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ID0407319500

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 73. Sitzung Bonn, den 25. April 1963 Inhalt: Abg. Anders tritt in den Bundestag ein . . 3405 A Fragestunde (Drucksache IV/1193) Fragen des Abg. Kreitmeyer: Entseuchung des ehemaligen Schießplatzes Deutsch-Evern von Hassel, Bundesminister . . 3405 B, C, 3406 A, Kreitmeyer (FDP) . . . 3405 D, 3406 A Fragen des Abg. Rauhaus: Übungen der Stationierungsstreitkräfte in Erholungsgebieten von Hassel, Bundesminister . 3406 A, B, 3407 B Rauhaus (CDU/CSU) . . . . . . 3407 B Frage der Abg. Frau Dr. Diemer-Nicolaus: Entlohnung von Arbeitern bei Bundeswehrbauten in Hechingen von Hassel, Bundesminister . 3407 C, D Frau Dr. Diemer-Nicolaus (FDP) 3407 C, D Frage des Abg. Peiter: Aufenthaltskosten beim freiwilligen Ausbau eines deutschen Soldatenfriedhofs in Italien 3407 D Frage des Abg. Wittrock: Rechtsverordnung nach § 13 a Abs. 2 des Wehrpflichtgesetzes von Hassel, Bundesminister . . 3408 A Wittrock (SPD) 3408 A Fragen der Abg. Frau Blohm: Beförderung von Sendungen mit Arzneimitteln 3408 B Frage des Abg. Kahn-Ackermann: Zustellungszeit von Postsendungen in München 3408 C Frage der Abg. Frau Dr. Diemer-Nicolaus: Berechnung von Abkürzungen bei Drucksachen Stücklen, Bundesminister . . . . 3408 C, 3409 A, B, C Frau Dr. Diemer-Nicolaus (FDP) . . 3408 D, 3409 B Ritzel (SPD) . . . . . . . . . 3409 B Fragen des Abg. Hörmann (Freiburg) : Gebäude der ehemaligen Kreispflegeanstalt in Freiburg Qualen, Staatssekretär . . . 3409 C, D, 3410 A, B Hörmann (Freiburg) (SPD) 3409 D, 3410 B Frage des Abg. Freiherr von Mühlen: Wiederherstellung des Reichstagsgebäudes in Berlin Qualen, Staatssekretär . . 3410 B, C, D, 3411 A Freiherr von Mühlen (FDP) . . 3410 C, D Ritzel (SPD) 3410 D, 3411 A II Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 73. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. April 1963 Fragen des Abg. Dr. Gleissner: Urteil des Bundesverfassungsgerichts betr. Gesetz zur Reinhaltung der Bundeswasserstraßen Frau Dr. Schwarzhaupt, Bundesminister 3411 A, B Frage des Abg. Dr. Gleissner: Förderung von Abwässeranlagen mit ERP-Krediten Frau Dr. Schwarzhaupt, Bundesminister 3411 C, D Dr. Gleissner (CDU/CSU) . . . 3411 C Frage des Abg. Börner: Ölleitung durch den Bodensee Frau Dr. Schwarzhaupt, Bundesminister . 3411 D, 3412 A, B, C Börner (SPD) . . . . . . . . . 3412 A Dr. Schäfer (SPD) 3412 B Matthöfer (SPD) . . . . . . . 3412 C Frage des Abg. Börner: Trinkwasser aus dem Bodensee Frau Dr. Schwarzhaupt, Bundesminister . . 3412 D, 3413 A, B Börner (SPD) . . . . . 3412 D, 3413 A Dr. Schäfer (SPD) 3413 A, B Frage des Abg. Börner: Verhinderung des Baues einer Ölleitung durch den Bodensee Frau Dr. Schwarzhaupt, Bundesminister . . 3413 C, D, 3414 A Börner (SPD) . . . . . 3413 D, 3414 A Frage des Abg. Dr. Hamm (Kaiserslautern) : Kariesbefall bei Kleinkindern und Jugendlichen Frau Dr. Schwarzhaupt, Bundesminister 3414 B Fragen des Abg. Dr. Hamm (Kaiserslautern) : Gesetzliche Regelung der Jugendzahnpflege Frau Dr. Schwarzhaupt, Bundesminister . . . . 3414 B, C, D Dr. Hamm (Kaiserslautern) (FDP) . . 3414 B, C, D Frage des Abg. Faller: Typhus-Fälle im Bundesgebiet . . . 3414 D Frage des Abg. Faller: Untersuchung von Gastarbeitern aus typhusverdächtigen Gebieten . . . . 3415 A Frage des Abg. Faller: Arbeitskräfte aus Lecce . . . . . . 3415 A Frage des Abg. Hörmann (Freiburg) : Haftbarmachung wegen der Typhuserkrankungen in Zermatt . . . . . 3415 B Frage des Abg. Bauknecht: Gefrierhühnchensendung aus USA Frau Dr. Schwarzhaupt, Bundesminister . . . . . . 3415 C, D, 3416 A, B, C, D Bauknecht (CDU/CSU) . . . . 3415 C, D Bewerunge (CDU/CSU) 3415 D Dr. Reinhard (CDU/CSU) . . . . 3416 A, B Dr. Dr. h. c. Dresbach (CDU/CSU) . 3416 C Dr. Schmidt (Gellersen) (SPD) . . . 3416 C Frage des Abg. Bauknecht: Salmonellenfreie Futtermittel Frau Dr. Schwarzhaupt, Bundesminister . . . 3416 D, 3417 A Bauknecht (CDU/CSU) 3417 A Frage des Abg. Bauknecht: Schutz vor Schädigung durch Salmonellen bei der Hühnereinfuhr Frau Dr. Schwarzhaupt, Bundesminister . . . . . . . 3417 A Änderung der Tagesordnung . . . . . 3417 B Schriftlicher Bericht des Außenhandelsausschusses über die Zweiundsechzigste Verordnung zur Änderung des deutschen Zolltarifs 1962 (Gemüse) (Drucksachen IV/1195, IV/1202) . . . . . . . . . 3417 B Entwurf eines Gesetzes zu der Gemeinsamen Erklärung und zu dem Vertrag vom 22. Januar 1963 mit der Französischen Republik über die deutsch-französische Zusammenarbeit (Drucksache IV/1157) — Erste Beratung — Dr. Adenauer, Bundeskanzler . . 3417 C Majonica (CDU/CSU) 3419 C Wehner (SPD) 3424 B Dr. Mende (FDP) . . . . . . 3434 D Dr. Schröder, Bundesminister . . 3438 A Birkelbach (SPD) 3441 D Margulies (FDP) . . . . . . . 3443 D Nächste Sitzung 3445 C Anlagen 3447 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 73. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. April 1963 3405 73. Sitzung Bonn, den 25. April 1963 Stenographischer Bericht Beginn: 14.32 Uhr
