den Abgeordneten Schulhoff, Opitz und Genossen eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes (Drucksache IV/1509). Die künftige Preisentwicklung hängt von der Differenz zwischen der heutigen und der künftigen Gesamtbelastungsquote der Waren und Leistungen ab. Von dieser Feststellung ausgehend hat das Bundesfinanzministerium zwei Fragen untersucht, nämlich erstens die Rückwirkungen auf das Preisniveau und zweitens die Verschiebungen im Preisgefüge als notwendiges Korrektiv. Bei der Prüfung der ersten Frage kommt das Bundesfinanzministerium zu dem Ergebnis, daß sich auf lange Sicht gesehen das Preisniveau nicht verändern wird, da die durchschnittliche Gesamtbelastung aller Waren und Leistungen mit Umsatzsteuer durch das im Entwurf vorliegende Gesetz nicht angehoben wird. Sollte. es nach Einführung der Mehrwertsteuer vorübergehend zu einem allgemeinen Preisanstieg kommen, und zwar weil die Steuererhöhungen überwälzt, die Steuerentlastungen aber nicht oder nicht in vollem Umfang weitergegeben werden, so würde der „Wettbewerbsmechanismus unserer Marktwirtschaft schon dafür sorgen, daß die Entlastungen in vollem Umfang weitergegeben werden. Ob das Bundesfinanzministerium mit dieser, offenbar von der ganzen Bundesregierung geteilten sehr optimistischen Auffassung recht behalten wird oder ob diejenigen recht behalten werden, die einen Anstieg des Preisniveaus erwarten, wird im Fall der Einführung der Mehrwertsteuer erst die Zukunft zeigen. Ich will diese Frage hier nicht vertiefen und mich der für den einzelnen Unternehmer und für die einzelnen Wirtschaftszweige und Wirtschaftsbereiche 5118 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 110. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 5. Februar 1964 im besonderen Maße im Vordergrund des Interesses stehenden Frage zuwenden, welche Auswirkungen bei den einzelnen von den Unternehmern gelieferten Waren und erbrachten Leistungen eintreten werden. Das Bundesfinanzministerium stellt hierzu lapidar fest: „Güter, deren Umsatzsteuerbelastung heute weniger als 9,09 v. H. beträgt, werden teurer werden, jetzt stärker belastete — also Güter, bei denen die Belastung über 9,09 v. H. liegt — müssen billiger werden". Hierzu möchte ich zunächst einmal ergänzend anmerken, das dieselben Auswirkungen auch bei den Leistungen eintreten können und unter bestimmten Voraussetzungen auch eintreten werden. Da die Gesamtbelastungsquote aller gewerblichen Leistungen weit unter 9,09 v. H. liegt, bedeutet dies, daß die Leistungen wesentlich teurer als bisher werden müssen. Ohne zu übertreiben wird man nämlich davon ausgehen können, daß viele gewerbliche Leistungen nach dem im Entwurf vorliegenden Gesetz etwa die doppelte Umsatzsteuerbelastung wie bisher tragen müssen. Welche Auswirkungen ergeben sich bei den Waren? Hier müssen vor allem die lohnintensiven Unternehmen, deren Erzeugnisse infolge der vergleichsweise geringen Kumulation derzeit eine niedrige Gesamtbelastungsquote haben, mit einem starken Anstieg der umsatzsteuerlichen Belastung rechnen. Einige ganz kluge Wirtschaftstheoretiker haben hieran die erstaunliche Bemerkung geknüpft, daß dies richtig sei, weil so endlich die ihrer Ansicht nach in dem gegenwärtigen Umsatzsteuersystem liegende Begünstigung der lohnintensiven Unternehmen beseitigt werde. Meine Damen und Herren, wenn hierin das „notwendige Korrektiv" liegen soll, von dem im Finanzbericht gesprochen wird, so muß ich hiergegen die stärksten Bedenken anmelden. Die Umsatzsteuerreform ist bisher immer unter dem Gesichtspunkt der Förderung der mittelständischen Wirtschaft gesehen und von der Bundesregierung auch als solche Förderung angekündigt worden. Soll dieser Gesichtspunkt nicht mehr maßgebend sein? Selbst wenn die gegenwärtige Umsatzsteuer die lohnintensiven Unternehmen — sagen wir einmal — etwas schonender als die kapitalintensiven Unternehmen behandelt haben sollte, so wäre dies nach meinem Dafürhalten vor allem aus gesellschaftspolitischen Gründen ein recht erfreulicher Tatbestand, der keiner Korrektur bedarf. In diesem Zusammenhang möchte ich noch darauf hinweisen, daß der ohnehin schon starke Anstieg der Umsatzsteuerbelastung bestimmter Waren und Leistungen im Bereich der mittelständischen Wirtschaft noch eine wesentliche Verstärkung erfahren wird, da für die derzeit bestehende Umsatzfreibetragsregelung im Regierungsentwurf kein ausreichender Ersatz vorgesehen ist. Ich darf hierzu ein ganz einfaches Beispiel bringen. Nehmen wir einmal an, ein Unternehmer hat einen Jahresumsatz von 30 000 DM, sein Mehrwert beträgt 662/3 v. H. — derartig hohe Mehrwertquoten kommen im Bereich des Handwerks oft vor, z. B. bei den Ausbauhandwerken —, und die bezogenen Waren und empfangenen Dienstleistungen sind im Durchschnitt kumulativ mit 6 v. H. belastet. Dann ergibt sich insgesamt folgende Belastung mit Umsatzsteuer: Jahresumsatz 30 000 DM — Umsatz- freibetrag 12 000 DM 18 000 DM davon 4 v. H. = 720 DM Hinzu kommen bezogene Waren und 10 000 DM davon 6 v. H. = 600 DM empfangene Dienstleistungen (331/7 v .H.) Die Belastung beträgt somit insgesamt 1 320 DM. Die Belastung bei Einführung der Mehrwertsteuer würde betragen: 10 v. H. von 28 680 DM (Umsatz zu Nettopreisen) = 2 868 DM. Zusammenfassend kann gesagt werden, daß in dem dargestellten Beispiel die Umsatzsteuerbelastung von 1320 DM auf 2860 DM erhöht, also mehr als verdoppelt wird. Die Gesamtbelastungsquote, bezogen auf das Bruttoentgelt, erhöht sich von 4,4 v. H. auf 9,6 v. H., bzw. bezogen auf den Umsatz zu Nettopreisen von 4,6 v. H. auf 10 v. H. Bei der Errichtung von fünf Miethäusern mit 12 Wohnungen zu je zwei Zimmern, Kochküche und Bad und 18 Wohnungen zu je 3 Zimmern, Kochküche und Bad im Jahre 1961 wurde ein Bruttoentgelt — reine Baukosten, offenbar ohne Grundstückskosten — von 670 727 DM erzielt. Hieran waren die nachstehend aufgeführten Arbeiten wie folgt beteiligt: Kosten in DM Erdarbeiten 21 824 Beton-, Stahlbeton- und Maurerarbeiten 290 000 Innen- und Außenputzarbeiten 116 000 Abdichtungsarbeiten 942 Zimmererarbeiten 12 153 Dachdeckerarbeiten 11 877 Installation 32 380 Klempnerarbeiten 10 560 Tischlerarbeiten 44 860 Glaserarbeiten 4 684 Malerarbeiten 22 043 Anschlußkosten: Wasser, Strom und Kanal 13 629 Elektrische Anlagen 24 293 Außenanlagen 18 917 Estrich und Oberböden 31 023 Schlosserarbeiten 9 236 Marmor- und Plattierungsarbeiten 6 306 670 727 Bei der Berechnung der gegenwärtigen Umsatzsteuer wurde davon ausgegangen, daß Waren — ohne Investitionsgüter — und empfangene Dienstleistungen im Durchschnitt kumulativ mit 5,5 v. H. und die eingesetzten Investitionsgüter im Durchschnitt kumulativ mit 9 v. H. belastet sind. In mühe- Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 110. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 5. Februar 1964 5119 voller Kleinarbeit wurde sodann die umsatzsteuerliche Gesamtbelastung wie folgt ermittelt — Ergebnis zahlreicher einzelner Berechnungen —: Bruttoentgelt 670 727 DM, davon 4 v. H. = 26 829,08 DM Bezogene Waren und empfangene Dienstleistungen 260 390 DM, davon 5,5 v. H. = 14 321,45 DM Investitionsgüter 33 997 DM, davon 9 v. H. = 3 059,74 DM Umsatzsteuerbelastung insgesamt 44 210,27 DM Die heutige Gesamtbelastungsquote errechnet sich dann wie folgt: a) bezogen auf den Umsatz einschließlich heutiger Umsatzsteuer (Bruttoentgelt), also auf 670 723 DM: b) bezogen auf den Umsatz ohne heutige Umsatzsteuer (Umsatzsteuer zu Nettopreisen), also auf 670 727 DM — 44 210,27 DM — 626 516,73 DM Die Belastung bei Einführung der Mehrwertsteuer würde betragen: 10 v. H. von 626 516,73 DM (Umsatz zu Nettopreisen) = 62 651,67 DM Die Gesamtbelastungsquote bei der Mehrwertsteuer wäre dann: bezogen auf den Umsatz einschließlich heutiger Umsatzsteuer (Bruttoentgelt), also auf 670 727 DM Zusammenfassend kann gesagt werden, daß sich bei dem dargestellten Beispiel im Bereich des Wohnungsbaues die Umsatzsteuerbelastung von — abgerundet — 44 210 DM auf 62 652 DM, also um rund 42 v. H. erhöht. Die Gesamtbelastungsquote, bezogen auf das Bruttoentgelt, erhöht sich von 6,6 v. H. auf 9,3 v. H. bzw. bezogen auf den Umsatz zu Nettopreisen von 7,1 v. H. auf 10 v. H. Die aufgezeigten Auswirkungen treten nur dann ein, wenn die Abwälzung der höheren Umsatzsteuer — letzten Endes auf den Verbraucher — gelingt. Insofern kann man nicht sagen, daß alle Güter bzw. Leistungen, deren Umsatzsteuerbelastung heute