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ID0410622000

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    Deutscher Bundestag 106. Sitzung Bonn, den 9. Januar 1964 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung . 4825 A, 4912 C Fragestunde (Drucksachen IV/1766, IV/1806, IV/1812) Frage des Abg. Dr. Müller-Emmert: Zweites Fernsehprogramm in der Pfalz Stücklen, Bundesminister 4825 C, D, 4826 A Dr. Müller-Emmert (SPD) 4825 D Kaffka (SPD) 4826 A Frage des Abg. Dr. Müller-Emmert: Erleichterungen bei der Rentenauszahlung Stücklen, Bundesminister . . 4826 A, B, C, D, 4827 A, B, C Dr. Müller-Emmert (SPD) . . . . 4826 B, D Cramer (SPD) 4826 C Fritsch (SPD) 4827 A Büttner (SPD) 4827 B Dürr (FDP) 4827 C Fragen des Abg. Dr. Kübler: Schadenersatzforderungen für verlorengehende Telegramme und Haftpflicht für nicht übermittelte Telegramme 4827 D Fragen des Abg. Kubitza: Zulässige Wörter bei gedruckten Glückwunschkarten Stücklen, Bundesminister . . 4828 A, C, D, 4829 A, B Kubitza (FDP) . . . . . . . 4828 C, D Schwabe (SPD) 4829 A, B Sänger (SPD) 4829 B Fragen des Abg. Strohmayr: Zahl der noch in Wohnlagern untergebrachten Familien und Einzelpersonen Krüger, Bundesminister 4829 C Frage des Abg. Fritsch: Grabmal des Unbekannten Soldaten Höcherl, Bundesminister 4830 A Frage des Abg. Fritsch: Gesetz über den Grenzaufsichtsdienst Grund, Staatssekretär 4830 B, C, D, 4831 A Fritsch (SPD) 4830 B, C Lautenschlager (SPD) 4830 D Gscheidle (SPD) . . . . . . . 4831 A II Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 106. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 9. Januar 1964 Frage des Abg. Cramer: Gemeinde Nordseebad Wangerooge Schmücker, Bundesminister . . . 4831 A, C Cramer (SPD) 4831 C Fragen des Abg. Glüsing (Dithmarschen) : Deutsche Muschelfischerei . . . . . 4831 D Fragen des Abg. Dr. Gleissner: Angebliche Erklärung des Leiters des Flughafens München-Riem betr. Starts und Landungen in östlicher Richtung Dr. Seiermann, Staatssekretär . . 4832 A, B Frage des Abg. Dr. Ramminger: Anschluß der Autobahn Regensburg- Passau an die geplante österreichische Autobahn Linz-Passau Dr. Seiermann, Staatssekretär . . 4832 C, D Dr. Ramminger (CDU/CSU) . . . . 4832 C Frage des Abg. Dr. Ramminger: Änderung der früheren Linienführung der Autobahn Linz-Passau Dr. Seiermann, Staatssekretär . . . 4832 D, 4833 A, B Fritsch (SPD) . . . . . . . . . 4833 A Frage des Abg. Dr. Ramminger: Trasse der Autobahn Regensburg-Passau Dr. Seiermann, Staatssekretär . . 4833 B, C Dr. Ramminger (CDU/CSU) . . . 4833 B Fritsch (SPD) 4833 C Frage des Abg. Dr. Pohlenz: Teilstück Wesel-Hamminkeln der Holland-Autobahn Dr. Seiermann, Staatssekretär . . . 4833 D, 4834 A Dr. Pohlenz (SPD) 4833 D Frage des Abg. Dr. Pohlenz: Verkehr zwischen der Autobahnabfahrt Hamminkeln und der Bundesstraße 8 Dr. Seiermann, Staatssekretär . 4834 A, B, C Dr. Pohlenz (SPD) 4834 B, C Frage des Abg. Büttner: Änderung oder Ergänzung der Straßenverkehrsordnung (§ 45 StVO) Dr. Seiermann, Staatssekretär . . 4834 C, D, 4835 A Büttner (SPD) . . . . . 4834 D, 4835 A Sammelübersicht 24 des Petitionsausschusses über Anträge zu Petitionen (Drucksache IV/1779) 4835 B Mündlicher Bericht des Vermittlungsausschusses zu dem Ersten Gesetz zur Änderung des Beteiligungsverhältnisses an der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer (Drucksache IV/1770) Dr. h. c. Eberhard, Staatsminister . . 4835 B Dr. Schmidt (Wuppertal) (CDU/CSU) 4838 B Dr. Schäfer (SPD) . . . . . . . 4838 D Dr. Imle (FDP) 4839 D Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1964 (Haushaltsgesetz 1964) (Drucksache IV/1700) — Erste Beratung — in Verbindung mit Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung eines Nachtrags zum Bundeshaushaltsplan für das Rechnungsjahr 1963 (Nachtragshaushaltsgesetz 1963) (Drucksache IV/1699) — Erste Beratung — Dr. Dr. h. c. Erhard, Bundeskanzler 4840 B Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller (SPD) 4849 B, 4908 A Dr. Barzel (CDU/CSU) . . . . . . 