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    Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Anders 25. 4. Dr. Artzinger 26. 4. Dr.-Ing. Balke 25. 4. Bazille 14. 5. Berlin 25. 4. Blachstein 25. 4. Dr. Böhm (Frankfurt) 30.4. Corterier 30.4. Dr. Danz 25. 4. Ehren 29.4. Eisenmann 26. 4. Erler 26. 4. Ertl 25. 4. Etzel 25. 4. Even (Köln) 18. 5. Faller * 26. 4. Figgen 15. 6. Franke 27. 4. Dr. Dr. h. c. Friedensburg 26. 4. Funk (Neuses am Sand) 25. 5. Freiher zu Guttenberg 25. 5. Haage (München) 7. 5. Hansing 26. 4. Dr. Hauser 25. 4. Hellenbrock 27. 4. Herold 26. 4. Höfler 26. 4. Hufnagel 26.4. Jacobs 27. 4. Dr. Jaeger 26. 4. Jaksch 26. 4. Keller 3. 5. Frau Kipp-Kaule 26. 4. Dr. Kliesing (Honnef) 26. 4. Frau Krappe 26. 4. Kraus 26. 4. Kriedemann * 26. 4. Frau Dr. Kuchtner 26.4. Leber 25.4. Lenz (Brühl) 25.4. Lohmar 30. 4. Dr. Löhr 25.4. Lücker (München) 25. 4. Mattick 25. 4. Mauk * 25. 4. Dr. h. c. Menne (Frankfurt) 10. 5. Dr. Menzel 26. 4. Dr. Miessner 25. 4. Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller 13. 5. Dr. Mommer 26.4. Müller (Berlin) 26. 4. Müller (Remscheid) 25. 4. Müser 27. 4. Neumann (Allensbach) 25. 4. * Für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischer Parlaments Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordneter) beurlaubt bis einschließlich Frau Dr. Pannhoff 26. 4. Paul 26. 4. Peters (Norden) 19. 5. Pöhler 25. 4. Ramms 26. 4. Riegel (Göppingen) 26. 4. Schlick 26. 4. Soetebier 25. 4. Dr. Starke 13. 5. Storch * 25. 4. Frau Strobel * 26. 4. Frau Vietje 31. 5. Werner 30. 4. Zoglmann 31. 5. Zühlke 30. 4. b) Urlaubsanträge Maier (Mannheim) 3. 5. Wittmer-Eigenbrodt 31. 7. Anlage 2 Schriftliche Antwort des Herrn Bundesministers Dr. Heck vom 24. April 1963 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Peiter - (Drucksache IV/1193) - Frage V *). Stehen für Jugendgruppen, die beim Ausbau deutscher Kriegerfriedhöfe freiwillig Arbeit leisten, Geldmittel zur Verfügung? „Die Betreuung von Kriegsgräbern im Ausland durch Jugendgruppen gehört nach den Richtlinien für den Bundesjugendplan zu den förderungswürdigen Maßnahmen im Rahmen des Programms „Internationale Jugendbegegnung". Für diese Maßnahme ist jährlich ein Betrag von rund 300 000 DM zur Verfügung gestellt worden. Im Jahre 1962 wurden 63 Maßnahmen mit 5141 jugendlichen Teilnehmern gefördert. Es ist beabsichtigt, im laufenden Rechnungsjahr die Kriegsgräberbetreuung in erweitertem Umfange zu fördern. Träger dieser Maßnahmen ist der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge. Die Aktion steht unter dem Motto „Versöhnung über den Gräbern". Es hat sich gezeigt, daß diese Aktion auch für die internationale Verständigung von großer Bedeutung ist. In vielen Fällen ist es den Jugendlichen gelungen, durch die Pflege deutscher Kriegsgräber noch bestehende Ressentiments zu überwinden, enge menschliche Kontakte herzustellen und innerhalb der jungen Generation das europäische Bewußtsein zu vertiefen." *) Siehe 72. Sitzung Seite 3311 A 3448 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 73. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. April 1963 Anlage 3 Erklärung des Abg. Seuffert für die Fraktion der SPD zur Beratung des Schriftlichen Berichts des Finanzausschusses (14. Ausschuß) über den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der Kommission der EWG für eine vom Rat der EWG zu erlassende Richtlinie zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten betreffend die Umsatzsteuern (Drucksachen IV/850, IV/ 1179).*) Auch die sozialdemokratische Opposition begrüßt es, daß wir mit diesem einstimmigen Beschluß in die Verhandlungen über den Richtlinienvorschlag der Kommission der EWG eintreten, mit dem der erste Schritt zur unerläßlichen Steuerharmonisierung im gemeinsamen Markt eingeleitet wird. Wir begrüßen es, daß dieser Vorschlag in Richtung auf eine wettbewerbsneutrale Umsatzsteuer geht, ein Ziel, zu dem sich dieses Haus ebenfalls einstimmig, nunmehr einschließlich der Regierung bekannt hat und in dem wir also auch mit der Kommission übereinstimmen. Unser Beschluß sieht in zwei Punkten eine Abweichung von dem Vorschlag der Kommission vor. Wir halten einen mehrmaligen Systemwechsel, wie er sich aus dem ursprünglichen Vorschlag fast zwangsläufig ergeben müßte, für nicht tragbar; der Termin vom 30. 6. 1964, bis zu welchem wir die Grundzüge des künftigen gemeinsamen Systems erwarten möchten, ist mit unseren eigenen Vorstel- *) Siehe 72. Sitzung Seite 3396 A lungen über den Zeitpunkt unserer Umsatzsteuerreform abgestimmt und beweist die Dringlichkeit, die wir dieser Sache beimessen. Wir sind ferner der Ansicht, daß die Beseitigung der Steuergrenzen nicht zu einem fernen und unbestimmten, sondern zu einem nahen und bestimmten Zeitpunkt vorgesehen werden muß. Bei Steuergrenzen in einem herstellenden gemeinsamen Markt handelt es sich nicht, wie bei den Außengrenzen eines autonomen Marktes, einfach um den Ausgleich zwischen einheimischer und importierter Ware. Solange solche Steuergrenzen innerhalb eines gemeinsamen Marktes noch bestehen — erst wenn sie beseitigt sind, ist wirklich ein gemeinsamer Markt entstanden —, würde es sich hier um den Ausgleich der verschiedenen Steuerbelastungen in den Mitgliedsländern handeln müssen. Wenn deswegen der Maßstab der Ausgleichsmaßnahmen nur aus der Steuerbelastung im Ausgangsland und nicht auch aus ihrer Differenz zur Belastung im Eingangsland genommen wird, entstehen Wettbewerbsverzerrungen zwischen den Mitgliedsländern. Letzten Endes wird es sich hier nicht um isolierte Fragen der Umsatzsteuer, sondern um eine Angleichung der Finanzsysteme überhaupt handeln müssen — eine schwierige und langwierige Aufgabe, die aber unerläßlich ist, wenn schließlich ein gemeinsamer Markt wirklich entstehen und Europa seine endgültige Form erhalten soll. Wir begrüßen den Richtlinienvorschlag als Anfang auf diesem Wege und glauben, daß es ein guter Beitrag auf dem Wege au Europa sein wird, wenn den Änderungen, die unser Beschluß vorschlägt, Rechnung getragen wird.
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    Rede von Dr. Erich Mende


