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ID0410618800

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    Deutscher Bundestag 106. Sitzung Bonn, den 9. Januar 1964 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung . 4825 A, 4912 C Fragestunde (Drucksachen IV/1766, IV/1806, IV/1812) Frage des Abg. Dr. Müller-Emmert: Zweites Fernsehprogramm in der Pfalz Stücklen, Bundesminister 4825 C, D, 4826 A Dr. Müller-Emmert (SPD) 4825 D Kaffka (SPD) 4826 A Frage des Abg. Dr. Müller-Emmert: Erleichterungen bei der Rentenauszahlung Stücklen, Bundesminister . . 4826 A, B, C, D, 4827 A, B, C Dr. Müller-Emmert (SPD) . . . . 4826 B, D Cramer (SPD) 4826 C Fritsch (SPD) 4827 A Büttner (SPD) 4827 B Dürr (FDP) 4827 C Fragen des Abg. Dr. Kübler: Schadenersatzforderungen für verlorengehende Telegramme und Haftpflicht für nicht übermittelte Telegramme 4827 D Fragen des Abg. Kubitza: Zulässige Wörter bei gedruckten Glückwunschkarten Stücklen, Bundesminister . . 4828 A, C, D, 4829 A, B Kubitza (FDP) . . . . . . . 4828 C, D Schwabe (SPD) 4829 A, B Sänger (SPD) 4829 B Fragen des Abg. Strohmayr: Zahl der noch in Wohnlagern untergebrachten Familien und Einzelpersonen Krüger, Bundesminister 4829 C Frage des Abg. Fritsch: Grabmal des Unbekannten Soldaten Höcherl, Bundesminister 4830 A Frage des Abg. Fritsch: Gesetz über den Grenzaufsichtsdienst Grund, Staatssekretär 4830 B, C, D, 4831 A Fritsch (SPD) 4830 B, C Lautenschlager (SPD) 4830 D Gscheidle (SPD) . . . . . . . 4831 A II Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 106. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 9. Januar 1964 Frage des Abg. Cramer: Gemeinde Nordseebad Wangerooge Schmücker, Bundesminister . . . 4831 A, C Cramer (SPD) 4831 C Fragen des Abg. Glüsing (Dithmarschen) : Deutsche Muschelfischerei . . . . . 4831 D Fragen des Abg. Dr. Gleissner: Angebliche Erklärung des Leiters des Flughafens München-Riem betr. Starts und Landungen in östlicher Richtung Dr. Seiermann, Staatssekretär . . 4832 A, B Frage des Abg. Dr. Ramminger: Anschluß der Autobahn Regensburg- Passau an die geplante österreichische Autobahn Linz-Passau Dr. Seiermann, Staatssekretär . . 4832 C, D Dr. Ramminger (CDU/CSU) . . . . 4832 C Frage des Abg. Dr. Ramminger: Änderung der früheren Linienführung der Autobahn Linz-Passau Dr. Seiermann, Staatssekretär . . . 4832 D, 4833 A, B Fritsch (SPD) . . . . . . . . . 4833 A Frage des Abg. Dr. Ramminger: Trasse der Autobahn Regensburg-Passau Dr. Seiermann, Staatssekretär . . 4833 B, C Dr. Ramminger (CDU/CSU) . . . 4833 B Fritsch (SPD) 4833 C Frage des Abg. Dr. Pohlenz: Teilstück Wesel-Hamminkeln der Holland-Autobahn Dr. Seiermann, Staatssekretär . . . 4833 D, 4834 A Dr. Pohlenz (SPD) 4833 D Frage des Abg. Dr. Pohlenz: Verkehr zwischen der Autobahnabfahrt Hamminkeln und der Bundesstraße 8 Dr. Seiermann, Staatssekretär . 4834 A, B, C Dr. Pohlenz (SPD) 4834 B, C Frage des Abg. Büttner: Änderung oder Ergänzung der Straßenverkehrsordnung (§ 45 StVO) Dr. Seiermann, Staatssekretär . . 4834 C, D, 4835 A Büttner (SPD) . . . . . 4834 D, 4835 A Sammelübersicht 24 des Petitionsausschusses über Anträge zu Petitionen (Drucksache IV/1779) 4835 B Mündlicher Bericht des Vermittlungsausschusses zu dem Ersten Gesetz zur Änderung des Beteiligungsverhältnisses an der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer (Drucksache IV/1770) Dr. h. c. Eberhard, Staatsminister . . 4835 B Dr. Schmidt (Wuppertal) (CDU/CSU) 4838 B Dr. Schäfer (SPD) . . . . . . . 4838 D Dr. Imle (FDP) 4839 D Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1964 (Haushaltsgesetz 1964) (Drucksache IV/1700) — Erste Beratung — in Verbindung mit Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung eines Nachtrags zum Bundeshaushaltsplan für das Rechnungsjahr 1963 (Nachtragshaushaltsgesetz 1963) (Drucksache IV/1699) — Erste Beratung — Dr. Dr. h. c. Erhard, Bundeskanzler 4840 B Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller (SPD) 4849 B, 4908 A Dr. Barzel (CDU/CSU) . . . . . . 4859 C Dr. Emde (FDP) 4864 A Dr. h. c. Strauß (CDU/CSU) . . . 4871 D Erler (SPD) 4883 D Dr. Vogel (CDU/CSU) . . . . . 4892 B Freiherr von Kühlmann-Stumm (FDP) 4898 B Ritzel (SPD) . . . . . . . . . 4899 D Dr. Althammer (CDU/CSU) . . . . 4902 C Dr. Dichgans (CDU/CSU) . . . . . 4904 D Dr. Artzinger (CDU/CSU) . . . . 4906 C Seuffert (SPD) . . . . . . . . 4909 D Dr. Dahlgrün, Bundesminister . . . 4910 A Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes vom 22. Juni 1954 über den Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zum Abkommen über die Vorrechte und Befreiungen der Sonderorganisationen der Vereinten Nationen vom 21. November 1947 und über die Gewährung von Vorrechten und Befreiungen an andere zwischenstaatliche Organisationen (Drucksache IV/1482); Schriftlicher Bericht des Auswärtigen Ausschusses (Drucksache IV/1776) — Zweite und Dritte Beratung — . . . . . . . . . 4911 D Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 106. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 9. Januar 1964 III Entwurf eines Gesetzes zu dem Assoziierungsabkommen vom 12. September 1963 zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei sowie zu dem mit diesem Abkommen im Zusammenhang stehenden Abkommen (Drucksache IV/1788) 4912 A Entwurf eines Siebenten Gesetzes zur Änderung des Strafrechtsänderungsgesetzes (CDU/CSU, SPD, FDP) (Drucksache IV/ 1817) 4912 C Nächste Sitzung 4912 C Anlage 4913 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 106. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 9. Januar 1964 4825 106. Sitzung Bonn, den 9. Januar 1964 Stenographischer Bericht Beginn: 9.01 Uhr
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    Anlage Liste der beurlaubten Abgeordneten Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Adorno 31. 1. Dr. Aigner * 9: 1. Frau Albertz 10. 1. Arendt (Wattenscheid) 10. 1. Bauer (Wasserburg) 10. 1. Frau Berger-Heise 10. 1. Bergmann * 9. 1. Frau Beyer (Frankfurt) 10. 1. Birkelbach* 9. 1. Frau Blohm 10. 1. Blumenfeld 18. 1. Frau Brauksiepe 10. 1. Dr. von Brentano 21. 3. Brück 10. 1. Brünen 10. 1. Dr. Burgbacher * 9. 1. Deringer * 9. 1. Frau Dr. Elsner * 9. 1. Faller * 9. 1. Dr. Frede 10. 1. Dr. Dr. h. c. Friedensburg 10. 1. Dr. Furler* 9. 1. Dr. Gerlich 10. 1. Günther 10.1. Haage (München) 10. 1. Hahn (Bielefeld) * 9. 1. Hammersen 10.1. Dr. Harm (Hamburg) 31. 1. Hauffe 10. 1. Dr. Hellige 9. 1. Dr. Hesberg 9. 1. Holkenbrink 9. 1. Hörauf 4. 2. Hörmann (Freiburg) 9. 1. Illerhaus * 9. 1. Frau Jacobi (Marl) 10. 1. Kalbitzer * 9. 1. Kemmer 9. 1. Dr. Kempfler 10.1. Abgeordneter) beurlaubt bis einschließlich Klein (Saarbrücken) 10. 1. Klinker * 9. 1. Dr. Kreyssig 10. 1. Kriedemann * 9. 1. Dr. Kübler 16. 1. Freiherr von Kühlmann-Stumm 9. 1. Lemmer 10. 1. Lenz (Bremerhaven) 15.2. Lenz (Brühl) * 9. 1. Lücker (München) * 9. 1. Margulies * 9. 1. Mauk * 9. 1. Mengelkamp 10. 1. Metzger * 9. 1. Michels * 9. 1. Dr. Miessner 10. 1. Dr. Müller-Hermann * 9. 1. Peiter 10.1. Dr.-Ing. Philipp * 9. i. Frau Dr. Probst * 9. 1. Rademacher * 9. 1. Richarts * 9. 1. _ Ruland 22. 2. Dr. Rutschke 17. 1. Sander 10. 1. Schmitt-Vockenhausen 9. 1. Schneider (Hamburg) 24. 1. Seidl (München) 10. 1. Seifriz * 9. 1. Dr. Seume 10. 1. Dr. Starke * 9. 1. Frau Strobel* 9. 1. Struve 10. 1. Weinkamm * 10. 1. Wendelborn 10. 1. Wilhelm 10. 1. Wolf 9. 1. Wullenhaupt 31. 1. Zoglmann 9. 1. b) Urlaubsanträge Dr. Bieringer 7. 2. *) Für die Teilnahme an einer Tagung des Europäischen Parlaments
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Franz Josef Strauß