4859 C Dr. Emde (FDP) 4864 A Dr. h. c. Strauß (CDU/CSU) . . . 4871 D Erler (SPD) 4883 D Dr. Vogel (CDU/CSU) . . . . . 4892 B Freiherr von Kühlmann-Stumm (FDP) 4898 B Ritzel (SPD) . . . . . . . . . 4899 D Dr. Althammer (CDU/CSU) . . . . 4902 C Dr. Dichgans (CDU/CSU) . . . . . 4904 D Dr. Artzinger (CDU/CSU) . . . . 4906 C Seuffert (SPD) . . . . . . . . 4909 D Dr. Dahlgrün, Bundesminister . . . 4910 A Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes vom 22. Juni 1954 über den Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zum Abkommen über die Vorrechte und Befreiungen der Sonderorganisationen der Vereinten Nationen vom 21. November 1947 und über die Gewährung von Vorrechten und Befreiungen an andere zwischenstaatliche Organisationen (Drucksache IV/1482); Schriftlicher Bericht des Auswärtigen Ausschusses (Drucksache IV/1776) — Zweite und Dritte Beratung — . . . . . . . . . 4911 D Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 106. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 9. Januar 1964 III Entwurf eines Gesetzes zu dem Assoziierungsabkommen vom 12. September 1963 zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei sowie zu dem mit diesem Abkommen im Zusammenhang stehenden Abkommen (Drucksache IV/1788) 4912 A Entwurf eines Siebenten Gesetzes zur Änderung des Strafrechtsänderungsgesetzes (CDU/CSU, SPD, FDP) (Drucksache IV/ 1817) 4912 C Nächste Sitzung 4912 C Anlage 4913 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 106. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 9. Januar 1964 4825 106. Sitzung Bonn, den 9. Januar 1964 Stenographischer Bericht Beginn: 9.01 Uhr
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    Anlage Liste der beurlaubten Abgeordneten Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Adorno 31. 1. Dr. Aigner * 9: 1. Frau Albertz 10. 1. Arendt (Wattenscheid) 10. 1. Bauer (Wasserburg) 10. 1. Frau Berger-Heise 10. 1. Bergmann * 9. 1. Frau Beyer (Frankfurt) 10. 1. Birkelbach* 9. 1. Frau Blohm 10. 1. Blumenfeld 18. 1. Frau Brauksiepe 10. 1. Dr. von Brentano 21. 3. Brück 10. 1. Brünen 10. 1. Dr. Burgbacher * 9. 1. Deringer * 9. 1. Frau Dr. Elsner * 9. 1. Faller * 9. 1. Dr. Frede 10. 1. Dr. Dr. h. c. Friedensburg 10. 1. Dr. Furler* 9. 1. Dr. Gerlich 10. 1. Günther 10.1. Haage (München) 10. 1. Hahn (Bielefeld) * 9. 1. Hammersen 10.1. Dr. Harm (Hamburg) 31. 1. Hauffe 10. 1. Dr. Hellige 9. 1. Dr. Hesberg 9. 1. Holkenbrink 9. 1. Hörauf 4. 2. Hörmann (Freiburg) 9. 1. Illerhaus * 9. 1. Frau Jacobi (Marl) 10. 1. Kalbitzer * 9. 1. Kemmer 9. 1. Dr. Kempfler 10.1. Abgeordneter) beurlaubt bis einschließlich Klein (Saarbrücken) 10. 1. Klinker * 9. 1. Dr. Kreyssig 10. 1. Kriedemann * 9. 1. Dr. Kübler 16. 1. Freiherr von Kühlmann-Stumm 9. 1. Lemmer 10. 1. Lenz (Bremerhaven) 15.2. Lenz (Brühl) * 9. 1. Lücker (München) * 9. 1. Margulies * 9. 1. Mauk * 9. 1. Mengelkamp 10. 1. Metzger * 9. 1. Michels * 9. 1. Dr. Miessner 10. 1. Dr. Müller-Hermann * 9. 1. Peiter 10.1. Dr.-Ing. Philipp * 9. i. Frau Dr. Probst * 9. 1. Rademacher * 9. 1. Richarts * 9. 1. _ Ruland 22. 2. Dr. Rutschke 17. 1. Sander 10. 1. Schmitt-Vockenhausen 9. 1. Schneider (Hamburg) 24. 1. Seidl (München) 10. 1. Seifriz * 9. 1. Dr. Seume 10. 1. Dr. Starke * 9. 1. Frau Strobel* 9. 1. Struve 10. 1. Weinkamm * 10. 1. Wendelborn 10. 1. Wilhelm 10. 1. Wolf 9. 1. Wullenhaupt 31. 1. Zoglmann 9. 1. b) Urlaubsanträge Dr. Bieringer 7. 2. *) Für die Teilnahme an einer Tagung des Europäischen Parlaments
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    Rede von Dr. Hans Dichgans


