Rede:
ID0406802500

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Metadaten
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    Vokabeln: 8
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    6. Abgeordnete: 1
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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 68. Sitzung Bonn, den 18. März 1963 Inhalt: Zur GO: Rasner (CDU/CSU) 3061 B, C, 3062 A, B, C Dürr (FDP) 3061 C Dr. Mommer (SPD) 3061 D Mündlicher Bericht des Außenhandelsausschusses über die Vierte Verordnung zur Änderung der Ausfuhrliste — Anlage zur Außenwirtschaftsverordnung (Drucksachen IV/858, IV/1071) Dr. Löhr (CDU/CSU) . . 3062 C, 3065 D Dr. Schröder, Bundesminister . . . 3064 C, 3071 D, 3076 C Präsident D. Dr. Gerstenmaier . . . 3065 A, 3074 C Bading (SPD) 3065 A, 3075 C Dr. von Brentano (CDU/CSU) . . . 3066 B, 3073 D Dr. Deist (SPD) 3068 B Zoglmann (FDP) 3070 B Dr. Dr. h. c. Erhard, Bundesminister 3070 C Wittrock (SPD) 3074 C Beschlußunfähigkeit 3077 D Anlage 3079 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 68. Sitzung. Bonn, Montag, den 18. März 1963 3061 68. Sitzung Bonn, den 18. März 1963 Stenographischer Bericht Beginn: 18.00 Uhr
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    Anlage zum Stenographischen Bericht Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete() beurlaubt bis einschließlich Dr. Arndt (Berlin) 18. 3. Dr. Dr. h. c. Baade 31. 3. Fürst von Bismarck 22. 3. Dr. Dörinkel 18. 3. Dr. Frede 20.4. Dr. Frey (Bonn) 31. 3. Funk (Neuses am Sand) 31. 3. Gaßmann 5. 4. Hellenbrock 31. 3. Dr. Hellige 20. 4. Jaksch 26. 4. Dr. Knorr 4. 4. Müller (Berlin) 31.3. Müller (Nordenham) 21.3. Dr. Rieger (Köln) 27. 3. Strauß 21.3. Frau Vietje 31. 3. Wittmer-Eigenbrodt 30. 4.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Heinrich von Brentano


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, daß über den dieser Diskussion zugrunde liegenden Sachverhalt im Hohen Hause kaum Meinungsverschiedenheiten bestehen. Auch ich lege Wert auf die Feststellung, daß niemand von uns bestritten hat, daß die Verträge, die, ich glaube, am 3. Oktober 1962 von den einzelnen Firmen abgeschlossen worden sind, in gutem Glauben abgeschlossen wurden, weil damals ein Embargo noch nicht beschlossen war.
    Ich möchte aber feststellen, daß diese Verträge genehmigungsbedürftig waren, und zwar als Veredelungsverträge. Sie bedurften einer Zollgenehmigung. Diese wurde am 8. Januar 1963 erteilt. Damit war diese aufschiebende Bedingung für das Zustandekommen der Verträge beseitigt. Aber im Genehmigungsbescheid vom 8. Januar 1963 heißt es:
    Die Ausfuhr in Länder des Ostblocks ist auf Grund der Vierten Verordnung zur Änderung der Ausfuhrliste genehmigungspflichtig. Die mit der Bewilligung des Lohnveredelungsverkehrs verbundene Abgabevergünstigung kann deshalb praktisch nur wirksam werden, wenn entsprechende Ausfuhrgenehmigungen erteilt werden.
    Damit war — das ist die Auffassung meiner Freunde und auch meine Auffassung — auch den Vertragspartnern mitgeteilt worden, daß die Zollgenehmigung zwar erteilt war, diese Zollgenehmigung aber noch nicht der letzte Hoheitsakt war, der die Gültigkeit der Verträge herbeiführte, sondern daß es infolge der inzwischen ordnungsgemäß verkündeten Vierten Verordnung einer weiteren Genehmigung bedurfte.
    Nun, meine Damen und Herren, hat Herr Kollege Bading auf die wirtschaftliche Bedeutung dieser Verträge und auf den wirtschaftlichen Aspekt des ganzen Problems hingewiesen. Ich glaube, wir sind uns alle über die wirtschaftspolitische Bedeutung dieser Verträge weitgehend einig. Aber ich bin auf der anderen Seite der Meinung, daß wir hier nicht eine wirtschaftspolitische Entscheidung zu treffen haben,