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Ich glaube, daß man diese allgemeine Feststellung nicht treffen kann. Eine Erhöhung der Produktivität tritt ein durch eine Verbesserung der Organisation in der Wirtschaft, durch eine Verbesserung des betriebstechnischen Apparates. Das erfordert gewisse Kosten. Aber hier sind auch gewisse Grenzen gesetzt, und ich glaube nicht, daß man diese scheinbare Erfahrungsregel — Gesetz darf man so etwas gar nicht nennen — ad infinitum fortsetzen kann.

    (Abg. Dr. Fritz [Ludwigshafen]: Mehr Fremdarbeiter!)

    Ich frage hier nach nichts anderem als: Wo liegt die Grenze, jenseits derer der Schaden beginnt oder schon begonnen hat?

    (Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Matthöfer: Aber nicht, weil wir die Arbeitszeit verkürzt haben!)

    Ich wende mich hier auch dagegen, daß die Bewertung, ob sich jemand zum sozialen Fortschritt
    bekennt oder ob jemand eine soziale Einstellung
    hat, zusammenhanglos einfach mit der Bewertung der Einstellung zur Verkürzung der Arbeitszeit oder zur Erhöhung der Löhne direkt oder indirekt in einen Topf geworfen wird.

    (Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Wehner: Herr Schmücker, helfen Sie doch mal!)

    — Herr Kollege Wehner, wenn jemand möglicherweise ein marktwirtschaftliches Privatissimum braucht, — bei Ihnen halte ich das fürmöglich!

    (Heiterkeit.)

    Aber nach Ihrem Gespräch über die Notwendigkeit, sich mit den Kapitalisten zu unterhalten — ich habe da einen Artikel vorläufig noch in Erinnerung —, glaube ich, daß Sie schon erhebliche Fortschritte erzielt haben.

    (Erneute Heiterkeit.)

    Ich aber gehöre zu denen, die in dem wirtschaftlichen Vorparlament dieses Hauses in einer scharfen parlamentarischen Auseinandersetzung und in schwersten Kämpfen in der Öffentlichkeit zusammen mit dem heutigen Bundeskanzler die soziale Marktwirtschaft durchgesetzt haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Wehner: Ihr Denkmal ist Ihnen sicher!)

