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ID0410618200

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    Deutscher Bundestag 106. Sitzung Bonn, den 9. Januar 1964 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung . 4825 A, 4912 C Fragestunde (Drucksachen IV/1766, IV/1806, IV/1812) Frage des Abg. Dr. Müller-Emmert: Zweites Fernsehprogramm in der Pfalz Stücklen, Bundesminister 4825 C, D, 4826 A Dr. Müller-Emmert (SPD) 4825 D Kaffka (SPD) 4826 A Frage des Abg. Dr. Müller-Emmert: Erleichterungen bei der Rentenauszahlung Stücklen, Bundesminister . . 4826 A, B, C, D, 4827 A, B, C Dr. Müller-Emmert (SPD) . . . . 4826 B, D Cramer (SPD) 4826 C Fritsch (SPD) 4827 A Büttner (SPD) 4827 B Dürr (FDP) 4827 C Fragen des Abg. Dr. Kübler: Schadenersatzforderungen für verlorengehende Telegramme und Haftpflicht für nicht übermittelte Telegramme 4827 D Fragen des Abg. Kubitza: Zulässige Wörter bei gedruckten Glückwunschkarten Stücklen, Bundesminister . . 4828 A, C, D, 4829 A, B Kubitza (FDP) . . . . . . . 4828 C, D Schwabe (SPD) 4829 A, B Sänger (SPD) 4829 B Fragen des Abg. Strohmayr: Zahl der noch in Wohnlagern untergebrachten Familien und Einzelpersonen Krüger, Bundesminister 4829 C Frage des Abg. Fritsch: Grabmal des Unbekannten Soldaten Höcherl, Bundesminister 4830 A Frage des Abg. Fritsch: Gesetz über den Grenzaufsichtsdienst Grund, Staatssekretär 4830 B, C, D, 4831 A Fritsch (SPD) 4830 B, C Lautenschlager (SPD) 4830 D Gscheidle (SPD) . . . . . . . 4831 A II Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 106. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 9. Januar 1964 Frage des Abg. Cramer: Gemeinde Nordseebad Wangerooge Schmücker, Bundesminister . . . 4831 A, C Cramer (SPD) 4831 C Fragen des Abg. Glüsing (Dithmarschen) : Deutsche Muschelfischerei . . . . . 4831 D Fragen des Abg. Dr. Gleissner: Angebliche Erklärung des Leiters des Flughafens München-Riem betr. Starts und Landungen in östlicher Richtung Dr. Seiermann, Staatssekretär . . 4832 A, B Frage des Abg. Dr. Ramminger: Anschluß der Autobahn Regensburg- Passau an die geplante österreichische Autobahn Linz-Passau Dr. Seiermann, Staatssekretär . . 4832 C, D Dr. Ramminger (CDU/CSU) . . . . 4832 C Frage des Abg. Dr. Ramminger: Änderung der früheren Linienführung der Autobahn Linz-Passau Dr. Seiermann, Staatssekretär . . . 4832 D, 4833 A, B Fritsch (SPD) . . . . . . . . . 4833 A Frage des Abg. Dr. Ramminger: Trasse der Autobahn Regensburg-Passau Dr. Seiermann, Staatssekretär . . 4833 B, C Dr. Ramminger (CDU/CSU) . . . 4833 B Fritsch (SPD) 4833 C Frage des Abg. Dr. Pohlenz: Teilstück Wesel-Hamminkeln der Holland-Autobahn Dr. Seiermann, Staatssekretär . . . 4833 D, 4834 A Dr. Pohlenz (SPD) 4833 D Frage des Abg. Dr. Pohlenz: Verkehr zwischen der Autobahnabfahrt Hamminkeln und der Bundesstraße 8 Dr. Seiermann, Staatssekretär . 4834 A, B, C Dr. Pohlenz (SPD) 4834 B, C Frage des Abg. Büttner: Änderung oder Ergänzung der Straßenverkehrsordnung (§ 45 StVO) Dr. Seiermann, Staatssekretär . . 4834 C, D, 4835 A Büttner (SPD) . . . . . 4834 D, 4835 A Sammelübersicht 24 des Petitionsausschusses über Anträge zu Petitionen (Drucksache IV/1779) 4835 B Mündlicher Bericht des Vermittlungsausschusses zu dem Ersten Gesetz zur Änderung des Beteiligungsverhältnisses an der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer (Drucksache IV/1770) Dr. h. c. Eberhard, Staatsminister . . 4835 B Dr. Schmidt (Wuppertal) (CDU/CSU) 4838 B Dr. Schäfer (SPD) . . . . . . . 4838 D Dr. Imle (FDP) 4839 D Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1964 (Haushaltsgesetz 1964) (Drucksache IV/1700) — Erste Beratung — in Verbindung mit Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung eines Nachtrags zum Bundeshaushaltsplan für das Rechnungsjahr 1963 (Nachtragshaushaltsgesetz 1963) (Drucksache IV/1699) — Erste Beratung — Dr. Dr. h. c. Erhard, Bundeskanzler 4840 B Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller (SPD) 4849 B, 4908 A Dr. Barzel (CDU/CSU) . . . . . . 4859 C Dr. Emde (FDP) 4864 A Dr. h. c. Strauß (CDU/CSU) . . . 4871 D Erler (SPD) 4883 D Dr. Vogel (CDU/CSU) . . . . . 4892 B Freiherr von Kühlmann-Stumm (FDP) 4898 B Ritzel (SPD) . . . . . . . . . 4899 D Dr. Althammer (CDU/CSU) . . . . 4902 C Dr. Dichgans (CDU/CSU) . . . . . 4904 D Dr. Artzinger (CDU/CSU) . . . . 4906 C Seuffert (SPD) . . . . . . . . 4909 D Dr. Dahlgrün, Bundesminister . . . 4910 A Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes vom 22. Juni 1954 über den Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zum Abkommen über die Vorrechte und Befreiungen der Sonderorganisationen der Vereinten Nationen vom 21. November 1947 und über die Gewährung von Vorrechten und Befreiungen an andere zwischenstaatliche Organisationen (Drucksache IV/1482); Schriftlicher Bericht des Auswärtigen Ausschusses (Drucksache IV/1776) — Zweite und Dritte Beratung — . . . . . . . . . 4911 D Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 106. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 9. Januar 1964 III Entwurf eines Gesetzes zu dem Assoziierungsabkommen vom 12. September 1963 zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei sowie zu dem mit diesem Abkommen im Zusammenhang stehenden Abkommen (Drucksache IV/1788) 4912 A Entwurf eines Siebenten Gesetzes zur Änderung des Strafrechtsänderungsgesetzes (CDU/CSU, SPD, FDP) (Drucksache IV/ 1817) 4912 C Nächste Sitzung 4912 C Anlage 4913 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 106. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 9. Januar 1964 4825 106. Sitzung Bonn, den 9. Januar 1964 Stenographischer Bericht Beginn: 9.01 Uhr
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    Anlage Liste der beurlaubten Abgeordneten Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Adorno 31. 1. Dr. Aigner * 9: 1. Frau Albertz 10. 1. Arendt (Wattenscheid) 10. 1. Bauer (Wasserburg) 10. 1. Frau Berger-Heise 10. 1. Bergmann * 9. 1. Frau Beyer (Frankfurt) 10. 1. Birkelbach* 9. 1. Frau Blohm 10. 1. Blumenfeld 18. 1. Frau Brauksiepe 10. 1. Dr. von Brentano 21. 3. Brück 10. 1. Brünen 10. 1. Dr. Burgbacher * 9. 1. Deringer * 9. 1. Frau Dr. Elsner * 9. 1. Faller * 9. 1. Dr. Frede 10. 1. Dr. Dr. h. c. Friedensburg 10. 1. Dr. Furler* 9. 1. Dr. Gerlich 10. 1. Günther 10.1. Haage (München) 10. 1. Hahn (Bielefeld) * 9. 1. Hammersen 10.1. Dr. Harm (Hamburg) 31. 1. Hauffe 10. 1. Dr. Hellige 9. 1. Dr. Hesberg 9. 1. Holkenbrink 9. 1. Hörauf 4. 2. Hörmann (Freiburg) 9. 1. Illerhaus * 9. 1. Frau Jacobi (Marl) 10. 1. Kalbitzer * 9. 1. Kemmer 9. 1. Dr. Kempfler 10.1. Abgeordneter) beurlaubt bis einschließlich Klein (Saarbrücken) 10. 1. Klinker * 9. 1. Dr. Kreyssig 10. 1. Kriedemann * 9. 1. Dr. Kübler 16. 1. Freiherr von Kühlmann-Stumm 9. 1. Lemmer 10. 1. Lenz (Bremerhaven) 15.2. Lenz (Brühl) * 9. 1. Lücker (München) * 9. 1. Margulies * 9. 1. Mauk * 9. 1. Mengelkamp 10. 1. Metzger * 9. 1. Michels * 9. 1. Dr. Miessner 10. 1. Dr. Müller-Hermann * 9. 1. Peiter 10.1. Dr.-Ing. Philipp * 9. i. Frau Dr. Probst * 9. 1. Rademacher * 9. 1. Richarts * 9. 1. _ Ruland 22. 2. Dr. Rutschke 17. 1. Sander 10. 1. Schmitt-Vockenhausen 9. 1. Schneider (Hamburg) 24. 1. Seidl (München) 10. 1. Seifriz * 9. 1. Dr. Seume 10. 1. Dr. Starke * 9. 1. Frau Strobel* 9. 1. Struve 10. 1. Weinkamm * 10. 1. Wendelborn 10. 1. Wilhelm 10. 1. Wolf 9. 1. Wullenhaupt 31. 1. Zoglmann 9. 1. b) Urlaubsanträge Dr. Bieringer 7. 2. *) Für die Teilnahme an einer Tagung des Europäischen Parlaments
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    Rede von Erwin Schoettle