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Freie Demokratische Partei begrüßt diese Aussprache der ersten Lesung des deutsch-französischen Vertrages. Denn diese Aussprache gibt die Möglichkeit, Mißverständnisse aus der Entstehungsgeschichte des Vertrages auszuräumen und ein Bekenntnis zur Europapolitik und zur atlantischen Partnerschaft abzulegen. Und ich möchte hinzufügen, Herr Kollege Wehner: sie gibt auch die Möglichkeit, dem Erinnerungsvermögen manches sozialdemokratischen Sprechers nachzuhelfen bezüglich der Entstehungsgeschichte der Europapolitik in diesem Hause.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)




    Dr. Mende
    Der Herr Bundeskanzler und die beiden Sprecher der CDU/CSU-Fraktion und der sozialdemokratischen Opposition haben hier historische Reminiszenzen hinsichtlich der tragischen deutsch-französischen Vergangenheit dargelegt. Ich möchte die richtigen Feststellungen aller drei Sprecher nicht wiederholen, sondern noch einmal auf die Tatsache hinweisen, daß allein im letzten Jahrhundert drei blutige Kriege zwischen dem deutschen und dem französischen Volk stattfanden mit Angriffen und Rückzügen, Besatzung und Gegenbesatzung, mit wechselseitigem Unrecht und Leid, .das man einander zugefügt hat.
    Ich möchte ein etwas aktuelleres Beispiel für diese Tragik aus der neuesten Geschichte zitieren. Die Älteren von uns, die wir 1940 in Nordfrankreich auf den Friedhöfen aus dem ersten Weltkrieg standen, werden niemals das Bild vergessen, wie viele junge Soldaten nach den Gräbern ihrer Väter aus dem ersten Weltkrieg suchten, Väter, die sie nie gesehen haben, weil sie sie verloren, als sie gerade geboren waren.
    Es ist in der Tat eine geschichtliche Wende im deutsch-französischen Verhältnis zu vermerken, wenn die Söhne dieser damaligen jungen Soldaten 22 Jahre später in Mourmelon und Sissons nicht mehr gegeneinander-, sondern als Soldaten eines atlantischen Bündnisses nebeneinanderstehen in einer neuen gemeinsamen Aufgabe, die sich nicht nur auf den militärpolitischen Bereich erstreckt, sondern auch auf die Zusammenarbeit in Werkstätten, Laboratorien, Forschungsstätten und in Verwaltungsbehörden.
    Die wechselseitige Schwächung im europäischen Bruderzwist hat beiden Völkern schwer geschadet. Das wechselseitige Mißtrauen hat durch die Ostpolitik beider Völker neue Nahrung erfahren. Wir standen nach der Bismarck-Ära doch in der Umklammerung, die die französische Politik durch Warschau, Moskau und später Prag und Bukarest zuwege brachte. Aber genug der Reminiszenzen!
    Nach dem zweiten Weltkrieg ist eine neue Entwicklung eingetreten. Ich möchte als die erste Ursache der neuen Entwicklung und des neuen Geistes die Erfahrungen beider Völker aus dem totalen zweiten Weltkrieg nennen: wechselseitig die Erfahrungen der Besetzung, Hunderttausende französischer Kriegsgefangener in unserem Lande und unter ihnen viele, die in den Trecks in Ostpreußen, Schlesien und Pommern der deutschen Bevölkerung auf der Flucht vor der Roten Armee halfen, und in Frankreich im Anschluß an den zweiten Weltkrieg viele deutsche Kriegsgefangene, die sich im Aufbau Frankreichs das Vertrauen des einfachen Mannes erwarben.
    Die Völker sind in der Versöhnung den Politikern vorangeschritten. Aber die Politiker haben aus dieser neuen geistigen Entwicklung die politischen Konsequenzen gezogen. Ich möchte neben den vielen Namen, die vom Kollegen Wehner und auch vom Kollegen Majonica genannt wurden, aus allen politischen Richtungen, doch noch einmal vier Namen wiederholen: Winston Churchill, der in seiner bemerkenswerten Rede der deutsch-französischen Versöhnung als erster das Wort redete, Robert Schuman und Jean Monnet und, Herr Bundeskanzler, auch Ihre politischen Gegner werden Ihnen nicht das Verdienst absprechen können, daß Sie durch Ihren Rang und Ihre Amtszeit maßgeblich zur deutsch-französischen Freundschaft beigetragen haben und das Ihr Lebenswerk geworden ist.