    — Wem welches Denkmal sicher, das wollen wir getrost der Zukunft überlassen.

    (Abg. Wehner: Sie haben jedenfalls keinen Sinn für Humor! Das ist auch sicher!)

    — Herr Kollege Wehner, das ist Ihre erste grundfalsche Bemerkung. Bei allen anderen war noch ein gewisses Maß

    (Abg. Wehner: Sollte mich freuen! Ich würde gern gelernt haben!)

    an Richtigkeit da. Die Frage ist nicht, wer Denkmale kriegt; die Frage ist, wer sie setzt und was darauf steht, Herr Kollege Wehner.

    (Beifall und Heiterkeit bei den Regierungsparteien.)

    Im Zusammenhang mit der Frage der Arbeitszeitverkürzung ist noch ein Problem unabweisbar: welche menschlichen Reserven, welche Arbeitskraftreserven sind in unserem Volke noch vorhanden? Ich spreche hier auch etwas aus, was vielleicht nicht gerade sehr leicht zu klären oder leicht auszusprechen ist: man soll nicht darauf spekulieren, daß durch wesentliche Umstellungen der Agrarpolitik noch Hunderttausende von Arbeitskräften freiwerden, was gleichbedeutend wäre mit der Zerstörung bäuerlicher Existenzen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Der Zuwachs, den wir in der Vergangenheit als unvermeidbare Folge des deutschen Schicksals in Gestalt der unglückseligen Menschen hatten, die aus der Sowjetzone nicht so sehr aus materiellen, sondern aus ideellen Gründen geflüchtet sind, ist ja auf ein Minimum begrenzt. Der Zuwachs an Gastarbeitern hat sich allmählich erschöpft, hat die Grenze erreicht; vielleicht ist sogar in wenigen Jahren mit'



    Dr. h. c. Strauß
    einer rückläufigen Tendenz zu rechnen. Der Zuwachs aus dem natürlichen Volkswachstum ist außerordentlich gering, weil jetzt — kriegs- und nachkriegsbedingt — die schwachen Jahrgänge kommen. Darum ist gerade für die wirtschaftliche Expansion und damit auch für die zukünftige Gestaltung unserer Haushalte die Frage der Arbeitszeit und der Arbeitszeitgestaltung nicht allein Angelegenheit der Tarifpartner und ihrer Kompromisse, sondern eine Frage, die auch Angelegenheit dieses Parlaments und der Regierung sowieso ist.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Natürlich kann man durch Rationalisierung oder Automatisierung manches ausgleichen. Die Frage allerdings, wo hier die Grenze liegt, jenseits der doch die Gefahr einer Arbeitslosigkeit besteht, ist noch nicht eindeutig geklärt. Interessant Ist jedenfalls, daß man in den USA Arbeitszeitverkürzungen von den Gewerkschaften deshalb begrüßt, weil sie ein Mittel gegen die Arbeitslosigkeit durch Verminderung der Arbeitszeit seien. Bei der Freisetzung von jährlich, man sagt: bis zu einer halben Million Arbeitskräften durch Automatisierung ist das drüben ein ernsthaftes Problem, bei uns nicht.
    Ich lege nur Wert auf die Feststellung, daß die Frage der Arbeitszeit —

    (Abg. Killat: Das ist deshalb kein Problem, weil wir die Arbeitszeit verkürzt haben!)

    — Darauf erlassen Sie mir bitte die Antwort. — Ich wollte jedenfalls darauf hingewiesen haben, daß die Landwirtschaft kein Reservoir mit größerem Umfang mehr darstellt, aus dem Zuwachs für die Industrie gewonnen werden kann.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU.)

    Ich möchte mich hier auch gegen eine gewisse Schwarz-weiß-Malerei wenden, weil mit dieser Schwarz-weiß-Malerei — ich hoffe, nicht bewußt, aber doch oft leichtfertig — Unzufriedenheit erweckt wird. Wenn ich über dieses Problem spreche, dann wird es mir Kollege Möller nicht übelnehmen, wenn ich ihn zitiere — ich glaube es nicht falsch zu tun —; allerdings ist das schon im Oktober 1962 gewesen, als Kollege M ö 11 e r laut einer Meldung der „Welt" erklärt hat:
    „Keinen Weg zu neuen tariflichen Arbeitszeitverkürzungen" sieht der sozialdemokratische Finanzexperte Alex Möller. Vor dem Wirtschaftbeirat der bayrischen SPD warnte er eindringlich davor, die „entscheidendste Frage" für die künftige wirtschaftliche Weiterentwicklung, den Engpaß an Arbeitskräften, zu verkennen. Wichtig ,sei vor allem, wie man den Produktionsprozeß in Gang halten könne. „Man kann nur soviel an Sozialprodukt verbrauchen, wie man erarbeitet", . . .
    Ich glaube, daß jedermann diesen Grundsätzen zustimmen muß, und ich darf sie in Ergänzung Ihrer Rede nachträglich auch hier bringen, weil wir sie ganz gern auch heute von Ihnen gehört hätten.

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU.)

