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ID0410618400

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    Deutscher Bundestag 106. Sitzung Bonn, den 9. Januar 1964 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung . 4825 A, 4912 C Fragestunde (Drucksachen IV/1766, IV/1806, IV/1812) Frage des Abg. Dr. Müller-Emmert: Zweites Fernsehprogramm in der Pfalz Stücklen, Bundesminister 4825 C, D, 4826 A Dr. Müller-Emmert (SPD) 4825 D Kaffka (SPD) 4826 A Frage des Abg. Dr. Müller-Emmert: Erleichterungen bei der Rentenauszahlung Stücklen, Bundesminister . . 4826 A, B, C, D, 4827 A, B, C Dr. Müller-Emmert (SPD) . . . . 4826 B, D Cramer (SPD) 4826 C Fritsch (SPD) 4827 A Büttner (SPD) 4827 B Dürr (FDP) 4827 C Fragen des Abg. Dr. Kübler: Schadenersatzforderungen für verlorengehende Telegramme und Haftpflicht für nicht übermittelte Telegramme 4827 D Fragen des Abg. Kubitza: Zulässige Wörter bei gedruckten Glückwunschkarten Stücklen, Bundesminister . . 4828 A, C, D, 4829 A, B Kubitza (FDP) . . . . . . . 4828 C, D Schwabe (SPD) 4829 A, B Sänger (SPD) 4829 B Fragen des Abg. Strohmayr: Zahl der noch in Wohnlagern untergebrachten Familien und Einzelpersonen Krüger, Bundesminister 4829 C Frage des Abg. Fritsch: Grabmal des Unbekannten Soldaten Höcherl, Bundesminister 4830 A Frage des Abg. Fritsch: Gesetz über den Grenzaufsichtsdienst Grund, Staatssekretär 4830 B, C, D, 4831 A Fritsch (SPD) 4830 B, C Lautenschlager (SPD) 4830 D Gscheidle (SPD) . . . . . . . 4831 A II Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 106. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 9. Januar 1964 Frage des Abg. Cramer: Gemeinde Nordseebad Wangerooge Schmücker, Bundesminister . . . 4831 A, C Cramer (SPD) 4831 C Fragen des Abg. Glüsing (Dithmarschen) : Deutsche Muschelfischerei . . . . . 4831 D Fragen des Abg. Dr. Gleissner: Angebliche Erklärung des Leiters des Flughafens München-Riem betr. Starts und Landungen in östlicher Richtung Dr. Seiermann, Staatssekretär . . 4832 A, B Frage des Abg. Dr. Ramminger: Anschluß der Autobahn Regensburg- Passau an die geplante österreichische Autobahn Linz-Passau Dr. Seiermann, Staatssekretär . . 4832 C, D Dr. Ramminger (CDU/CSU) . . . . 4832 C Frage des Abg. Dr. Ramminger: Änderung der früheren Linienführung der Autobahn Linz-Passau Dr. Seiermann, Staatssekretär . . . 4832 D, 4833 A, B Fritsch (SPD) . . . . . . . . . 4833 A Frage des Abg. Dr. Ramminger: Trasse der Autobahn Regensburg-Passau Dr. Seiermann, Staatssekretär . . 4833 B, C Dr. Ramminger (CDU/CSU) . . . 4833 B Fritsch (SPD) 4833 C Frage des Abg. Dr. Pohlenz: Teilstück Wesel-Hamminkeln der Holland-Autobahn Dr. Seiermann, Staatssekretär . . . 4833 D, 4834 A Dr. Pohlenz (SPD) 4833 D Frage des Abg. Dr. Pohlenz: Verkehr zwischen der Autobahnabfahrt Hamminkeln und der Bundesstraße 8 Dr. Seiermann, Staatssekretär . 4834 A, B, C Dr. Pohlenz (SPD) 4834 B, C Frage des Abg. Büttner: Änderung oder Ergänzung der Straßenverkehrsordnung (§ 45 StVO) Dr. Seiermann, Staatssekretär . . 4834 C, D, 4835 A Büttner (SPD) . . . . . 4834 D, 4835 A Sammelübersicht 24 des Petitionsausschusses über Anträge zu Petitionen (Drucksache IV/1779) 4835 B Mündlicher Bericht des Vermittlungsausschusses zu dem Ersten Gesetz zur Änderung des Beteiligungsverhältnisses an der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer (Drucksache IV/1770) Dr. h. c. Eberhard, Staatsminister . . 4835 B Dr. Schmidt (Wuppertal) (CDU/CSU) 4838 B Dr. Schäfer (SPD) . . . . . . . 4838 D Dr. Imle (FDP) 4839 D Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1964 (Haushaltsgesetz 1964) (Drucksache IV/1700) — Erste Beratung — in Verbindung mit Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung eines Nachtrags zum Bundeshaushaltsplan für das Rechnungsjahr 1963 (Nachtragshaushaltsgesetz 1963) (Drucksache IV/1699) — Erste Beratung — Dr. Dr. h. c. Erhard, Bundeskanzler 4840 B Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller (SPD) 4849 B, 4908 A Dr. Barzel (CDU/CSU) . . . . . . 