    (Sehr richtig! Bei der CDU/CSU)

    so erwünscht sie vielleicht auch sein kann, auch mit Rücksicht auf unsere Industrie, auf die großen Firmen, die sich auf diese Verträge eingestellt haben. Dieses legitime Interesse, ein Interesse, daß auch ein Interesse der deutschen Volkswirtschaft ist, wird von uns in keiner Weise bestritten. Aber wir haben hier, wie ich glaube, eine politische Entscheidung zu treffen, und das ist der Grund, weswegen wir mit dem Antrag des Außenhandelsausschusses, den unser Kollege Herr Dr. Löhr als Berichterstatter vorgetragen hat, nicht einverstanden sind.
    Es wird davon gesprochen — und ich nehme dieses Argument durchaus ernst —, daß Verträge erfüllt werden sollten, daß in abgeschlossene Verträge nicht ohne zwingende Not, nicht ohne echten politischen Anlaß eingegriffen werden sollte. Das ist auch die Meinung meiner politischen Freunde und meine Meinung.
    Aber ich möchte, um Mißverständnisse zu vermeiden, darauf hinweisen, daß es sich bei diesen Lohnveredelungsgeschäften nicht um Vereinbarungen allgemeiner Art mit der Sowjetunion handelt. Die Bestimmungen etwa des langfristigen Abkommens über den Waren- und Zahlungsverkehr zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken für die Jahre 1961 bis 1963 beziehen sich nicht auf die Lohnveredelungsverträge. Diese Lohnveredelungsverträge wurden außerhalb dieses Abkommens abgeschlossen.
    Ebensowenig — und ich lege Wert auf diese Feststellung — wird durch die Beschränkung der Ausfuhr von Großrohren nach der Sowjetunion im Zusammenhang mit diesen Lohnveredelungsgeschäften das Abkommen über Allgemeine Fragen des Handels und der Seeschiffahrt zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken vom 25. April 1958 tangiert. Denn dessen Art. 3 sieht ausdrücklich vor — und das ist eine Erklärung, die von beiden Seiten abgegeben worden ist —, daß die Ausfuhr aus Gründen der Sicherheit beschränkt werden kann. Zu Beschränkungen dieser Art ist also jeder Vertragspartner nach Art. 3 Abs. 2 Buchst. a dieses Abkommens berechtigt. Also weiß auch die Sowjetunion als Vertragspartner, daß auch im Rahmen dieses Abkommens, das die Bundesregierung sicherlich einzuhalten bereit und entschlossen ist, Eingriffe in Einzellieferungen erfolgen können, ohne daß der Bundesregierung der Vorwurf gemacht werden könnte, daß sie vertragswidrig handle.



    Dr. von Brentano
    Nun ist ein neuer Sachverhalt entstanden durch den Beschluß, den der NATO-Rat am 21. November 1962 einstimmig gefaßt hat. Über die Einzelheiten dieses Beschlusses hier zu sprechen, verbietet der Raum, in dem wir sind.

    (Abg. Erler: Der ist auch in anderen Räumen nicht vorgelegt worden!)

    — Herr Kollege Erler, ich glaube, er wäre jederzeit im Auswärtigen Ausschuß vorgelegt worden.

    (Abg. Wehner: Hört! Hört!)

    — Ich war nicht anwesend.

    (Abg. Wehner: Ihr Staatssekretär war anwesend und hat uns eine Standpauke gehalten! — Weitere Zurufe von der SPD.)

    — Meine Damen und Herren, beschimpfen Sie mich nicht für etwas, für das ich keine Verantwortung trage! Ich kann mich nicht hierherstellen und Auskunft über einen Beschluß geben, den ich selber nicht im einzelnen kenne.

    (Zurufe von der SPD.)

    Ich weiß nur, daß die Bundesregierung — und es hat bisher niemand behauptet, daß sie das gegen besseres Wissen tut — darauf hingewiesen hat, daß im NATO-Rat ein einstimmiger Beschluß gefaßt worden ist des Inhalts, daß Lieferungen dieser Art, auch wenn schon Verträge darüber abgeschlossen sind, nicht ausgeführt werden sollten, und zwar mit Rücksicht auf die Sicherheit der NATO-Partner.
    Auf diese eine schwerwiegende Feststellung möchte ich mich beschränken und möchte dazu folgendes sagen. Die Bundesregierung hat entsprechend diesem Beschluß, den der NATO-Rat einstimmig gefaßt hat, diese Vierte Verordnung erlassen, die nach § 2 des Außenwirtschaftsgesetzes auch rückwirkende Kraft haben kann. Das Außenwirtschaftsgesetz sieht ausdrücklich vor, daß Verordnungen dieser Art auch mit rückwirkender Kraft erlassen werden können. Sie hat dann erklärt, daß sie diese abgeschlossenen Geschäfte, die nach meiner Überzeugung noch schwebend unwirksam waren, nicht genehmigen könne.
    Ich glaube, wir stehen hier in einem echten Konflikt, einem Konflikt, den wir nicht leicht nehmen dürfen, einem Konflikt nämlich, ob wir die wirtschaftspolitische Bedeutung der Abwicklung dieser Verträge höher stellen als die Zusammenarbeit in der NATO.