    Wenn ich davon spreche, daß man nicht durch Schwarz-weiß-Malerei oder durch Verallgemeinerungen Unzufriedenheit erwecken soll, indem man vielleicht auch Unkenntnis über die bestehenden Verhältnisse verbreitet, dann meine ich damit z. B. eine Äußerung, die aus einem Interview des Herrn Bernhard Tacke hervorgeht; der gehört ja, soviel ich weiß, meiner Partei an oder steht ihr näher. Er sagte:
    Das Realeinkommen der Arbeitnehmer ist im vorigen Jahr nicht mehr gestiegen.
    Es ist ,ein Interview, in dessen Essenz es heißt: „Die Politik der Mäßigung hat sich nicht gelohnt." ich glaube, daß dieses Zitat gerade im Zusammenhang mit den Äußerungen und Appellen, die vom Bundeskanzler kommen, hier aufgegriffen werden muß.
    Ich glaube, daß sich die Mäßigung, die in dem letzten Jahre zu verzeichnen war, für alle sehr wohl gelohnt hat, weil sonst die Ansätze von Mißständen sich zu echten Mißständen nicht nur hätten verstärken können, sondern mit größter Wahrscheinlichkeit noch verstärkt hätten. Wir können natürlich wünschen, daß diese Ansätze zur Mäßigung auch im Haushaltsjahr 1964 und in den folgenden Jahren anhalten werden, weil wir durchaus noch Grund haben, bestimmte Sorgen nicht zu vergessen, die heute auch in den Ausführungen des Kollegen Möller angeklungen sind.
    Ich habe gesagt: man soll auch hier nicht in Schwarz-Weiß malen; denn in der „Welt der Arbeit" vom 3. Januar lese ich:
    Wirtschaftsbarometer zeigt schönes Wetter an. Über eine halbe Million Arbeitsplätze im Bundesgebiet nicht besetzt. Arbeitsleistung, Produktion, Gewinne und Löhne werden weiter steigen. In 15 Jahren könnte sich unser Lebensstandard verdoppeln.
    Ich glaube, daß diese Prognose, wenn sie auch etwas kühn klingt, bei Einhaltung der Mäßigung, von der gesprochen worden ist, eher erreicht werden wird als bei einer gegenteiligen Verhaltensweise.

    (Beifall in der Mitte.)

    In diesem Sinne ist wohl auch die Neujahrsansprache des Vorsitzenden des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Herrn Rosenberg, zu verstehen und zu begrüßen, weil er sich offensichtlich bemüht, einen Weg der Mitte einzuhalten und auf Mäßigung einzuwirken. Wenn die Löhne und Gehälter im Jahre 1963 um 6 % zugenommen haben, während sie 1962 um 9% und 1961 um 10,6% gestiegen sind, wenn gleichzeitig die Arbeitszeit im Jahre 1963 um 1,5 % im Durchschnitt vermindert worden ist und wenn die Minderung der Kaufkraft bei 3% liegt, dann kann man doch ohne Übertreibung behaupten, daß die Arbeitnehmer an dem Ertrag dieses Jahres beteiligt waren und daß sich ihre Lebensverhältnisse im Durchschnitt gebessert haben. Daß das nicht mehr in stürmischen Sprüngen von früher möglich ist, liegt auf der Hand aus Gründen, die hier im einzelnen nicht mehr zu erwähnen sind.
    Weil aber das Stichwort von der Kaufkraftentwertung ohne Zweifel ein akutes Stichwort ist, das nicht



    Dr. h. c. Strauß
    nur politische Auseinandersetzungen erfüllt, darf ich noch einmal auf eine Rede zurückgreifen, die anläßlich des vorhin erwähnten Wirtschaftskongresses der SPD in Essen von Dr. Heinrich Troeger, dem Vizepräsidenten der Deutschen Bundesbank, gehalten worden ist. Herr Dr. Troeger ist ja aus der politischen Kampfebene, in der er als Fachminister tätig war, auf die höchste Bankebene aufgestiegen, wo er als Experte tätig ist. Seine Rede verdiente es, in ihren wesentlichen Auszügen sogar hier in die Bundestagsprotokolle einzugehen.

    (Abg. Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller: Alle Reden aus Essen!)

    — Alle Reden aus Essen. Erlauben Sie mir aber, weil ich es zur Stützung meines Standpunktes und zur Widerlegung Ihrer sehr milden Kritik, Herr Möller, tun muß, einige Sätze daraus zu zitieren. Herr Troeger sagt:
    Der allgemein übliche Gradmesser dafür ist der vom Statistischen Bundesamt von Monat zu Monat errechnete Index für die Lebenshaltungskosten, der im Jahre 1958 auf eine neuere und breitere Grundlage gestellt wurde . . .
    Er bringt dann die Zahlen, die üblicherweise genannt werden: Der Bedarf einer vierköpfigen Familie mit einem Verdiener — Index für die Lebenshaltungskosten — habe sich von 1950 bis 1962 um 27,9 % und von 1958 bis 1962 um 8,7 % erhöht. Er fährt dann fort:
    Hieraus wird im allgemeinen — und das ist nach meiner Überzeugung ein grober, wenn auch durchaus gebräuchlicher Fehler — auf eine entsprechende Entwertung der Deutschen _Mark, d. h. ihrer inneren Kaufkraft geschlossen.
    So glaube ich,, daß. wir das Phänomen eines Unterschiedes zwischen Preiserhöhung und Entwertung der Kaufkraft sehen müssen, weil es sich hier ohne Zweifel um bewußte — Sie haben es heute schon erwähnt — politische Vorgänge handelt, die auch einen gesellschaftspolitischen Hintergrund haben.
    Nehmen wir z. B. den Anteil der Mietsteigerung an dem Wachstum des Index heraus,
    — sagt Troeger —
    dann ist festzustellen, daß die Mieten allgemein seit 1950 um 47,3 % gestiegen sind, was 16 % der Indexsteigerung ausmacht.
    Ich meine jedoch, daß das nicht auf eine geringere Kaufkraft der Währung hindeutet, sondern die vom Staate, bewußt herbeigeführte und angeordnete Verlagerung von Kaufkraft von den Mietern auf die Vermieter ist.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Der Grund dafür ist bekannt: Die Mieterhöhung dient ... dem Abbau der Miet- und Wohnungsbewirtschaftung.
    Ich glaube, daß einmal, wenn auch in vorsichtiger Annäherung, der Zeitpunkt erreicht werden muß, wo auch hier die Gesetze der Marktwirtschaft in
    sozial verantwortbaren Grenzen zum Tragen kommen können, und zwar im Interesse aller.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Hier gibt es nicht eine Mieterpartei oder eine Vermieterpartei! Ich glaube nicht, daß man die CDU/ CSU als Vermieterpartei und die SPD als Mieterpartei bezeichnen kann, sondern ich glaube, daß hier eine gesunde Mischung fifty-fifty besteht, um in der gebräuchlichen Ausdrucksweise, die auch Sie heute verwendet haben, zu bleiben.
    Herr Troeger sagt weiter:
    Auf dem Gebiete der Ernährungskosten gilt ähnliches. Wenn der Milchpreis ab 1. Oktober 1963 durch staatliche Maßnahmen von 44 Pfennig auf 50 Pfennig pro Liter loser Trinkmilch erhöht worden ist, dann bedeutet dies zweifellos eine Verteuerung der Lebenshaltung für die Milchkonsumenten. Sie tritt jedoch nicht deswegen ein, weil die innere Kaufkraft der Mark in entsprechendem Maße gesunken ist oder eine entsprechende Steigerung der Nachfrage vorliegt, sondern deswegen, weil der Staat die Preiserhöhung dekretiert, um Kaufkraft, das heißt Einkommen, von den Konsumenten zu den Landwirten zu verlagern.
    Da es bei allen politischen Richtungen — ich sage es nicht aus Gründen des Wählergewinns, sondern aus politischer Überzeugung — üblich ist, von der Existenzerhaltung unseres Bauernstandes zu sprechen — ich sage dasselbe von der Erhaltung des Althausbesitzes, um den es in der Hauptsache geht —, sollte man sich nicht scheuen, offen darüber zu sprechen und sich dazu zu bekennen: Wenn eine Existenzsicherung durch solche Maßnahmen auf lange Sicht notwendig ist, muß anderswo ein Konsumverzicht zugemutet werden; sonst geht es nicht.

