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ID0410614400

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    Deutscher Bundestag 106. Sitzung Bonn, den 9. Januar 1964 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung . 4825 A, 4912 C Fragestunde (Drucksachen IV/1766, IV/1806, IV/1812) Frage des Abg. Dr. Müller-Emmert: Zweites Fernsehprogramm in der Pfalz Stücklen, Bundesminister 4825 C, D, 4826 A Dr. Müller-Emmert (SPD) 4825 D Kaffka (SPD) 4826 A Frage des Abg. Dr. Müller-Emmert: Erleichterungen bei der Rentenauszahlung Stücklen, Bundesminister . . 4826 A, B, C, D, 4827 A, B, C Dr. Müller-Emmert (SPD) . . . . 4826 B, D Cramer (SPD) 4826 C Fritsch (SPD) 4827 A Büttner (SPD) 4827 B Dürr (FDP) 4827 C Fragen des Abg. Dr. Kübler: Schadenersatzforderungen für verlorengehende Telegramme und Haftpflicht für nicht übermittelte Telegramme 4827 D Fragen des Abg. Kubitza: Zulässige Wörter bei gedruckten Glückwunschkarten Stücklen, Bundesminister . . 4828 A, C, D, 4829 A, B Kubitza (FDP) . . . . . . . 4828 C, D Schwabe (SPD) 4829 A, B Sänger (SPD) 4829 B Fragen des Abg. Strohmayr: Zahl der noch in Wohnlagern untergebrachten Familien und Einzelpersonen Krüger, Bundesminister 4829 C Frage des Abg. Fritsch: Grabmal des Unbekannten Soldaten Höcherl, Bundesminister 4830 A Frage des Abg. Fritsch: Gesetz über den Grenzaufsichtsdienst Grund, Staatssekretär 4830 B, C, D, 4831 A Fritsch (SPD) 4830 B, C Lautenschlager (SPD) 4830 D Gscheidle (SPD) . . . . . . . 4831 A II Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 106. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 9. Januar 1964 Frage des Abg. Cramer: Gemeinde Nordseebad Wangerooge Schmücker, Bundesminister . . . 4831 A, C Cramer (SPD) 4831 C Fragen des Abg. Glüsing (Dithmarschen) : Deutsche Muschelfischerei . . . . . 4831 D Fragen des Abg. Dr. Gleissner: Angebliche Erklärung des Leiters des Flughafens München-Riem betr. Starts und Landungen in östlicher Richtung Dr. Seiermann, Staatssekretär . . 4832 A, B Frage des Abg. Dr. Ramminger: Anschluß der Autobahn Regensburg- Passau an die geplante österreichische Autobahn Linz-Passau Dr. Seiermann, Staatssekretär . . 4832 C, D Dr. Ramminger (CDU/CSU) . . . . 4832 C Frage des Abg. Dr. Ramminger: Änderung der früheren Linienführung der Autobahn Linz-Passau Dr. Seiermann, Staatssekretär . . . 4832 D, 4833 A, B Fritsch (SPD) . . . . . . . . . 4833 A Frage des Abg. Dr. Ramminger: Trasse der Autobahn Regensburg-Passau Dr. Seiermann, Staatssekretär . . 4833 B, C Dr. Ramminger (CDU/CSU) . . . 4833 B Fritsch (SPD) 4833 C Frage des Abg. Dr. Pohlenz: Teilstück Wesel-Hamminkeln der Holland-Autobahn Dr. Seiermann, Staatssekretär . . . 4833 D, 4834 A Dr. Pohlenz (SPD) 4833 D Frage des Abg. Dr. Pohlenz: Verkehr zwischen der Autobahnabfahrt Hamminkeln und der Bundesstraße 8 Dr. Seiermann, Staatssekretär . 4834 A, B, C Dr. Pohlenz (SPD) 4834 B, C Frage des Abg. Büttner: Änderung oder Ergänzung der Straßenverkehrsordnung (§ 45 StVO) Dr. Seiermann, Staatssekretär . . 4834 C, D, 4835 A Büttner (SPD) . . . . . 4834 D, 4835 A Sammelübersicht 24 des Petitionsausschusses über Anträge zu Petitionen (Drucksache IV/1779) 4835 B Mündlicher Bericht des Vermittlungsausschusses zu dem Ersten Gesetz zur Änderung des Beteiligungsverhältnisses an der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer (Drucksache IV/1770) Dr. h. c. Eberhard, Staatsminister . . 4835 B Dr. Schmidt (Wuppertal) (CDU/CSU) 4838 B Dr. Schäfer (SPD) . . . . . . . 4838 D Dr. Imle (FDP) 4839 D Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1964 (Haushaltsgesetz 1964) (Drucksache IV/1700) — Erste Beratung — in Verbindung mit Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung eines Nachtrags zum Bundeshaushaltsplan für das Rechnungsjahr 1963 (Nachtragshaushaltsgesetz 1963) (Drucksache IV/1699) — Erste Beratung — Dr. Dr. h. c. Erhard, Bundeskanzler 4840 B Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller (SPD) 4849 B, 4908 A Dr. Barzel (CDU/CSU) . . . . . . 4859 C Dr. Emde (FDP) 4864 A Dr. h. c. Strauß (CDU/CSU) . . . 4871 D Erler (SPD) 4883 D Dr. Vogel (CDU/CSU) . . . . . 4892 B Freiherr von Kühlmann-Stumm (FDP) 4898 B Ritzel (SPD) . . . . . . . . . 4899 D Dr. Althammer (CDU/CSU) . . . . 4902 C Dr. Dichgans (CDU/CSU) . . . . . 4904 D Dr. Artzinger (CDU/CSU) . . . . 4906 C Seuffert (SPD) . . . . . . . . 4909 D Dr. Dahlgrün, Bundesminister . . . 4910 A Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes vom 22. Juni 1954 über den Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zum Abkommen über die Vorrechte und Befreiungen der Sonderorganisationen der Vereinten Nationen vom 21. November 1947 und über die Gewährung von Vorrechten und Befreiungen an andere zwischenstaatliche Organisationen (Drucksache IV/1482); Schriftlicher Bericht des Auswärtigen Ausschusses (Drucksache IV/1776) — Zweite und Dritte Beratung — . . . . . . . . . 4911 D Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 106. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 9. Januar 1964 III Entwurf eines Gesetzes zu dem Assoziierungsabkommen vom 12. September 1963 zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei sowie zu dem mit diesem Abkommen im Zusammenhang stehenden Abkommen (Drucksache IV/1788) 4912 A Entwurf eines Siebenten Gesetzes zur Änderung des Strafrechtsänderungsgesetzes (CDU/CSU, SPD, FDP) (Drucksache IV/ 1817) 4912 C Nächste Sitzung 4912 C Anlage 4913 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 106. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 9. Januar 1964 4825 106. Sitzung Bonn, den 9. Januar 1964 Stenographischer Bericht Beginn: 9.01 Uhr
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    Anlage Liste der beurlaubten Abgeordneten Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Adorno 31. 1. Dr. Aigner * 9: 1. Frau Albertz 10. 1. Arendt (Wattenscheid) 10. 1. Bauer (Wasserburg) 10. 1. Frau Berger-Heise 10. 1. Bergmann * 9. 1. Frau Beyer (Frankfurt) 10. 1. Birkelbach* 9. 1. Frau Blohm 10. 1. Blumenfeld 18. 1. Frau Brauksiepe 10. 1. Dr. von Brentano 21. 3. Brück 10. 1. Brünen 10. 1. Dr. Burgbacher * 9. 1. Deringer * 9. 1. Frau Dr. Elsner * 9. 1. Faller * 9. 1. Dr. Frede 10. 1. Dr. Dr. h. c. Friedensburg 10. 1. Dr. Furler* 9. 1. Dr. Gerlich 10. 1. Günther 10.1. Haage (München) 10. 1. Hahn (Bielefeld) * 9. 1. Hammersen 10.1. Dr. Harm (Hamburg) 31. 1. Hauffe 10. 1. Dr. Hellige 9. 1. Dr. Hesberg 9. 1. Holkenbrink 9. 1. Hörauf 4. 2. Hörmann (Freiburg) 9. 1. Illerhaus * 9. 1. Frau Jacobi (Marl) 10. 1. Kalbitzer * 9. 1. Kemmer 9. 1. Dr. Kempfler 10.1. Abgeordneter) beurlaubt bis einschließlich Klein (Saarbrücken) 10. 1. Klinker * 9. 1. Dr. Kreyssig 10. 1. Kriedemann * 9. 1. Dr. Kübler 16. 1. Freiherr von Kühlmann-Stumm 9. 1. Lemmer 10. 1. Lenz (Bremerhaven) 15.2. Lenz (Brühl) * 9. 1. Lücker (München) * 9. 1. Margulies * 9. 1. Mauk * 9. 1. Mengelkamp 10. 1. Metzger * 9. 1. Michels * 9. 1. Dr. Miessner 10. 1. Dr. Müller-Hermann * 9. 1. Peiter 10.1. Dr.-Ing. Philipp * 9. i. Frau Dr. Probst * 9. 1. Rademacher * 9. 1. Richarts * 9. 1. _ Ruland 22. 2. Dr. Rutschke 17. 1. Sander 10. 1. Schmitt-Vockenhausen 9. 1. Schneider (Hamburg) 24. 1. Seidl (München) 10. 1. Seifriz * 9. 1. Dr. Seume 10. 1. Dr. Starke * 9. 1. Frau Strobel* 9. 1. Struve 10. 1. Weinkamm * 10. 1. Wendelborn 10. 1. Wilhelm 10. 1. Wolf 9. 1. Wullenhaupt 31. 1. Zoglmann 9. 1. b) Urlaubsanträge Dr. Bieringer 7. 2. *) Für die Teilnahme an einer Tagung des Europäischen Parlaments
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    Rede von Dr. Alex Möller