weniger als 9,09 v. H. des Bruttoentgelts beträgt, ohne weiteres teurer werden. Wohl aber kann man sagen, daß ihre Kosten steigen werden, wenn die Umsatzsteuerbelastung ansteigt. Dabei gehe ich davon aus, daß die Umsatzsteuer ein echter Kostenfaktor ist, auch wenn sie künftig außerhalb der sogenannten eigentlichen Kalkulation — Netto-Kalkulation — einherlaufen soll. Wie man auch immer die Umsatzsteuer klassifizieren wird, es steht meines Erachtens fest, daß jede starke Erhöhung der umsatzsteuerlichen Gesamtbelastungsquote bei sonst gleichen Verhältnissen im allgemeinen auch mit einer entsprechenden Erhöhung des Risikos der Abwälzung der Umsatzsteuer verbungen ist. Hiervon werden die mittelständischen Unternehmen in besonderem Maße betroffen (hoher Lohnanteil, Wegfall der Umsatzfreibeträge). Die Frage ist, ob man den mittelständischen Unternehmen ein derartig erhöhtes Abwälzungsrisiko zumuten kann. Ich verneine dies und bin der Auffassung, daß bei Einführung der Mehrwertsteuer, zumindest im Bereich der mittelständischen gewerblichen Wirtschaft, keine Verschiebungen der Gesamtbelastungsquoten bei den einzelnen Waren und Leistungen nach oben eintreten dürfen bzw. daß sie sich in engen Grenzen halten müssen. Es wäre an der Zeit, daß die Bundesregierung der gewerblichen Wirtschaft einmal klipp und klar sagt, wo und in welchem Umfang Mehrbelastungen bei Einführung der Mehrwertsteuer eintreten werden. Wenn das nicht geschieht, braucht man sich nicht zu wundern, daß weite Kreise der Wirtschaft, auch solche, die der Umsatzsteuerreform an sich positiv gegenüberstehen, wie z. B. das Handwerk, über die bei der Umstellung auf die Mehrwertsteuer eintretenden Auswirkungen beunruhigt sind. Das Bundesfinanzministerium hat erklärt, daß die Überschaubarkeit dieses Vorganges durch die unbekannte jetzige Umsatzsteuerbelastung der Waren und Dienstleistungen empfindlich gestört wird, und die Herstellung einer besseren Durchsichtigkeit als dringende Frage bezeichnet. Dem kann man nur zustimmen. Nicht jedoch kann man dem Bundesfinanzministerium zustimmen, wenn es die von ihm selbst als dringend bezeichnete Frage wegen technischer Schwierigkeiten nicht lösen will. Siehe hierzu Finanzbericht 1964 Seite 195, vorletzter Absatz. Jedenfalls tragen derartige Erklärungen keineswegs dazu bei, die in weiten Kreisen der Wirtschaft vorhandene starke Beunruhigung über die bei der Umstellung auf die Mehrwertsteuer eintretenden Auswirkungen wenigstens etwas zu mildern. Vor allem aber wir, die wir über die Einführung der Mehrwertsteuer und über ihre Ausgestaltung zu beschließen haben, müßten die erwähnten Auswirkungen genau kennen. Ich verweise in diesem Zusammenhang darauf, daß das Ifo-Institut im Jahre 1955 für eine ganze Reihe von Erzeugnissen, und zwar für Grundstoffe und Produktionsgüter, Investitionsgüter, Verbrauchsgüter sowie für Nahrungs- und Genußmittel, Gesamtbelastungsquoten errechnet hat, veröffentlicht in der Zeitschrift „Der Volkswirt" 1963 Seite 749. Was seinerzeit dem Ifo-Institut möglich war, müßte der Bundesregierung heute erst rechi möglich sein. Hierbei möchte ich ausdrücklich darauf hinweisen, daß es nicht darauf ankommt, daß die Werte auf zwei oder drei Stellen nach dem Komma genau berechnet werden. Für unsere politische Arbeit wäre es schon wertvoll, wenn wir wüßten, ob in einem bestimmten Fall die Gesamtbelastungsquote bei 4, 5, 6 oder 7 v. H. liegt. Wenn es gelänge, die Quoten auf 1/2 % genau zu ermitteln, wäre dies natürlich noch besser; aber weites brauchte man sicher nicht zu gehen. Nach dem als Entwurf vorliegenden Gesetz werden die mehrstufigen Unternehmen und vertikal konzentrierten Organkreise — Konzerne — in dei 5120 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 110. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 5. Februar 1964 gleichen Höhe mit Umsatzsteuer belastet wie die an einem entsprechenden Produktions- und Vertriebsprozeß beteiligten einstufigen Unternehmen. Das ist gegenüber der bisherigen Regelung zwar eine erhebliche Verbesserung, die auch von mir anerkannt wird. Eine völlige Wettbewerbsneutralität wird jedoch nicht erreicht, da die Steuerentrichtung bei den mehrstufigen Unternehmen und vertikal konzentrierten Organkreisen vergleichsweise spät erfolgt; oft wird es so sein, daß die Steuer erst ganz am Ende des gesamten Produktions- und Vertriebsprozesses — in einer Summe — zu entrichten ist. Dieser Finanzierungsvorteil — Liquiditätsverbesserung, Zinseinsparung — beeinträchtigt den Wettbewerb. Er müßte daher zumindest dort, wo dies ohne Schwierigkeiten möglich ist, beseitigt werden. Ich denke hierbei an das Organschaftsprivileg. Auch hier muß ich sagen, es ist mir völlig unverständlich, wie es geschehen konnte, daß dieses Privileg in dem von der Bundesregierung ausgearbeiteten Gesetz enthalten ist. Es steht fest, daß das gegenwärtige Umsatzsteuersystem die vertikale Konzentration in der Wirtschaft fördert. Deshalb wurde ja die Einführung der Mehrwertsteuer vor allem damit begründet, daß bei ihr die Wettbewerbsverzerrungen zwischen einerseits den mehrstufigen Unternehmen und vertikal konzentrierten Organkreisen und andererseits den einstufigen Unternehmen beseitigt würden. Daß dieses Ziel nicht ganz erreicht wird, habe ich darzulegen versucht. Wie sieht es aber nun mit der Förderung der horizontalen Konzentration aus? Ist es nicht denkbar, daß der nach dem im Entwurf vorliegenden Gesetz zu erwartende starke Anstieg der Gesamtbelastungsquoten bei den von den lohnintensiven Unternehmen gelieferten Waren und erbrachten Leistungen diese Unternehmen dazu zwingen wird, immer mehr zum Einsatz von Maschinen überzugehen, um so Kosten einzusparen und um damit die Umsatzsteuererhöhung ganz oder teilweise aufzufangen. Rein ökonomisch gesehen sind derartige Rationalisierungsmaßnahmen sicher zu begrüßen. Es besteht aber die Gefahr, daß bei Einführung der Mehrwertsteuer und bei Anwendung der im Regierungsentwurf vorgesehenen Steuersätze in bestimmten Bereichen geradezu eine Rationalisierungswelle ausgelöst wird und daß alle Unternehmen, die nicht schnell genug mitmachen — insbesondere Maschinen einsetzen — können, auf der Strecke bleiben werden. Dies werden in erster Linie die Unternehmen sein, die nur über eine geringe Eigenkapitalbasis verfügen und die sich daher auch kaum Kredite beschaffen können. Die so entstehende Lücke wird sicher sehr schnell von großen Unternehmen und von Zusammenschlüssen auf horizontaler Ebene — Warenhäuser, Filialgeschäfte, Industriekonzerne usw. —, bei denen wegen ihrer Kapitalkraft die aufgezeigten Schwierigkeiten nicht bestehen, geschlossen werden. Mit anderen Worten, wenn es nicht gelingt, einen Anstieg der Gesamtbelastungsquoten bei den von den lohnintensiven Unternehmen gelieferten Waren und erbrachten Leistungen zu vermeiden, wird die Mehrwertsteuer die horizontale Konzentration in der Wirtschaft höchstwahrscheinlich begünstigen. Am Schluß meiner Ausführungen möchte ich die mir am wichtigsten erscheinenden Fragen in einer kurzen Zusammenfassung bringen: 1. Die Gesamtbelastungsquoten der von den lohnintensiven Unternehmen gelieferten Waren und erbrachten Leistungen dürfen bei der Mehrwertsteuer nicht höher liegen als bei der gegenwärtigen Umsatzsteuer. Darüber hinaus sollte ganz allgemein ein starker Anstieg der umsatzsteuerlichen Gesamtbelastungsquote bei den einzelnen Waren und Leistungen vermieden werden. Dieses Ziel kann dadurch erreicht werden, daß bei Leistungen und bestimmten Waren, bei denen eine starke Steuererhöhung eintreten würde, der Steuersatz von 5 v. H. angewendet wird. 2. Da auch die Mehrwertsteuer nicht völlig wettbewerbsneutral ist, ist es durchaus gerechtfertigt und zur Förderung der Errichtung selbständiger Existenzen auch notwendig, daß die bestehenden Begünstigungen für kleine Unternehmen — wenn auch in neuen Formen — bestehenbleiben, ja, daß sie sogar etwas verbessert werden. Da die von der Bundesregierung vorgesehene Freigrenze von 20 000 DM Jahresumsatz den Unternehmern, deren Jahresumsatz zwischen 20 000 DM und 120 000 DM liegt, nichts nützt, schlage ich in Übereinstimmung mit dem Zentralverband des Deutschen Handwerks vor, allen Unternehmern mit einem Jahresumsatz bis zu 60 000 DM einen Steuerfreibetrag von 960 DM und allen Unternehmern mit einem Jahresumsatz von mehr als 60 000 DM bis 120 000 DM einen Steuerfreibetrag von 480 DM zu gewähren. Neben diesen