4859 C Dr. Emde (FDP) 4864 A Dr. h. c. Strauß (CDU/CSU) . . . 4871 D Erler (SPD) 4883 D Dr. Vogel (CDU/CSU) . . . . . 4892 B Freiherr von Kühlmann-Stumm (FDP) 4898 B Ritzel (SPD) . . . . . . . . . 4899 D Dr. Althammer (CDU/CSU) . . . . 4902 C Dr. Dichgans (CDU/CSU) . . . . . 4904 D Dr. Artzinger (CDU/CSU) . . . . 4906 C Seuffert (SPD) . . . . . . . . 4909 D Dr. Dahlgrün, Bundesminister . . . 4910 A Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes vom 22. Juni 1954 über den Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zum Abkommen über die Vorrechte und Befreiungen der Sonderorganisationen der Vereinten Nationen vom 21. November 1947 und über die Gewährung von Vorrechten und Befreiungen an andere zwischenstaatliche Organisationen (Drucksache IV/1482); Schriftlicher Bericht des Auswärtigen Ausschusses (Drucksache IV/1776) — Zweite und Dritte Beratung — . . . . . . . . . 4911 D Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 106. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 9. Januar 1964 III Entwurf eines Gesetzes zu dem Assoziierungsabkommen vom 12. September 1963 zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei sowie zu dem mit diesem Abkommen im Zusammenhang stehenden Abkommen (Drucksache IV/1788) 4912 A Entwurf eines Siebenten Gesetzes zur Änderung des Strafrechtsänderungsgesetzes (CDU/CSU, SPD, FDP) (Drucksache IV/ 1817) 4912 C Nächste Sitzung 4912 C Anlage 4913 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 106. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 9. Januar 1964 4825 106. Sitzung Bonn, den 9. Januar 1964 Stenographischer Bericht Beginn: 9.01 Uhr
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    Anlage Liste der beurlaubten Abgeordneten Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Adorno 31. 1. Dr. Aigner * 9: 1. Frau Albertz 10. 1. Arendt (Wattenscheid) 10. 1. Bauer (Wasserburg) 10. 1. Frau Berger-Heise 10. 1. Bergmann * 9. 1. Frau Beyer (Frankfurt) 10. 1. Birkelbach* 9. 1. Frau Blohm 10. 1. Blumenfeld 18. 1. Frau Brauksiepe 10. 1. Dr. von Brentano 21. 3. Brück 10. 1. Brünen 10. 1. Dr. Burgbacher * 9. 1. Deringer * 9. 1. Frau Dr. Elsner * 9. 1. Faller * 9. 1. Dr. Frede 10. 1. Dr. Dr. h. c. Friedensburg 10. 1. Dr. Furler* 9. 1. Dr. Gerlich 10. 1. Günther 10.1. Haage (München) 10. 1. Hahn (Bielefeld) * 9. 1. Hammersen 10.1. Dr. Harm (Hamburg) 31. 1. Hauffe 10. 1. Dr. Hellige 9. 1. Dr. Hesberg 9. 1. Holkenbrink 9. 1. Hörauf 4. 2. Hörmann (Freiburg) 9. 1. Illerhaus * 9. 1. Frau Jacobi (Marl) 10. 1. Kalbitzer * 9. 1. Kemmer 9. 1. Dr. Kempfler 10.1. Abgeordneter) beurlaubt bis einschließlich Klein (Saarbrücken) 10. 1. Klinker * 9. 1. Dr. Kreyssig 10. 1. Kriedemann * 9. 1. Dr. Kübler 16. 1. Freiherr von Kühlmann-Stumm 9. 1. Lemmer 10. 1. Lenz (Bremerhaven) 15.2. Lenz (Brühl) * 9. 1. Lücker (München) * 9. 1. Margulies * 9. 1. Mauk * 9. 1. Mengelkamp 10. 1. Metzger * 9. 1. Michels * 9. 1. Dr. Miessner 10. 1. Dr. Müller-Hermann * 9. 1. Peiter 10.1. Dr.-Ing. Philipp * 9. i. Frau Dr. Probst * 9. 1. Rademacher * 9. 1. Richarts * 9. 1. _ Ruland 22. 2. Dr. Rutschke 17. 1. Sander 10. 1. Schmitt-Vockenhausen 9. 1. Schneider (Hamburg) 24. 1. Seidl (München) 10. 1. Seifriz * 9. 1. Dr. Seume 10. 1. Dr. Starke * 9. 1. Frau Strobel* 9. 1. Struve 10. 1. Weinkamm * 10. 1. Wendelborn 10. 1. Wilhelm 10. 1. Wolf 9. 1. Wullenhaupt 31. 1. Zoglmann 9. 1. b) Urlaubsanträge Dr. Bieringer 7. 2. *) Für die Teilnahme an einer Tagung des Europäischen Parlaments
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Franz Josef Strauß