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Gestatten Sie mir noch einige Bemerkungen zu drei Punkten. Zunächst zu dem. Thema Bund und Länder, das Herr Kollege Althammer soeben angesprochen hat. Die Flurbereinigung ist in der Tat dringend erforderlich! Herr Präsident, ich habe hier ein Originaldokument, aus dem sich ergibt, daß der Bund dem Land Nordrhein-Westfalen noch im Jahre 1963 einen Kredit von 1300 DM gewährt hat. Sie haben recht gehört: nicht 130 Millionen, sondern 1300 DM. — Acht Nebenabdrucke sind verteilt worden.
    Es liegt auf der Hand, daß die Verwaltungskosten eines solchen Kredits höher sind als das Kapital. Dazu möchte ich dem Herren Bundesfinanzminister einen konkreten Vorschlag machen. Der Bund sollte die Bearbeitung solcher Bagatellfälle sofort einstellen, die Mittel aus den Fonds, die dafür zur Verfügung stehen, global auf die Länder verteilen und den Ländern die Erledigung überlassen. Der Bund ist keine Gemeindeverwaltung.

    (Zurufe und Heiterkeit.)

    Der nächste Schritt sollte eine allgemeine sachliche Bereinigung sein. Diese erfordert Klarheit über das Ziel der Bereinigung. Dazu möchte ich die These aufstellen, daß wir radikal die Aufgaben des Bundes von denen der Länder trennen sollten. Ich folge weithin der Auffassung des Ministerpräsidenten Meyers. Das ist meine persönliche Meinung, die sich