Steuerfreibeträgen sollte weiter eine Freigrenze von 24 000 DM — nicht 20 000 DM, wie nach dem Regierungsentwurf — vorgesehen werden, wobei Unternehmer mit einem Jahresumsatz bis zu 24 000 DM für den Steuerfreibetrag von 960 DM — an Stelle der Anwendung der Freigrenze — optieren können. Wir erleben heute allerdings in einem nur kleinen Kreis die Geburtsstunde eines Kindes mit dem Namen Mehrwertsteuer. Diesem Kinde wünsche ich, oder noch besser, seinen Vätern, daß es lebensfähig bleibt und nicht wegen Unterernährung oder Überfütterung früher oder später zugrunde geht. Anlage 3 Schriftliche Antwort der Frau Bundesminister Dr. Schwarzhaupt vom 29. Januar 1964 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Josten (Drucksache IV/1842 Frage XII/7) : Ist die Bundesregierung bereit, dem Bundestag einen Bericht über die letzten Ergebnisse durchgeführter Untersuchungen vorzulegen, welcher folgende Punkte berücksichtigt: a) Zigaretten- und Tabakverbrauch in der Bundesrepublik, b) festgestellte Gesundheitsschäden in diesem Zusammenhang? Zum ersten Teil der Frage darf ich bemerken, daß die verfügbaren Angaben über den Zigaretten- und Tabakverbrauch im Statistischen Jahrbuch für die Bundesrepublik Deutschland aufgeführt sind. Aus der Ausgabe von 1962 ergibt sich, daß der Zigarettenverbrauch von 1957 bis 1961 von 56 Milliarden Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 110. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 5. Februar 1964 5121 Stück auf 78 Milliarden Stück angestiegen ist. Nach einer Pressenotiz hat der Zigarettenverbrauch in der Bundesrepublik Deutschland im Jahre 1963 nach vorläufigen Schätzungen rund 86 Milliarden Stück erreicht. Im Durchschnitt rauchte jeder Einwohner der Bundesrepublik Deutschland im Alter von 15 Jahren und darüber 1336 Zigaretten im Jahre 1957 und 1780 Zigaretten im Jahre 1961. Was den zweiten Teil Ihrer Frage betrifft, so bin ich gerne bereit, dem Bundestag hierzu einen Bericht des Bundesgesundheitsamtes zur Verfügung zu stellen. Das Bundesgesundheitsamt ist beauftragt, zu dem amerikanischen Bericht Stellung zu nehmen. Hierbei wird sich für das Bundesgesundheitsamt Gelegenheit bieten, auch die Ergebnisse seiner eigenen Untersuchungen zu überprüfen und zusammenzufassen. Anlage 4 Schriftliche Antwort der Frau Bundesminister Dr. Schwarzhaupt vom 29. Januar 1964 auf die Mündlichen Anfragen des Abgeordneten Felder (Drucksache IV/1842 Fragen XII/8, XII/9 und XII/ 10) : Ist die Bundesregierung bereit, dem Bundestag möglichst bald eine deutsche Übersetzung des aufsehenerregenden Berichts vorzulegen, den amerikanische Wissenschaftler zu dem Thema „Rauchen und Gesundheit" ihrer Regierung erstattet haben? Wird die Bundesregierung den zum Thema „Rauchen und Gesundheit" angekündigten Bericht der Medizinischen Akademie Düsseldorf unmittelbar nach seinem Erscheinen dem Bundestag zuleiten? Welche Stellung nimmt die Bundesregierung zu den Presseäußerungen ein, die besagen, die Arbeitsgemeinschaft rheinischwestfälischer Pathologen sei im Gegensatz zu den jüngsten amerikanischen Studien zu dem Ergebnis gekommen, daß für das Entstehen von Lungenkrebs weniger das Zigarettenrauchen als vielmehr die Einwirkung der Autoabgase und der Luftverunreinigung durch die Industriebetriebe verantwortlich zu machen ist? Frage Nr. 8 Das Bundesgesundheitsministerium wird sich Ihrer Bitte gerne annehmen. Ich bitte aber zu bedenken, daß es sich bei dem amerikanischen Bericht um eine wissenschaftliche Dokumentation von rund 400 Seiften handelt, die in weiten Partien nur von Fachwissenschaftlern ausgewertet werden kann. Bei den hohen Kosten und den urheberrechtlichen Fragen, die mit einer Übersetzung und Verteilung durch das Bundesgesundheitsministerium verbunden sind, scheint eis sich eher zu empfehlen, eine Ausgabe im deutschen Buchhandel abzuwarten. In jedem Falle werden die wichtigsten Schlußfolgerungen des Berichts dem Bericht des Bundesgesundheitsamtes zu entnehmen sein, das ich beauftragt habe, zu dem amerikanischen Bericht Stellung zu nehmen. Den Bericht des Bundesgesundheitsamtes werde ich dem Deutschen Bundestag zur Kenntnis geben. Fragen Nr. 9 und 10 Da die beiden Fragen denselben Gegenstand betreffen, erlauben Sie mir bitte, daß ich sie zusammen beantworte. Es handelt sich nicht um einen Bericht der Medizinischen Akademie Düsseldorf, sondern um eine wissenschaftliche Arbeit, die im Auftrage der Arbeitsgemeinschaft rheinisch-westfälischer Pathologen von drei Wissenschaftlern angefertigt worden ist. Die Arbeit liegt meinem Ministerium im Manuskript vor. Dem Vernehmen nach wird sie von den Verfassern aber erst im Frühjahr veröffentlicht werden. Da es sich um eine Privatarbeit handelt, werden Sie verstehen, daß ich Ihre Fragen erst beantworten kann, wenn ich über die Umstände der Veröffentlichung Näheres weiß. Ich kann aber schon jetzt zusagen, daß die Untersuchungen der drei Wissenschaftler in dem angekündigten Bericht des Bundesgesundheitsamtes ebenfalls gewürdigt werden. Die Luftverunreinigung durch Industrie- und Autoabgase ist auch nach Auffassung des Bundesgesundheitsamtes eine der Mitursachen für die Zunahme des Lungenkrebses. Ob an dieser Zunahme mehr das Zigarettenrauchen oder die Luftverunreinigung beteiligt ist, möchte ich dem Urteil der Sachverständigen überlassen. Anlage 5 Schriftliche Antwort der Frau Bundesminister Dr. Schwarzhaupt vom 28. Januar 1964 auf die Mündlichen Anfragen des Abgeordneten Dr. Schmidt (Offenbach) (Drucksache IV/1842 Frage XII/11 und XII/12) : Vertritt die Bundesregierung die Auffassung, daß auf Grund der Vorschriften des Deutschen Arzneibuches zur Herstellung von Injektions- und Infusionslösungen und von Augentropfen nur destilliertes Wasser und nicht demineralisiertes Wasser verwendet werden darf? Sind der Bundesregierung Fälle bekannt, in denen Hersteller von Injektions- und Infusionslösungen und von Augentropfen demineralisiertes Wasser verwenden? Frage 11: Für die Verwendung von destilliertem oder demineralisiertem Wasser bestehen zur Zeit folgende Vorschriften: Injektions- und Infusionslösungen sowie Augentropfen dürfen nach den Vorschriften des Deutschen Arzneibuches nicht mit demineralisiertem Wasser hergestellt werden. Soweit es sich jedoch um Hersteller handelt, die eine Erlaubnis nach den §§ 12 oder 19 des Arzneimittelgesetzes besitzen, also Arzneimittel außerhalb einer Apotheke gewerbsmäßig herstellen, sind diese gemäß § 5 Abs. 3 des Arzneimittelgesetzes nicht an die Herstellungsvorschriften des Deutschen Arzneibuches gebunden. Dies liegt darin begründet, daß bei der Herstellung von Arzneimitteln in größeren Mengen als sie in der Apotheke üblich ist, andere Verfahren zweckmäßiger erscheinen. Frage 12: Da den Herstellern der genannten Arzneimittel, die eine Erlaubnis nach §§ 12 oder 19 des Arzneimittelgesetzes besitzen, die Verwendung von demineralisiertem Wasser nicht verboten ist, unterliegen sie insoweit keiner Überwachung. Es ist jedoch bekannt, daß die pharmazeutische Industrie demineralisiertes Wasser für diese Zwecke bisher ohne Beanstandung verwendet. 5122 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 110. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 5. Februar 1964 Anlage 6 Schriftliche Antwort der Frau Bundesminister Dr. Schwarzhaupt vom 29. Januar 1964 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Fritsch (Drucksache IV/1842 Frage XII/13) : Kann die Bundesregierung in Ergänzung der Mitteilung im Bundesanzeiger Nr. 6 vom 10. Januar 1964 darüber Auskunft geben, wie hoch der Anteil der Tuberkuloseerkrankten an den Einwohnerzahlen anderer europäischer Länder, z. B. Frankreichs und Englands, ist? Die Bundesregierung ist nicht in der Lage, Auskunft darüber zu geben, wie hoch der Anteil der an aktiver Tuberkulose erkrankten Personen in anderen europäischen Ländern im Vergleich zur Bundesrepublik ist. Der Grund liegt in den verschiedenen Auffassungen über Aktivität und Ansteckungsfähigkeit der Tuberkulose sowie in den unterschiedlichen und mitunter nicht so vollständigen Methoden der Erfassung in anderen Ländern. Mit allem Vorbehalt kann ich aber Vergleichsziffern über Tuberkulosesterbefälle nennen. So betrug die Zahl der registrierten Tuberkulosefälle, bezogen auf 100 000 Einwohner, im Jahre 1960 z. B. in Dänemark 4, in der Schweiz 12, in Frankreich 23, in der Bundesrepublik 16. Zahlen für weitere Länder stelle ich Ihnen im Bedarfsfalle