    (Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der FDP.)

    Man kann doch nicht einfach den Eindruck erwekken, als ob man der einen Schicht notwendige Vorteile geben kann, ohne damit einer anderen in der Zwischenzeit kaufkräftig und wirtschaftlich stärker gewordenen Schicht gewisse Lasten und Opfer zuzumuten, wodurch gewisse Verzerrungen beseitigt werden sollen.
    Herr Troeger sagt noch ein Drittes, und das ist das Allerinteressanteste. Ich möchte hören, ob Sie auch da sagen: „Hört! Hört!"

    (Abg. Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller: Fügen Sie doch die ganze Rede dem Protokoll bei!)

    — Ich bin sicher, Ihre Parteifinanzen sind ausreichend, so daß Sie das tun können. Ich bin nicht befugt, das zu tun. Ich hätte aber nichts dagegen, wenn sich der Präsident dazu entschließen würde.
    Herr Troeger also sagt:
    Ich möchte noch eine dritte Art von Preiserhöhungen im Rahmen des Lebenshaltungskostenindex erwähnen, die von Jahr zu Jahr steigende Bedeutung gewinnt; sie liegt noch innerhalb



    Dr. h. c. Strauß
    des eigentlichen Marktgeschehens, ist aber nicht nur unter ökonomischen, sondern mindestens ebenso unter soziologischen Gesichtspunkten zu betrachten. Ich meine die Dienstleistungen aller Art. Denken Sie z. B. an die Kosten für Körperpflege, für Unterricht und Bildung, für Verkehrsmittel, im Handel und im Bankwesen und an ähnliches. Hier zeigen die Berechnungen des Statistischen Bundesamtes, die erst seit 1958 angestellt wurden, daß die Kosten für Dienstleistungen bis Mitte 1963, also innerhalb von 41/2 Jahren, um 22 % gestiegen sind, während sich der Index der Lebenshaltungskosten in diesem Zeitraum nur um 11 %. erhöhte. Nach Berechnungen bei der Bundesbank verteuerte sich die Wertschöpfung im sogenannten tertiären Sektor — das sind der Handel, der Verkehr, die Banken, die Versicherungen, die Wohnungsmieten, die staatlichen und sonstigen Dienstleistungen — in der Zeit von 1950 bis 1962 um 65 %. Dabei handelt es sich meist nur zu einem geringen Teil um Kosten für den Materialaufwand, in der Hauptsache um die Entschädigung für die menschliche Arbeit.
    Wenn man hier einer breiten Schicht unseres Volkes eine Hebung seiner Lebensverhältnisse, eine Stärkung seiner Kaufkraft zumutet, dann muß man dem A auch noch das B hinzufügen und die andere Seite der Medaille in Kauf nehmen, daß damit nämlich anderen höhere Preise zugemutet werden. Es wäre wohl niemand unter Ihnen, der sich gegen die Verbesserung der Lebensverhältnisse 'der hier angesprochenen Schichten wenden würde. Wenn man aber dazu ja sagt, dann muß man auch dazu ja sagen, daß damit nicht eine Kaufkraftentwertung, aber in gewissen Bereichen höhere Preise zwangsläufig verbunden sind.

    (Beifall in der Mitte.)

    Es gäbe höchstens einen einzigen Ausweg: den Ausgleich über staatliche Hilfsmaßnahmen zu schaffen. Das würde aber nur eine Verlagerung, eine indirekte Hilfeleistung bedeuten, die direkt dann doch wieder je nach Steuerprogression vom Steuerzahler getragen werden müßte.
    Das Interessanteste ist für mich die Schlußfolgerung des Herrn Troeger. Er sagt:
    Dieser Vorgang verdient nach meiner Meinung höchste Beachtung. Er ist kennzeichnend für die Entwicklung in unserer Zeit. Nachdem die gröbsten Schäden •des zweiten Weltkrieges überwunden waren
    — daher auch die prozentual hohen Soziallasten der Jahre 1950 und folgende, von denen Sie heute gesprochen haben — ,
    ist eine gesellschaftliche Integration in den demokratischen Industriestaaten Europas in Gang gekommen, die ebenso Folge wie Ausdruck der sogenannten zweiten industriellen Revolution ist. Sie erst hat die ungeahnte Steigerung der Produktivität der menschlichen Arbeit und damit die Steigerung der Massenkaufkraft und das Wachstum des Massenabsatzes von Waren ermöglicht.
    Und er sagt abschließend:
    Meine persönliche Überzeugung ist, ... daß die innere Kaufkraft der D-Mark von 1950 bis heute um 12 bis 14 % gesunken ist.
    Er beruft sich hierbei auf zuverlässige amerikanische Quellen. Diese Entwertung will er nicht bagatellisieren oder entschuldigen. Aber er begründet die Differenz zwischen behaupteter Entwertung und wirklicher Entwertung mit einer unabweisbaren Folge der gesellschaftlichen Integration.
    Man kann also ohne Übertreibung behaupten, daß auch nach der Ansicht eines aus Ihren Reihen stammenden, in allen politischen und fachlichen Gruppierungen anerkannten Experten die wirtschaftliche Integration in bestimmten Bereichen zwar keine Kaufkraftentwertung, aber höhere Preise notwendig gemacht hat. Wir können hier ruhig und offen aussprechen, daß wir uns zu dieser gesellschaftlichen Integration bekennen, weil das der erste Schritt auf dem Wege zu einer demokratischen und gleichzeitig klassenlosen Gesellschaft ist — ein kühnes Wort —, in der die Differenz zwischen dem Generaldirektor und dem Arbeiter wesentlich geringer geworden ist, als sie in der Zeit unserer Väter war.