    Dr. Dichgans
    keineswegs mit der Meinung meiner politischen Freunde deckt. Selbst die Länder haben teilweise protestiert, und auch der Kollege Althammer, an dessen untadeliger föderalistischer Gesinnung doch kein Zweifel sein kann, hat wesentliche Einschränkungen gemacht. Ich möchte diese These trotzdem vertreten und begründen, auch auf die Gefahr hin, daß ich hier in den Ruf eines Superföderalisten komme, der ich in keiner Weise bin.
    Daß die radikale Abgrenzung zu einer Verwaltungsvereinfachung führt, ist wohl nicht zu bestreiten. Es wird aber geltend gemacht, die Präsenz des Bundes sei notwendig. Was heißt das? Präsenz des Bundes heißt in vielen Fällen zunächst schlicht finanzielle Präsenz. Im Jahrbuch der Max-Planck-Gesellschaft von 1959 ist dieser Tatbestand sehr unbefangen geschildert. Da heißt es nämlich: Nachdem die Länder in Finanzschwierigkeiten kamen, mußte der Bund einspringen. Meine Damen und Herren, ich bin nicht der Meinung, daß das eine Rechtfertigung ist. Wenn die Finanzkraft aufgeteilt werden muß, so muß das über Art. 106 des Grundgesetzes erfolgen, aber nicht über Einzelzuweisungen °aus einzelnen Haushaltspositionen.
    Präsenz des Bundes heißt aber weiter: zusätzlicher horizontaler Finanzausgleich. Diese Art der Zuwendungen bedeutet nämlich, daß bestimmten Ländern, und zwar vorzugsweise den finanzschwachen Ländern, zusätzliche Mittel zugeführt werden. Ich halte auch dieses Verfahren für sehr problematisch. Den finanzschwachen Ländern muß geholfen werden, aber auf dem Wege über einen geordneten horizontalen Finanzausgleich, nicht auf dem Wege über Einzelzuweisungen. Einzelzuweisungen müssen zu Willkür führen. Wenn der Bund in dem einen Land eine Universität baut, in dem anderen keine, wenn der Bund zu dem Atomreaktor des einen Landes Zuschüsse gibt, zu dem eines anderen nicht, dann entstehen Verärgerungen, Ungerechtigkeiten, die wir vermeiden sollten.
    Präsenz des Bundes heißt endlich Koordinierung. Eine Koordinierung ist zweifellos notwendig. Sie darf sich bei uns nicht durch Befehl und auch nicht durch überhebliche Belehrung vollziehen, sondern nur durch sachliche Überzeugung. Im Bundesstaat erfordert Koordinierung Koordinierungsbereitschaft, und Koordinierungsbereitschaft erfordert Vertrauen. Wird dieses Vertrauen durch gezielte Finanzzuweisungen aus dem Bundeshaushalt erhöht? Ich fürchte, nein.
    Die Koordinierung der Länder untereinander ist schwer genug. Aber die Koordinierung wird noch schwerer, wenn sie von der Befürchtung überschattet wird, daß der Bund durch Finanzzuweisungen zusätzlichen Einfluß erreichen will, wie das Herr Kollege Althammer hier eben schon richtig geschildert hat. Vertrauen setzt Verständigung voraus. Die Geldzuwendungen mit Dotationsverpflichtungen, die wir hier beschlossen haben, Zuwendungen an bestimmte Länder unter Umgehung anderer, sind jedoch geeignet, eher Mißtrauen zu säen. Ich halte eine Koordinierung für notwendig, bin aber der Meinung, daß die gezielten Finanzzuweisungen ein untaugliches Mittel sind. Wir sollten uns nicht in
    den Verdacht bringen, daß wir Einfluß kaufen wollen; das ist unter unserer Würde.