gern zur Verfügung. Die nicht unerheblichen Abweichungen haben ihre Ursache zum Teil in unterschiedlichen Erfassungsmethoden. Beispielsweise werden in Dänemark nur diejenigen Fälle als Tuberkulosefälle gezählt, bei denen ein bakterieller Nachweis erbracht ist, während in der Bundesrepublik alle Tuberkuloseformen, soweit sie als Todesursache in Betracht kommen, berücksichtigt werden. Anlage 7 Schriftliche Antwort des Herrn Staatssekretärs Dr. Seiermann vom 24. Januar 1964 auf die Mündlichen Anfragen des Abgeordneten Dr. Hamm (Drucksache IV/1844 Fragen II/1 und II/2) : Ist dem Bundesverkehrsministerium die große Bedeutung bekannt, die die Hornbach-Bahn für die durch Kriegs- und Nachkriegsgeschehen besonders in ihrer wirtschaftlichen Entwicklung geschädigte Grenzstadt Hornbach und den dortigen Grenzraum hat? Ist das Ministerium bereit, darauf hinzuwirken, daß die Bundesbahndirektion Mainz der besonderen Situation des Raumes Hornbach vor Rationalisierungserwägungen Rechnung trägt und die Absicht, die Hornbach-Bahn stillzulegen, aufgibt? Ganz allgemein möchte ich feststellen, daß vor einer Entscheidung über eine so einschneidende Maßnahme wie sie die Stillegung einer Eisenbahnstrecke darstellt, eingehende Erhebungen über die wirtschaftliche Bedeutung und Entwicklungsmöglichkeit des betroffenen Gebietes angestellt werden. Die Deutsche Bundesbahn ist nach § 44 des Bundesbahngesetzes bei beabsichtigten Stillegungsmaßnahmen verpflichtet, den örtlich beteiligten obersten Landesverkehrsbehörden Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Ein Antrag auf Stillegung der Eisenbahnstrecke Zweibrücken-Hornbach liegt dem Bundesminister für Verkehr bisher nicht vor. Eine Rückfrage bei der Hauptverwaltung der Deutschen Bundesbahn ergab, daß kürzlich anläßlich einer Besprechung zwischen Vertretern des Landes Rheinland-Pfalz und der Bundesbahndirektion Mainz über allgemeine Verkehrsprobleme auch die Frage der Stillegung von Nebenbahnen angeschnitten wurde. Dabei erklärte man von seiten der Deutschen Bundesbahn, daß der Verkehr auf der Nebenbahn Zweibrücken-Hornbach erheblich zurückgegangen sei und deshalb zur Zeit Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen und Vorerhebungen durchgeführt würden. Ein Antrag der Bundesbahndirektion Mainz hierüber liegt der Hauptverwaltung der Deutschen Bundesbahn noch nicht vor. Anlage 8 Schriftliche Antwort des Herrn Staatssekretärs Dr. Seiermann vom 24. Januar 1964 auf die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Frau Schanzenbach (Drucksache IV/1844 Frage II/3): Ist die Bundesregierung bereit, sich bei der Hauptverwaltung der Deutschen Bundesbahn dafür einzusetzen, daß die Eisenbahnverbindung zwischen den Bahnhöfen Offenburg (Baden) und Straßburg (Elsaß) endlich in den Abendstunden entscheidend verbessert wird, da nach 20.26 Uhr von Offenburg aus keine Zugverbindung mehr zur Europahauptstadt besteht? Auf Grund Ihrer Frage über eine Verbesserung des Reisezugangebotes in den späten Abendstunden zwischen Offenburg (Baden) und Straßburg (Elsaß) habe ich mit der Hauptverwaltung der Deutschen Bundesbahn Verbindung aufgenommen und folgendes in Erfahrung gebracht: Von Offenburg nach Straßburg verkehren zur Zeit nach 20.00 Uhr ganzjährig E 188, Offenburg ab 20.26, sowie im Sommerabschnitt und während bestimmter Tage im Winterabschnitt D 161, Offenburg ab 21.10. E 188 vermittelt den Anschluß an D 266 aus dem Rheinland und dem Ruhrgebiet, D 161 den Anschluß an D 284 aus dem Raum Bremen—HannoverKassel. Um auch diesen letzten Anschluß ganzjährig herzustellen, wird gelegentlich einer Fahrplanbesprechung in Reims mit den Französischen Eisenbahnen geprüft werden, ob E 188 später gelegt werden kann. Nach Mittteilung der Hauptverwaltung der Deutschen Bundesbahn ist es nach dem Ergebnis von Verkehrsstromzählungen zur Zeit aus wirtschaftlichen Gründen nicht vertretbar, weitere Züge einzulegen. Ein Teil der zwischen Offenburg und Straßburg verkehrenden Reisezüge ist schon jetzt recht schwach besetzt. Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 110. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 5. Februar 1964 5123 Anlage 9 Schriftliche Antwort des Herrn Staatssekretärs Dr. Seiermann vom 24. Januar 1964 auf die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Frau Schanzenbach (Drucksache IV/1844 Frage 11/4): Ist die Bundesregierung bereit, bei der Deutschen Bundesbahn und bei den zuständigen französischen Dienststellen der Stationierungsstreitkräfte darauf hinzuwirken, daß fahrplanmäßige Züge zwischen Offenburg (Baden) und Straßburg von geschlossenen Truppeneinheiten nur insoweit benützt werden, daß der normale Reiseverkehr nicht in ungebührlicher Weise beeinträchtigt wird? Die Hauptverwaltung der Deutschen Bundesbahn teilt mir zu Ihrer Anfrage mit, daß es sich bei der Beeinträchtigung des zivilen Reiseverkehrs insbesondere um E 118 Offenburg — Straßburg an Feiertagen und E 185 Straßburg — Offenburg an Montagen handeln kann. Diese Züge sind an den genannten Tagen durch Wochenendurlauber der französischen Stationierungsstreitkräfte stark besetzt und werden deshalb an Feiertagen um zwei und an Montagen um einen Wagen verstärkt. Auf einer schon in dieser Fragestunde erwähnten Fahrplanbesprechung in Reims wird mit den Französischen Eisenbahnen auch darüber verhandelt werden, ob die betroffenen Züge weiter verstärkt werden können, um den normalen Reiseverkehr nicht zu beeinträchtigen. Geschlossene Truppeneinheiten werden in diesen Zügen nicht befördert. Anlage 10 Schriftliche Antwort des Herrn Bundesministers Blank vom 5. Februar 1964 auf die Mündlichen Anfragen des Abgeordneten Baier (Mosbach) Drucksache IV/1884 Fragen VIII/1 und VIII/2) *) : Ist der Bundesregierung bekannt, daß der österreichische Rentenversicherungsträger bei Renten an deutsche Staatsbürger, die in der Bundesrepublik wohnhaft sind, einen Beitrag für die Krankenversicherung einbehält, obgleich diese Rentenbezieher, weil sie in der Bundesrepublik wohnhaft sind, keine Leistungen der österreichischen Krankenversicherung in Anspruch nehmen können? Was hat die Bundesregierung unternommen, um die volle Rentenauszahlung durch den österreichischen Rentenversicherungsträger an die in der Bundesrepublik wohnhaften rentenberechtigten Bürger sicherzustellen? Die Fragen beantworte ich wie folgt: Zu 1.: Dies ist der Bundesregierung bekannt. *) Siehe 110. Sitzung Seite 5038 C Zu 2.: Nach Bekanntwerden dieses Verfahrens der österreichischen Versicherungsträger haben Vertreter meines Hauses die Angelegenheit mit Vertretern des österreichischen Bundesministeriums für soziale Verwaltung zunächst mündlich erörtert. Die österreichischen Regierungsvertreter ließen dabei erkennen, daß diese Frage nach ihrer Ansicht im Rahmen der noch zu führenden abschließenden Verhandlungen über die Revision des Ersten deutsch-österreichischen Sozialversicherungsabkommens mit mehr Aussicht auf Erfolg behandelt werden könne als in gesonderten Besprechungen oder auf schriftlichem Wege. Es erschien daher im Interesse der Betroffenen geboten, die Klärung der Angelegenheit zunächst zurückzustellen. Als jedoch nicht mehr damit zu rechnen war, daß die Revisionsverhandlungen noch im Jahre 1963 geführt würden, wurde im März vergangenen Jahres das österreichische Bundesministerium für soziale Verwaltung schriftlich mit der Angelegenheit befaßt. Es hat in seiner Antwort das Verfahren der österreichischen Versicherungsträger als mit den bestehenden Bestimmungen in Einklang stehend angesehen. Ich bleibe nun weiter bemüht, in den Verhandlungen mit der österreichischen Seite eine Lösung zu finden, die den berechtigten Wünschen der Betroffenen gerecht wird. Das Ergebnis dieser Bemühungen wird man abwarten müssen. Anlage 11 Berichtigungen zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Schmidt (Wuppertal), Etzel, Dr. Vogel, Dr. Imle, Frau Funcke (Hagen) und Genossen betr. Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes (Drucksache 1V/1894). Die Drucksache IV/1894 enthält zwei Druckfehler: 1. Auf Seite 2 müssen die Worte „40 Jahren" aus der Zeile 2 vorgezogen werden in die erste Zeile hinter das Wort „von". 2. In der Zeile 4 muß nach dem Wort „und" eingefügt werden „des Absatzes", da es sich nicht um den Absatz 4 des § 7, sondern um den vorstehenden Abs. 4 desselben Paragraphen handelt.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Emmy Diemer-Nicolaus