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Kollege Dr. Emde, ist Ihnen bekannt, daß in der Behandlung des Verteidigungshaushalts eine andere Praxis besteht als



    Schoettle
    die, die Sie vorhin dargestellt haben, daß nämlich in jedem Fall der Verteidigungsausschuß — der Fachausschuß — den Beratungen im Haushaltsausschuß vorgeschaltet ist, also nicht ausgeschaltet ist?
    Dr. Emde (FDP).: Er ist nicht immer und in jeder Frage vorgeschaltet gewesen, Herr Kollege. Es gibt eine Reihe von Gegenständen, bei denen er im Laufe der letzten Wochen nicht vorgeschaltet war, und auf diese habe ich angespielt.
    Es handelt sich nicht entscheidend um zeitliche Verzögerungen, sondern um echte Umschichtungen im Beschaffungsprogramm, und das ist kein Beweis für eine richtige und ausgewogene Planung. Man darf dabei nicht außer acht lassen, daß der Verteidigungshaushalt durch die Beschaffungen im Ausland, durch Käufe bei der Industrie und durch Vergabe von Aufträgen an die Bauindustrie erhebliche volkswirtschaftliche Wirkungen auslöst, die sich u: a. in der Entwicklung der Preise im Hochbau bemerkbar machen können. Eine Abstimmung militärischer Notwendigkeiten mit den übrigen Staatsaufgaben und den Möglichkeiten der Bauindustrie ist ein dringendes Erfordernis für Gegenwart und Zukunft.
    Aber alle militärische Planung ist auch abhängig von den personalpolitischen Möglichkeiten. Nicht nur die Veränderungen in der Verteidigungskonzeption, sondern auch die Umstellung der Rüstungsprogramme wirken sich einschneidend auf die Personalpolitik der Bundeswehr aus. Die rechtzeitige Ausbildung der Fachleute ist Voraussetzung für das Wirksamwerden der Anpassung unserer Verteidigungsvorstellungen an die militärische Entwicklung. Wir sind überzeugt, daß eingehende Untersuchungen dieser Tatbestände und eine der heutigen militärischen und technischen Situation angepaßte Überprüfung der Beschaffungsprogramme bei verringertem Finanzaufwand, also bei einem weiteren Sinken der Zuwachsquote in der Zukunft, dennoch eine erhebliche Verbesserung unserer Verteidigungsbereitschaft zur Folge haben werden.
    Wir sollten uns ,ein Beispiel an der amerikanischen Absicht der Rationalisierung der Verteidigung nehmen. Wenn der amerikanische Präsident überzeugt ist, daß selbst bei Kürzung des Verteidigungshaushalts gegenüber den Ansätzen im vorigen Jahr eine höhere Sicherheit gewährleistet werden kann, sollten wir unter allen Umständen den Versuch machen, durch Rationalisierung des gesamten Verteidigungsapparats und durch Überarbeitung der Programme mit weniger Geld mehr Sicherheit zu gewinnen.
    Das Jahr 1964 bringt in der Verteilung der Mehreinnahmen den Schwerpunkt im Sozialhaushalt. In dreierlei Hinsicht entwickelt sich der Sozialhaushalt: durch das Kriegsopfer-Neuordnungsgesetz, durch das Kindergeldgesetz und durch die automatische Zunahme der Leistungen an die Rentenversicherungsträger.
    Insgesamt wächst der Sozialhaushalt um 2,6 Milliarden DM, ja, wenn wir die erhöhte Kriegsopferleistung einbeziehen, um 3 Milliarden DM. Bedeutsam sind in diesem Jahr die Auswirkungen, die automatisch für den Bundeshaushalt durch die Zuschußpflicht für die Rentenversicherungsträger entstehen. Runde 670 Millionen DM sind dazu mehr veranschlagt. Wir werden die hier sichtbare Entwicklung mit aller Aufmerksamkeit beobachten müssen. Wir halten es für notwendig, daß möglichst bald die Sozialenquete die Konstruktion der deutschen Sozialpolitik untersucht. Die Summe der insgesamt für Sozialmaßnahmen zur Verfügung gestellten Haushaltsmittel müßte zusammen mit den Beitragsleistungen ausreichen, um die sozialen Probleme voll zu lösen.
    Wenn dennoch ständig neue Maßnahmen im Rahmen der Sozialpolitik gefordert und geplant werden, so scheint uns dies ein Zeichen dafür zu sein, daß die Verteilung der aufgebrachten Mittel nicht den höchsten Nutzen erbringt. Eine fortschrittliche Sozialpolitik sollte übersichtlicher, klarer und wirksamer sein als das heutige deutsche System.
    Die Weiterentwicklung des Kindergeldrechts ist nach unserer Überzeugung eine Maßnahme fortschrittlicher Sozialpolitik. Das Kindergeldgesetz bringt zwei wesentliche Fortschritte, nämlich erstens die Erhöhung der Sätze für die Empfangsberechtigten mit rund 70 Millionen DM und zweitens die Entlastung der bisher für die Aufbringung des Kindergeldes verpflichteten Betriebe durch Übernahme der Leistungen auf den Bundeshaushalt mit weit über 1 Milliarde DM. Dazu tritt die verwaltungsmäßige Verbesserung in der Auszahlungsmethode durch Auflösung der Familienausgleichskassen und Konzentrierung auf die Arbeitsämter.
    Wir bedauern nur, daß nicht von Anfang an das gesamte Kindergeld aus dem Bundeshaushalt gezahlt wurde, sondern daß über Jahre hinaus der sachlich falsche und die Wirtschaft belastende Umweg über die Familienausgleichskassen gewählt worden ist. Wir freuen uns, daß unsere von Anfang an vorgetragene sachliche und politische Meinung sich im Laufe der Entwicklung als richtig erwiesen hat. Diese Entlastung des Mittelstands durch Übernahme des Kindergeldes auf den Bundeshaushalt mit einer Gesamtjahresauswirkung von 1,5 Milliarden DM ist um so notwendiger, als durch die beabsichtigte Neuregelung der Lohnfortzahlung neue Lasten für die lohnintensiven Betriebe vor der Tür stehen.
    Hier ist es notwendig, einige Sätze zur Belastbarkeit der deutschen Wirtschaft zu sagen. Jede Erhöhung des Kostengefüges der Wirtschaft wirkt sich, wenn sie nicht durch Rationalisierungsmaßnahmen aufgefangen werden kann, nach allen Erfahrungen auf das Preisniveau aus. Wir Freien Demokraten haben schon seit Jahren immer wieder auf die preispolitischen Auswirkungen neuer Kostenbelastungen der Wirtschaft hingewiesen. Ich möchte an dieser Stelle besonders darauf hinweisen, daß die Vereinigten Staaten von Amerika Steuersenkungen in einem Umfang vornehmen, die sich mit denen, von welchen deutsche Steuerzahler träumen, in keiner Weise vergleichen lassen. Die Steuersenkungen von 11 Milliarden Dollar, wie die amerikanische Regierung sie in ihrem Budgetentwurf und den parlamen-