    Meine Damen und Herren, Koordinierung der Länder ist nicht Gegenstand des Bundeshaushalts. Aber wir haben eine andere Aufgabe der Koordinierung, nämlich die der Koordinierung der Gruppen. Der Haushalt muß viele Bedürfnisse befriedigen, in der Verteidigung und der Wissenschaft, in der Landwirtschaft und bei den Kriegsopfern, bei Beamten und der Mineralölwirtschaft. Diese Anliegen sind inkommensurabel. Wir müssen sie aber alle in Geld umrechnen. Es entsteht das Problem der austeilenden Gerechtigkeit, mit dem sich bereits der Heilige Thomas von Aquin vor 700 Jahren befaßt hat. Die Aufspaltung der Gesetze in Regelungen für bestimmte Gruppen ist unvermeidlich. Aber es geht nicht nur um die Gerechtigkeit innerhalb der Gruppen, um die wir uns ja sehr bemühen, sondern auch um die Gerechtigkeit der Behandlung der Gruppen im Vergleich zueinander, und der Ort einer solchen Betrachtung sollte für mein Gefühl die Haushaltsdebatte sein. Der Haushalt muß entscheiden, was für die einzelnen Anliegen verfügbar ist.
    Ich bitte, zu erwägen, ob wir nicht unsere Geschäftsordnung ändern sollten, indem wir die Ausschußberatungen spalten. Die Ausschußberatungen sollten zunächst nur bis zu einem Zwischenbericht führen, in dem der Ausschuß vorschlägt, was er glaubt tun zu müssen. Diese Zwischenberichte wären dann zu einem Haushalt oder einem Nachtragshaushalt zusammenzuführen, wobei zu beschließen wäre, was nun für die einzelnen Anliegen zur Verfügung steht. Darauf wären diese Zwischenberichte den Ausschüssen wieder zurückzuverweisen, die dann den Betrag, den der Haushaltsausschuß zur Verfügung gestellt hat, gerecht in ihrem Sektor verteilen.
    Eine solche Gesamtschau aller Anliegen ist aber auch noch aus einem anderen Grunde wichtig. Bei der unvermeidlichen Aufspaltung der Gesetzgebung nach Gruppen müssen wir uns stets die Frage vorlegen: Was wird eigentlich aus denjenigen, die nicht zu einer Gruppe gehören?
    Wenn wir die Ruhegehälter der Beamten aufbessern, so müssen wir an die Fälle denken, in denen ein Ministerialreferent nach fünfzehnjähriger Leitung eines Referates und zehn Jahren Militärdienst mit einer Versorgung in der Größenordnung von 200 bis 400 DM ausscheidet, weil er aus irgendwelchen zufälligen Gründen nicht verbeamtet worden ist. Wenn wir über Ersatzzeiten in der Sozialversicherung diskutieren, müssen wir an folgendes denken: Für die Sozialrentner übernimmt der Bund die Versicherungsbeiträge für die Kriegszeit, und er hat im Rahmen der Dynamisierung eine Aufwertung durchgeführt, die normalerweise bis auf 200 % geht. Ein kleiner Gewerbetreibender, etwa der Inhaber eines Standes auf dem Markt, erhält nichts, obwohl er ebenso wie der Arbeiter im Krieg nicht in der Lage war, für seine Alterssicherung zu sorgen. Diese Folgen hat Frau Heddy Neumeister in einem Aufsatz über die nichtdynamischen Renten in sehr bemerkenswerter Weise geschildert. Wenn wir bei
    4906 Deutschei Bundestag — 4. Wahlperiode — 106. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 9. Januar 1964
    Dr. Dichgans
    Flutkatastrophen und Massenunfällen Beträge bewilligen, müssen wir uns die Frage vorlegen: Macht es für das Opfer eines Ereignisses, eine Witwe, eine Waise, einen Unterschied, ob der Mann, der Vater bei einem Ereignis umgekommen ist, das zu dem von uns geregelten Bereichgehört, oder ob das Ereignis ein einzelner Unfall war? Es ist das legitime Recht der Gruppen, sich für ihre Interessen einzusetzen. Es ist aber die Pflicht des Parlaments, für alle Mitbürger zu sorgen, auch und gerade besonders für diejenigen, für die sonst niemand sorgt.
    Zum Schluß erlauben Sie mir noch einige wenige Worte zu den Ausgaben für die Wissenschaft. Wenn in einem deutschen Parlament das Wort Wissenschaft fällt, so folgen Beteuerungen der Hochachtung für die Wissenschaft.