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Aus den vielen Problemen der Umsatzsteuerreform möchte ich nur ein Problem herausgreifen, das der freien Berufe. Ich möchte Sie daran erinnern, daß dem Hohen Hause noch immer unser FDP-Antrag vorliegt, der zum Ziele hat, die freien Berufe völlig aus der Umsatzsteuer herauszunehmen. Ich bin der Auffassung, daß dieser Antrag keineswegs erledigt ist, sondern spätestens zusammen mit der Umsatzsteuerreform behandelt werden muß.
    Die Ausführungen einiger Sprecher haben mir die Hoffnung gegeben, daß unser FDP-Antrag durchaus Aussicht auf Annahme hat. Ich darf insoweit auf die Ausführungen von Herrn Kollegen Besold, aber auch auf die des Sprechers der Opposition, des Herrn Seuffert, hinweisen. Herr Seuffert hat mit Recht dargelegt, daß man nur Gleiches gleich behandeln kann. Es fragt sich, ob eine Umsatzsteuer, sei es nun als Mehrwertsteuer oder als Allphasensteuer, für die freien Berufe paßt.
    Herr Kollege Luda, ich bin mir durchaus dessen bewußt, daß ich mich insofern in einem Gegensatz zu Ihnen befinde, obwohl wir ja als Anwälte Kollegen sind. Aber ich habe keine Scheu davor, dieses Problem als Angehörige eines freien Berufs anzusprechen. Ich glaube, es ist nicht ganz richtig, daß Sie in diesem Zusammenhang von „erbärmlichem Gruppendenken" sprachen; wenigstens fiel dieses Wort im unmittelbaren Anschluß an diese Ausführungen. Wir kennen nämlich auf der einen Seite als Angehörige eines freien Berufes sehr gut die Sorgen und Nöte, die auch bei den freien Berufen vorhanden sind. Auf der anderen Seite gehören wir als Rechtsanwälte gerade einem Zweig der freien Berufe an, der durch die Umsatzsteuer deshalb nicht belastet wird, weil er sie auf die Mandanten abwälzen kann.
    Herr Kollege Luda, Sie haben einen neuen Ausdruck geprägt. Sie haben von Dienstleistern als Oberbegriff gesprochen. Das ist eine sehr interessante neue Wortschöpfung. Ich hätte eher an Dienstleistende als Oberbegriff gedacht statt an Dienstleister.