    (Anhaltender lebhafter Beifall bei der CDU/CSU.)

    Das ist der Grund, weswegen ich ohne jede Polemik — ich glaube, diese Sache verträgt keine unsachliche Polemik — auch jetzt noch einmal in diesem Augenblick an das Hohe Haus appelliere und sage: wenn wir den Beschluß des Außenhandelsausschusses hier akzeptieren, so bedeutet das, daß die Bundesregierung vor der Alternative steht: entweder wird die Außenhandelsverordnung aufgehoben und der Bundesregierung das Instrument aus
    der Hand geschlagen, das sie braucht, um einen einstimmigen NATO-Beschluß zu verwirklichen,

    (Zustimmung in der Mitte)

    oder die Bundesregierung behält dieses Instrument, muß aber hier eine Erklärung abgeben, daß sie die schwebend unwirksamen Verträge genehmigt, mit der Wirkung, daß sie mit einer solchen Erklärung flagrant gegen einen einstimmig gefaßten NATO-Beschluß verstößt.

    (Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Rasner: Genau das!)

    Ich bitte Sie mit großem Nachdruck, sich doch dieser Konsequenzen bewußt zu sein. Ich glaube, wir alle in diesem Saale wissen, daß unser Schicksal von der Zusammenarbeit mit der NATO abhängt.

    (Zurufe von der SPD.)

    — Meine Damen und Herren, ich erlaube mir, hier meine Ausführungen zu machen, ob es Ihnen recht ist oder nicht.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Ich war und bin der Meinung, daß meine Feststellung richtig ist, daß wir in diesem Hohen Hause uns einmütig darüber im klaren sind, was die NATO für unser Volk, und zwar nicht nur für unser Volk in der Bundesrepublik, sondern auch für die Stadt Berlin bedeutet.

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU. — Beifall bei Abgeordneten der FDP.)

    Das ist der Grund, weswegen ich noch einmal, auch wenn sich jetzt durch Vorentscheidungen und vielleicht auch durch eine nicht immer ganz sachliche Diskussion die Fronten verhärtet haben, an alle Mitglieder dieses Hauses appelliere und Sie frage: Wollen Sie denn wirklich die Bundesregierung in die Situation versetzen, daß sie nun eine solche Entscheidung des Bundestags vollziehen und ihren NATO-Partnern mitteilen muß?
    Ich glaube, daß Sie, wenn wir hier zu einer echten Interessenabwägung kommen — und es kann nichts anderes sein, worüber wir zu entscheiden haben; Sie selbst, Herr Kollege Bading, haben gesagt, daß Sie den Sinn der Vierten Verordnung bejahen, daß auch Sie wünschen, daß diese Vierte Verordnung in Kraft bleibt —, dann die Bedingung wegnehmen, die der Außenhandelsausschuß der Genehmigung hinzugefügt hat, die Bedingung nämlich, daß die Bundesregierung sich hier und heute in einem Sinne äußern soll, der mit dem einstimmigen Beschluß der NATO schlechthin unvereinbar ist.
    Ich warne davor, durch eine Entscheidung die Glaubwürdigkeit der Politik der Bundesrepublik in der NATO zu erschüttern.

    (Lachen bei der SPD.)

    — Ich glaube, Sie sind genauso gut darüber unterrichtet wie ich, welche Bedeutung man diesem einstimmigen Beschluß der NATO in unseren Bündnisländern beimißt, nicht zuletzt in den Vereinigten Staaten von Amerika. Es ist nicht mehr und nicht weniger als ein Pflicht, auch der politischen Loyalität, das zu erfüllen, was andere in dem Bündnis-



    Dr. von Brentano
    system einmal mit guten Gründen von uns verlangen, wenn wir immer von neuem an diese Bündnispartner, an der Spitze die Vereinigten Staaten, die Forderung stellen, das deutsche Anliegen nicht zu vergessen, die Sicherheit des deutschen Volkes, die Freiheit von Berlin zu garantieren und mit uns dafür zu sorgen, daß diese Freiheit auch den Menschen wiedergegeben wird, die drüben in der Zone noch darauf warten.