    (Beifall in der Mitte.)

    Das ist ohne Zweifel auch ein Ergebnis der Politik, die mit dem Haushalt verbunden ist und die auch mit dem Namen des heutigen wie des letzten Bundeskanzlers unabweislich zusammenhängt.
    Noch ein letztes Wort zu einigen damit zusammenhängenden Problemen! Die wirtschaftliche Entwicklung des Jahres 1963 war im großen und ganzen zufriedenstellend. Auf manchen Gebieten konnte die Übernachfrage zurückgedrängt werden, ohne daß eine unerwünschte Abschwächung der realen Expansion erfolgte. Auch auf dem Gebiet der Gehälter und Löhne konnte eine Angleichung erreicht werden; Zunahme 1963 6%.
    Für diese Entwicklung und für die Anerkennung der hinter ihr stehenden Politik durch die Öffentlichkeit, für das Vertrauen, das diese Politik in der Öffentlichkeit genießt, ist von ganz besonderer Bedeutung der Umstand, daß in diesem Jahre die Spartätigkeit der Privaten bei den Sparinstituten besonders stark angewachsen ist.
    Auch Sie, Herr Kollege Möller, haben über die Kapazität des Kapitalmarktes gesprochen. Sie haben von einer Aufnahmefähigkeit von 15 bis 16 Milliarden DM gesprochen. Das mag so sein. Es gibt auch Schätzungen, die etwas darunter liegen. Wenn Sie aber zusammenzählen, was allein schon die öffentliche Hand: Bund, Länder, Gemeinden, Lastenausgleich, Bahn und Post, davon in Anspruch nehmen, dann finden Sie, daß für die auch von Ihren wirtschaftlichen Experten geforderte technische Modernisierung und verstärkte Investitionstätigkeit auf dem Markt der festverzinslichen Verschuldungen nur noch ein relativ kleiner Spielraum bleibt. Ferner wissen Sie genausogut wie wir, daß der Aktienmarkt in diesem Jahr 1963 brachgelegen hat. Wegen der Ereignisse der Jahre 1961/62, wegen des Risikos der Ungewißheit der wirtschaftlichen Entwicklung und vielleicht auch wegen der Unsicherheit in bezug



    Dr. h. c. Strauß
    auf die Gestaltung der Aktienrechtsreform ist der Aktienmarkt in diesem Jahr erheblich zurückgegangen. Ich brauche die Zahlen nicht zu nennen. Ich glaube, die öffentliche Hand kann nicht stärker auf das Gebiet der Emissionen gehen, ohne damit wesentliche Interessen der Wirtschaft zu schwächen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Hier kann nur das Gesamtbild etwas bieten, nicht eine einzelne, vielleicht in den Zahlen richtige Darstellung.
    Sie haben richtige Zahlen über die Erhöhung des Staatsverbrauchs und der öffentlichen Bautätigkeit gebracht. Man kann insgesamt sagen, daß die Selbstfinanzierungsquote nicht abgenommen hat und daß sich der Rückgang der Unternehmergewinne verlangsamt hat. Die Auftragsbestände sind im großen und ganzen zufriedenstellend. Einen großen Teil davon macht allerdings die verstärkte Nachfrage des Auslands aus. In der Neujahrsnummer des „Volkswirts" ist zu lesen, daß sich das Preisniveau in Italien und in Frankreich im Jahre 1963 um etwa 8 % erhöht hat, daß demgemäß unsere Wettbewerbsfähigkeit gerade auf diesen beiden Märkten stürmisch zugenommen hat und daß von dort her eine verstärkte Nachfrage auf dem Markt in der Bundesrepublik zu verzeichnen ist. Hier sollten wir die Grenze sehen. Wir sollten den Anstieg der Konjunktur nicht als unser Verdienst betrachten, sondern als Folge einer bedauerlichen, hoffentlich möglichst bald zu Ende gehenden Entwicklung in anderen Ländern. Dann würden wir den wirklichen Verhältnissen mehr gerecht. Hier liegt auch die Unsicherheit in der von Ihnen heute als sicher zugrunde gelegten Berechnung von 7,5 bzw. 5,5 % für den nominellen und den realen Zuwachs des Sozialprodukts.
    Das konjunkturelle Gleichgewicht in unserer Wirtschaft hat schon seit geraumer Zeit aufgehört zu bestehen. Im Jahre 1963 haben sich die branchenmäßigen Unterschiede im Wachstum erheblich vergrößert. Spitzenreiter sind Chemie, Automobilindustrie und Mineralölerzeugung mit 15 und 20% Zunahme.
    Bei Betrachtung des Lohnniveaus — das ist eine Frage, über die gerade hier immer diskutiert worden ist — ist besonders zu beachten, daß hier große Unterschiede zwischen den einzelnen Arbeitnehmergruppen bestehen. Wenn die Ertragslage in einer Branche höhere Löhne rechtfertigt und wenn sie gewährt werden, ist eine unausweichliche Folge, daß sie, wenn auch nicht in gleichem Umfang, in anderen Sparten ebenfalls verlangt werden. Daraus entstehen Spannungszustände und Schwierigkeiten, die man nicht mit einfachen oder simplifizierten Feststellungen bewerten kann.
    Nun sind Sie uns aber, Herr Kollege Möller, am Schluß doch noch einiges schuldig geblieben. Auch nach Ihrer Vorsichtsklausel, wie man SPD-Anträge zu bewerten und zu behandeln habe, sind Sie uns auch nur jeden Versuch schuldig geblieben, zu sagen, wie Sie sich die Finanzierung der zahlreichen von Ihnen gebrachten Anträge auf Mehrausgaben oder Steuerverminderungen eigentlich vorstellen,