    Dr. Emde
    tarischen Verhandlungen durchzusetzen versucht, sind mit ihren, auf D-Mark umgerechnet, 44 Milliarden ein Faktor von einmaliger wirtschaftspolitischer Auswirkung. Die Konkurrenzlage der amerikanischen Industrie am Weltmarkt wird damit ganz erheblich verbessert werden. Wir in Deutschland mit dem unbestritten höchsten steuerlichen Belastungskoeffizienten können nicht weiter Zeit verstreichen lassen, ohne aus dieser Entwicklung Konsequenzen zu ziehen.
    Mit der angekündigten Reform des Einkommensteuertarifs verwirklicht die Bundesregierung eine von der Freien Demokratischen Partei seit langem erhobene Forderung. Es ist in besonderem Maße anzuerkennen, daß der Bundesminister der Finanzen dem Parlament einen solchen Vorschlag unterbreitet in einer Zeit, in der die Haushaltslage außerordentlich angespannt ist. Aber er unterbreitet diesen Vorschlag ja in der Erwartung, daß aus der Zuwachsquote des Jahres 1965 ein entsprechender Anteil abgezweigt werden kann — und zwar bei Bund und Ländern —, um eine Steuersenkung vornehmen zu können. Mit Recht hat der Bundesfinanzminister darauf hingewiesen, daß die steuerliche Belastung unseres Volkes die Grenze des Erträglichen erreicht hat. Wir begrüßen deshalb die Maßnahmen der Bundesregierung zur Steuersenkung um so mehr, einer Steuersenkung, die nach unseren Wünschen Zahler der Einkommen- und Lohnsteuer begünstigen wird. Wir sind bereit, das Kabinett auf diesem Wege in jeder Weise zu unterstützen. Das bedeutet, daß wir mit allen im Rahmen der Vernunft anzuwendenden Mitteln bemüht sein werden, nicht durch zusätzliche Ausgabenwünsche im Jahre 1964 die Möglichkeit zu dieser Steuersenkung zu verbauen.
    Die fühlbare Entlastung der mittleren und kleinen Einkommen hat aber auch eine gesellschaftspolitische Bedeutung, auf die die Freie Demokratische Partei mit besonderem Nachdruck hinweisen möchte. Das deutsche Volk hat in den Jahren des Wiederaufbaus einen von niemandem erwarteten Sparwillen bewiesen. Dieser Sparwille wird in der ständig wachsenden Zahl von Eigenheimen und Eigentumswohnungen sichtbar. Er ergibt sich aber auch aus den wachsenden Einlagen bei den Sparinstituten und der breiten Streuung der Sparguthaben. Ähnlich ist die Entwicklung auf dem Gebiet der privaten Selbstvorsorge durch ein ständiges Anwachsen der Lebensversicherungsverträge nach Zahl und Volumen. Wir vertreten die Auffasung, die gesellschaftspolitische Zielsetzung der Bundesregierung macht es erforderlich, daß diesem Willen zur Eigentumsbildung jede nur mögliche Förderung durch die Gesetzgebung zuteil wird. Ein sinnvoller Ausbau der vorhandenen Förderungsmaßnahmen für die private Vermögensbildung muß wesentlicher Bestandteil des Steueränderungsgesetzes sein.
    Wir sind aber darüber hinaus der Meinung, daß es im Zuge dieser Steuersenkung möglich sein sollte, zwei andere Probleme des Steuerwesens zumindest teilweise zu lösen. Es sollte durch eine erhebliche Erhöhung der Lohnsteuerfreibeträge möglichst vielen Lohnsteuerzahlern ermöglicht werden, ohne Schlangenbildung vor den Finanzämtern und langwierigen Formularkram zu ihren Steuerfreibeträgen zu kommen. Eine solche Maßnahme würde kaum zu einer Verschlechterung der Steuereinnahmen führen, da die meisten Lohnsteuerzahler sowieso Einzelanträge auf Steuerermäßigung stellen, darüber hinaus aber eine beträchtliche arbeitsmäßige Entlastung der Finanzämter und einen großen Zeitgewinn für den Lohnsteuerzahler zur Folge haben. Weiter wünschen wir, daß mit der Senkung der Einkommen-und Lohnsteuer verbunden die Abschaffung einiger Bagatellsteuern erlolgt, und zwar solcher, deren Ertrag für den Gesamthaushalt bedeutungslos ist, deren Aufbringung aber dennoch mit einem Verwaltungsaufwand belastet ist, der nicht in einem gesunden Verhältnis zum Nutzen steht.
    Die Maßnahmen zur steuerlichen Entlastung der Wirtschaft können aber nicht als einzige wirtschaftspolitische Maßnahmen für das Jahr 1964 betrachtet werden. Wir halten es für notwendig, in einem erheblich stärkeren Maße als bisher die Infrastruktur der Wirtschaft zu verbessern. Trotz aller Investitionen im Verkehrssektor ist es bis heute nicht gelungen, die dringendsten Verkehrsprobleme befriedigend zu lösen. Das Nachhinken des Straßenbaues hinter der Motorisierungswelle, der nicht ausreichende Ausbau und die Unterhaltung der Binnenwasserstraßen sind Zeichen der Zeit, die wir nicht übersehen dürfen. Es besteht in unserer Fraktion kein Zweifel daran, daß kommende Haushalte eine erhebliche Verstärkung der Maßnahmen für den Verkehrssektor bringen müssen.
    Auch das Ansteigen der Leistungen im Wissenschaftshaushalt, das mit einer Zuwachsquote von 15 % weit über der Zuwachsquote des Sozialproduktes liegt, sollte nicht den Eindruck erwecken, als ob hier bereits ein ausreichender Stand der Dotierung erreicht sei. Der tatsächliche Zuwachs des Wissenschaftshaushalts mit 120 Millionen DM auf 900 Millionen DM zeigt, wie wenig aussagefähig die Bezugnahme auf den prozentualen Anstieg ist. Die Tatsache, daß die Bundesrepublik im Jahre 1962 erheblich mehr Patentgebühren an das Ausland gezahlt hat, als sie an Patentgebühren aus dem Ausland bezogen hat, macht klar, in welchem Umfange heute in Deutschland Technik und Wirtschaft von den geistigen Leistungen anderer Völker abhängig sind.
    Auch im Rahmen der Förderung strukturell benachteiligter Gebiete der Bundesrepublik müssen in der Zukunft die Leistungen erheblich verstärkt werden, um ein ausgewogenes Wirtschafts- und Sozialgefüge im ganzen Land zu haben und die Sozial- und Kulturgefälle, die heute bestehen, abzubauen und auszugleichen. Wir wissen, daß der Haushalt des Jahres 1964 für all diese Dinge keine Möglichkeiten mehr bietet. Zu 'schwer sind die Belastungen, die sich aus der Notwendigkeit ergeben, zugunsten der Kriegsopferversorgung den Betrag von 250 bis 350 Millionen DM zu streichen und die Minderausgaben von 790 Millionen abzudecken.
    Aber das, was jetzt nicht möglich ist, sollte auf jeden Fall im Jahre 1965 verwirklicht werden können; denn ein längeres Hinauszögern der Maßnahmen zur Förderung der Wirtschaft, Verbesserung