    (Beifall bei den Regierungsparteien. — Zustimmung des Abg. Dr. Schmid [Frankfurt].)

    Die Freie Demokratische Partei hat als Koalitionspartner der ersten Bundesregierung und auch der zweiten Regierung dem Europarat zugestimmt, der Montanunion, dem Versuch einer Gründung der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft, die in der Assemblée Nationale im August 1954 scheiterte, dem Beitritt zur NATO. Und, Herr Kollege Wehner, wenn Sie sich hier mit einer Bemerkung an den Koalitionspartner von rechts gewandt haben, so stand in dieser Formulierung nicht nur frei nach der Freudschen Psychologie die Feststellung, daß Sie sich nach wie vor als Koalitionspartner im Wartestand von links zu fühlen scheinen;

    (Heiterkeit bei der FDP)

    denn sonst hätten Sie ja nicht diese Unterscheidung gemacht. Ich glaubte immer noch, daß Sie sich als Opposition zu dieser Regierung fühlen. Aber wahrscheinlich ist auch hier wiederum ein Umkehrprozeß in Gang gekommen, den noch nicht alle bis in ihre tiefsten Bewußtseinsganglien begriffen haben.
    Diese Entscheidungen, der Beitritt zum Europarat und zur Montanunion, Herr Kollege Wehner, sind in diesem Hause gegen den erbitterten Widerstand der sozialdemokratischen Opposition erfolgt,

    (Beifall bei den Regierungsparteien)

    und es ist geradezu faszinierend, bei dem Kollegen Wehner festzustellen, wie meisterhaft der gleiche Sprecher, der damals erbitterter Gegner der Gründung europäischer Institutionen war, sich heute hier als allumfassender Beschützer der gleichen Institutionen aufspielt.

    (Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Wehner: Woher wollen Sie das wissen, daß ich ein erbitterter Gegner war?)

    — Sie können nicht vergessen machen, daß dieses Haus eine Sitzung unterbrechen mußte, weil Sie von der SPD dem Regierungschef der gleichen Koalition damals den Vorwurf machten, er sei „Kanzler der Alliierten", weil er sich um die Verbesserung des Verhältnisses zu den Westmächten bemüht hat.

    (Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Wehner: Gucken Sie mal im Protokoll nach und wärmen Sie nicht solche alten Kamellen auf!)

    — Herr Kollege Wehner,

    (Abg. Wehner: Wie ein Gefreiter!)




    Dr. Mende
    hätten Sie nicht eben diese Äußerung bezüglich des Koalitionspartners von rechts gemacht,

    (Abg. Wehner: Haben Sie keine Angst, noch sicher im Sattel zu sitzen, wenn das ein Sattel ist — der Bock, auf dem Sie sitzen?!)

    dann hätte ich Ihnen nicht diese Antwort gegeben, die, wie Ihre Erregung beweist, Sie doch an einer sehr schwachen Stelle getroffen hat.

    (Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Wehner: Der Koalitions-Webel!)