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Bundeskanzler hat zu Beginn seiner Ausführungen erklärt, daß er die Gelegenheit dieser Haushaltsdebatte benutzen möchte, um das Parlament über wichtige Ergebnisse seiner politischen Reisen zu unterrichten. Wir begrüßen die uns damit zuteil gewordene Aufklärung, die vor allen Dingen in einigen Punkten doch Erleichterung, insbesondere in meiner Fraktion, hervorgerufen hat. Ich komme darauf noch zurück.
    Wenn der Herr Bundeskanzler nun auch einige Bemerkungen zur haushaltspolitischen Lage gemacht hat, so wird er Verständnis dafür haben, daß ich ihm hier nicht in demselben Umfang folgen kann, wie das hinsichtlich seiner außenpolitischen Konzeption der Fall ist. Das wäre bei den einzelnen Teilen meiner Stellungnahme zum Bundeshaushalt 1964 zum Ausdruck zu bringen. Aber gestatten Sie mir, meine Damen und Herren, einige wenige Anmerkungen zu den außenpolitischen Ausführungen des
    Herrn Bundeskanzlers, wobei ich den Hinweis hinzufüge, daß es meine Fraktion selbstverständlich als eine politische Aufgabe ansieht, sich mit wichtigen Teilen dieser außenpolitischen Konzeption eingehend zu beschäftigen.
    Der Herr Bundeskanzler hat recht, wenn er auf zwei wichtige Punkte unserer Haltung in der Außenpolitik hingewiesen hat, nämlich auf das Bekenntnis der Aussöhnung mit Frankreich, ohne daß dadurch unsere Beziehungen zum amerikanischen Bündnispartner tangiert werden können.

    (Beifall bei der SPD.)

    Das Hohe Haus hat ja erfreulicherweise durch eine Präambel zum deutsch-französischen Vertrag hinsichtlich der einmütigen Haltung der Bundesrepublik Deutschland jeden Zweifel beseitigt,

    (Zuruf von der SPD: Sehr wahr!)

    und die Wirkung in der Weltöffentlichkeit wäre sicherlich noch größer und zwingender, wenn eine ähnliche Präambel auch vom französischen Parlament verabschiedet worden wäre.

    (Beifall.)

    Meine Damen und Herren, in allen Gesprächen, die man seit Verabschiedung des deutsch-französischen Vertrages in Amerika führen konnte, wird man auf solche Fragen aufmerksam gemacht, und jeder von uns, der diese Gespräche geführt hat, wird sich veranlaßt gesehen haben, den amerikanischen Freunden zu sagen, wie stark die freie Welt und wie stark insbesondere Amerika daran interessiert ist, daß diese Aussöhnung zwischen Deutschland und Frankreich ein fester Bestandteil der westlichen Politik bleibt.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten in der Mitte.)

    Meine Damen und Herren, ich freue mich auch, daß aus den Ausführungen des Herrn Bundeskanzlers eine Würdigung der Haltung Amerikas, insbesondere der durch den Präsidenten Kennedy eingeleiteten neuen amerikanischen Politik, erkennbar war. Ich hoffe, daß insoweit nicht durch unser Verschulden zu irgendeinem Zeitpunkt neue Mißklänge im deutschfranzösischen Verhältnis bemerkbar werden, daß wir auch hier in diesem deutsch-amerikanischen Verhältnis uns in vollem Umfang von gegenseitigem Vertrauen leiten lassen und daß jedes Mißtrauen im politischen Handeln der beiden großen aufeinander angewiesenen Staaten verschwindet.

