Rede von
Dr.
Elisabeth
Schwarzhaupt
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In Punkt 10 der Großen Anfrage und auch in der Begründung, die der Kollege Arendt gegeben hat, sind auch gesundheitspolitische Gesichtspunkte angeführt worden. Der Herr Bundeswirtschaftsminister hat bereits gesagt, daß die Bundesregierung die Frage einer Entschwefelung — wie Sie sagen, insbesondere der flüssigen Brennstoffe
— prüfen wird, um die gesundheitlichen Schäden, die hier drohen oder bereits ständig eintreten, zu mindern.
Ich bin von meinem Ressort aus natürlich sehr zufrieden damit, daß diese Fragen aufgegriffen worden sind. Ich möchte allerdings davor warnen, daß gesundheitspolitische Gesichtspunkte n u r oder auch
— wie es in der Großen Anfrage heißt — insbesondere im Hinblick auf eine Energiequelle, nämlich auf die flüssigen Brennstoffe, angeführt werden und daß damit die Gesundheitspolitik in die Gefahr kommt, zu einem Mittel der Energiepolitik gemacht zu werden. Dagegen müssen wir uns verwahren. Wenn wir hier Bestimmungen zum Schutz der Gesundheit der Menschen anwenden — und wir müssen überall suchen, wo dies möglich und notwendig ist —, müssen sie immer da angewandt werden, wo
Schäden bestehen und eintreten. Es scheint mir, daß in bezug auf eine Minderung des Schwefelgehalts der Abgase, die allerdings eine sehr schwere Beeinträchtigung von Menschen und Pflanzen darstellen, die Zukunftslösung mehr in Richtung einer Vergasung sowohl der flüssigen wie der festen Brennstoffe liegt.
Einen weiteren gesundheitspolitischen Gesichtspunkt, den der Herr Kollege von der SPD noch nicht angeführt hat, möchte ich auch hier in das Gespräch werfen. Herr Kollege Arendt, Sie haben von den neun neuen Raffinerien gesprochen, die für die Zukunft vorgesehen sind, und Sie haben dabei sehr viel über die Kapazitäten, die da entstehen werden, gesagt. Vor mir steht aber auch das Bild, daß diese neuen Raffinerien. in Gegenden errichtet werden, in denen bisher die Luft nicht oder kaum verunreinigt war und in denen nun neue und bisher nicht vorhandene Abgasquellen, und zwar auch Quellen mit einem stark gesundheitsschädlichen Gehalt entstehen. Auf diesem Gebiet gibt die Gesetzgebung aus der vorigen Legislaturperiode des Bundestages Handhaben. Nach § 16 der Gewerbeordnung besteht jetzt die Möglichkeit, daß die örtlich zuständigen Stellen Auflagen machen, die gerade in gesundheitspolitischer Beziehung die entscheidenden Abhilfen ergeben könnten.
Daß diese bestehende Bundesgesetzgebung vom Gesichtspunkt der Gesunderhaltung der Bevölkerung in diesen Gebieten, in denen neue Quellen für SO-haltige Abgase geschaffen werden, streng angewandt werde, scheint mir allerdings ein wesentlicher gesundheitspolitischer Gesichtspunkt zu sein. Im Gesundheitsministerium werden technische Anleitungen zur Handhabung dieser Bestimmung erarbeitet, die eine Richtlinie dafür geben; der § 16 der Gewerbeordnung kann aber auch heute schon angewandt werden. Hier wird sich zeigen, ob die Bundesgesetze, die zum Schutz der Gesundheit der Bevölkerung erlassen sind, wirklich im Sinne des Gesetzgebers ausgeführt werden.
Hier wird sich auch zeigen, ob wir in unserer modernen Gesellschaft den technischen Fortschritt richtig verstehen, ob wir uns nicht kurzschlüssig und voreilig faszinieren lassen davon, daß hier Energiequellen geschaffen werden, die billiger sind, die arbeitssparend sind, die eine Fülle von technischen Vorteilen haben, die aber für die Gesundheit der Umwelt schädlich sind. Es ist kein technischer Fortschritt, wenn man durch Verwendung einer neuen technischen Möglichkeit zwar Arbeit spart, Geld spart, wenn man also technisch beinah „genial" ist, aber zugleich die Gesundheit der Bevölkerung schädigt; das ist ein technischer Rückschritt.