    Im Rahmen der Diskussion um die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft hat in der Tat die Freie Demokratische Partei im Gegensatz zu den Sozialdemokraten und zur Christlich-Demokratischen Union ihre Zustimmung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der EURATOM versagt, aber nicht, Herr Kollege Wehner, aus antieuropäischer Haltung, sondern weil wir die Sechsergemeinschaft ohne Freihandelszone als zu eng für die europäische Entwicklung, als zu einseitig ansahen und die Sorge hatten, daß es zu einer neuen Blockbildung kommen würde, die ja dann im Rahmen der EFTA auch entstanden ist. Wer sich also hier mit der damaligen Ablehnung des EWG-Vertrages durch die Freie Demokratische Partei befaßt, der muß auch die Motive in gleicher Ausführlichkeit darstellen, sonst ist seine Darstellung tendenziös.
    Meine Damen und Herren! Eine Quelle der Mißverständnisse zwischen Deutschland und Frankreich war in den 50er Jahren die Saarfrage. Wir glauben, daß es eine gute Haltung der französischen Regierung und des französischen Volkes war, der Selbstbestimmung der Saarbevölkerung Respekt zu erweisen und die Rückkehr der Saar zu Deutschland einzuleiten. Mit dieser Lösung der Saarfrage ist die letzte Gefahr eines deutsch-französischen Mißverständnisses und Mißverhältnisses beseitigt worden.
    Wir glauben, daß sich in diesen Jahren ein neuer Geist zwischen Deutschland und Frankreich und auch in Europa — im freien Europa insgesamt — entwickelt hat, der eigentlich eines formellen Vertrages als eines letzten Siegels nicht bedurfte. Die deutsch-französische Freundschaft ist in den Begegnungen der beiden Völker so tief verwurzelt, daß man in der Tat auch ohne einen solchen Vertrag sicher sein konnte, daß es zu Rückfällen in die Barbarei der Vergangenheit nicht mehr kommen könnte.
    Aber nachdem sich beide Regierungen in Paris und Bonn entschlossen haben, einen solchen Vertrag über die deutsch-französische Zusammenarbeit abzuschließen, muß sich dieses Haus mit der Behandlung und Ratifizierung dieses Vertrages befassen und sich entscheiden. Es gibt einige Bestimmungen, die durchaus einer dokumentarischen Garantie bedürftig sind. Ich denke da insbesondere an das Wechselverhältnis, in dem Deutschland und Frankreich auch in militärpolitischer Hinsicht stehen. Deutschland ist Vorfeld der französischen Sicherheit, und Frankreich ist Hinterland der deutschen Sicherheit. Es gibt im Zeitalter der modernen Waffen keine voneinander losgelöste Verteidigung
    Deutschlands oder Frankreichs. Beide, Deutschland und Frankreich, sind wiederum nur noch zu verteidigen in einer Partnerschaft mit der atlantischen Gemeinschaft. Die Analyse dieses Vertrages, den wir heute in erster Lesung nur in seinen Prinzipien diskutieren können, zeigt, daß er im wesentlichen die Modalitäten der Zusammenarbeit auf den Gebieten der Außenpolitik, der Verteidigungspolitik, des Erziehungs- und Bildungswesens und der Jugend regelt. Er bildet gewissermaßen einen Rahmen für eine ständige Konsultation. Ich glaube nicht, daß die Perfektionierung dieser Konsultation zu einem Personalmangel führen wird. Es kommt auch hier darauf an, sich mehr der Pragmatik zuzuwenden als einem Perfektionismus des geschriebenen Wortes.
    Die Koalitionsparteien sind übereingekommen, daß, um Mißverständnisse auszuräumen, die insbesondere in Großbritannien, aber auch in Belgien, den Niederlanden, Luxemburg und Italien und in den Vereinigten Staaten bezüglich des Zusammenfalls des Abschlusses des Vertrages mit der Ablehnung des Beitritts Großbritanniens zur EWG durch den französischen Staatspräsidenten entstanden sind, eine Präambel zum Ratifizierungsgesetz sicherstellen sollte, daß jedermann weiß, dieser Vertrag ist nur im Rahmen der europäischen Zusammenarbeit und der atlantischen Partnerschaft lebensfähig; er verträgt keine isolierte Behandlung; die deutsch-französische Freundschaft und enge Zusammenarbeit ist kein Zweibund zu Lasten des europäischen Bundes und der atlantischen Partnerschaft, der Bilateralismus darf nicht zu Lasten eines Multilateralismus gehen, sondern auch hier ist eine Koordinierung im Sinne der europäischen und atlantischen Verträge selbstverständlich.
    Über den Wert einer Präambel ist in der Öffentlichkeit gestritten worden. Unser eignes Grundgesetz bestätigt uns, daß eine Präambel eine sehr wesentliche Aussagekraft haben kann. Schließlich zitieren wir sie immer wieder in dem Verfassungsgebot, unter dem wir alle stehen, „in freier Selbstbestimmung die Einheit und Freiheit Deutschlands zu vollenden". Das Bundesverfassungsgericht hat der Präambel des Grundgesetzes Verfassungsrang zugebilligt. Ich glaube also, die Präambel, die dann hoffentlich einstimmig in den Beratungen des Auswärtigen Ausschusses formuliert werden kann, dürfte eine unmißverständliche Willenskundgebung dieses Hauses als des Souveräns der deutschen Demokratie werden. Sie wirkt weiter als die Entschließung ides Bundesrates. Entschließungen haben in diesem Hause oft schon einstimmige Annahme erfahren; ich denke beispielsweise an die Berliner Entschließung vom 1. Oktober 1958. Aber wir glauben, daß die Präambel im Ratifizierungsgesetz eine stärkere Außen- und Innenwirkung hat als eine Entschließung dieses Hauses, wie der Bundesrat sie für richtig hielt.
    Kollege Majonica hat über die Tendenzen gewisser europäischer Kreise gesprochen, Europa zu einer dritten Kraft werden zu lassen. Ein Blick auf die Karte Europas und ein Vergleich der wechsel-



    Dr. Mende
    seitigen Kräfte schließt die Möglichkeit einer von Amerika unabhängigen dritten Kraft Europa aus.

    (Zustimmung bei den Regierungsparteien.)