    (Beifall des Abg. Dr. Dr. h. c. Dresbach.)

    Ich bitte Sie, doch einmal folgendes zu bedenken, wenn Sie schon glauben, in diesem Zusammenhang von Dienstleistern als Oberbegriff sprechen zu sollen. Sie haben nur die freien Berufe und die gewerblichen Dienstleistungen aufgezählt. Aber Dienstleistungen werden selbstverständlich erst recht von den Angestellten und Beamten erbracht. Sie denken natürlich nicht daran, ihre Bezüge durch die Mehrwertsteuer zu erfassen. Ich wollte Ihnen nur einmal zeigen, wie vorsichtig man mit neuen Begriffen



    Frau Dr. Diemer-Nicolaus
    sein soll. Vielleicht fällt Ihnen doch noch ein etwas besserer Oberbegriff ein.
    Abgesehen davon haben Sie in bezug auf die Abgrenzung darauf hingewiesen, daß die Nahtstelle dort liege, wo diese Leistungen, sei es von den freien Berufen, sei es von gewerblichen, unmittelbar an den Endverbraucher gingen. Sie haben an anderer Stelle dargelegt, daß z. B. die Heilberufe ausgenommen werden sollten und müßten.
    Ich hatte bei all Ihren Ausführungen den Eindruck, daß Sie das Kriterium für die Abgrenzung — ob und welche freien Berufe in die Mehrwertsteuer einbezogen werden sollen — darin sehen, ob der Empfänger der Dienstleistung in der Lage ist, diese vorher erbrachte Steuer wieder bei seiner Steuer in Abzug zu bringen. Da muß ich allerdings sagen: das halte ich nicht für ein geeignetes Kriterium. Ausgangspunkt für die Beurteilung muß vielmehr sein: Passen die geistigen Leistungen der freien Berufe überhaupt in das System einer Mehrwertsteuer hinein? Was sind die Gründe für die Mehrwertsteuer? Sie soll die Umsatzsteuer wettbewerbsneutral gestalten. Wie steht es mit dem Wettbewerb in den freien Berufen? Herr Kollege Luda, ich darf Sie darauf aufmerksam machen — darauf hat auch schon Herr Kollege Besold hingewiesen —: Viele freie Berufe dürfen keine Reklame machen. Sie dürfen auch nicht frei kalkulieren — jede Umsatzsteuer soll ja eine Verbrauchsteuer sein, sie soll vom Verbraucher getragen werden —, sondern sie sind an Gebührenordnungen gebunden. Ist Ihnen eigentlich bekannt, daß bestimmten freien Berufen auch von der öffentlichen Hand, von den Behörden, Konkurrenz gemacht wird und daß diese Behörden, die keinerlei Umsatzsteuer zahlen, Gebührenordnungen aus dem Jahre 1951 zugrunde legen, die überhaupt nicht mehr zeitgemäß sind, an die sich aber der Freiberufliche trotzdem halten muß, damit er überhaupt noch Aufträge bekommt? Ich führe das alles nur an, um Ihnen zu zeigen, daß die Dinge nicht so einfach liegen und die Kriterien geprüft werden müssen. Ein weiterer Grund für die Mehrwertsteuer ist die Vermeidung einer Konzentration aus steuerlichen Gründen. Eine Konzentration bei den freien Berufen gibt es nicht. Auch grenzüberschreitenden Verkehr für die freien Berufe gibt es nicht. Und noch etwas: die neue Steuer heißt „Mehrwert"-Steuer. Bei den freien Berufen gibt es keinen Wert, gegenüber dem ein Mehrwert geschaffen wird, sondern das ist ein einmalige geistige Leistung.