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Barzel hat in seinen einleitenden und grundsätzlichen Bemerkungen eine Forderung aufgestellt oder einen Zustand wiederhergestellt: daß nämlich die erste und die dritte Lesung eines Haushalts in erster Linie der Behandlung politischer Probleme im Zusammenhang mit dem Haushalt dienen sollen. Ich möchte damit. nicht sagen, daß Kollege Möller keine politischen Probleme behandelt hat, wohl aber sagen, daß die Art der Behandlung politischer Probleme diesmal beinahe wie Zustimmung zur Regierungspolitik geklungen hat.
    Haushalt ist nicht nur Lenkung von Einnahme- und Ausgabeströmen auf Grund der Einnahmeerwar-



    Dr. h. c. Strauß
    tungen und der Ausgabeschätzungen, sondern Haushalt ist — ich glaube, das darf man in aller Deutlichkeit und Klarheit feststellen — Abbild und Spiegelbild einer Politik.

    (Zuruf von der SPD: "Spiegel"-Bild?)

    Ich darf für diesen Haushalt sagen: Spiegelbild einer kontinuierlichen,

    (Zuruf von der SPD: Vorsicht mit Spiegel!) stabilen und guten Politik,


    (Beifall bei der CDU/CSU)

    und zwar einer Politik, deren Umrisse gerade in diesem Haushaltsplan 1964 sichtbar werden, wenn auch selbstverständlich nicht in allen Einzelheiten. Die Haushaltsdebatte ist immer eine politische Aussprache über alle Themen, nicht nur über Finanz- und Budgetprobleme. Das gilt auch für die Außen- und für die Sicherheitspolitik. Das, gilt für die weiten Bereiche dessen, was man Innenpolitik nennt und was man in voller Schärfe kaum von dem Bereich der Außenpolitik trennen kann, weil beide Bereiche tief ineinandergreifen.
    Hier handelt es sich um den ersten Haushalt der neuen Regierung, deren Charakteristikum ein neuer Kanzler, aber nicht eine neue Politik ist. Wir brauchen auch keine neue Politik, sondern wir brauchen zeitgemäße Ideen zur Erfüllung und Fortsetzung der alten Politik.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Diese Politik ist im Jahre 1948 begründet worden. An ihrer Formung hat der neue Kanzler einen alten Anteil, ein gerüttelt Maß an Verdienst und Verantwortung.
    Wenn man an frühere Haushaltsdebatten denkt — zurückgreifend bis auf den Wirtschaftsrat in Frankfurt — und an die ersten Jahre in diesem Hause, dann muß man an die schweren Auseinandersetzungen denken, die es gerade über den Teil der deutschen Politik gegeben hat, für den der neue Kanzler, damals Wirtschaftsminister, im besonderen verantwortlich war: die sogenannte Marktwirtschaft. Es hat keinen Sinn, und wir haben auch keine Zeit, auf diese erbitterte Diskussion nochmals einzugehen. Aber eine Feststellung ist angebracht und gerechtfertigt: Wir hätten nicht den gegenwärtigen wirtschaftlichen und sozialen Stand erreicht, wenn wir nicht diese mit dem Namen Erhard verbundene Politik durchgesetzt, diese Auseinandersetzung bestanden und dieser Gesamtpolitik zum Erfolg verholfen hätten.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Man mag, Herr Kollege Möller, im einzelnen an den Einnahme- und Ausgabepositionen und an der Gesamtheit dieses Haushalts aussetzen, was immer man zu Recht oder weniger zu Recht kann oder will, aber wir hätten heute nicht über einen Haushalt von 60,3 Milliarden DM in Einnahmen und Ausgaben zu diskutieren, wenn sich damals Erhard bei dieser großen, unser Volk bewegenden Auseinandersetzung nicht durchgesetzt hätte.

    (Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Dr. h. c. Dr.-Ing E. h. Möller: Vergessen Sie das deutsche Volk nicht! — Abg. Dr. Fritz [Ludwigshafen] : Aber der Nölting nicht!)

    — Ich glaube, daß das deutsche Volk bei einer Reihe von Gelegenheiten in freier Entscheidung dieser Politik trotz ihrer manchmaligen Härten seine überwältigende Zustimmung gegeben hat.

    (Erneuter Beifall bei der CDU/CSU.)

    14 Haushalte dieser Politik sind von Bundeskanzler Adenauer vorgelegt worden. Vor uns liegt der 15. Haushalt, der Haushalt des Jahres 1964. Wenn Sie, Herr Kollege Möller, an das deutsche Volk erinnern, so habe ich darauf eine Antwort gegeben.

    (Abg. Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller: Die Leistung des deutschen Volkes!)