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    selbst wenn Sie sagen, Sie könnten nicht nach der Ablehnung eines Antrags so tun, als ob er angenommen worden wäre, und demgemäß maßhalten, und selbst wenn Sie sagen, man sollte sich über Prioritäten unterhalten. Die Unterhaltungen im Haushaltsausschuß und hier sind ja immer Unterhaltungen über Prioritäten. Ich glaube nicht, daß sie interfraktionell stattfinden sollten, sondern daß sie ruhig hier vor dem Forum der Öffentlichkeit stattfinden können.
    Aus Ihren beiden Steueranträgen ergibt sich nach der Antwort des Bundesfinanzministeriums eine Mindereinnahme für das Rechnungsjahr 1963 — zugrunde gelegt, daß sie bereits angenommen wären — von 1150 Millionen DM, davon 710 Millionen DM bei den Ländern und 440 Millionen beim Bund. Allerdings würden die Mindereinnahmen rascher in Erscheinung treten als die Mehreinnahmen, die infolge der Erhöhung des Plafonds zu verzeichnen wären.
    Diese Anträge sind, wenn ich sie richtig gelesen habe, auch nur ein Ausschnitt aus Ihren Vorstellungen, die Abzugsfähigkeit der Vermögensteuer aufzuheben oder erheblich einzuschränken und Veränderungen bei der Erbschaftsteuer zu treffen. Ich möchte in gar keiner Weise einem ungerechtfertigten Gewinn das Wort reden. Aber mit dem Plafond und den immer zusätzlichen Belastungen sind wir schon an der Grenze der ernsthaften Gefährdung der Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft angelangt. In bestimmten Bereichen der Vermögen- und der Erbschaftsteuer würde die Durchführung solcher steuerpolitischen Pläne zu einer Belastung der mittelständischen Existenzen führen, an deren Ende dann eines Tages der schlichte Ruin für viele stehen würde.

    (Widerspruch bei der SPD.)

    Das ist dabei gerade auch im Hinblick auf die Gesellschaftspolitik zu bedenken.
    Wenn Sie aber den Ländern 680 Millionen DM und im anderen Jahr 710 Millionen DM Mindereinnahmen zumuten, dann stellt sich doch ganz von selbst die Frage: Wie sollen wir die Zustimmung der Länder zu bestimmten Steuerreformplänen und zu ,einer höheren Bundesquote an der Einkommen- und Körperschaftsteuer bekommen, wenn ihnen hier Mindereinnahmen dieser Art von vornherein zugemutet werden?

    (Abg. Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller: Immer dasselbe Thema!)

    Aber auf dem Gebiet kann man reden, da handelt es sich mehr um die Auswirkungen als um die konkreten Größenordnungen.
    Sie haben ferner gefordert die Beseitigung der Kaffee- und Teesteuer — das geht in einen Bereich von 800 bis 900 Millionen DM hinein —, die Zweckbindung beim Straßenbau, 10 % mehr: 600 Millionen DM, was wir auch gern getan hätten, aber dann unter dem Druck der Lage nicht tun konnten; oder Ihre Forderungen für Wasserstraßen und Bundesbahn: 300 Millionen DM mehr. Das Gesamtfinanzvolumen für die Durchführung des von Ihnen vorgeschlagenen Flüchtlingsgesetzes — Durchführungs-



    Dr. h. c. Strauß
    zeit etwa zehn Jahre — 11 Milliarden DM; Wiedergutmachung 1,3 Milliarden DM jährlich mehr. Wissenschaft und Forschung — ohne Zweifel ein ernsthaftes Problem — 800 Millionen DM mehr. Ich bringe hier nur. einen Ausschnitt; es gibt auch Gesamtzahlen darüber, die ich allerdings unter dem Lichte Ihrer heutigen Einschränkungen eben nicht genannt habe. Wenn das alles von Ihnen gefordert wird, hätten wir doch von Ihnen auch Vorschläge erwartet, wo man ernsthaft an den bestehenden Ansätzen einsparen oder wie man die Einnahmen glaubhafterweise erhöhen kann,