    (Beifall bei der CDU/CSU. — Zurufe von der SPD.)

    — Ich bedaure es, daß Sie meine Ausführungen offenbar nicht so ernst nehmen wollen, wie sie gemeint sind.

    (Erneute Zurufe von der SPD.)

    Ich glaube, daß diese Entscheidung, vor der wir hier stehen, unter Umständen das Bündnis — —

    (Abg. Bading: Glauben Sie, daß wir es uns leicht gemacht haben?!)

    — Ich sage ja nicht, daß Sie es sich leicht gemacht haben. Aber ich darf doch diesen Appell an Sie richten aus den Erwägungen, die ich hier sachlich und, ich glaube, ohne Polemik vorgetragen habe.

    (Beifall bei der CDU/CSU. — Zurufe von der SPD.)

    Ich möchte nicht, daß der Eindruck entsteht, daß es ausgerechnet der Bundestag war, der als erster die Entscheidung getroffen hat, einen einstimmigen Beschluß des NATO-Rates zu ignorieren.

    (Anhaltender lebhafter Beifall bei der CDU/CSU.)



Rede von Dr. Eugen Gerstenmaier
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Deist.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Heinrich Deist


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte zunächst einmal klarstellen, daß es sich für uns hier nicht um Verfahrensfragen handelt, auch nicht um eine wirtschaftspolitische Frage in dem Sinne, ob wir der deutschen Wirtschaft Dinge zumuten können, die außenpolitisch erforderlich sind. Ich will gar nicht darüber sprechen, wie das Verfahren gelaufen ist und ob die ernsthaften Einwendungen, die gegen ein solches Embargo vorzubringen sind, genügend zur Geltung gebracht worden sind. Jedenfalls steht für uns genauso wie für Sie, Herr Dr. von Brentano, fest, daß wirtschaftliche Interessen dann zurückzustehen haben, wenn entscheidende außenpolitische und staatspolitische Interessen auf dem Spiele stehen.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der CDU/CSU.)

    Darüber besteht zwischen Ihnen und uns keinerlei Differenz.

    (Zurufe von der CDU/CSU.)

    Meine Damen und Herren, wir wissen, daß eine Empfehlung der NATO vorliegt, die Großrohraufträge in Zukunft dem Embargo zu unterwerfen. Unabhängig davon, ob der eine oder andere Bedenken gegen eine solche Empfehlung der NATO haben
    mag, sind wir der Auffassung, daß Deutschland in seiner außenpolitischen Situation einer solchen Empfehlung der NATO Folge leisten sollte.

    (Zurufe: Na also! und Beifall bei der CDU/ CSU.)

    Aber wir hätten zunächst einmal gewünscht, daß uns
    dann auf unsere Anforderung im Auswärtigen Ausschuß und im Außenhandelsausschuß der Wortlaut
    dieser NATO-Empfehlung vorgelegt worden wäre.

    (Beifall bei der SPD.)

    Das ist uns in beiden Ausschüssen verweigert worden.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Ich glaube, es kann gar kein Zweifel darüber bestehen — und der besteht auch bei unserem Bündnispartner nicht —, daß jede solche Empfehlung einer sinnvollen, vernünftigen Auslegung bedarf und daß jeder sich zu überlegen hat, daß wir — ich nehme Ihre Formulierung auf, Herr von Brentano — nicht ohne Not andere staatsrechtliche Vereinbarungen, die wir selbst getroffen haben, dadurch in Frage stellen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Staatsrechtliche?)

    — Handelsvertragliche, völkerrechtliche! — Darum geht es, meine Damen und Herren. Ist es nicht richtig, daß die britische Regierung erklärt hat, daß sie im Sinne einer solchen NATO-Empfehlung nicht handeln könne, weil ihr entsprechende Möglichkeiten nicht zur Verfügung stehen?

    (Hört! Hört! bei der SPD. — Zurufe von der CDU/CSU.)

    Ist es nicht richtig, daß ein italienisches staatliches Stahlwerk auch heute noch Röhren nach Verträgen ausliefert, die vor dem Embargo-Beschluß abgeschlossen worden sind?

    (Zurufe von der CDU/CSU.)

    Meine Damen und Herren, da frage ich mich, ob Sie das Recht haben, eine Empfehlung, die Sie hier nicht offen darzulegen wagen, so zu interpretieren, als wenn wir leichtfertig gegen die Interessen der NATO verstoßen.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD. — Beifall bei Abgeordneten der FDP.)