    Dr. Emde
    des Verkehrswesens, Steigerung der Leistung der Wissenschaft und Forschung und der Verbesserung der strukturellen Ausgeglichenheit im Lande ist nicht möglich. Das Jahr 1965 sollte das Jahr sein, in dem diese Aufgaben verstärkt angefaßt werden.
    Ich habe keine Einzelpläne behandelt, aber Veranlassung, einige Bemerkungen zum Einzelplan 23 zu machen. Der Einzelplan des Entwicklungshilfeministeriums scheint mir ein getreues Abbild der derzeitigen Entwicklungshilfe zu sein. Der Einzelplan ist gut strukturiert und läßt deutlich die Fortschritte erkennen, weiche die Entwicklungspolitik der Bundesregierung gerade in den letzten Jahren gemacht hat. Was aber offensichtlich immer noch fehlt — auch die Durchführungsvorschriften in den Erläuterungen zu verschiedenen Titeln zeigen dies —, ist die von allen drei Fraktionen dieses Hauses einmütig und wiederholt geforderte organisatorische Straffung und Konzentrierung der Maßnahmen in einer Hand. Meine Freunde erwarten, daß diese leidige Frage beschleunigt sachgemäß geregelt und daß damit endlich auch die Verantwortung für diese wichtige Aufgabe eindeutig geklärt wird.
    Der vorliegende Haushaltsentwurf hat seine Schwerpunkte in der Sozialpolitik. Wir begrüßen dies. Wir begrüßen es weiter, daß eine schwerpunktmäßige Ausgestaltung des Haushalts erfolgt ist, denn die großen Aufgaben werden nur dadurch gelöst, daß eine nach der anderen bereinigt wird, nicht dadurch, daß mit kleineren Maßnahmen an allen Ecken und Enden herumgestochert und herumgekleckert wird. Es muß aber jedermann im Volk durch das Verhalten der Regierung und der Parlamentsmehrheit klar sein, daß im Rahmen dieses Schwerpunktdenkens und infolge des Festlegens einer Rangfolge das Ausbleiben der einen oder anderen Maßnahme nichts weiter bedeutet als eine zeitliche Verschiebung. Wenn diese Überzeugung Allgemeingut wird, ist die Voraussetzung dafür gegeben, aus den Pressionsmethoden der Interessengruppen herauszukommen; denn diese Pressionsmethoden werden in den meisten Fällen ja nur deshalb angewandt, weil man befürchtet, nie mehr an den Tisch zu kommen, an dem die Mittel verteilt werden.
    In der Festlegung der Rangfolge muß aber auch ein System der Gerechtigkeit bestehen. Nach unseren Vorstellungen gehört zu diesem System der Gerechtigkeit, daß vor allen anderen sozialpolitischen Maßnahmen die Vorlage über die Kriegsopferversorgung verabschiedet wird, daß danach die übrigen im Etat vorgesehenen Sozialmaßnahmen in Kraft treten, daß zur Jahreswende die Steuersenkung zur Entlastung der Einkommen- und Lohnsteuerzahler erfolgt und daß daran anschließend die Ansätze für Struktur- und Investitionsmaßnahmen im Bereich des Verkehrswesens, der Wissenschaft und nicht zuletzt im Bereich der Landwirtschaft entscheidend erhöht und diese damit im nächsten Jahr Schwerpunkt der Haushaltspolitik werden. Die Brüsseler Verhandlungen haben erneut die Schwierigkeiten gezeigt, die auf der europäischen Ebene auf dem Gebiete der Agrarpolitik noch zu überwinden sind, Schwierigkeiten, die auch nicht ohne Auswirkungen auf den Bundeshaushalt vermindert oder beseitigt werden können. Das gilt vor allem für die Finanzierung des Ausrichtungs- und Garantiefonds der EWG, zu dem die Bundesrepublik in den nächsten Jahren 31 % beizutragen hat. Bei weiteren Verhandlungen sollte die Bundesrepublik nie über diesen Prozentsatz hinausgehen einschließlich der Abschöpfungsbeträge. Auch sollte die Bundesregierung wie bei den bisherigen Verhandlungen an dem deutschen landwirtschaftlichen Erzeugerpreisniveau festhalten. Über einen direkten oder über die EWG gesteuerten Einkommensausgleich würde der Bundeshaushalt schwer belastet.
    Es wäre notwendig, daß der Herr Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten bei der Aussprache über den Einzelplan 11 ein deutliches Wort über seine Vorstellungen über die zukünftige Entwicklung auf diesem Sektor spricht.
    Voraussetzung aber für eine solche Politik der Rangfolge ist eine vorausschauende Wirtschafts- und Staatspolitik. Wir sind überzeugt, daß diese Regierung die richtige Politik treibt. Und wenn ich sage, diese Regierung, dann meine ich damit unsere Regierung, die von der Fraktion der FDP mitgetragen und als eigene Regierung empfunden wird. Wir tragen diese Regierung, weil wir ihre Politik befürwortend unterstützen als freie Partner unserer Koalitionsfreunde. Wir verteidigen im Parlament diese Regierung, um ihre politische Arbeit zu ermöglichen. Wir kontrollieren diese Regierung als Fraktion dieses Parlaments und werden damit unserer Aufgabe als Parlamentarier gerecht. Die von dieser Regierung eingeschlagene Politik ist mit unsere Politik. Wir glauben, daß der Haushaltsplan des Jahres 1964 in seiner Anlage und in seinen Schwerpunkten unseren politischen Wünschen entsprechend richtig aufgestellt ist. Wir werden ihn unter Berücksichtigung der von mir dargestellten Korrekturen in den einzelnen Bereichen in der 2. und 3. Beratung verteidigen und damit ein Ja zur Arbeit des Kabinetts sagen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)



Rede von Dr. Carlo Schmid
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Strauß.