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    damit die von Ihnen vorgeschlagene Pläne, deren sachliche Berechtigung in keiner Weise bestritten werden soll, hier einigermaßen Aussicht haben, verwirklicht zu werden.
    Ich möchte die Schwerpunkte dieses Haushalts unter drei Gesichtspunkten in wenigen Stichworten gliedern. Auch dieser Haushalt und die Haushaltspolitik müssen im Zeichen von zwei Aufgaben stehen. Die eine Aufgabe ist, die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft zu erhalten und zu stärken, weil sie die Voraussetzung dafür ist, daß der Staat überhaupt seine Leistungen erfüllen, seine Aufgaben bewältigen kann. Zweitens muß auch dieser Haushaltsplan im Dienste der Zukunft stehen, weil wir uns in einem großen soziologischen Umwandlungsprozeß befinden, bei dem sich Aufgaben gemeinsamer Art ergeben. Ich weiß, was Sie Professor Erhard entgegengehalten haben: „Hört, hört!" bei der Regierungserklärung. Sie haben von den Gemeinschaftsarbeiten gesprochen; ich will das, was Sie darüber gesagt haben, gar nicht bestreiten, weil sich hier Zukunftsaufgaben gemeinsamer Art ergeben, die man nur richtig vorausahnen, aber nicht mit Erfahrung allein festlegen kann. Unsere Gesellschaftsordnung wird im Jahre 1975 und, wenn es ohne einen Einschnitt unangenehmer Art so weitergeht, im Jahre 2000 noch wesentlich anders aussehen als heute. Deshalb müssen Sie auch den Mut haben, Prioritäten zu setzen hinsichtlich des Verbrauchs in der Gegenwart und der Investitionen für die Zukunft.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Es ist nicht möglich, beide Seiten mit gleichermaßen attraktiven Parolen anzusprechen: Mehr für die Gegenwart und alles für die Zukunft. Man kann nur sagen: Da und dort weniger für. die Gegenwart, damit mehr für die Zukunft gewonnen werden kann.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Auch dieser Haushalt steht unter den drei Prioritäten: äußere und innere Sicherheit, Ordnung in Freiheit und Voraussetzung für den Wohlstand. Ich glaube, Kollege Möller, Sie und Ihre Freunde haben einen langen Weg zurückgelegt; vielleicht weniger Sie,

    (Lachen bei der SPD)

    indem heute die Schaffung der Voraussetzung für den Wohlstand eine Staatsaufgabe ist, nicht mehr die Herbeiführung des Wohlstandes selbst. Das war ja gerade einer der Punkte, in denen wir uns in den
    Unterhaltungen in diesem Hause jahrelang unterschieden haben.
    Ich möchte nicht auf eine Reihe von Einzelheiten eingehen, die von Ihnen gebracht worden sind. Aber wenn Sie bemängeln, daß der prozentuale Anteil des Sozialhaushalts zurückgegangen ist - nicht absolut —, dann darf ich Ihnen etwas entgegenhalten.

    (Abg. Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller: Habe ich nicht bemängelt! Ich habe nur die Tatsachen aus dem Finanzbericht angeführt!)

    — Aber wir kennen schon den Unterton solcher Feststellungen, wir erleben ihn ja auch draußen.

    (Abg. Erler: Das war nur gegenüber der Selbstreklame gesagt!)

    — Nein, Herr Kollege Erler, ich wollte Sie eben zitieren. — Heute ist der Sozialhaushalt nicht mehr ein Notstandshaushalt, sondern er ist ein Wohlstandshaushalt geworden. Daß das mit der Leistung unseres Volkes und mit der Politik seiner Regierung und der Mehrheit zusammenhängt, kann doch wohl nach Maßgabe der Vernunft und Erfahrung nicht ganz bestritten werden, wenn es auch schwerfällt, es zuzugeben.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Sie haben ein Zitat der Westdeutschen Rektorenkonferenz gebracht. Das hat mich eigenartig berührt. Daß die westdeutschen Rektoren eine Verminderung der Leistungen des Bundes für die Erfüllung der Aufgaben des Honnefer Modells beanstanden, ist völlig verständlich. Aber man sollte hier einmal mit offenen Karten in unseren Reihen spielen, und man sollte sagen: wenn man eine klare Trennung der Aufgaben von Bund und Ländern verlangt, wenn alle Ministerpräsidenten der verschiedenen politischen Gruppierungen in Saarbrücken eine Trennung der Aufgaben verlangen, dem Bunde vorwerfen, er gebe drei Milliarden DM für Aufgaben aus, die ihm verfassungsgemäß gar nicht zustehen, dann kann man doch nicht hier dem Protest zustimmen oder ihn als gerechtfertigt bezeichnen an einem Modell, an einem Beispiel, wo zum erstenmal in Reinkultur demonstriert wird, daß es Aufgabe der Länder ist, das Honnefer Modell zu erfüllen, und nicht die Aufgabe des Bundes.

    (Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller: Fragen Sie doch einmal den bayerischen Finanzminister, was der Bundesrat dazu sagt!)

    — Ich zitiere gerade eben die einstimmige Meinung der Ministerpräsidenten von Saarbrücken. Ich weiß, daß hier ein weiter Weg von der Theorie zur Praxis ist: man muß immer von Einsparungen reden, man darf nur nie sagen, wo.

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU.)

    Das ist schon eine alte Regel, die weitgehend Beachtung gefunden hat.


Rede von Dr. Carlo Schmid
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Darf ich die Gelegenheit benützen, Sie zu fragen, wo Sie meinen, wo?




  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Franz Josef Strauß


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Ich bin gar nicht der Meinung, Herr Kollege Schmid, daß der Bund in den Bereichen, in denen er aus Gründen der sachlichen Zwangsläufigkeit, aus Gründen der Entwicklung, aus Gründen — ich darf ruhig sagen — der sachlichen Notwendigkeit tätig geworden ist, heute seine Tätigkeit wesentlich einschränken kann. Ich bin mir der Tatsache völlig bewußt, daß eine Verfassung aus zwei ganz verschiedenen Elementen besteht, aus Elementen, die unwandelbar sind, und aus Elementen, deren zeitgemäße Richtigkeit auch immer wieder einmal einer gewissen Uberprüfung unterzogen werden muß. Ich sage das als überzeugter Föderalist. Es gibt Aufgaben in diesem Bereiche, die ohne eine Steuerung oder Koordinierung und, damit selbstverständlich auch verbunden, finanzielle Hilfeleistung nicht erfüllt werden können. Ich sage nur: wenn man davon spricht, daß Bund und' Länder ihre Aufgaben und damit auch ihre Ausgaben sauber voneinander trennen sollen, dann ist das Honnefer Modell dafür geradezu der Exemplarfall. Niemand spricht dafür, die Leistungen zu verkürzen. Wohl aber ist das ein geeigneter Anlaß, die Richtigkeit und Zweckmäßigkeit der Beschlüsse von Saarbrücken im Lichte der Realität einmal zu überprüfen.

    (Abg. Dr. Schmid [Frankfurt] meldet sich zu einer Zwischenfrage.)