    (Beifall bei der SPD.)

    Denn, meine Damen und Herren, es ist ja in jeder Weise ein Bündnis auf Gegenseitigkeit. Sosehr wir Deutschen Amerika brauchen und alles zu tun haben, um uns in der Erfüllung dieser großen nationalen Pflicht von keinem Amerikaner überspielen zu lassen, ist auch Amerika daran interessiert, daß dieser europäische Kontinent, der noch frei ist, der also in gefährlichem Sinne eine Vorpostenlinie in der großen Auseinandersetzung zwischen der westlichen Welt und dem Kommunismus darstellt, daß dieser Teil Europas wirklich über eine innere demokratische Stabilität verfügt. Denn nur so groß, wie diese



    Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller
    innere demokratische Stabilität ist, ist der Wert
    Deutschlands und dieses Europas auch für Amerika.

    (Beifall bei der SPD.)


    Meine Damen und Herren, es ist selbstverständlich, daß wir bei einer anderen Gelegenheit auf die bemerkenswerten Ausführungen des Herrn Bundeskanzlers zurückkommen werden, die sich mit Brüssel, die sich mit der EWG als Faktor der Weltpolitik beschäftigt haben. Wir teilen in großem Umfang seine Sorgen, ob das Abtreten nationaler Rechte ohne eine ausreichende politisch-parlamentarische Kontrolle auf die Dauer aufrechterhalten werden kann. Alle Ansätze, die in dieser Richtung schon gemacht worden sind, werden dabei einer Würdigung unterliegen. Wie gesagt, wir werden auf diese Ausführungen bei einer anderen Gelegenheit positiv zurückkommen, weil wir glauben, daß hier Wege aufgezeigt werden, die wir notwendigerweise beschreiten müssen. Denn ganz sicher haben doch die Erfahrungen der vergangenen Jahre bewiesen, daß eine wirtschaftliche Trennung des westlichen Europas politische Gefahren heraufbeschwört. Aus dieser wirtschaftlichen Trennung ergeben sich Differenzen, die politische Auswirkungen haben können. Solche politische Auswirkungen sind auf die Dauer einfach nicht zu vertreten.
    Ganz besonders dankbar — ich glaube, ich kann das für die sozialdemokratische Fraktion erklären, ohne sie besonders fragen zu müssen — sind wir dem Herrn Bundeskanzler für seine eindeutigen
    Ausführungen über die volle Übereinstimmung zwischen der Bundesregierung und dem Senat von Berlin in all den Fragen der letzten Wochen, die ja Gegenstand mancher Erörterungen und mancher Mißdeutungen gewesen sind.

    (Beifall bei der SPD.)

    Die eindeutige Haltung, die hier der Herr Bundeskanzler eingenommen hat, wird von uns in vollem Umfang begrüßt, und wir sind davon überzeugt, daß ein solches Zusammenwirken der Bonner Bundesregierung, des Berliner Senats und der westlichen Alliierten immer zu guten Ergebnissen im Rahmen des politisch Möglichen führen wird.
    Sie, Herr Bundeskanzler, haben nun darauf hingewiesen, daß Ihnen noch manche außenpolitische Reise bevorstehe. Sie dürfen sicher sein, daß die sozialdemokratische Bundestagsfraktion Sie mit allen guten Wünschen für beste Ergebnisse begleitet,

    (Beifall bei SPD)

    aus dem ganz einfachen Grunde, weil wir Sozialdemokraten Sie, Herr Bundeskanzler, nicht als den Bundeskanzler der einen oder anderen Partei, sondern als den Bundeskanzler des ganzen deutschen Volkes ansehen

    (Beifall)

    und Ihnen deswegen für das deutsche Volk den Erfolg wünschen, den unser leidgeprüftes Volk nun wirklich braucht.

    (Beifall.)

    Das wollte ich zu den außenpolitischen Bemerkungen und zu den wichtigen außenpolitischen Informationen sagen, die der Herr Bundeskanzler vorgetragen hat.
    Nun, meine Damen und Herren, hatte ich vor, mich zunächst einmal mit zwei wichtigen haushaltspolitischen Fragen zu beschäftigen, bin aber der Meinung, daß ich das zunächst einmal den Rednern der Koalition überlassen sollte. Ich bin auf die Idee nicht von selbst gekommen, sondern auch durch einige Bemerkungen des Herrn Bundestagspräsidenten über das Gewicht der Kontrolle des Parlaments gegenüber der Bundesregierung. Und da interessiert es uns — ohne daß wir Ihnen vorher einen Waschzettel liefern —, wie Sie zu zwei wichtigen Punkten des Haushaltsgesetzes stehen.
    Punkt eins ist die Tatsache, daß wieder einmal die Bestimmung des Art. 110 Abs. 2 des Grundgesetzes verletzt worden ist, indem der Haushaltsplan nicht vor Beginn des Rechnungsjahres durch ein Gesetz festgestellt wurde. Das ist seit vielen Jahren leider die Übung geworden, und Sie werden Verständnis dafür haben, daß wir wissen möchten, wie die Mehrheit des Hauses zu dieser Bestimmung des Grundgesetzes steht und inwieweit sie auf ihre Bundesregierung Einfluß nehmen möchte, diesem Prinzip des Grundgesetzes Geltung zu verschaffen.
    Ein Zweites. Wir sind der Meinung, daß das Haushaltsgesetz in vielen Punkten so gestaltet worden ist, daß man es beinahe als ein Ermächtigungsgesetz für die Bundesregierung bezeichnen müßte.

    (Abg. Dr. Schäfer: Sehr richtig!)

    Sie werden ja auch bemerkt haben, in wie großem Umfang hier das Etatrecht des Parlaments kastriert werden soll.

    (Abg: Dr. Schäfer: Sehr richtig!)

    Wir möchten wissen, wie die Mehrheit dieses Hohen Hauses — weil wir ja allein nicht ausreichen, wenigstens zur Zeit noch nicht ausreichen, das zu verhindern — nun über dieses Haushaltsgesetz denkt und welche Anträge sie gemeinsam mit uns einzubringen beabsichtigt, um das Etatrecht, das wichtigste Recht eines Parlaments in einem demokratischen Staat, in vollem Umfang wieder herzustellen.

    (Beifall bei der SPD.)