(Zuruf von der SPD: Jungfernrede!)


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Franz Josef Strauß


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Barzel hat in seinen einleitenden und grundsätzlichen Bemerkungen eine Forderung aufgestellt oder einen Zustand wiederhergestellt: daß nämlich die erste und die dritte Lesung eines Haushalts in erster Linie der Behandlung politischer Probleme im Zusammenhang mit dem Haushalt dienen sollen. Ich möchte damit. nicht sagen, daß Kollege Möller keine politischen Probleme behandelt hat, wohl aber sagen, daß die Art der Behandlung politischer Probleme diesmal beinahe wie Zustimmung zur Regierungspolitik geklungen hat.
    Haushalt ist nicht nur Lenkung von Einnahme- und Ausgabeströmen auf Grund der Einnahmeerwar-



    Dr. h. c. Strauß
    tungen und der Ausgabeschätzungen, sondern Haushalt ist — ich glaube, das darf man in aller Deutlichkeit und Klarheit feststellen — Abbild und Spiegelbild einer Politik.

    (Zuruf von der SPD: "Spiegel"-Bild?)

    Ich darf für diesen Haushalt sagen: Spiegelbild einer kontinuierlichen,

    (Zuruf von der SPD: Vorsicht mit Spiegel!) stabilen und guten Politik,


    (Beifall bei der CDU/CSU)

    und zwar einer Politik, deren Umrisse gerade in diesem Haushaltsplan 1964 sichtbar werden, wenn auch selbstverständlich nicht in allen Einzelheiten. Die Haushaltsdebatte ist immer eine politische Aussprache über alle Themen, nicht nur über Finanz- und Budgetprobleme. Das gilt auch für die Außen- und für die Sicherheitspolitik. Das, gilt für die weiten Bereiche dessen, was man Innenpolitik nennt und was man in voller Schärfe kaum von dem Bereich der Außenpolitik trennen kann, weil beide Bereiche tief ineinandergreifen.
    Hier handelt es sich um den ersten Haushalt der neuen Regierung, deren Charakteristikum ein neuer Kanzler, aber nicht eine neue Politik ist. Wir brauchen auch keine neue Politik, sondern wir brauchen zeitgemäße Ideen zur Erfüllung und Fortsetzung der alten Politik.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Diese Politik ist im Jahre 1948 begründet worden. An ihrer Formung hat der neue Kanzler einen alten Anteil, ein gerüttelt Maß an Verdienst und Verantwortung.
    Wenn man an frühere Haushaltsdebatten denkt — zurückgreifend bis auf den Wirtschaftsrat in Frankfurt — und an die ersten Jahre in diesem Hause, dann muß man an die schweren Auseinandersetzungen denken, die es gerade über den Teil der deutschen Politik gegeben hat, für den der neue Kanzler, damals Wirtschaftsminister, im besonderen verantwortlich war: die sogenannte Marktwirtschaft. Es hat keinen Sinn, und wir haben auch keine Zeit, auf diese erbitterte Diskussion nochmals einzugehen. Aber eine Feststellung ist angebracht und gerechtfertigt: Wir hätten nicht den gegenwärtigen wirtschaftlichen und sozialen Stand erreicht, wenn wir nicht diese mit dem Namen Erhard verbundene Politik durchgesetzt, diese Auseinandersetzung bestanden und dieser Gesamtpolitik zum Erfolg verholfen hätten.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Man mag, Herr Kollege Möller, im einzelnen an den Einnahme- und Ausgabepositionen und an der Gesamtheit dieses Haushalts aussetzen, was immer man zu Recht oder weniger zu Recht kann oder will, aber wir hätten heute nicht über einen Haushalt von 60,3 Milliarden DM in Einnahmen und Ausgaben zu diskutieren, wenn sich damals Erhard bei dieser großen, unser Volk bewegenden Auseinandersetzung nicht durchgesetzt hätte.

    (Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Dr. h. c. Dr.-Ing E. h. Möller: Vergessen Sie das deutsche Volk nicht! — Abg. Dr. Fritz [Ludwigshafen] : Aber der Nölting nicht!)

    — Ich glaube, daß das deutsche Volk bei einer Reihe von Gelegenheiten in freier Entscheidung dieser Politik trotz ihrer manchmaligen Härten seine überwältigende Zustimmung gegeben hat.

    (Erneuter Beifall bei der CDU/CSU.)

    14 Haushalte dieser Politik sind von Bundeskanzler Adenauer vorgelegt worden. Vor uns liegt der 15. Haushalt, der Haushalt des Jahres 1964. Wenn Sie, Herr Kollege Möller, an das deutsche Volk erinnern, so habe ich darauf eine Antwort gegeben.

    (Abg. Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller: Die Leistung des deutschen Volkes!)

    — Entschuldigen Sie, daß ich auch darauf eingehe. Darf ich auch einen Kollegen von Ihnen zitieren, Professor Dr. Karl Schiller, der am 3. Oktober 1963 in Essen — ich propagiere hier eine Rede, die auf Ihrem Wirtschaftskongreß gehalten wurde — gesagt hat, es sei die wichtigste Aufgabe einer wachstumsbewußten Wirtschaftspolitik — ich zitiere jetzt wörtlich —:
    die treibenden Kräfte des marktwirtschaftlichen Leistungswettbewerbs, der unternehmerischen Investitionstätigkeit und des technischen Fortschritts in ihrer Eigendynamik zu fördern und die Maßnahmen der staatlichen Wettbewerbspolitik, der Finanz-, Geld- und Kreditpolitik auf das Ziel zu richten, ein optimales Wachstum zu erreichen.

    (Abg. Dr. Deist: Na und?)

    Wenn ich diese Ausführungen in Vergleich — und ich darf wohl auch sagen: in Kontrast — setze zu dem, was über die Wirtschaftspolitik Erhards in den Jahren gesagt worden ist, als man die Streichung seines Gehalts als Minister verlangt hat, dann ist meine Feststellung berechtigt, daß der Kollege Alex Möller sich heute zwar nicht als verlängerter Arm der Regierung, aber immerhin weitgehend als zustimmende Opposition geäußert hat.

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU. — Abg. Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller: Das soll doch nicht kränkend sein!)