    Denn was ist dieses Europa als Resteuropa, wie es uns leider nach dem zweiten Weltkrieg von Helmstedt bis Lissabon noch verblieben ist? Was schließt es ein? Eine Tiefe von 3000 km von Helmstedt bis Lissabon; diese Entfernung entspricht der Stundengeschwindigkeit eines Überschalljägers. Hier fehlt es an der Tiefe des Operationsraumes. Dieses Resteuropa ist aus eigener Kraft kein Gegengewicht gegenüber jener euroasiatischen Landmasse von Helmstedt bis Wladiwostok mit 11 800 km Tiefe. Jenem riesigen Gebiet ist Europa aus eigener Kraft weder politisch, wirtschaftlich noch militärisch gewachsen.
    Europa steht und fällt in enger Zusammenarbeit mit idem atlantischen Partner. Ich unterstreiche das, was Kollege Majonica sagte: die freie Welt wird auf zwei Säulen stehen, auf der einen Seite auf der Kraft der Vereinigten Staaten und Kanadas und auf der anderen Seite auf der Kraft eines vereinten Europa mit über 250 Millionen Menschen. Nur diese Kräfte 'beiderseits des atlantischen Ozeans lassen die Hoffnung entstehen, daß auch Afrika zu halten ist; denn ohne ein starkes Europa ist auch Afrika gegenüber der Expansion des Kommunismus auf die Dauer nicht zu bewahren.
    Dieses Europa darf allerdings nicht in eine Satellitenrolle gegenüber Amerika gedrängt wenden. Hier unterstreichen wir das, was George Bundy am 6. Dezember 1961 in einer Rede in Chikago gesagt hat; er sprach von der Interdependenz, der wechselseitigen Abhängigkeit Europas und Amerikas. Europa erstarkte nicht zuletzt auf der Basis der Hilfe Amerikas im Marshallplan vor fünfzehn Jahren. Europa muß seine Stärke in einer Partnerschaft mit den Vereinigten Staaten entwickeln, wenn es lebensfähig sein soll, keineswegs in einer Rivalität und erst recht nicht in der Versuchung, zwischen den beiden Blöcken etwa eine Mittler-, Vermittler- oder neutrale Rolle spielen zu können.
    Hier ist vom Kollegen Wehner der Präsident Hallstein — in seiner Eigenschaft als Staatssekretär des Auswärtigen Amtes noch .ein von der Opposition viel kritisierter Mann — seinen Sorgen bezüglich der Weiterexistenz der europäischen Institutionen zitiert worden. Ohne Zweifel haben Belgien, Luxemburg, die Niederlande und Italien gewisse Sorgen bezüglich der europäischen Institutionen. Wir wollen nicht leugnen, daß der deutschfranzösische Vertrag und seine Konsultationen sehr behutsam mit den europäischen Institutionen koordiniert werden müssen und daß man Rücksicht auf gewisse Empfindlichkeiten bei den anderen europäischen Partnern nehmen muß. Aber der Gedanke des französischen Staatspräsidenten, Europa nicht so sehr und nicht ,soschnell im Sinn Hallsteins im Integralismus entstehen zu lassen, sondern etwas mehr in einer Art Föderalismus als Europa der Vaterländer, ist durchaus diskutabel,

    (Abg. Wehner: Hört! Hört!) wenn man bedenkt, Herr Wehner, daß ja diese Bundesrepublik erst das halbe Vaterland ist,


    (Zuruf des Abg. Wehner)

    und wenn man bedenkt, daß schließlich eine allzu rasche Integration ohne eine entsprechende Kontrolle parlamentarischer Körperschaften zur Herrschaft einer Bürokratie ohne parlamentarisch-demokratische Kontrolle führen kann.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Hier hinkt das Kontrollsystem der Parlamentarier hinter der Eilfertigkeit des europäischen bürokratischen Integralismus etwas hinterher.

    (Erneuter Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Das sind Bedenken, die wir doch alle haben, die aber doch nicht mit den Prinzipien etwas zu tun haben.
    Lassen Sie mich zum Schluß folgendes feststellen. Die Freie Demokratische Partei stimmt dem deutschfranzösischen Freundschaftsvertrag zu — als einer notwendigen Grundlage der europäischen Zusammenarbeit, die ohne den Beitritt Großbritanniens und ohne die skandinavischen Völker nicht möglich ist. Europa ist, nur auf sich selbst gestellt, als Sechsergruppe — ohne Großbritannien — nicht lebensfähig. Die Frage des Beitritts Großbritanniens, der skandinavischen Staaten und der Assoziierung der Schweiz, Österreichs, Schwedens und anderer ist daher nur eine Zeitfrage. Französische Widerstände können diese Entwicklung zwar verzögern, aber nicht verhindern. Es wird Aufgabe auch des deutschen Partners sein, in der Konsultation gewisse Hemmungen gegen den Beitritt Großbritanniens und die Ausweitung der Sechsergemeinschaft beseitigen zu helfen. Daß das bei einem Staatspräsidenten und alten General etwas schwierig ist, ist auch uns bekannt.
    Die Freie Demokratische Partei glaubt, daß Europa, das erweiterte Europa, nur in enger Zusammenarbeit und Partnerschaft mit den Vereinigten Staaten existieren kann. Daher ist die Atlantische Gemeinschaft, die von dieser Koalition durch den Beitritt zum Nordatlantikpakt auch für Deutschland erstellt wurde, für uns ein wichtiger Faktor zur Bewahrung Berlins, der Freiheit in der Bundesrepublik und zur Eindämmung der kommunistischen Expansion in Europa und in der Welt.
    Wir haben keine Sorge, Herr Kollege Wehner, daß dieser Vertrag nun schnell in den Ausschüssen, wie Sie so sagen, durchgearbeitet werden soll. Dieser Vertrag ist seit drei Monaten bereits auf der Tagesordnung nicht nur der Parteien des Bundestages, sondern sogar internationaler Konferenzen der Sozialisten, der Liberalen und der christlichen Parteien. Er ist in den Diskussionen der Weltpresse. Allein die vielen Zitate, Herr Kollege Wehner, die Sie hier gebracht haben, bestätigen, wie viele sich schon in den drei Monaten mit diesem Vertrag beschäftigt haben.