    Zwei ganz interessante Aufgaben! Der Herr Kollege Vogel, der mir sagte, er habe nicht vor, heute länger zu sprechen, wird sich ja nun doch wohl etwas eingehender mit dieser Problematik, die man nicht mit ein paar Redensarten abtun kann, zu beschäftigen haben. Ich darf Ihnen versichern, daß wir im Laufe der heutigen Debatte auch noch unseren Beitrag zu diesen beiden Kapiteln leisten werden.
    Meine Damen und Herren, wer zu einem Haushaltsentwurf des Bundes Stellung nehmen will, der muß die gesamtwirtschaftlichen Aspekte, die für die Etatgestaltung von Bedeutung sind, sorgfältig untersuchen. Nichts kennzeichnet die konjunkturellen Erwartungen für 1964 besser als die Steigerungen der vorausgeschätzten Zuwachsraten für das nominale und reale Sozialprodukt 1964 im Verlaufe der letzten Wochen des vergangenen Jahres. Der im Dezember vorgelegte Wirtschaftsbericht der Bundes-



    Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller
    regierung schätzt den nominalen Zuwachs auf 6,4 und den realen auf 4,5 v. H. Die Gemeinschaftsdiagnose der Forschungsinstitute von Mitte Dezember —darauf ist schon hingewiesen worden — veranschlagt die Zuwachsraten auf 7,5 und 5,3 v. H.
    Ich komme bei einem anderen Punkt meiner Ausführungen noch auf das Bekenntnis des Herrn Bundeskanzlers zurück, daß er nur graduell sündigt, daß er einen Teil der nominalen Zuwachsrate des Bruttosozialprodukts für die Einnahmeseite des Bundeshaushalts akzeptiert, — aber einen Teil nur, der willkürlich gewählt ist und der nicht der jetzigen Lage entspricht. Es muß überraschen, daß die im Ersten Wirtschaftsbericht der Bundesregierung dominierenden, aber konjunkturpolitisch deplacierten Maßhalterichtlinien im Zweiten Wirtschaftsbericht völlig in den Hintergrund getreten sind. Nun mag zu dem neuen Maßhalten im Moralisieren die Kritik, die der verbale Teil des Ersten Wirtschaftsberichts wegen seines Ideologiegehalts erfahren hat, beigetragen haben. Wichtiger scheint mir jedoch zu sein, daß das neue Steigen der Ausfuhrüberschüsse jedwelcher Art von Restriktion der Binnennachfrage den Boden unter den Füßen weggezogen hat.

    (Abg. Erler: Sehr wahr!)

    Nicht ohne Grund wird hierauf im Zweiten Wirtschaftsbericht mehrmals hingewiesen. Der Schlußabsatz 31 des Wirtschaftsberichts enthält beispielsweise Hinweise auf die Notwendigkeit internationaler Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der Preisstabilität.
    Die deutsche Wettbewerbsfähigkeit, meine Damen und Herren, auf den Märkten des In- und Auslandes hat, wenn sie bei dem niedrigen Aufwertungssatz im März 1961 je als gefährdet angesehen werden konnte, sich wiederhergestellt, ohne daß die Maßhaltezielsetzungen der Leitlinien respektiert worden sind. Statt einer Orientierung der Ausgaben der öffentlichen Hand an der zu erwartenden Zunahme des realen Sozialprodukts von 3,5 v. H., die ja schon im Zahlenteil des gleichen Berichts nicht mehr ernst genommen wurde, hat es eine Erhöhung der öffentlichen Verbrauchsausgaben — siehe Zahlenteil im Zweiten Bericht! — um 11 v. H., der öffentlichen Einkommensübertragungen um 8,1 v. H. und der öffentlichen Investitionen in zwar nicht quantifizierter Höhe, mindestens aber in Höhe der Bauinvestitionen, nämlich in mit plus 7,2 v. H. anzusetzender Intensität, gegeben. Statt einer Steigerung der Lohn- und Gehaltssumme je Beschäftigten von, wie gefordert, 3 bis 3,5 v. H. hat, wie dem Zweiten Wirtschaftsbericht zu entnehmen ist, die Zuwachsrate der Brutto-Einkommen aus unselbständiger Arbeit je Kopf fast 6% betragen.
    Diese Feststellungen sind deswegen erfreulich, weil ohne Ignorierung der Leitlinien nicht einmal die bescheidene Zuwachsrate des realen BruttoSozialprodukts von 3 % zu erreichen gewesen wäre, dafür aber für 1964 die Voraussetzungen für einen noch stärkeren Ausfuhrüberschuß entstanden wären. Im zweiten Wirtschaftsbericht wird der Außenbeitrag für 1964 auf 3,8 Milliarden DM geschätzt. Das ist sicherlich zu niedrig. Aus den von den Forschungsinstituten geschätzten Zuwachsraten läßt sich der von ihnen veranschlagte Außenbeitrag auf 6 Milliarden errechnen.
    Dieser ganze Komplex hat in der Haushaltsdebatte 1963, insbesondere in der ersten Beratung, eine zentrale Rolle gespielt. Es gibt keinen Grund, diesmal anders zu verfahren, wobei nur zu hoffen ist, daß die Bundesregierung nun realistischer in ihrer Verbindung des Beitrags des Bundeshaushalts zur gesamtwirtschaftlichen Stabilität verfährt. Sicher ist das allerdings nicht. Denn nach wie vor wird für die Ausgabensteigerung der öffentlichen Hand ein Limit gesetzt, das nicht aus der außenwirtschaftlichen Situation abgeleitet wird und das daher zu den Leitlinien für private Investitionsnachfrage und private Konsumnachfrage speziell und für die Binnennachfrage im allgemeinen in Widerspruch geraten kann. Dieses Limit wird in der zu erwartenden Steigerung des Bruttosozialprodukts gesehen. Volkswirtschaftlich müßte das Limit zweifellos noch auf andere Kriterien Rücksicht nehmen, um nicht, insbesondere in der jetzigen Situation, durch eigenes Verhalten zu weiter steigenden Ausfuhrüberschüssen zu kommen.
    Vielleicht bringt schon das Jahr 1965 für den Bundesetat ein, dann aber begründetes Maßhalteerfordernis. Bis dahin kann die scharfe Preissteigerung im Ausland unter Kontrolle gebracht worden sein, so daß dann erstens eine Binnenrestriktion konjunkturpolitisch wirksam würde, und zweitens könnte sich die Investitionsnachfrage der deutschen Unternehmen derart entwickelt haben, daß auch durch Zurückhaltung im öffentlichen Sektor zur erreichbaren Stabilität beigetragen werden muß. Wem wirklich an einer Preisstabilität liegt, hat die einzelnen Herde ihrer ständigen Gefährdung sorgfältig zu unterscheiden. Nicht immer — das haben wir jetzt erlebt — ist eine konjukturelle Überhitzung ihr Anlaß. Das hat sich besonders deutlich im Jahre 1963 gezeigt. Wie wir dem neuen Wirtschaftsbericht der Bundesregierung entnehmen können, ist mehr als die Hälfte des auf rund 3 % geschätzten Anstiegs der Verbraucherpreise — ich zitiere wörtlich — auf „von der Konjunkturentwicklung weitgehend unabhängige Faktoren" entfallen. Neben — ich zitiere wieder — „witterungsbedingten Verteuerungen bei Nahrungsmitteln und Brennstoffen" haben dazu in starkem Maße — das sage ich jetzt — öffentlich veranlaßte Preiserhöhungen bei Bahn und Post, bei Wohnungsmieten und bei .den Nahrungsmitteln beigetragen.
    Was nützt aber die Einschränkung von Ausgaben im Bundeshaushalt zu idem ausdrücklich erklärten Zweck, Preisstabilität zu bewirken, wenn die gleiche Regierung auf den von ihr unmittelbar zu beeinflussenden Gebieten bewußt Preissteigerungen herbeiführt?