    Wenn wir von Kontinuität und Stabilität unserer Politik reden und nicht von neuer Politik, dann nicht deshalb, weil der Blick nach rückwärts gerichtet ist, sondern weil Kontinuität und Stabilität, das Festhalten an Grundlagen, essentiellen Elementen und Zielen dieser Politik die Voraussetzungen für den Fortschritt in die Zukunft sind. Nicht ganz zu Unrecht nennt man Unbeständigkeit als einen angeblich geschichtlich erwiesenen Charakterzug der Deutschen und leitet daraus Sorge und Hoffnungen, Furcht oder Erwartungen ab, Sorge und Furcht bei den einen, die Deutschen könnten wieder einmal eine andere politische Entwicklung im Innern und nach außen nehmen, Hoffnung und Erwartung bei



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    anderen, die Deutschen würden, wenn lange genug mit dem scheinbar Unabänderlichen konfrontiert, zu einer Änderung ihrer Haltung bereit sein, ich meine damit: die Zwei- oder Dreistaatentheorie, sei es auch nur in Raten, anzunehmen, einer Sinnesänderung, die manche als geschichtlichen Realismus empfehlen, manche Befürworter nicht nur jenseits, sondern auch diesseits der unseligen Demarkationslinie, einen Realismus allerdings, der in seiner Pseudoqualität einen Verrat an unseren Rechten und eine geschichtliche Untreue gegenüber unserer Nation darstellen würde. In immer neuer Verkleidung naht sich der Versucher, und in variabler Phraseologie werden seine glatten und scheinbar einleuchtenden Argumente angeboten. Ich möchte mich in diesem Zusammenhang auch nicht scheuen, zu sagen, daß wir die Einheit von Phraseologie und pragmatischem Handeln, die Einheit von Wort und Tat beibehalten sollen und daß nicht durch Deklamation der alten Ziele, aber millimeterweises Abweichen eine Diskrepanz entstehen darf, an deren Ende die Aufgabe von Positionen stehen würde, die wir nie aufgeben dürfen, ohne uns selbst zu verraten.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    All das — wenn ich die 14 Haushalte der alten Regierung und den ersten der neuen zitiere — findet statt in einer Welt, die sich in einer großen Wandlung befindet — ich darf nur die Stichworte erwähnen: die wissenschaftlich-technische Revolution, die industriell-wirtschaftliche Entfaltung und die politische Entwicklung; sie setzen einander voraus und beeinflussen sich gegenseitig —, in einer Welt, in der wachsende materielle Mittel und neue geistige Kräfte das Antlitz der Erde zu verändern oder zu erneuern sich. anschicken. Die Bundesrepublik Deutschland muß in diesem Koordinatensystem, in dem es nicht nur Ordinate und Abszisse gibt, sondern in dem es eine Reihe von Bezugsgrößen gibt, ihre Position suchen. Diese Bezugsgrößen sind einmal das Verhältnis — um das mildeste Wort zu gebrauchen — Ost-West; das zweite ist die Lebensnotwendigkeit der Einheit oder Einigung Europas; das dritte ist das Verhältnis oder die Partnerschaft Europa—Amerika; das vierte ist — und dafür ist gerade dieser Haushalt ein lebendiges Zeugnis — der soziologische Umwandlungsprozeß, der sich seit Jahren im Namen der sozialen Marktwirtschaft vollzieht. Ich glaube es schon einmal von dieser Stelle aus gesagt zu haben, aber ich darf es wiederholen: Der Gründungsauftrag des demokratischen Sozialismus in einer Welt des ausbeuterischen Kapitalismus war absolut legitim, genauso legitim wie der Gründungsauftrag der christlich-sozialen Idee, wenn auch Voraussetzungen und Ziele verschieden gewesen sein mögen. Es gab einen ausbeuterischen Kapitalismus, es gab den Manchester-Kapitalismus des 19. Jahrhunderts, es gab diese himmelschreienden sozialen Zustände der Ungerechtigkeit in der sogenannten Pionierzeit ohne jeden Zweifel. Was man sich aber damals auf seiten des demokratischen Sozialismus zum Ziel gesetzt hat, das ist weitgehend in mühsamer Arbeit unter dem Vorzeichen einer vernünftigen Politik im Zeitalter der Marktwirtschaft erreicht worden.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Herr Kollege Möller, es ist nicht der leiseste Zweifel — und ich wäre der letzte, der das bestreiten wollte —, daß diese Leistung dem deutschen Volke in allen seinen Schichten und Ständen zuzuschreiben ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Aber Sie werden mir, ich nehme an, einen notwendigen Zusatz nicht verargen, nämlich den Zusatz, daß Fleiß, Leistung, Können und Lebensmut eines Volkes nur dann einen Sinn haben, wenn vor ihnen das Vorzeichen einer vernünftigen, verantwortungsbewußten Politik steht.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Der fünfte Faktor ist die wissenschaftlichtechnisch-industrielle, man kann wohl sagen: Revolution, in der wir stehen; der sechste ist die Emanzipation der farbigen Völker; der siebte ist der rapide, wenn auch regional unterschiedliche Bevölkerungszuwachs mit seinen unübersehbaren Problemen. Denken wir daran, daß die Weltbevölkerung im Jahre 2000 6 Milliarden Menschen und im Jahre 2050 voraussichtlich 20 Milliarden Menschen umfassen wird, wenn nicht eine Katastrophe diese Entwicklung verhindert, was Gott verhüten möge. Achtens nenne ich die unbestreitbare Veränderung der Dimensionen, daß wir von einer europäischen Großmacht, die Weltmacht werden wollte, aber nie Weltmacht hätte werden können oder werden sollen, zu einer Größe relativ mittlerer Ordnung geworden sind, die nur im Zusammenhang Europa—Amerika ihr legitimes Lebensinteresse durchsetzen kann.
    Über allen Diskussionen, auch über den Haushaltsplänen der Vergangenheit und über diesem Haushaltsplan steht das große Zauberwort der Gegenwart: Sicherheit, Sicherheit im staatlichen Bereich nach innen und außen, Sicherheit im persönlichen Bereich, Sicherheit in militärischer Hinsicht, Sicherheit in sozialer und wirtschaftlicher Hinsicht. In diesen Tagen ist ein Buch in deutscher Sprache erschienen, das mit Recht Anlaß zum Nachdenken gibt. Es ist die deutsche Übersetzung des Buches von Professor Galbraith „The great crash" — „Der große Krach". Das Buch stellt die Vorgeschichte und den Ablauf der Katastrophe des Jahres 1929 dar; es setzt die Katastrophe des Jahres 1929 in eine Relation zu großen geschichtlichen Erschütterungen. In der Einleitung dieses Buches wird ein Zitat von Präsident Coolidge gebracht, das vom 4. Dezember 1928 stammt, also kurz vor Beginn dieses unglückseligen Jahres, dessen Auswirkungen auch bei uns in die Weltwirtschaftskrise, Massenarbeitslosigkeit, Radikalismus, politische Verzweiflung und andere schlimme Konsequenzen hineingetrieben haben. An diesem 4. Dezember 1928 hat Präsident Coolidge in seiner letzten Message über die allgemeine Lage der USA an den Kongreß folgendes gesagt; selbst der skeptischste Abgeordnete mußte bei seinen Worten Vertrauen schöpfen.
    Er sagte:
    Kein Kongreß der Vereinigten Staaten je zuvor, der die allgemeine Situation der Staaten überblickte, ist mit erfreulicheren Zukunftsaussichten zusammengetreten als den derzeitigen. Im in-