    (Zuruf des Abg. Wehner.)




    Dr. Mende
    Ich sehe daher keine Schwierigkeit, diesen Vertrag in organischer Behandlung in den Ausschüssen so zu beraten, daß er vor der Pfingstpause in zweiter und dritter Lesung verabschiedet werden kann.

    (Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Wehner: Bevor der Kanzler wieder nach Cadenabbia reist!)

    Wir glauben, Herr Kollege Wehner, daß es unzweckmäßig ist, die Dinge allzu rasch zu behandeln.

    (Abg. Wehner: Immer durch, immer durch!)

    Aber für ebenso unzweckmäßig halten wir eine Verzögerungstaktik, die aus ganz klaren politischen Motiven versucht wird.

    (Beifall bei den Regierungsparteien. — Fortgesetzte Zurufe des Abg. Wehner.)

    Wir glauben, daß die Verzögerungstaktik und das Hinausschieben dieses Vertrages bis etwa in den Herbst das Übel nur vermehrt und niemanden dient. Daher glaube ich, Herr Kollege Wehner, Sie sollten als Opposition es tragen, wenn Sie in dieser Frage der Mehrheit der Koalition unterliegen werden.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)



Rede von Erwin Schoettle
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Herr Bundesminister des Auswärtigen.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von: Unbekanntinfo_outline


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: ()

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In einer Debatte wird manchmal etwas zitiert, was man im Gedächtnis hat; man kann es dann aus dem Gedächtnis heraus vielleicht bestätigen. Manchmal wird etwas zitiert, was man an sich für richtig hält und von dem man sagt: Die Sache wird ungefähr so sein; ich glaube, mich von fern daran zu erinnern. Und manchmal hat man während einer Debatte Gelegenheit, auf ein Zitat zurückzukommen. Herr Kollege Wehner hat zitiert: Bebel, Hilferding, Monnet, Hallstein, Acheson, Kennedy, Spaak, Madariaga, Professor Erhard und ganz eingangs auch den Bundeskanzler.

    (Abg. Wehner: Stresemann vergessen! Der Beckmesser war nicht auf der Höhe! — Heiterkeit.)

    — Herr Kollege Wehner, ich bin natürlich dankbar für eine Ergänzung der Liste. Aber Stresemann machte die Liste ja nur besser, nicht schlechter.
    Ich will nur zu einem einzigen der Zitate etwas sagen, zu dem Bebelschen Zitat, eigentlich nur, weil es doch interessant ist, zu sehen, was man im Laufe eines Lebens erlebt und was auch Bebel erlebt hat. Was ich hier sage, zitiere ich aus August Bebels Buch „Aus meinem Leben", zweiter Teil seiner Lebenserinnerungen. Als man ihm während einer Sitzung erzählte, daß die Börsenzeitung — und nachher stellte sich heraus, auch die Norddeutsche Allgemeine Zeitung — den Brief eines französischen Konsuls abgedruckt habe, hielt er das zunächst für eine elende Mystifikation, die vom Preußischen Pressebureau ausgehe, um ihn und Liebknecht zu diskreditieren. Aber tatsächlich hatte er sich getäuscht. Er erhielt dann einen Brief — —

    (Abg. Wehner: Er kannte seinen Bundeskanzler! — Heiterkeit.)

    — Aber Sie täuschen sich, Herr Kollege Wehner. Das hätte ich nicht so schnell gesagt. Es stellt sich gleich heraus, wie die Sache in Wirklichkeit war. Es war keine Mystifikation, sondern er bekam dann diesen Brief mit dem Datum vom 2. Dezember. Der Brief hatte sechs Tage gebraucht, um in seine Hände zu gelangen. Relativ kurz von Wien nach Berlin, verglichen mit unseren Erlebnissen von heute. Die Post kann heute dafür unter Umständen genauso lange brauchen — Proteste! —. Er gibt den Brief in seinen Lebenserinnerungen wieder und sagt dann folgendes:
    Der Brief mochte gut gemeint sein, aber in jenem Augenblick bedeutete er eine große Taktlosigkeit. Wer ihn veröffentlichte, haben wir nie erfahren. Ich vermute, der Konsul wurde zu dem Brief von einer Seite animiert, die ein Interesse daran hatte, uns zu schaden.
    Das wollte ich hier gern nur einmal vorgelesen haben, um zu zeigen, in welchen Schwierigkeiten sich Bebel befand, und ich glaube, es ist eine interessante Ergänzung zu dem, was Herr Kollege Wehner hier ausgeführt hat. Aber nun beschäftige ich mich nicht mehr mit den Zitaten, sondern mit den Gedanken.
    Meine Damen und Herren, ich glaube, man kann ohne Übertreibung sagen, daß vier Grundgedanken dieses deutsch-französischen Vertrages hier doch eine ganz allgemeine Zustimmung gefunden haben. Das eine ist der Gedanke der Versöhnung; das andere ist der Gedanke der Solidarität; das dritte ist der Ausdruck der Festigung der deutsch-französischen Freundschaft und schließlich der Wille zu einer Verstärkung der Zusammenarbeit. Wenn ich die Debatte richtig auffasse, ist das auf keiner Seite beanstandet, sondern im Gegenteil von allen Seiten nur unterstrichen worden. Und damit ist der Kern und der eigentliche Inhalt dieses Vertrages so positiv bewertet, wie das in den vorausgegangenen Monaten — ich würde sagen, mindestens in der seiner Unterzeichnung vorausgegangenen Zeit — von allen Seiten geschehen ist.
    Die Kritik, die hier geäußert worden ist, muß man einmal unter dem Gesichtspunkt untersuchen: Sind in dem Vertrag etwa Ziele formuliert worden, die bedenklich wären? Das ist nach meiner Meinung einwandfrei zu verneinen. Das einzige Ziel, das formuliert worden ist, lautet: vereinigtes Europa, und das ist ein Ziel, das in dieser Debatte — wie in zahlreichen früher vorausgegangenen — von allen Seiten doch nur Unterstützung finden kann.