    (Abg. Erler: Sehr wahr!)

    Was nützen dem Verbraucher und was nützen dem Kaufmann Stabilisierungshaushalte und Maßhalteetats, die, wie das letzte Jahr bewiesen hat, Preisstabilität deklamieren, aber nicht zu realisieren imstande sind, vielleicht auch gar nicht imstande sein können, wenn die Quelle der Preissteigerung



    Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller
    eben nicht konjunkturpolitische Überhitzung oder Lohnauftrieb gewesen ist, die mit der Höhe der öffentlichen Gesamtausgaben einer mittelbaren Regulierung fähig wären.
    Meine Damen und Herren, wenn Sie diesen Teil meiner Ausführungen in leise Zweifel ziehen möchten, empfehle ich Ihnen, die Seite 12 des Wirtschaftsberichts der Bundesregierung aufzuschlagen, die Ziffer 24 vorzunehmen, und Sie werden eine volle Bestätigung meiner Ausführungen dieser Ziffer 24 entnehmen können.
    Auch 1964 scheint sich an dieser Grundsituation nichts geändert zu haben. Zwischen den Ausführungen im Wirtschaftsbericht des Kabinetts und des Herrn Bundesfinanzministers bei der Einbringung des Etats klaffen in diesem Punkt nicht zu überbrückende Widersprüche. Wenn keine Übernachfrage zu befürchten ist — und darin besteht doch allgemeine Übereinstimmung —, dann gilt es, die außerkonjunkturellen Quellen der Preissteigerung zu verstopfen, und diese liegen zunächst einmal und für die Regierung leicht erreichbar auf agrar-, wohnungs- und verkehrspolitischem Gebiet.
    In der weiteren Zukunft kann sich das allerdings ändern, und vielleicht — darauf habe ich schon hingewiesen — werden 1965 konjunkturell verursachte Preissteigerungen auch konjunkturpolitisch, d. h. auch durch Zurückhaltung bei öffentlichen Ausgaben, bekämpft werden müssen.
    Aber gerade diese Überlegungen scheint die Bundesregierung nicht anzustellen. Mit Rücksicht auf die Bundestagswahl versucht sie, jetzt Mittel für 1965 vorzubereiten und flüssig zu machen, obwohl 1964, wie die gemeinsamen Vorausschätzungen der Forschungsinstitute zeigen, ein höheres reales Wachstum ohne ein Mehr an Preissteigerungen möglich ist.
    Daraus ergibt sich für die sozialdemokratische , Bundestagsfraktion die Forderung: nur eine gegenwartsnahe, sachverständige gesamtwirtschaftliche Prognose kann für die Ermittlung des finanziell Möglichen in der Etatgestaltung maßgebend sein.
    Was für Folgerungen sind nun aus diesen Überlegungen zunächst für die Einnahmeseite des Bundeshaushalts zu ziehen? Legt man die neue Interessenquote des Bundes von 39 % der Bundeseinnahme zugrunde, so würde der hieraus resultierende Einnahmeausfall durch die zu erwartenden Steuermehreinnahmen im Falle einer Sozialproduktsteigerung um 7,5 % ausgeglichen werden. Wir schätzen, daß sich in diesem durchaus realistischen Fall die gesamten Steuereinnahmen des Bundes auf 53 560 Millionen stellen und damit um 60 Millionen DM höher liegen als der Ansatz des Etatentwurfs mit einer Interessenquote von 40 %. Ich gebe zu, daß insoweit der Herr Bundesfinanzminister bei seiner Rede in einer etwas schwierigen Lage war. Er konnte nicht auf die letzte Gemeinschaftsdiagnose der Forschungsinstitute zurückgreifen, weil dadurch erstens die Einnahmeseite eine Veränderung erfahren haben würde und weil er damit zweitens eine wirkungsvolle Begründung für die Richtigkeit des Vorschlags des Vermittlungsausschusses geliefert hätte.

    (Beifall bei der SPD.)