    — Entschuldigen Sie, daß ich auch darauf eingehe. Darf ich auch einen Kollegen von Ihnen zitieren, Professor Dr. Karl Schiller, der am 3. Oktober 1963 in Essen — ich propagiere hier eine Rede, die auf Ihrem Wirtschaftskongreß gehalten wurde — gesagt hat, es sei die wichtigste Aufgabe einer wachstumsbewußten Wirtschaftspolitik — ich zitiere jetzt wörtlich —:
    die treibenden Kräfte des marktwirtschaftlichen Leistungswettbewerbs, der unternehmerischen Investitionstätigkeit und des technischen Fortschritts in ihrer Eigendynamik zu fördern und die Maßnahmen der staatlichen Wettbewerbspolitik, der Finanz-, Geld- und Kreditpolitik auf das Ziel zu richten, ein optimales Wachstum zu erreichen.

    (Abg. Dr. Deist: Na und?)

    Wenn ich diese Ausführungen in Vergleich — und ich darf wohl auch sagen: in Kontrast — setze zu dem, was über die Wirtschaftspolitik Erhards in den Jahren gesagt worden ist, als man die Streichung seines Gehalts als Minister verlangt hat, dann ist meine Feststellung berechtigt, daß der Kollege Alex Möller sich heute zwar nicht als verlängerter Arm der Regierung, aber immerhin weitgehend als zustimmende Opposition geäußert hat.

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU. — Abg. Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller: Das soll doch nicht kränkend sein!)

    Wenn wir von Kontinuität und Stabilität unserer Politik reden und nicht von neuer Politik, dann nicht deshalb, weil der Blick nach rückwärts gerichtet ist, sondern weil Kontinuität und Stabilität, das Festhalten an Grundlagen, essentiellen Elementen und Zielen dieser Politik die Voraussetzungen für den Fortschritt in die Zukunft sind. Nicht ganz zu Unrecht nennt man Unbeständigkeit als einen angeblich geschichtlich erwiesenen Charakterzug der Deutschen und leitet daraus Sorge und Hoffnungen, Furcht oder Erwartungen ab, Sorge und Furcht bei den einen, die Deutschen könnten wieder einmal eine andere politische Entwicklung im Innern und nach außen nehmen, Hoffnung und Erwartung bei