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    nenpolitischen Bereich herrscht Ruhe und Zufriedenheit; es wurde ein Höchststand des Reichtums in einer Folge von prosperierenden Jahren erzielt. Im außenpolitischen Bereich herrscht Friede und Vertrauen zueinander, was von stillschweigendem Verständnis herrührt.
    Er sagte den Gesetzgebern, daß sie und das Land die Gegenwart mit Zufriedenheit betrachten und der Zukunft mit Optimismus entgegensehen können.
    Er brach scharf mit der ältesten unserer politischen Spielregel,
    — so schreibt Galbraith —
    er unterließ es, dieses Wohlergehen der ausgezeichneten Verwaltung zuzuschreiben, der er vorstand. Er sagte weiter, die Hauptquelle dieses beispiellosen Segens liege in der Integrität und im Charakter des amerikanischen Volkes.
    Auch wenn man der Meinung sein kann, daß die Weltwirtschaftskrise aus einer Reihe von Gründen ausgebrochen ist, muß einem die Lektüre gerade dieser Zeilen angesichts der Zeitungsüberschriften von heute und der Erfolgs- und Leistungsberichte doch irgendwie beklemmend anmuten und zu der Frage führen, ob so etwas heute wieder möglich ist. Es ist nicht leicht, hierauf in einem Satz eine Antwort zu geben. Ich möchte versuchen, es auf einen im großen und ganzen richtigen Nenner zu bringen, und sagen: so etwas ist nicht wieder möglich, wenn wir den Grundsätzen und Zielen der Politik treu bleiben, die aus dem Trümmerhaufen der damaligen drei westlichen Besatzungszonen den blühenden Wirtschafts- und Sozialorganismus der Bundesrepublik von 1963 geschaffen hat.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Heute liegen die Dinge ohne Zweifel anders. Der Einfluß der öffentlichen Hand ist größer. Die Finanzpolitik ist heute viel mehr ein wirtschaftspolitisches Instrument als die Wirtschaftspolitik im engeren Sinne des Wortes. Der starke Einfluß der öffentlichen Finanzen auf die gesamte Wirtschaftslage beeinflußt wesentlich die Konjunktur, Beschäftigung und Nachfrage.
    Zu dem Haushalt 1964 möchte ich sagen, daß über ihm drei große Gesichtspunkte stehen: einmal der Gesichtspunkt der freiheitlichen Zielsetzung unseres Staates, der Gerechtigkeitszielsetzung unseres Staates und der Wohlstandszielsetzung unseres Staates. Mehr kann man nach dem, was hinter uns liegt, von einem Haushalt nicht verlangen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Auch dieser Haushalt bietet — darin hat Kollege Möller natürlich recht — keine perfekten Lösungen und keine ideale Vollkommenheit. Aber wo gibt es, sie im irdischen Bereich und wo gibt es sie bei der Unzulänglichkeit dessen, was mit dem Begriff Mensch nun einmal verbunden ist!
    Es ist schon gestern im Pressedienst der SPD und heute in den Ausführungen des Kollegen Alex Möller eine Polemik bei der Erörterung der Frage durchgeklungen, ob in der Rede des Bundesfinanzministers und ob im Finanzplan der Bundesregierung die
    Zuwachsrate realistisch eingesetzt oder ob hier eine stille Reserve, eine stille Ausweitungsmöglichkeit vorhanden sei. Nach den Jahren, die hinter uns liegen, kann man sagen, daß die Prognose des Bundesfinanzministeriums ein hohes Maß an Wahrscheinlichkeit hat. Nach der Entwicklung der allerletzten Monate — man muß die Frage offenlassen, wie lange sie anhält — kann man annehmen, daß ein größeres Wachstum möglich ist. Aber ich glaube, eine Regierung handelt solider und dient damit dem Gesetz der Kontinuität und Stabilität mehr, wenn sie eine vorsichtige Kalkulation anstellt, als wenn sie eine optimistische Kalkulation anstellt, die sich nachher als Illusion erweist.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Es ist auch nicht richtig, daß der Bundesfinanzminister, wie es gestern in einer Presseverlautbarung der SPD stand, bereits die eigenen Grundlagen seiner 'Kalkulation aufgegeben habe. Er hat nur in der Vollständigkeit der Berichterstattung darauf hingewiesen, daß die Arbeitsgemeinschaft der deutschen wirtschaftswissenschaftlichen Forschungsinstitute e. V. Bonn, und zwar sechs ihrer Mitglieder, eine andere Prognose aufgestellt hat, die mit 5,5 % und 7,5 % Real- und Nominalzuwachs operiert.
    Aber der nominale und reale Zuwachs des Bruttosozialproduktes ist allein nicht entscheidend. Das Ganze sind ja Bezugsgrößen. Die entscheidende Frage ist, ob die Haushalte der öffentlichen Hand — dazu kommen Lastenausgleich, Sozialversicherungsträger usw. — überhaupt in einer vernünftigen und auf die Dauer erträglichen Relation zum gesamten Sozialprodukt stehen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Es ist nicht nur die jeweilige Bezugsgröße, nachdem bereits 14 Haushalte vorliegen, sondern es ist die Frage nach der Relation insgesamt. Hier kann man feststellen, daß sich bestimmte Spielregeln eingespielt haben, die nicht deshalb richtig zu sein brauchen, weil sie schon eine ganze Reihe von Jahren eingehalten werden. Ich darf auf folgende Zahlen hinweisen und für einige Jahre einige Vergleichszahlen bieten. Im Jahre 1963 betrug der Zuwachs des Bruttosozialprodukts zum Marktpreis gegenüber dem Vorjahr 7,8 %, davon der Anteil der öffentlichen Hand — Bund, Länder und Gemeinden; Lastenausgleichsfonds, Sozialversicherungsträger usw. hier nicht berücksichtigt — 28,3 %. 1954 betrug der Zuwachs des Sozialprodukts 7,5 %, der Anteil der öffentlichen Haushalte am Sozialprodukt 28,7 %, mit einem Zuwachs von 9 %. Im folgenden bringe ich bloß noch die beiden Zuwachszahlen zueinander: Im Jahre 1955: Sozialprodukt 14,3 %, öffentliche Haushalte plus 7 %; 1956: plus 10,2%, plus 16,6 %; 1957: plus 8,9 %, plus 10,8 %; 1958: plus 7,0 %, plus 7,8 %; 1959: plus 8,4 %, plus 8,5 %; 1960: plus 12 %, plus 13 %; 1961: plus 10 %, plus 11 %; 1962: plus 8,8 %, plus 11,3 %; 1963: plus 6 %, plus 7,2 %. Aus dieser Reihenfolge kann man entnehmen, daß der Zuwachs des Haushalts in allen diesen Jahren, wenn auch mit gewissen Schwankungen, etwas größer gewesen ist als die Zuwachsrate des Bruttosozialprodukts. Nachdem wir aber in diese wirtschaftliche Prosperität und konjunkturelle Entwicklung hineingekommen



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    sind, die wir vielleicht sogar gewünscht haben, soll der Grundsatz der Regierung, die Zuwachsrate des Haushalts mit der Zuwachsrate des Bruttosozialprodukts in Einklang zu bringen, als eine Maßnahme der Normierung, der Stabilisierung und als eine Maßnahme der langfristigen Sicherung der wirtschaftlichen und sozialen Grundlagen anerkannt und, gleichgültig wie man zu den einzelnen Positionen steht, begrüßt werden, weil manche Erscheinungen, die uns zur Zeit beunruhigen und von denen Sie, Kollege Möller, mit Recht gesprochen haben, nur dann gebändigt werden' können — mit politischem, moralischem und legalem Rechte —, wenn hier angesetzt wird.

    (Sehr gut! bei der SPD. — Beifall bei der CDU/CSU.)