    Der Ansatz für die übrigen Einnahmen — Anleihen zunächst einmal ausgenommen — ist im allgemeinen und aus unserer Sicht nicht zu beanstanden. Allerdings wird bei der Masse der kleineren Einzelpositionen bei den Verwaltungseinnahmen, wie eine genaue Kontrolle der Ansätze in den in Frage kommenden Einzelplänen zeigen dürfte, noch eine Erhöhung von insgesamt etwa 100 Millionen DM entstehen.
    Für Anleihen hat der Herr Bundesfinanzminister 2150 Millionen DM vorgesehen. Der in der Etatdebatte 1963 viel zitierte Kapitalmarkt hätte natürlich ohne Zinssteigerung mehr an öffentlichen Anleihen zugelassen. In dieser Frage hat die sozialdemokratische Bundestagsfraktion ebenfalls recht behalten. Einem Zitat von Herrn Bundesfinanzminister Dr. Dahlgrün — Bundestagsprotokoll der 76. Sitzung S. 3696 — zufolge wurde die Leistungsfähigkeit des Kapitalmarktes für 1963 auf 12 bis 14 Milliarden DM veranschlagt. Im Zeitraum vom Januar bis Oktober — Bundesbank-Bericht vom November 1963, S. 58 — betrug der gesamte Wertpapierabsatz bereits 13,8 Milliarden DM. Er wird in den restlichen Monaten des vergangenen Jahres sicher nicht geringer gewesen sein als im Jahre 1962, so daß effektiv 15 bis 16 Milliarden DM untergebracht werden konnten. Dabei betrifft diese Rechnung nur die festverzinslichen Wertpapiere, obwohl der Herr Bundesfinanzminister in seinen Zahlen die Aktienemission möglicherweise mit eingeschlossen hat. Vielleicht mag 1964 der Auslandsabsatz etwas zurückgehen. Dafür werden aber auf Grund der durch die Devisenzuflüsse verbesserten Bankliquidität von den Banken mehr Papiere gekauft werden können. Der Ansatz im Bundeshaushalt für die Anleiheaufnahme ist daher sicher nicht überhöht.
    Wir berücksichtigen dabei, daß man in einem, sagen wir, „Schatten-Budget" noch folgende Beträge vor sich herschiebt: 500 Millionen DM Zuschuß an die Rentenversicherungsträger, die in Form von Schuldbuchforderungen entrichtet werden, 350 Millionen DM Straßenbaumittel über die Offa, 200 Millionen DM Entwicklungshilfe, die eine Stelle außerhalb der Bundesverwaltung finanzieren soll, und 132 Millionen DM Berlin-Anleihe. Das sind also 1182 Millionen DM, die neben dem Haushalt herlaufen, sicher aber mindestens intern in den außerordenlichen Haushalt gehören.
    Auf der Ausgabenseite des Etats zeigen die —allerdings nur zum Teil — geschätzten Ist-Zahlen für 1963, daß es dem Herrn Bundesfinanzminister voll gelungen ist, die pauschal abgesetzten Minderausgaben in Höhe von 1050 Millionen DM im Laufe des Jahres auf die einzelnen Haushaltsstellen aufzuteilen. Sieht man von den neuerdings in den kurzfristigen Ausweisen gesondert gebuchten durchlaufenden Ausgaben im Verteidigungsetat ab, so dürfte im Jahre 1963 ein Betrag von schätzungsweise 56,4 Milliarden DM verausgabt worden sein. Dieser Betrag entspricht genau dem Ausgabe-Soll abzüglich der in ihm enthaltenen Vorgriffe von 400 Millionen DM an Verteidigungsausgaben. Dieses Verfahren, meine Damen und Herren — das möchte ich voraussagen —, wird der Herr Bundesfinanzminister 1964 sicher



    Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller
    mit demselben Erfolg wie im Vorjahr praktizieren können, vor allen Dingen dann, wenn nicht wesentliche Teile des Haushaltsgesetzes eine Änderung erfahren.
    Daher ließen sich Reserven, von der Ausgabe- und von der Einnahmeseite zusammengenommen, in den Etat einstellen. Die Etatsumme würde sich in diesem Fall auf etwa 60 750 Millionen DM belaufen. Die Steigerungsrate der Etatsumme würde dann noch nicht einmal 7 % betragen und unter der von den Forschungsinstituten geschätzten nominalen Zuwachsrate des Sozialprodukts liegen.
    Solche Untersuchungen sind für den Teil des Bundestages, der zur Zeit keine Bundesregierungsverantwortung trägt, unerläßlich. Wir beabsichtigen dabei nicht, von uns aus die magische Grenze von 60,3 Milliarden DM zu überschreiten. Inwieweit sie echt ist und bleiben kann, werden die weiteren Beratungen zeigen.
    Ich will nur auf zwei Punkte hinweisen, um diese magische Grenze von 60,3 Milliarden DM zu beleuchten. Die Übernahme des Defizits aus dem vorangegangenen Haushalt in den Nachtragshaushalt 1963 ist eine Maßnahme, die auch nur erfolgt, um bei dieser magischen Grenze von 60,3 Milliarden DM zu bleiben. Ein viel 'betrüblicheres Beispiel ist die Berlin-Anleihe in Höhe von 132 Millionen DM. Abgesehen davon, daß ich aus rein politischen Gründen nicht glaube, daß der Zeitpunkt richtig gewählt worden ist, den Senat von Berlin gerade jetzt zu veranlassen, eine Berlin-Anleihe aufzulegen, frage ich mich, warum das geschehen ist, wenn, wie der Herr Bundesfinanzminister in seiner Rede erklärt hat, der Bund bereit ist, den Zinsen- und Tilgungsdienst voll zu übernehmen. Man kann doch nur dann eine Antwort auf diese Frage finden, wenn man davon ausgeht, daß auch auf diesem Wege verhindert werden sollte, daß die magische Grenze von 60,3 Milliarden DM in Frage gestellt wird. Eine andere überzeugende Begründung kann nicht gegeben werden. Deswegen fordert die sozialdemokratische Bundestagsfraktion: auch innerhalb von willkürlich gesetzten magischen Grenzen muß das realistische Ziel die der öffentlichen Hand anvertraute Erfüllung lebenswichtiger, für die Existenz des demokratischen Staates unabweisbarer Aufgaben sein.
    Nun ist ohne jede Einschränkung zuzugeben, daß das auf steuer- und finanzpolitischem Gebiet von den Adenauer-Erhard-Kabinetten der neuen 'Bundesregierung Erhard-Mende hinterlassene Erbe zweifellos besondere Wiedergutmachungsleistungen herausfordert. Zur traurigen Hinterlassenschaft gehört z. B. erstens die fehlende, seit 1953 in den Regierungserklärungen angekündigte Finanzreform. Ich will auf die Leidensgeschichte dieser Finanzreform allein in unserer Legislaturperiode nicht eingehen. Aber wenn Sie einmal das Bundestagsprotokoll vom 17. Januar 1962 zur Hand nehmen und nachlesen, was dort der damalige Bundesfinanzminister Starke ausgeführt hat, dann werden Sie die Berechtigung meiner Feststellung anerkennen müssen. Der Herr Bundeskanzler hat am 18. Oktober in seiner Regierungserklärung gesagt:
    Die Vorarbeiten für eine Finanzreform, die eine allzu lange Verzögerung erfahren haben,
    — das stammt nicht von mir, sondern von ihm —
    werden deshalb unverzüglich aufgenommen.
    Nun, wir haben heute wieder gehört, es sei damit zu rechnen, daß eine solche Expertenkommission die Arbeit aufnimmt. Daß wir noch gelinde Zweifel anmelden, bitte ich wegen der Erfahrungen aus der Vergangenheit anzuerkennen. Beispielsweise ist ja auch noch immer nicht die Bildung des Sachverständigenrates vorgenommen, eines Sachverständigenrates, der nach Auffassung der Experten für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung Bedeutendes leisten könnte. Das Gesetz ist lange verabschiedet. Die CDU hat es beispielsweise fertiggebracht, einen Wirtschaftsausschuß für ihre Partei zu bilden. Aber zu dem Sachverständigenausschuß, der die gesamtwirtschaftliche Entwicklung in die Hand bekommen und unter Kontrolle bringen soll, der neutrale Daten zu setzen hat, ist es leider noch nicht gekommen.