    Dr. h. c. Strauß
    anderen, die Deutschen würden, wenn lange genug mit dem scheinbar Unabänderlichen konfrontiert, zu einer Änderung ihrer Haltung bereit sein, ich meine damit: die Zwei- oder Dreistaatentheorie, sei es auch nur in Raten, anzunehmen, einer Sinnesänderung, die manche als geschichtlichen Realismus empfehlen, manche Befürworter nicht nur jenseits, sondern auch diesseits der unseligen Demarkationslinie, einen Realismus allerdings, der in seiner Pseudoqualität einen Verrat an unseren Rechten und eine geschichtliche Untreue gegenüber unserer Nation darstellen würde. In immer neuer Verkleidung naht sich der Versucher, und in variabler Phraseologie werden seine glatten und scheinbar einleuchtenden Argumente angeboten. Ich möchte mich in diesem Zusammenhang auch nicht scheuen, zu sagen, daß wir die Einheit von Phraseologie und pragmatischem Handeln, die Einheit von Wort und Tat beibehalten sollen und daß nicht durch Deklamation der alten Ziele, aber millimeterweises Abweichen eine Diskrepanz entstehen darf, an deren Ende die Aufgabe von Positionen stehen würde, die wir nie aufgeben dürfen, ohne uns selbst zu verraten.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    All das — wenn ich die 14 Haushalte der alten Regierung und den ersten der neuen zitiere — findet statt in einer Welt, die sich in einer großen Wandlung befindet — ich darf nur die Stichworte erwähnen: die wissenschaftlich-technische Revolution, die industriell-wirtschaftliche Entfaltung und die politische Entwicklung; sie setzen einander voraus und beeinflussen sich gegenseitig —, in einer Welt, in der wachsende materielle Mittel und neue geistige Kräfte das Antlitz der Erde zu verändern oder zu erneuern sich. anschicken. Die Bundesrepublik Deutschland muß in diesem Koordinatensystem, in dem es nicht nur Ordinate und Abszisse gibt, sondern in dem es eine Reihe von Bezugsgrößen gibt, ihre Position suchen. Diese Bezugsgrößen sind einmal das Verhältnis — um das mildeste Wort zu gebrauchen — Ost-West; das zweite ist die Lebensnotwendigkeit der Einheit oder Einigung Europas; das dritte ist das Verhältnis oder die Partnerschaft Europa—Amerika; das vierte ist — und dafür ist gerade dieser Haushalt ein lebendiges Zeugnis — der soziologische Umwandlungsprozeß, der sich seit Jahren im Namen der sozialen Marktwirtschaft vollzieht. Ich glaube es schon einmal von dieser Stelle aus gesagt zu haben, aber ich darf es wiederholen: Der Gründungsauftrag des demokratischen Sozialismus in einer Welt des ausbeuterischen Kapitalismus war absolut legitim, genauso legitim wie der Gründungsauftrag der christlich-sozialen Idee, wenn auch Voraussetzungen und Ziele verschieden gewesen sein mögen. Es gab einen ausbeuterischen Kapitalismus, es gab den Manchester-Kapitalismus des 19. Jahrhunderts, es gab diese himmelschreienden sozialen Zustände der Ungerechtigkeit in der sogenannten Pionierzeit ohne jeden Zweifel. Was man sich aber damals auf seiten des demokratischen Sozialismus zum Ziel gesetzt hat, das ist weitgehend in mühsamer Arbeit unter dem Vorzeichen einer vernünftigen Politik im Zeitalter der Marktwirtschaft erreicht worden.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Herr Kollege Möller, es ist nicht der leiseste Zweifel — und ich wäre der letzte, der das bestreiten wollte —, daß diese Leistung dem deutschen Volke in allen seinen Schichten und Ständen zuzuschreiben ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Aber Sie werden mir, ich nehme an, einen notwendigen Zusatz nicht verargen, nämlich den Zusatz, daß Fleiß, Leistung, Können und Lebensmut eines Volkes nur dann einen Sinn haben, wenn vor ihnen das Vorzeichen einer vernünftigen, verantwortungsbewußten Politik steht.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Der fünfte Faktor ist die wissenschaftlichtechnisch-industrielle, man kann wohl sagen: Revolution, in der wir stehen; der sechste ist die Emanzipation der farbigen Völker; der siebte ist der rapide, wenn auch regional unterschiedliche Bevölkerungszuwachs mit seinen unübersehbaren Problemen. Denken wir daran, daß die Weltbevölkerung im Jahre 2000 6 Milliarden Menschen und im Jahre 2050 voraussichtlich 20 Milliarden Menschen umfassen wird, wenn nicht eine Katastrophe diese Entwicklung verhindert, was Gott verhüten möge. Achtens nenne ich die unbestreitbare Veränderung der Dimensionen, daß wir von einer europäischen Großmacht, die Weltmacht werden wollte, aber nie Weltmacht hätte werden können oder werden sollen, zu einer Größe relativ mittlerer Ordnung geworden sind, die nur im Zusammenhang Europa—Amerika ihr legitimes Lebensinteresse durchsetzen kann.
    Über allen Diskussionen, auch über den Haushaltsplänen der Vergangenheit und über diesem Haushaltsplan steht das große Zauberwort der Gegenwart: Sicherheit, Sicherheit im staatlichen Bereich nach innen und außen, Sicherheit im persönlichen Bereich, Sicherheit in militärischer Hinsicht, Sicherheit in sozialer und wirtschaftlicher Hinsicht. In diesen Tagen ist ein Buch in deutscher Sprache erschienen, das mit Recht Anlaß zum Nachdenken gibt. Es ist die deutsche Übersetzung des Buches von Professor Galbraith „The great crash" — „Der große Krach". Das Buch stellt die Vorgeschichte und den Ablauf der Katastrophe des Jahres 1929 dar; es setzt die Katastrophe des Jahres 1929 in eine Relation zu großen geschichtlichen Erschütterungen. In der Einleitung dieses Buches wird ein Zitat von Präsident Coolidge gebracht, das vom 4. Dezember 1928 stammt, also kurz vor Beginn dieses unglückseligen Jahres, dessen Auswirkungen auch bei uns in die Weltwirtschaftskrise, Massenarbeitslosigkeit, Radikalismus, politische Verzweiflung und andere schlimme Konsequenzen hineingetrieben haben. An diesem 4. Dezember 1928 hat Präsident Coolidge in seiner letzten Message über die allgemeine Lage der USA an den Kongreß folgendes gesagt; selbst der skeptischste Abgeordnete mußte bei seinen Worten Vertrauen schöpfen.
    Er sagte:
    Kein Kongreß der Vereinigten Staaten je zuvor, der die allgemeine Situation der Staaten überblickte, ist mit erfreulicheren Zukunftsaussichten zusammengetreten als den derzeitigen. Im in-