    (Abg. Schulhoff: Ist das kein Wert?)

    — Ein Wert ist es absolut, aber kein Mehrwert gegenüber etwas, was vorher gewesen ist.

    (Abg. Schulhoff: Erst kommt das Papier, und dann kommt das geistige Erzeugnis!)

    — Wenn Sie darauf abheben, Herr Kollege, muß ich doch sagen, daß immerhin ein Unterschied zwischen der geistigen Leistung und dem Material besteht, das dazu verwendet wird. Wenn ich bei einem juristischen Schriftsatz den Wert des Papiers gegenüber der geistigen Leistung berechnen sollte, müßte ich schon beinahe ein Elektronengehirn haben.

    (Zustimmung in der Mitte. — Zurufe.)

    Das sind doch zwei verschiedene Dinge, und das dürfen wir nicht übersehen. Ich bin nach wie vor der Auffassung, daß es sich bei den freien Berufen um ganz spezifische, andersartige Leistungen handelt als bei den gewerblichen Dienstleistungen. Vom Grundsätzlichen her passen diese spezifischen geistigen Leistungen in keinerlei Umsatzsteuersystem hinein.
    Noch eine andere Frage. Herr Kollege Luda, ausgerechnet im Zusammenhang mit Ihren Ausführungen über die Mehrwertsteuerpflicht auch der freien Berufe hatten Sie erklärt: Wenn soviel Ausnahmen gemacht würden, müßte der Steuersatz erhöht werden. Sie wissen, Herr Kollege Luda, daß unser Bundesetat in diesem Jahr über 60 Milliarden DM beträgt. Das gesamte Steueraufkommen aus der Umsatzsteuer aller freien Berufe betrug im Jahre 1961 ganze 148 Millionen DM. Sie müssen damit rechnen, daß — wenn Sie von dem vorgeschlagenen System ausgehen — durch die Freigrenze und durch die Pauschalierung bis zu einem Umsatz von 200 000 DM das Aufkommen nicht höher, sondern geringer wird. Gleichgültig ob die freien Berufe mehrwertsteuerpflichtig werden oder nicht, wird sich der Steuersatz auch nicht um eine Dezimalstelle ändern. Ich kann nur das unterstützen, was von Vorrednern schon gesagt wurde und was von uns Freien Demokraten bereits bei der Einbringung unseres Entwurfs für die Umsatzsteuerfreiheit der freien Berufe ausgeführt wurde. Eine Umsatzsteuer für eine geistige Leistung, ob als Allphasensteuer oder Mehrwertsteuer, ist sehr problematisch; die Reform sollte zur Annahme des FDP-Antrages führen und diese Steuer für die freien Berufe beseitigen.

    (Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD.)



Rede von Dr. Thomas Dehler
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Das Wort hat der Abgeordnete Riedel (Frankfurt).

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Clemens Riedel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Mehrwertsteuer, über deren Gestaltung wir hier diskutieren, ist schon lange, bevor sie Konturen gewinnt, zum erklärten Idol jugendfrischer Erneuerung des Wettbewerbs geworden. Ihre hervorragendsten Tugenden hat diese junge Dame so huldreich gleichmäßig nach allen Seiten hin offeriert, daß man nun, da diese Schönheit in den Mahlstrom der Gesetzgebung kommt, fürchten muß, daß sie kaum einen Freier findet, der sie unbesehen heimführen möchte.
    Den Eindruck gewinnt man jedenfalls, wenn man die Stimmen, die man draußen in der Diskussion hört, auf sich wirken läßt. Dort, wo die Zauberformel „Abwälzbarkeit" bei der Einführung eines Nettopreissystems das Überwälzen der Steuerrate bis zum Letzverbraucher erkennbar macht, ist kein Erschrecken zu spüren. Denn jedermann traut sich zu — gleich den Damen und Herren Rechtsanwälten, Frau Diemer-Nicolaus, die schon lange so praktizieren —, den Steueranfall, den ein Klient verursacht, als Fußnote bei der Rechnungslegung genauso und mit ähnlicher Bravour an den Letztverbrau-