    (Abg. Wehner: Sehr wahr!)

    Deswegen zweitens auch die fehlende Rangfolge in der Aufgabenerfüllung von Bund, Ländern und Gemeinden; daher auch die allzu lange fehlende Verständigung mit den Ländern im Steuerstreit; daher auch die falschen Ausgangspunkte scheinbarer, weil manipulierter Bundesdefizite, die dann auch noch mit dem Zauberstab erhöhter Länderzuschüsse ausgeglichen werden sollen; und daher auch die fehlende Einsicht bei der Mehrheit dieses Hohen Hauses, daß den letzten, z. B. unsere Gemeinden, nicht die Hunde beißen dürfen, sondern daß gerade ihm eine den Prinzipien unseres Grundgesetzes entsprechende sorgende Hilfe zuteil werden muß; daher auch die sich häufenden Fehlanzeigen in der Aufgabenerfüllung, vom Verkehrschaos über die ungenügende Förderung der wissenschaftlichen Forschung bis zum Schweigemarsch der Heimkehrer- und Kriegsopferverbände. Immer wieder handelt es sich um .denselben Bürger, dessen Leben und Schicksal mit den Leistungen seiner Gemeinden, seines Landes und des Bundes unlösbar verbunden bleibt. Nur dieser Bürger darf der für uns alle gemeinsame Ausgangs- und Orientierungspunkt sein.
    Auch die Regierungserklärung vom 18. Oktober vorigen Jahres hat den großen Spannungsbogen der schwerpunktmäßig nun einmal vorhandenen Aufgabenstellung in der Innen- und Außenpolitik deutlich gemacht, allerdings ohne ausreichend der Sünden der Vergangenheit zu gedenken und ohne mehr zu tun, als den Willen für die Tat in Erscheinung treten zu lassen.
    Meine Damen und Herren! Die Finanzpolitik ist zur wichtigsten Ausgangsposition für Ausmaß und Zielsetzungen in der gesamten Politik geworden. Die Finanzen sind der Nerv aller Dinge, und der Bundeshaushalt muß sozusagen als Nervensystem der öffentlichen Finanzwirtschaft angesehen werden. Auch an dieser Stelle wiederhole ich: Jeder Etat offenbart die in Geldwert bemessene Regierungspolitik. In den Einnahme- und Ausgabeansätzen hat sich widerzuspiegeln, was in der Regie-



    Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller
    rungspolitik in vollem Umfange getan und wie es finanziert werden soll. So war es auch durchaus verständlich, daß sich in der Erhardschen Regierungserklärung immer wieder Hinweise auf den noch vorzulegenden Haushaltsplan 1964 gefunden haben. Dieses Regierungsprogramm und die jetzt zur Debatte stehende Haushaltsvorlage sind zwei Seiten derselben Münze. Wie man die Münze auch wirft, was immer oben liegt, ob Kopf oder Zahl, hat notwendig das andere zur Rückseite. Die Haushaltsvorlage 1964 gehört zur Regierungserklärung. Beide sind siamesische Zwillinge.
    Wir Sozialdemokraten haben uns in diesem Bundestag redlich abgemüht, zu verhindern, daß sich die Koalitionsmehrheit in einer finanzwirtschaftlichen Sackgasse festrennt, und haben immer wieder vernünftige Vorschläge zur Debatte gestellt. Wenn nicht allzu oft Rechthaberei als Mittel der Politik angesehen würde, hätte die jetzige Regierung einen besseren Start haben können. Es fehlt seit Jahren die Erkenntnis, die der neue Bundeskanzler in der richtigen Formulierung ausgedrückt hat, daß die Opposition ein notwendiger und vollwertiger Bestandteil des parlamentarisch-demokratischen Systems ist. Das bedeutet, in vollem Umfange Verantwortung tragen, und dieser staatspolitischen Aufgabe gerecht zu werden, ist unser stetes Bemühen. Deswegen die Forderung unserer Fraktion: An Stelle von Rechthaberei und Parteiegoismen muß immer das bessere Argument Mittel der Politik sein.
    Meine Damen und Herren! Als ich in diesem Hohen Hause am 14. März 1962 in der ersten Beratung zum Haushaltsgesetz 1962 Stellung nahm, habe ich darauf verwiesen, daß noch kein Gesetz vorliegt, das auf Grund des Urteils des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 120 des Grundgesetzes d. h. zur Regelung der Kriegsfolgelasten bzw. der Tilgung der Ausgleichsforderungen, notwendig geworden war. Das Protokoll, Seite 856, vermerkt dazu: „Zuruf von der Mitte: Ist längst geregelt!". Die Herren der Mitte, der CDU, die mir diesen Zwischenruf gemacht haben, die also der Meinung waren, es sei schon alles in Ordnung, das Gesetz über die Regelung der Kriegsfolgelasten sei erlassen, die Änderung des Art. 120 des Grundgesetzes sei erfolgt, haben sich gründlich geirrt. Der eine oder andere sitzt heute auf der Ministerbank.
    Inzwischen, meine Damen kund Herren, ist ja. durch das Beratungsergebnis des Vermittlungsausschusses vom 18. Dezember 1963 bekanntgeworden, welche Rolle dieses Dürkheimer Abkommen spielt. Wir haben, um eine Einigung zwischen Bund und Ländern zu erzielen, die im Vermittlungsausschuß angeregten Vorschläge zur Neutralisierung des Dürkheimer Abkommens und zur Neuordnung auch des Art. 120 akzeptiert, und insoweit sind die Beschlüsse bzw. die Beratungsergebnisse des Vermittlungsausschusses zusammenzufassen. Es handelt sich nicht nur um eine Änderung des Bundesanteils an der Einkommen- und Körperschaftsteuer, sondern natürlich auch um dieses Gentlemen Agreement in der Frage des Dürkheimer Abkommens und auch hinsichtlich einer befriedigenden Regelung der
    Kriegsopferversorgung. Darauf, meine Damen und
    Herren, möchte ich mit allem Nachdruck hinweisen.
    Nun will ich nicht untersuchen, wer die Palme erhalten muß für das, was man als Burgfrieden zwischen Bund und Ländern bezeichnet, der Herr Bundeskanzler oder der Herr Bundesfinanzminister. Ich will nur einfach als Realität festhalten, daß im Vermittlungsausschuß auch sozialdemokratisch geführte Länder und die sozialdemokratische Bundestagsfraktion vertreten sind. Wir haben im Vermittlungsausschuß dieses Ergebnis akzeptiert, trotz der Erklärung des Bundesfinanzministers, das Steueränderungsgesetz mit den Länderfinanzministern in seinen Auswirkungen auf die Einnahmeseite der Etats früh genug zu besprechen. Wir haben aber in der Entscheidung diesen Punkt ausgeklammert, obwohl wir uns darüber klar sind, daß diese Bundestagsmehrheit immer dann mit Steuergeschenken vor den Wahlen sehr großzügig umzugehen versteht, wenn der Ausfall in der Hauptsache die Länder und damit auch die Gemeinden trifft.