    Dr. h. c. Strauß
    nenpolitischen Bereich herrscht Ruhe und Zufriedenheit; es wurde ein Höchststand des Reichtums in einer Folge von prosperierenden Jahren erzielt. Im außenpolitischen Bereich herrscht Friede und Vertrauen zueinander, was von stillschweigendem Verständnis herrührt.
    Er sagte den Gesetzgebern, daß sie und das Land die Gegenwart mit Zufriedenheit betrachten und der Zukunft mit Optimismus entgegensehen können.
    Er brach scharf mit der ältesten unserer politischen Spielregel,
    — so schreibt Galbraith —
    er unterließ es, dieses Wohlergehen der ausgezeichneten Verwaltung zuzuschreiben, der er vorstand. Er sagte weiter, die Hauptquelle dieses beispiellosen Segens liege in der Integrität und im Charakter des amerikanischen Volkes.
    Auch wenn man der Meinung sein kann, daß die Weltwirtschaftskrise aus einer Reihe von Gründen ausgebrochen ist, muß einem die Lektüre gerade dieser Zeilen angesichts der Zeitungsüberschriften von heute und der Erfolgs- und Leistungsberichte doch irgendwie beklemmend anmuten und zu der Frage führen, ob so etwas heute wieder möglich ist. Es ist nicht leicht, hierauf in einem Satz eine Antwort zu geben. Ich möchte versuchen, es auf einen im großen und ganzen richtigen Nenner zu bringen, und sagen: so etwas ist nicht wieder möglich, wenn wir den Grundsätzen und Zielen der Politik treu bleiben, die aus dem Trümmerhaufen der damaligen drei westlichen Besatzungszonen den blühenden Wirtschafts- und Sozialorganismus der Bundesrepublik von 1963 geschaffen hat.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Heute liegen die Dinge ohne Zweifel anders. Der Einfluß der öffentlichen Hand ist größer. Die Finanzpolitik ist heute viel mehr ein wirtschaftspolitisches Instrument als die Wirtschaftspolitik im engeren Sinne des Wortes. Der starke Einfluß der öffentlichen Finanzen auf die gesamte Wirtschaftslage beeinflußt wesentlich die Konjunktur, Beschäftigung und Nachfrage.
    Zu dem Haushalt 1964 möchte ich sagen, daß über ihm drei große Gesichtspunkte stehen: einmal der Gesichtspunkt der freiheitlichen Zielsetzung unseres Staates, der Gerechtigkeitszielsetzung unseres Staates und der Wohlstandszielsetzung unseres Staates. Mehr kann man nach dem, was hinter uns liegt, von einem Haushalt nicht verlangen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Auch dieser Haushalt bietet — darin hat Kollege Möller natürlich recht — keine perfekten Lösungen und keine ideale Vollkommenheit. Aber wo gibt es, sie im irdischen Bereich und wo gibt es sie bei der Unzulänglichkeit dessen, was mit dem Begriff Mensch nun einmal verbunden ist!
    Es ist schon gestern im Pressedienst der SPD und heute in den Ausführungen des Kollegen Alex Möller eine Polemik bei der Erörterung der Frage durchgeklungen, ob in der Rede des Bundesfinanzministers und ob im Finanzplan der Bundesregierung die
    Zuwachsrate realistisch eingesetzt oder ob hier eine stille Reserve, eine stille Ausweitungsmöglichkeit vorhanden sei. Nach den Jahren, die hinter uns liegen, kann man sagen, daß die Prognose des Bundesfinanzministeriums ein hohes Maß an Wahrscheinlichkeit hat. Nach der Entwicklung der allerletzten Monate — man muß die Frage offenlassen, wie lange sie anhält — kann man annehmen, daß ein größeres Wachstum möglich ist. Aber ich glaube, eine Regierung handelt solider und dient damit dem Gesetz der Kontinuität und Stabilität mehr, wenn sie eine vorsichtige Kalkulation anstellt, als wenn sie eine optimistische Kalkulation anstellt, die sich nachher als Illusion erweist.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Es ist auch nicht richtig, daß der Bundesfinanzminister, wie es gestern in einer Presseverlautbarung der SPD stand, bereits die eigenen Grundlagen seiner 'Kalkulation aufgegeben habe. Er hat nur in der Vollständigkeit der Berichterstattung darauf hingewiesen, daß die Arbeitsgemeinschaft der deutschen wirtschaftswissenschaftlichen Forschungsinstitute e. V. Bonn, und zwar sechs ihrer Mitglieder, eine andere Prognose aufgestellt hat, die mit 5,5 % und 7,5 % Real- und Nominalzuwachs operiert.
    Aber der nominale und reale Zuwachs des Bruttosozialproduktes ist allein nicht entscheidend. Das Ganze sind ja Bezugsgrößen. Die entscheidende Frage ist, ob die Haushalte der öffentlichen Hand — dazu kommen Lastenausgleich, Sozialversicherungsträger usw. — überhaupt in einer vernünftigen und auf die Dauer erträglichen Relation zum gesamten Sozialprodukt stehen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Es ist nicht nur die jeweilige Bezugsgröße, nachdem bereits 14 Haushalte vorliegen, sondern es ist die Frage nach der Relation insgesamt. Hier kann man feststellen, daß sich bestimmte Spielregeln eingespielt haben, die nicht deshalb richtig zu sein brauchen, weil sie schon eine ganze Reihe von Jahren eingehalten werden. Ich darf auf folgende Zahlen hinweisen und für einige Jahre einige Vergleichszahlen bieten. Im Jahre 1963 betrug der Zuwachs des Bruttosozialprodukts zum Marktpreis gegenüber dem Vorjahr 7,8 %, davon der Anteil der öffentlichen Hand — Bund, Länder und Gemeinden; Lastenausgleichsfonds, Sozialversicherungsträger usw. hier nicht berücksichtigt — 28,3 %. 1954 betrug der Zuwachs des Sozialprodukts 7,5 %, der Anteil der öffentlichen Haushalte am Sozialprodukt 28,7 %, mit einem Zuwachs von 9 %. Im folgenden bringe ich bloß noch die beiden Zuwachszahlen zueinander: Im Jahre 1955: Sozialprodukt 14,3 %, öffentliche Haushalte plus 7 %; 1956: plus 10,2%, plus 16,6 %; 1957: plus 8,9 %, plus 10,8 %; 1958: plus 7,0 %, plus 7,8 %; 1959: plus 8,4 %, plus 8,5 %; 1960: plus 12 %, plus 13 %; 1961: plus 10 %, plus 11 %; 1962: plus 8,8 %, plus 11,3 %; 1963: plus 6 %, plus 7,2 %. Aus dieser Reihenfolge kann man entnehmen, daß der Zuwachs des Haushalts in allen diesen Jahren, wenn auch mit gewissen Schwankungen, etwas größer gewesen ist als die Zuwachsrate des Bruttosozialprodukts. Nachdem wir aber in diese wirtschaftliche Prosperität und konjunkturelle Entwicklung hineingekommen



