Rede von
Dr.
Ewald
Bucher
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte nur auf zwei der kritischen Bemerkungen des Herrn Kollegen Reischl kurz eingehen. Das eine ist die Frage des Zeitpunkts, zu dem diese Novelle vorgelegt wird. Sie beanstanden mit Recht, daß sie sehr spät vorgelegt wird. Sie hatten nun die Liebenswürdigkeit, mich von einer Schuld daran freizusprechen und die Schuld dem Hause zu geben. Das trifft aber nicht zu. Mein Vorgänger hat bereits Anfang Januar die ersten Besprechungen mit dem Bundesverfassungsgericht begonnen. Diese Besprechungen haben sich ziemlich lange hingezogen, ohne daß ich deswegen dem Gericht einen Vorwurf mache. Dann kam die Kabinettsumbildung dazwischen mit allem, was sich davor und danach abgespielt hat. So sind wir in Bedrängnis gekommen, und ich muß tatsächlich eher mir selber etwas den Vorwurf machen, daß ich nicht mehr darauf gedrängt habe, diesen zeitgebundenen Entwurf vorzulegen.
Das zweite. Sie haben beanstandet, daß — ich glaube, Sie drückten es so aus — wieder einmal an dem Bundesverfassungsgerichtsgesetz herumgedoktert, also experimentiert werde und daß sich dieses Hohe Gericht, dessen Rolle Sie sehr deutlich herausgestellt haben, doch nicht zum Experimentieren eignet. Ich stimme Ihnen darin prinzipiell zu. Andererseits ist auch dieses Bundesverfassungsgericht ein Novum in unserem Staatsaufbau, und wir haben wenig Erfahrungen. Der Gesetzgeber hat nun selber schon einmal auf diesem Gebiet Experimente gemacht, wenn ich so sagen darf. Er hat nämlich im Jahre 1956 die Richtung auf ein Einheitsgericht hin eingeschlagen. Das war auch ein Wagnis und ein Experiment. Das Gericht wurde verkleinert. Es soll jetzt noch einmal verkleinert werden. Deswegen sehen wir uns eben vor der Notwendigkeit, doch wieder etwas daran herumdoktern zu müssen.
Wenn es uns gelingen sollte, in Erweiterung der Vorschläge, die Sie von der Opposition dazu noch machen wollen, zu einer umfassenderen Novelle zu kommen, und wenn wir dann werden feststellen können, daß wir nicht schon wieder eine Novelle brauchen, so soll das der Bundesregierung sicher nur recht sein.
Ich glaube, wir können über alle Ihre Vorschläge diskutieren mit Ausnahme des einen, die Zahl von zehn Richtern beizubehalten. Dafür ist bis jetzt bei uns keine Meinung vorhanden.
— Wenn man sagt, es sei keine Meinung vorhanden, ist man nicht dafür.
Für meine Person darf ich noch sagen: die Bemerkung über die Einstufung der Richter des Bundesverfassungsgerichtes, die Sie nebenbei noch machten, war mir aus dem Herzen gesprochen. Aber ich kann das für die Bundesregierung nicht sagen, wenigstens nicht für den gegenwärtigen Zeitpunkt. Ich bin ja gehalten, den Vorschlag der Bundesregierung zu vertreten. Aber ich habe auch die Vorstellung, daß das Bundesverfassungsgericht nun wirklich nicht irgendein Gericht ist, sondern ein Verfassungsorgan. Ich hatte schon früher öfters Gelegenheit, in diesem Hause zum Ausdruck zu bringen, was ich von dem Bundesverfassungsgericht halte.