    Dazu gehört auch eine Frage, die in diesem Hause in der Vergangenheit, heute und in Zukunft Gegenstand der Diskussion war, ist und sein wird, nämlich die Frage der Steuersenkungen und Steuererhöhungen. Ich glaube, wir stimmen alle darin überein, daß eine Steuererhöhung, weder eine mittelbare noch eine unmittelbare, angesichts der gegebenen Verhältnisse und trotz der bestehenden Konjunktur in Betracht gezogen werden kann.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Ich glaube, daß es auch unser gutes Recht ist, unter diesem Gesichtspunkt die Mehrwertsteuer und die Änderung des Bewertungsgesetzes zu sehen. Ich mache kein Hehl aus meiner politischen Überzeugung, daß Mehrwertsteuer und Bewertungsgesetz auch unter gewissen gesellschaftspolitischen Aspekten nach ihren Auswirkungen gesehen werden müssen, nämlich im Hinblick darauf, daß nicht die ohnehin schon so stark geschmolzene Schicht der mittleren selbständigen Existenzen noch weiter durch solche scheinbar neutralen, aber in Wirklichkeit sich einseitig auswirkenden steuerlichen Maßnahmen vermindert werden darf.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Dem muß unsere Aufmerksamkeit gelten aus Gründen, die weit jenseits einer parteipolitischen Zielsetzung liegen.

    (Abg. Dr. Deist: Sehr richtig!)

    Im Haushaltsjahr 1964 liegen die Dinge so, daß die Haushalte der öffentlichen Hand — Bundes- und Länderhaushalte — 100 Milliarden DM ausmachen, die Haushalte der übrigen Gebietskörperschaften 30 Milliarden DM, die Haushalte der öffentlichen Sozialversicherung ohne die Staatszuschüsse — mit Haushaltslastenausgleich — 45 Milliarden DM, zusammen 175 Milliarden DM, bei einem zu erwartenden Bruttosozialprodukt von 400 bis 405 Milliarden DM, d. h. daß bis zu 40% des Sozialproduktes durch die öffentliche Hand vereinnahmt und verausgabt werden. Hier besteht die Gefahr, daß bei weiterer Verschiebung der Relation zugunsten der öffentlichen Hand das System der Marktwirtschaft in einem doch irgendwie kollektivistisch sich auswirkenden Staatskapitalismus Schaden leiden muß.

    (Beifall in der Mitte und rechts.)

    Wir haben uns gegen die Sozialisierung — gleichgültig, von welcher Seite — gewandt. Das gilt auch für die „kalte Sozialisierung", die Löhne und Einkommen durch den ständig steigenden Anteil der öffentlichen Hand betrifft. Damit ist aber noch nichts über die Frage ausgesagt: wieviel kann der Staat ausgeben? Ich glaube, daß eine objektive, absolute Aussage mit arithmetischer Genauigkeit nicht gegeben werden kann. Ich glaube auch, daß das sonst so oft erwähnte magische Dreieck, nämlich Vollbeschäftigung, Preisstabilität und ausgeglichene Zahlungsbilanz, an sich noch nicht alles aussagt; denn Vollbeschäftigung, Preisstabilität und ausgeglichene Zahlungsbilanz können auch bei nicht voll befriedigenden Lebensverhältnissen erreicht werden.
    Zu diesem „magischen Dreieck" würde ich die kulturelle Existenz der Gesamtheit unseres Volkes als eines der vier Ziele, die hier im Auge behalten werden müssen, hinzurechnen.

    (Abg. Dr. Martin: Sehr gut!)

    Hier sind natürlich den Ausgaben des Staates bestimmte Grenzen gesetzt. Man kann die Ausgaben nicht beliebig steigern; aber, Kollege Möller, ich sage das gerade im Zusammenhang mit Ihren letzten für mich sehr interessanten Ausführungen: man kann auch die Aufgaben nicht beliebig vermindern. Das ist eine Frage der Schwerpunkte und eine Frage der Prioritäten.
    In diesem Zusammenhang möchte ich ein Problem anschneiden, dessen Behandlung einem im allgemeinen nicht nur Mißverständnisse, sondern vielleicht noch Ungünstigeres einbringt, nämlich die Lage auf dem Arbeitsmarkt. Wenn man davon ausgeht, daß der Staat nicht mehr ausgeben kann, als er einnimmt — jedenfalls über einen längeren Zeitraum hinweg, wenn auch gewisse Verschiebungen innerhalb dieses Zeitraums möglich sind —, wenn man davon ausgeht, daß gerade angesichts dieser Situation bestimmte Aufgaben weder gestrichen noch in ihrem Umfang wesentlich vermindert noch auf die lange Bank geschoben werden können, wenn man weiter davon ausgeht, daß bei den bestehenden Steuersätzen und der bestehenden Steuerverteilung jedenfalls Klarheit darüber besteht, daß Steuererhöhungen nicht möglich sind — inwieweit innere Umstellungen möglich sind, ist eine andere Frage; aber allzuviel Hoffnung kann man hier nicht haben —, wenn man von diesen Daten ausgeht, kann man sehr wohl zu der Schlußfolgerung kommen — auch angesichts dieses Haushalts, der Bindungen schon für den Haushalt 1965 und der Vorbelastungen für die Zukunft —, daß die Einnahmen nicht ausreichen, um die auch mit Bescheidenheit ausgedrückt notwendigen Ausgaben zu decken. Dabei gehe ich davon aus, daß „notwendig" nicht durch den Ehrgeiz einer Regierung oder einer politischen Gruppierung bestimmt werden soll, sondern daß es dafür einen halbwegs objektiven Maßstab geben kann. Wenn aber die Einnahmen nicht ausreichen, wenn eine Einnahmeerhöhung durch Steuererhöhung nicht möglich ist und wenn die Ausgaben nicht beliebig zu manipulieren sind — sei es aus diesem oder jenem Grund —, dann muß die Frage,



    Dr. h. c. Strauß
    wieweit wir uns noch eine Verminderung des Zuwachses des Sozialprodukts durch Verkürzung der Arbeitszeit leisten können, ich darf sagen, parteipolitisch neutral, im Interesse unseres Gesamtvolkes einmal ernsthaft geprüft werden.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Ich habe vor einigen Tagen die Stellungnahme der IG Metall zu der Verkürzung der Arbeitszeit gelesen, die ja in dem Tarifvertrag ausgehandelt worden ist und deren Einforderung das gute Recht der Industriegewerkschaft Metall war. Wenn es aber dort heißt, daß sich die Verkürzung der Arbeitszeit nicht auf .die Produktion auswirke, dann kann doch niemand in diesem Hause hier, das verantwortlich über diese Probleme zu sprechen hat, sich einem solchen Standpunkt anschließen, gleichgültig, bei welcher Partei er ist. Wenn die Arbeitszeit um eine weitere gute Stunde verkürzt, auf 41 1/4 Stunden begrenzt Wird, wenn .damit die Maschinenauslastung und die Auslastung der Betriebsmittel vermindert wird und wenn damit einfach zwangsläufig — nicht nur von den Löhnen her — höhere Kosten entstehen und wenn das Ausweichen in teuere Investitionen entweder bestimmte Zeit dauert oder höhere Kosten verursacht, dann sind doch hier Ansätze, die man auch im Zusammenhang 'mit dem Haushalt und nicht nur im Zusammenhang mit der Sozialpolitik und der Frage der individuellen Lebenshaltung behandeln muß. Denn hier geht das alles Hand in Hand.