    Dr. h. c. Strauß
    sind, die wir vielleicht sogar gewünscht haben, soll der Grundsatz der Regierung, die Zuwachsrate des Haushalts mit der Zuwachsrate des Bruttosozialprodukts in Einklang zu bringen, als eine Maßnahme der Normierung, der Stabilisierung und als eine Maßnahme der langfristigen Sicherung der wirtschaftlichen und sozialen Grundlagen anerkannt und, gleichgültig wie man zu den einzelnen Positionen steht, begrüßt werden, weil manche Erscheinungen, die uns zur Zeit beunruhigen und von denen Sie, Kollege Möller, mit Recht gesprochen haben, nur dann gebändigt werden' können — mit politischem, moralischem und legalem Rechte —, wenn hier angesetzt wird.

    (Sehr gut! bei der SPD. — Beifall bei der CDU/CSU.)

    Dazu gehört auch eine Frage, die in diesem Hause in der Vergangenheit, heute und in Zukunft Gegenstand der Diskussion war, ist und sein wird, nämlich die Frage der Steuersenkungen und Steuererhöhungen. Ich glaube, wir stimmen alle darin überein, daß eine Steuererhöhung, weder eine mittelbare noch eine unmittelbare, angesichts der gegebenen Verhältnisse und trotz der bestehenden Konjunktur in Betracht gezogen werden kann.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Ich glaube, daß es auch unser gutes Recht ist, unter diesem Gesichtspunkt die Mehrwertsteuer und die Änderung des Bewertungsgesetzes zu sehen. Ich mache kein Hehl aus meiner politischen Überzeugung, daß Mehrwertsteuer und Bewertungsgesetz auch unter gewissen gesellschaftspolitischen Aspekten nach ihren Auswirkungen gesehen werden müssen, nämlich im Hinblick darauf, daß nicht die ohnehin schon so stark geschmolzene Schicht der mittleren selbständigen Existenzen noch weiter durch solche scheinbar neutralen, aber in Wirklichkeit sich einseitig auswirkenden steuerlichen Maßnahmen vermindert werden darf.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Dem muß unsere Aufmerksamkeit gelten aus Gründen, die weit jenseits einer parteipolitischen Zielsetzung liegen.

    (Abg. Dr. Deist: Sehr richtig!)

    Im Haushaltsjahr 1964 liegen die Dinge so, daß die Haushalte der öffentlichen Hand — Bundes- und Länderhaushalte — 100 Milliarden DM ausmachen, die Haushalte der übrigen Gebietskörperschaften 30 Milliarden DM, die Haushalte der öffentlichen Sozialversicherung ohne die Staatszuschüsse — mit Haushaltslastenausgleich — 45 Milliarden DM, zusammen 175 Milliarden DM, bei einem zu erwartenden Bruttosozialprodukt von 400 bis 405 Milliarden DM, d. h. daß bis zu 40% des Sozialproduktes durch die öffentliche Hand vereinnahmt und verausgabt werden. Hier besteht die Gefahr, daß bei weiterer Verschiebung der Relation zugunsten der öffentlichen Hand das System der Marktwirtschaft in einem doch irgendwie kollektivistisch sich auswirkenden Staatskapitalismus Schaden leiden muß.

    (Beifall in der Mitte und rechts.)