    (Zuruf von der SPD: Das hat Herr Strauß nicht gemacht!)

    In diesem Chor möchte ich nicht fehlen. Aber ich habe das Gefühl, daß die allzu häufige Beteuerung der Hochachtung zur Gefahr einer Illusion führt, nämlich zu der Illusion, als sei bei der Wissenschaft alles in bester Ordnung. Wenn wir bei der deutschen Wissenschaft international nicht mehr den Rang haben, den wir haben möchten, so liegt das nach meiner Überzeugung gar nicht am fehlenden Geld, sondern es liegt vielmehr an der unzweckmäßigen Organisation unseres Bildungs- und Wissenschaftswesens. Wir tun in Deutschland unser Möglichstes, um unsere Jugend von der höheren Bildung abzuschrecken. Wir halten unsere jungen Akademiker
    bis aber den 30. Geburtstag hinaus im Stande eines unterbezahlten oder tauch völlig unbezahlten Lehrlings fest.

    (Beifall in der Mitte.)

    Das ist ein einsamer deutscher Weltrekord.
    Ähnlich liegt es beim Nachwuchs für die Hochschullehrer. Auch hier geschieht alles, um aktive und tüchtige Leute abzuschrecken. Neben der wissenschaftlichen Neigung und Begabung sind in Deutschland folgende Eigenschaften für einen künftigen Hochschullehrer unerläßlich: eine unendliche Geduld, die Bereitschaft, sich bedingungslos für viele Jahre einem Ordinarius unterzuordnen, sich bedingungslos von den Sympathien und Antipathien einer Fakultät abhängig zu machen und das eigentlich unzumutbare Risiko auf sich zu nehmen, daß eine vieljährige Vorbereitung auf eine akademische Laufbahn plötzlich zunichte wird, weil ein neuer Ordinarius erscheint, der neue Leute mitbringt und die Mitarbeiter seines Vorgängers abschiebt. Dürfen wir uns bei dieser Lage wundern, daß die deutschen Universitäten in manchen Fakultäten nicht einmal genügend Nachwuchs für die bestehenden Lehrstühle produzieren? Hat es einen Sinn, neue Lehrstühle zu errichten, solange viel zu viele der vorhandenen unbesetzt sind? Hat es einen Sinn, neue Universitäten zu bauen, solange die Universitäten in Deutschland nur in 22 von 52 Wochen — das ist in 42% der möglichen Zeit — in vollem Betrieb sind? Auch das ist ein einsamer deutscher Weltrekord.
    Meine Damen und Herren, das sind Fragen, die unmittelbar an den Haushalt heranführen. Die
    Hochschulreform ist überfällig. Daß sie bisher nicht zustande gekommen ist, sollte man nicht den Wissenschaftlern vorwerfen. Die deutsche Wissenschaft leistet auch heute noch Hervorragendes. Es wäre aber unbillig, von den Wissenschaftlern zu erwarten, daß sie gleichzeitig gute Verwaltungsmänner und gute Organisatoren sind. Die Zuständigkeit und die Verantwortung für diese Aufgaben liegen bei der Konferenz der Kultusminister, die sich jetzt energisch dieses Anliegens annimmt. Wir wollen hoffen, daß ein neuer Wilhelm von Humboldt ersteht, der uns ein modernes, vorbildliches System schafft, so wie das Humboldtsche System hundert Jahre lang vorbildlich gewesen ist.

    (Beifall bei den. Regierungsparteien und bei der SPD.)



Rede von Dr. Thomas Dehler
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Artzinger.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Helmut Artzinger