    (Abg. Wehner: Weil darin steht, wie man dies unter besonderen Bedingungen durch eine gleichgerichtete Haltung zweier Partner gegen die anderen — —)

    — Herr Kollege Wehner: „unterstützend erreicht"!
    Darf ich zunächst etwas zu dem Wort „gleichgerichtet" sagen. In dem französischen Text steht „ana-



    Bundesminister Dr. Schröder
    logue". Das ist mit gleichgerichtet übersetzt worden. Wir können vielleicht ein besseres Wort für gleichgerichtet finden, und wenn sich der Ausschuß dabei verdient machen will, hat er sicherlich unsere volle Unterstützung. Das Wort „gleichgerichtet" ist in der Tat kein sehr schöner Ausdruck, aber immer noch nicht so schlimm wie etwa „gleichgeschaltet" und was etwa damit an Assoziationen hervorgerufen werden könnte.
    Nun stellt sich die Frage: Ist dieser Vertrag mit dem großen Vertragswerk über die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft vereinbar oder nicht? So kann man doch die Frage wohl nur stellen. Präsident Hallstein ist einige Zeit nach der Unterzeichnung dieses Vertrages auch einmal bei mir gewesen, bevor er die erwähnte Rede gehalten hat, die ich nicht so besonders glücklich gefunden habe.

    (Zurufe von der SPD.)

    — Ich habe die Rede nicht besonders glücklich gefunden. Ich kann das noch ein bißchen auseinandersetzen. Er hat dabei seinen Gedanken vorgetragen. Ich habe gesagt: Herr Hallstein, Sie sind ein hervorragender Jurist, und Sie wissen, daß Sie mit der Begründung, die Sie hier sozusagen juristisch geben, vor keinem dafür etwa zuständigen Gerichtshof Gehör finden würden und nicht den Nachweis zu führen in der Lage wären, daß der deutsch-französische Vertrag mit dem Vertrag über die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft unvereinbar ist. Herr Hallstein hat denn auch in der Tat eine so weitgehende Behauptung nicht aufstellen wollen.
    Der Vertrag reicht im übrigen doch ganz offensichtlich weit hinaus über die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft. Er faßt alle Interessen und Beziehungen ins Auge, die Deutschland und Frankreich auch zu anderen, weit über die Welt verteilten Fragen haben. Die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft ist also nicht etwa das zentrale Anliegen dieses Vertrages. Was sagt er in bezug auf sie? Er sagt, daß auch in bezug darauf eine Konsultation stattfinden solle. Da steht nicht ein Wort davon, daß man einen Abstimmungspool bilden wolle oder werde. Davon kann gar keine Rede sein.
    Meine Damen und Herren, wer ein bißchen die Wirklichkeit kennt, weiß doch, daß es üblich ist und bis in alle Zeiten üblich bleiben wird, daß, solange nicht etwa ein einheitlicher Staat da ist, die Beteiligten mit ihren durchaus wechselnden Interessen, sich vor den Entscheidungen in den größeren Gremien abzustimmen bemühen. Das gilt doch auch — so habe ich mir sagen lassen — für die parlamentarischen Vertreter in diesen Gremien. Auch sie finden sich von Land zu Land nach politischen Richtungen zusammen, doch wohl, um eine möglichst — ich gebrauche den Ausdruck noch einmal — gleichgerichtete Haltung in den betreffenden Gremien einzunehmen. Daran nimmt niemand Anstoß. Das ist durch die EWG nicht verboten. Das wird nicht verhindert durch diesen deutsch-französischen Vertrag, und es gehört doch offenbar zu den ganz legitimen Mitteln der vorbereitenden Willensbildung. Ich glaube also nicht, daß man ernsthaft mit einem solchen Einwand der Unvereinbarkeit kommen kann.
    Ein anderer Einwand ist im Grunde interessanter, nämlich die Frage, ob ein System denkbar ist, in dem alle — ich verenge die Sache jetzt einmal auf die EWG — an der EWG Beteiligten untereinander ein Netz von solchen Konsultationsverträgen schließen könnten. Die Frage ist an sich zu bejahen. Ob es aber wirklichkeitsnah und praktisch ist, steht auf einem ganz anderen Blatt.
    Der Gedanke, daß der Stellenkegel der Auswärtigen Ämter sich dann ungeheuer in die Breite dehnen würde, ist ja schon vorgetragen worden. Es hat natürlich sehr viel Erheiterndes, sich auszurechnen, nachdem Herr Parkinson neulich hier in Bonn war, was man alles braucht, um neuen Aufgaben etwa bürokratisch gerecht zu werden. Ich glaube also nicht, daß es sehr praktisch wäre, darauf auszugehen, ein Geflecht solcher zweiseitigen Verträge zu schaffen.