    Wir haben uns gegen die Sozialisierung — gleichgültig, von welcher Seite — gewandt. Das gilt auch für die „kalte Sozialisierung", die Löhne und Einkommen durch den ständig steigenden Anteil der öffentlichen Hand betrifft. Damit ist aber noch nichts über die Frage ausgesagt: wieviel kann der Staat ausgeben? Ich glaube, daß eine objektive, absolute Aussage mit arithmetischer Genauigkeit nicht gegeben werden kann. Ich glaube auch, daß das sonst so oft erwähnte magische Dreieck, nämlich Vollbeschäftigung, Preisstabilität und ausgeglichene Zahlungsbilanz, an sich noch nicht alles aussagt; denn Vollbeschäftigung, Preisstabilität und ausgeglichene Zahlungsbilanz können auch bei nicht voll befriedigenden Lebensverhältnissen erreicht werden.
    Zu diesem „magischen Dreieck" würde ich die kulturelle Existenz der Gesamtheit unseres Volkes als eines der vier Ziele, die hier im Auge behalten werden müssen, hinzurechnen.

    (Abg. Dr. Martin: Sehr gut!)

    Hier sind natürlich den Ausgaben des Staates bestimmte Grenzen gesetzt. Man kann die Ausgaben nicht beliebig steigern; aber, Kollege Möller, ich sage das gerade im Zusammenhang mit Ihren letzten für mich sehr interessanten Ausführungen: man kann auch die Aufgaben nicht beliebig vermindern. Das ist eine Frage der Schwerpunkte und eine Frage der Prioritäten.
    In diesem Zusammenhang möchte ich ein Problem anschneiden, dessen Behandlung einem im allgemeinen nicht nur Mißverständnisse, sondern vielleicht noch Ungünstigeres einbringt, nämlich die Lage auf dem Arbeitsmarkt. Wenn man davon ausgeht, daß der Staat nicht mehr ausgeben kann, als er einnimmt — jedenfalls über einen längeren Zeitraum hinweg, wenn auch gewisse Verschiebungen innerhalb dieses Zeitraums möglich sind —, wenn man davon ausgeht, daß gerade angesichts dieser Situation bestimmte Aufgaben weder gestrichen noch in ihrem Umfang wesentlich vermindert noch auf die lange Bank geschoben werden können, wenn man weiter davon ausgeht, daß bei den bestehenden Steuersätzen und der bestehenden Steuerverteilung jedenfalls Klarheit darüber besteht, daß Steuererhöhungen nicht möglich sind — inwieweit innere Umstellungen möglich sind, ist eine andere Frage; aber allzuviel Hoffnung kann man hier nicht haben —, wenn man von diesen Daten ausgeht, kann man sehr wohl zu der Schlußfolgerung kommen — auch angesichts dieses Haushalts, der Bindungen schon für den Haushalt 1965 und der Vorbelastungen für die Zukunft —, daß die Einnahmen nicht ausreichen, um die auch mit Bescheidenheit ausgedrückt notwendigen Ausgaben zu decken. Dabei gehe ich davon aus, daß „notwendig" nicht durch den Ehrgeiz einer Regierung oder einer politischen Gruppierung bestimmt werden soll, sondern daß es dafür einen halbwegs objektiven Maßstab geben kann. Wenn aber die Einnahmen nicht ausreichen, wenn eine Einnahmeerhöhung durch Steuererhöhung nicht möglich ist und wenn die Ausgaben nicht beliebig zu manipulieren sind — sei es aus diesem oder jenem Grund —, dann muß die Frage,



    Dr. h. c. Strauß
    wieweit wir uns noch eine Verminderung des Zuwachses des Sozialprodukts durch Verkürzung der Arbeitszeit leisten können, ich darf sagen, parteipolitisch neutral, im Interesse unseres Gesamtvolkes einmal ernsthaft geprüft werden.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Ich habe vor einigen Tagen die Stellungnahme der IG Metall zu der Verkürzung der Arbeitszeit gelesen, die ja in dem Tarifvertrag ausgehandelt worden ist und deren Einforderung das gute Recht der Industriegewerkschaft Metall war. Wenn es aber dort heißt, daß sich die Verkürzung der Arbeitszeit nicht auf .die Produktion auswirke, dann kann doch niemand in diesem Hause hier, das verantwortlich über diese Probleme zu sprechen hat, sich einem solchen Standpunkt anschließen, gleichgültig, bei welcher Partei er ist. Wenn die Arbeitszeit um eine weitere gute Stunde verkürzt, auf 41 1/4 Stunden begrenzt Wird, wenn .damit die Maschinenauslastung und die Auslastung der Betriebsmittel vermindert wird und wenn damit einfach zwangsläufig — nicht nur von den Löhnen her — höhere Kosten entstehen und wenn das Ausweichen in teuere Investitionen entweder bestimmte Zeit dauert oder höhere Kosten verursacht, dann sind doch hier Ansätze, die man auch im Zusammenhang 'mit dem Haushalt und nicht nur im Zusammenhang mit der Sozialpolitik und der Frage der individuellen Lebenshaltung behandeln muß. Denn hier geht das alles Hand in Hand.


Rede von Dr. Carlo Schmid
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Franz Josef Strauß


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Bitte!