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es wäre sicher Gott und den Menschen wohlgefälliger, wenn ich auf meine Wortmeldung verzichtet hätte und dadurch die ohnehin schon lange Rednerliste verkürzt hätte. Ich kann Ihnen nur versprechen, daß ich es sehr kurz machen werde. Aber wir halten es für notwendig, zu einigen Bemerkungen, die der Herr Kollege Erler gemacht hat, zur Steuer der Wahrheit Stellung zu nehmen.
    Herr Kollege Erler hat zunächst unseren Eigentumspolitikern empfohlen, sich in ihrer Fraktion stärker in dem Sinne durchzusetzen, den außerordentlichen Haushalt auszuweiten, um die Eigentumsbildung zu ermöglichen. Nun, das geht in die Richtung der Opposition, und es ist das gute Recht des Herrn Kollegen Erler, die Politik seiner Fraktion zu stützen. Lassen Sie mich ohne jede Bosheit darauf hinweisen, daß es in der Fraktion der SPD darüber offenbar verschiedene Auffassungen gibt.
    Ich zitiere aus dem Protokoll der Sitzung vom 8. November 1962, in der der Kollege Dr. Möller folgendes ausführte:
    Die Bundesschuld ist, gemessen an internationalen Maßstäben, . . . unverhältnismäßig niedrig. Das ist eine große Leistung der deutschen Finanzpolitik, wenn man berücksichtigt, was wir . . . haben wiederaufbauen müssen . . Ich wiederhole, wenn man das berücksichtigt, dann muß jeder anerkennen, daß das eine gewaltige Leistung gewesen ist, die wir bei diesem Schuldenstand in erheblichem Umfange der nach uns kommenden Generation abgenommen haben.
    Ich hoffe, Herr Dr. Möller, daß Sie sich dieses Passus noch entsinnen.
    In der Sitzung vom 15. Mai 1963 aber sagte der Kollege Seuffert folgendes:
    Was in der Tat geschehen ist, ... ist, daß Ihre — nämlich der Koalition, insbesondere der CDU —
    Finanzminister und Ihre Regierungen bisher
    regelmäßig in allen Jahren nicht einmal die



    Dr. Artzinger
    vom Haushaltsgesetz vorgesehenen und vom Parlament bewilligten außerordentlichen Haushalte ausgeführt haben, sondern daß Sie immer wieder diese Lücken aus den ordentlichen Steuereinnahmen gedeckt und damit gleichzeitig nicht nur das Haushaltsbild verschleiert und die künstlichen Ausgleiche vorgenommen, sondern auch den Weg zu Steuerreformen und insbesondere auch zu Steuersenkungen verbaut haben.
    Der Abgeordnete Dr. Vogel rief dazwischen: „Ist es ein Verbrechen, keine Schulden zu machen, wenn man sie nicht machen muß?" Darauf Dr. Seuffert: „Es ist ein Fehler, sie nicht zu machen."
    Wie man sieht, ist auch das Gebiet der Finanzpolitik vom kurzfristigen Wechsel der Überzeugungen nicht ausgenommen. Aber ich will das gar nicht gegen die Opposition ausspielen; man kann in guten Treuen verschiedener Meinung sein, wie man einen Aufwand, insbesondere einen Investitionsaufwand, finanzieren soll.
    Ich darf dazu als eine objektive Stimme die des Professors der Finanzwissenschaft Haller, der ja der Opposition kein Unbekannter ist, weil er auf der Wirtschaftstagung der SPD in Essen ein Referat hielt, zitieren. In dem Aufsatz: „Zur Problematik der Kreditfinanzierung öffentlicher Ausgaben" im „Finanzarchiv" 1959 sagt er:
    Bisher hat jede Generation von der vorangegangenen mehr übernommen, als diese selbst übernahm, jedoch nur, um auch ihrerseits mehr an die folgende weiterzugeben, als sie selbst erhielt. Ein Lastenausgleich zwischen den Generationen ist nur geboten, wenn es sich um tatsächlich einmalige Sonderbelastungen handelt.
    Ich glaube daher, daß unsere Finanzierungsart, wie wir sie bisher durchgeführt haben, auch vor einem objektiven Kritiker, wie es dieser Vertreter der Finanzwissenschaft ist, durchaus standhalten kann, und ich glaube, daß wir gut daran tun, uns die Schuldenfreiheit des Bundes als eine letzte Konjunkturreserve offenzuhalten.
    Ich komme zu einer weiteren Bemerkung des Kollegen Erler, in der er den amerikanischen Einkommensteuertarif zu unserem deutschen Steuertarif in Vergleich stellte und auf den Spitzensatz von 91 % in den Vereinigten Staaten hinwies. Meine Damen und Herren, es ist nachgerade ein Gemeinplatz, daß man einen Steuervergleich so nicht vornehmen kann, indem man nämlich schematisch die Sätze des Tarifs vergleicht. Denn der Tarif ist bekanntlich nur ein Teil, und sicherlich nicht der bedeutendste Teil eines Steuergesetzes. Ich darf Sie daran erinnern, daß die Capital gains in Amerika durchgängig mit nur 25 % besteuert werden.