    (Beifall bei der SPD.)

    Der Herr Bundesfinanzminister hat in seiner Rede u. a. auch einen Appell an die Länder gerichtet, hinsichtlich des Zuwachses des Haushaltsvolumens von 196.3 zu 1964 den Bund als Beispiel zu nehmen und nicht über 6 % hinauszugehen. Ich kann mich darüber nur wundern. Denn dem Herrn Bundesfinanzminister müßte, wenn er diesen Appell aus innerer Überzeugung erlassen hat, unbekannt sein, daß sein eigenes Ministerium Mitte Dezember eine Aufstellung angefertigt hat, aus der hervorgeht, zu welchem Prozentsatz sich das Haushaltsvolumen der Länder insgesamt vom Etatjahr 1963 zum Etatjahr 1964 verändert. Wir haben die Unterlagen vom Bundesfinanzminister; es ist zu beanstanden, daß seine Herren ihm diese Unterlagen nicht auch geben. Denn aus diesen Unterlagen geht hervor, daß sich die Länderhaushalte von 1963 zu 1964 um 5,9% erhöhen, so daß also jeder Appell an die Länder überflüssig ist.

    (Abg. Dr. Schäfer: Wobei Bayern um 12 % erhöht!)

    — Ja; es handelt sich um den Durchschnitt der Länder. Ich will das im einzelnen nicht untersuchen, weil man ja wohl zugeben muß, daß die Verhältnisse in den Ländern unterschiedlich sind. Rheinland-Pfalz — um einmal dieses Beispiel zu nehmen, weil dort keine Sozialdemokraten in der Regierung sind — kann schon deshalb keine hohe Zuwachsrate haben, weil die finanzielle Situation dieses Landes außerordentlich prekär ist.
    Meine Damen und Herren, wir wissen nun, daß das Bundesfinanzministerium die Absicht hat, im Steueränderungsgesetz 1964 bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer Ermäßigungen in Höhe von 2,5 Milliarden DM durchzuführen. Das soll nach den uns gewordenen Informationen der Ausgangspunkt sein. Wir haben ja auch Anträge vorgelegt, allerdings mit Wirkung ab 1. Januar 1964. Hier wiederum der Versuch der Bundesregierung, das alles hinauszuschieben bis zu einem Zeitpunkt, wo die Wählerinnen und Wähler das merken, und der



    Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller
    Herr Bundeskanzler hat ja gesagt, daß zwar die Bundesregierung der Kontrolle des Parlaments unterliegt, daß es aber auch ein Votum der Wählerinnen und Wähler gegenüber dem Parlament gibt. Wir hoffen, daß diese Wählerinnen und Wähler ihrer Urteilsbildung nicht einige Monate zugrunde legen, sondern die gesamte Legislaturperiode des Deutschen Bundestages.

    (Beifall bei der SPD und bei der CDU/CSU.)

    Da, meine Damen und Herren, muß ich doch folgendes feststellen: Diese 2,5 Milliarden bedeuten für die Bundeseinnahmen einen Ausfall von 2 %, aber für die Länder einen Ausfall von 5 %, oder in Zahlen ausgedrückt für den Bund eine Mindereinnahme von einer Milliarde, für die Länder eine Mindereinnahme von anderhalb Milliarden.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Eine Minderung der Mehreinnahmen, Herr Möller!)

    — Mein lieber Herr Zwischenrufer, was Sie mit den Mehreinnahmen alles machen wollen, ist ein großes Rätsel. Denn wenn Sie die dynamische Ausgabenentwicklung, von der der Herr Bundesfinanzminister sprach, einmal berücksichtigen und auch einiges, was sonst noch auf uns zukommt — ich denke nur an den zivilen Bevölkerungsschutz, doch sicher eine Aufgabe, die Sie ernst nehmen —, dann, meine ich, müssen Sie schon ganz gründlich rechnen können und müssen Sie sich wahrscheinlich völlig neue Rechenmaschinen anschaffen, wenn Sie zu dem von Ihnen gewünschten Ergebnis kommen wollen.
    Meine Damen und Herren, worauf es mir ankommt, ist, festzustellen, daß man von seiten dieser Bundestagsmehrheit bereit ist, Steuernachlässe zu gewähren, wenn der Hauptteil nicht vom Bund, sondern von den Ländern und Gemeinden getragen wird. Sie dürfen nicht vergessen, daß die kommunalen Finanzausgleiche in fast allen Ländern davon ausgehen, daß der Anteil der Gemeinden an der kommunalen Ausgleichsmasse aus dem Teil der Einkommen- und Körperschaftsteuer entsteht, der den Ländern verbleibt, so daß sich jeder Abstrich an dieser Einnahme der Länder auf die Gemeinden durch geringere Zuweisungen entsprechend auswirkt.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Meine Damen und Herren,, Sie haben noch ein anderes Beispiel. Nehmen Sie die Umsatzsteuer! Der Herr Bundesfinanzminister ist mit dem Bundeskabinett der Auffassung, daß wir eine Systemänderung vornehmen sollen — eine Auffassung, die auch wir teilen ---, daß wir von der Allphasensteuer zur Mehrwertsteuer übergehen sollen, jedoch unter der nicht zu erschütternden Voraussetzung, daß der Bund in vollem Umfange dieselben Einnahmen aus der Umsatzsteuer erhält wie bei dem jetzigen System. Das kann doch niemand bestreiten.

    (Abg. Dr. Vogel: Wird auch nicht bestritten!)

    Wenn das also der Fall ist, dann, meine ich, ergibt sich damit die Brüchigkeit Ihrer Darstellung hinsichtlich der Haltung bezüglich Steuervergünstigungen. Oder glauben Sie nicht, daß man bei der Änderung im System der Umsatzsteuer einiges bereinigen
    müßte, beispielsweise — um nur einmal einen Punkt herauszustellen — in der Umsatzsteuerbelastung verschiedener freier Berufe? Das können Sie doch nicht in Abrede stellen, und wenn Sie dieselben Einnahmen behalten wollen, bedeutet das, daß Sie insgesamt den Prozentsatz erhöhen müssen.


Rede von Dr. Eugen Gerstenmaier
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
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    Rede von Dr. Alex Möller


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    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Bitte sehr.