    Riedel (Frankfurt)

    cher weiterzuschreiben. Dadurch entsteht in vielen Wirtschaftsstufen das erleichternde Gefühl: Wettbewerbsneutralität heißt steuerschonend abwälzbar für mich und zahlbar bei allen anderen.
    Mit diesen Ausführungen nähere ich mich schon der Nahtstelle im Wirtschaftsbereich, an der es um die Nagelprobe des neuen Konzepts geht. Der Gesetzgeber wird verhindern müssen, daß aus der kristallklaren Theorie einer Verbrauchsteuer in der Praxis beim Übergang von Waren und Leistungen an den Letztverbraucher unversehens eine Einzelhandelsteuer oder eine zusätzliche Gewerbesteuer wird.
    Die Befürchtungen der kleineren und mittelgroßen Wirtschaft basieren auf zwei konkreten Fakten, an denen einfach nicht vorbeigeredet werden kann. Es kann nicht übersehen werden, daß im Marktgetümmel der Anbieter und Letztverbraucher, also im Kleinverbrauch und Kleinverkauf, das Nettopreisprinzip mit gesondertem Steuerausweis notgedrungen verlassen werden muß. Als zweites gravierendes Moment ist zu beachten, daß die Preisgestaltung im Bereich der gewerblichen Dienstleistungen sich vielfach anders vollzieht als im Fakturierverfahren der Kalkulationsbüros der Produktionswirtschaft. Zu der Gegenüberstellung von kapitalintensiven und lohnintensiven Wirtschaftszweigen ist zu sagen, daß der kapitalintensivere zugleich auch der kapitalmassivere Teil der Wirtschaft ist. Auch die neuesten Statistiken offenbaren, daß das deutsche Sozialprodukt — neben den Großformen unserer Wirtschaft — in einer Vielzahl unterschiedlich starker Kleinunternehmer erarbeitet wird.
    Wenn also das Bekenntnis der Bundesregierung und der sie tragenden Parteien zur Erhaltung und Stärkung unserer Wirtschafts- und Gesellschaftsstruktur ernst gemeint ist, dann muß in der materiellen Ausgestaltung des Mehrwertsteuerrechts darauf geachtet werden, daß nicht durch eine Häufung von Faktoren — in diesem Zusammenhang darf ich an die zunehmende Belastung der Wirtschaft aus der Sozialgesetzgebung, an die ungleichen Bedingungen zwischen der Großwirtschaft und den kleinen Einheiten bei der Betriebsfinanzierung und an die nachteilige steuerliche Behandlung von Personalunternehmen gegenüber den Kapitalgesellschaften erinnern —, also nicht durch die Summierung unguter Einflüsse ein großer Teil der kleinsten und kleinen Unternehmer praktisch an den Rand der Wettbewerbsfähigkeit gedrängt wird.
    Die Sorge, der ich hier Ausdruck gebe, ist — zusammenfassend gesagt —, daß auch unter dem System der Mehrwertsteuer die Abwälzbarkeit des Kostenfaktors Steuer nicht einklagbar sein wird. Aus diesem Grund darf also nicht vom Formalen her als gleich erachtet werden, was in Wirklichkeit doch aus faktischen Gegebenheiten — und nicht etwa aus individuellem Versagen in unserer Wettbewerbswirtschaft — nicht in gleichem Maße tragfähig ist. In der Steuergesetzgebung müssen wir selbstverständlich die Gleichbehandlung aller Bürger und Betriebe anstreben. Ich habe auch nicht die Absicht, einer Ausnahmeregelung das Wort zu reden, die nicht systemgerecht wäre. Aber ich möchte doch darauf aufmerksam machen, daß es nicht angängig ist, jetzt die Belastung möglicher Wettbewerbsverzerrungen gerade von den kleinen und kleinsten Einheiten der Wirtschaft her zu befürchten, die sich in bezug auf ihre Kapitalkraft und ihren Anteil am Markt nicht etwa wie David, sondern höchstens wie Däumling gegenüber dem Riesen Goliath ausnehmen.
    Es ist schlechthin nicht zu bestreiten, daß die Steuerpolitik strukturierende Auswirkungen hat. Das gilt auch für eine allgemeine Verbrauchsteuer wie die zur Diskussion stehende Mehrwertsteuer. Von dieser Überlegung her und nicht etwa aus einem Denken der Besitzstanderhaltung aus dem geltenden Recht erlaube ich mir vorzuschlagen, kleineren, umsatzschwachen Betrieben, die zudem großenteils notwendige, aber aus dem Denken unserer Gesellschaft heraus schlechtbezahlte Dienstleister sind, Freigrenzen einzuräumen oder Steuerfreibeträge zuzugestehen. Ebenso halte ich bis zu einer in sorgfältiger Prüfung zu ermittelnden Jahresumsatzquote die Einführung einer Pauschalierung mit festzulegenden Mindeststeuersätzen für notwendig. Konkrete Anhaltspunkte dazu finden sich in dem Dr. Becker-Luda-Entwurf, der insbesondere mit Unterstützung des Diskussionskreises Mittelstand der CDU/CSU-Fraktion eingebracht worden ist und ebenfalls im Finanzausschuß zur Beratung anstehen wird.
    Da meine Ausführungen ein gesamtpolitisches Anliegen nahebringen wollten, darf ich mich im Materiellen auf diesen Hinweis beschränken. Ich möchte aber noch ein Wort zu Argumenten sagen, die draußen in der Diskussion gebraucht werden. Nach meiner Auffassung ist die Wettbewerbsneutralität innerwirtschaftlich und für unseren Außenhandel ein nicht zu unterschätzender Stabilisierungsfaktor, und wir sollten uns endlich der Konkretisierung dieses Anliegens zuwenden. In der bunten Palette beruflicher Variationen unserer Wirtschaft wird es in dem Mehrwertsteuersystem ebensowenig wie in einem anderen möglich sein, branchenkonforme Maßanzüge zu verpassen. Wenn der Systemwechsel eine Kosten beinhaltende Kalkulation erheischt, dann darf sich im Grunde genommen niemand allein aus dieser Notwendigkeit überfordert fühlen.
    Und schließlich: der Vorwurf der preistreibenden Tendenz, die man dem neuen System voraussagt, richtet sich, genau gesehen, gegen andere Tatsachen des Wirtschaftsgeschehens, die in der Diskussion um die Mehrwertsteuer eben jetzt schärfer sichtbar werden, aber bereits vorhanden und wirksam sind. Ich könnte mir gut vorstellen, daß hier neben der Aufklärungsarbeit, die Regierung, Parlament und die Organisationen zu leisten haben, auch gewisse modisch-illustre Wirtschaftsjournalisten, die unter der Scheinmarke wissenschaftlicher Dokumentation einem unwissenden Leserpublikum Halbwahrheiten verkaufen und damit ein Erschrecken verursachen, dazu beitragen knönten, unserem Volk einmal einen Satz klarzumachen, den wir nicht nur einfach zur Kenntnis nehmen, sondern nach dem wir auch unser Handeln ausrichten sollten: In einer Volkswirtschaft, die einem allgemeinen, breitgelagerten Wohlstand zustrebt und die seit Jahren an einem ausverkauf-



    Riedel (Frankfurt)

    ten Arbeitsmarkt „leidet" — wenn ich es einmal so sagen darf —, müssen Dienstleistungen aller Art notwendigerweise teurer werden, ohne daß man etwas dafür verantwortlich macht, was noch gar nicht existiert.

    (Beifall in der Mitte.)