    (Zuruf von der SPD: Bei uns gar nicht!)

    — Bei uns gar nicht?

    (Abg. Dr. Deist: Nein!)

    — Ich darf darauf hinweisen, daß der Satz von 53% eine Augenauswischerei ist; denn dazu kommt
    die Vermögensteuer, kommt die Gewerbesteuer, kommt die Kirchensteuer, kommt der Lastenausgleich, so daß sich eine Gesamtspitzenbelastung von etwa 65 % ergibt. Ich glaube, man sollte endlich aufhören, diesen 91-Prozent-Satz des amerikanischen Steuertarifs immer wieder ins Feld zu führen; denn man wird — entschuldigen Sie — unwahr, wenn man nicht zugleich darauf hinweist, daß wenige Promille des amerikanischen Steueraufkommens aus den Sätzen des Einkommensteuertarifs stammen, die über 50 % liegen.
    Ich darf in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, daß Herr Kollege Dr. Möller in Essen auch über die Steigerung des Spitzensatzes gesprochen hat. Er hat von einer vorsichtigen Erhöhung gesprochen. Ich will das jetzt nicht wörtlich zitieren. Im Sinne dieser Ausführungen kann man darüber streiten, ob eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes von 53 auf 58 %, wie sie die Steuervorlage der Opposition vorsah, noch in diesem Rahmen liegt oder nicht. Herr Dr. Möller hat aber auch gesagt, daß wir darauf achten müßten, uns im Rahmen der EWG von den Regelungen unserer Nachbarn nicht zu entfernen. Dazu darf ich bemerken, daß in keinem Land der EWG der Spitzensteuersatz der Einkommensteuer höher liegt als 50%.
    Meine Damen und Herren, der Redner der Opposition bei der Vorlage der Steuergesetze, Kollege Seuffert, hat damals darauf hingewiesen, daß es ja nur 70 000 Leute seien, die von diesem Spitzensteuersatz betroffen würden. Das mag richtig sein. Ich kann im Augenblick nicht prüfen,. ob diese Zahl zutrifft. Aber selbst wenn es nur 70 000 sind, bin ich der Meinung, daß wir kein Recht haben, über 'die Belange dieser 70 000 zur Tagesordnung überzugehen.

    (Abg. Seuffert: Wo wollen Sie es denn hernehmen?)

    — Ja, wo wollen Sie es hernehmen? — Ich habe nach den Darlegungen des Herrn Kollegen Erler den Eindruck gehabt, als er sich darauf berief, daß im Sinne der Gerechtigkeit sei, den vielen die Steuer zu erleichtern, aber dafür von den wenigen Hochverdienern um so mehr zu nehmen, daß das Motto dieser Steuergerechtigkeit lautet: gerecht ist die Steuer, die die anderen zahlen müssen.

    (Widerspruch bei der SPD.)

    Ich bin der Meinung, daß man so nicht verfahren kann,

    (Zuruf von der CDU/CSU: Es bringt auch gar nichts!)

    ganz abgesehen davon, daß jedes Prozent über 53% hinaus uns sage und schreibe 35 Millionen DM Steueraufkommen mehr bringt. Bei einer Steigerung um 5 % sind das also 175 Millionen DM, und das ist angesichts einer Senkung um 21/2 Milliarden DM kein Objekt.
    Aber wir wollen dieses Zahlenspiel einmal beiseite lassen. Ich erinnere Sie an das, was wir soeben von Kollegen Dichgans über die austeilende Gerechtigkeit gehört haben. Da liegt sicherlich ein sehr schwieriges Problem. Aber so, wie Herr Erler hier es



    Dr. Artzinger
    akzentuiert hat: gerechte Steuer ist die, die die anderen zahlen müssen, so kommen wir nicht weiter.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)