    Meine Damen und Herren, ich will hier nicht die offizielle Haltung der USA ansprechen; vielleicht würden sie sich im Sinne der Regierungsinterpretation aussprechen; das mag möglich sein. Aber wir wissen auch sehr gut, wie in amerikanischen Kreisen dieses Dilemma beurteilt wird, in dem nicht nur wir uns befinden; uns zu entscheiden, ob wir durch rückwirkende Maßnahmen vertragliche Vereinbarungen, die sich im Rahmen völkerrechtlicher Verträge halten, rückgängig machen dürfen.

    (Abg. Dr. Vogel: Völkerrechtlich?)

    Meine Damen und Herren, wir haben mit Sowjetrußland einen Handelsvertrag. In diesem Handelsvertrag ist ausdrücklich die Lieferung von Großrohren vorgesehen, nachdem im Jahre 1958 die Großrohre aus der Embargoliste herausgenommen sind. Auf Grund dieses Vertrages und im Rahmen des



    Dr. Deist
    Vertrages sind jene Liefervereinbarungen abgeschlossen worden, die hier zur Erörterung stehen.
    Vielleicht darf ich auch darauf hinweisen, daß in diesem Handelsvertrag dargelegt wird, daß keiner der beiden Staaten den Warenverkehr zwischen den beiden Staaten Beschränkungen und Verboten unterwerfen wird, die unter analogen Bedingungen nicht gegenüber allen anderen Staaten Anwendung finden.

    (Zurufe von der Mitte.)

    Und jetzt bringe ich den Satz, den Herr Dr. von Brentano angeführt hat, ausführlich:
    Diese Grundregel findet keine Anwendung in Fällen, in denen die öffentliche Ordnung und Sicherheit des Staates betroffen wird.
    Das bezieht sich insbesondere auf Fälle, die nicht unmittelbar im Vertrage geregelt sind. Man wird Großrohrlieferungen, die ausdrücklich im Vertrage vorgesehen sind, für die große Kontingente vorgesehen sind, nicht als eine Bedrohung der Sicherheit des Staates, also der Bundesrepublik, betrachten können. Das hätte man auch bei Abschluß der Handelsverträge wissen können und wissen müssen.
    Daraufhin sind die zur Erörterung stehenden Verträge im September und Oktober 1962 abgeschlossen worden. Da es sich um eine besondere Art von Verträgen, sogenannte Lohnveredelungsverträge, handelt, war eine zollamtliche Genehmigung, insbebesondere für Roheiseneinfuhren, erforderlich. Ist es nicht merkwürdig, daß diese hier erforderliche zollamtliche Genehmigung nach Erlaß der Verordnung der Bundesregierung noch im Januar dieses Jahres erteilt worden ist?

    (Zurufe von der SPD. — Zurufe von der CDU/CSU: Mit Vorbehalt!)

    — Dazu hat mein Freund Bading genügend gesagt, daß ein Vorbehalt bei bestimmten Genehmigungen vorgesehen war, — natürlich jenen Genehmigungen, die bei Abschluß der Verträge erforderlich waren, und dazu gehörten diese zollamtlichen Genehmigungen. Ausgerechnet die haben Sie erteilt.
    Vielleicht ist es nicht ganz uninteressant in diesem Zusammenhang, daß — jedenfalls so weit ich es sehen kann; ohne daß dies bisher bestritten worden wäre — Herr Bundesaußenminister Schröder am 2. Februar dieses Jahres in einem Brief mitgeteilt hat, daß die NATO-Mitglieder in Zukunft keine neuen Lieferverträge mit dem Ostblock übernehmen sollten. Das ist haargenau die Interpretation, die wir der NATO-Empfehlung geben.
    Verträge sind auslegungsfähig und dehnbar. Aber eine loyale Auslegung verlangt, daß man nicht gewaltsame Interpretationen vornimmt, wie das hier ganz offensichtlich geschieht.

    (Unruhe bei der CDU/CSU.)

    Wir sind der Auffassung, daß die Auseinandersetzung mit dem Osten, mit einem so harten Gegner, mit dem wir es dort zu tun haben, uns nicht verleiten sollte, ihm leichtfertig das Argument zu liefern, wir hielten es mit abgeschlossenen Verträgen nicht allzu ernst.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der FDP.)

    Vielleicht bedenken wir auch, daß wir ein umfangreiches Handelsvertragssystem nach Westen und Osten im Laufe der Zeit aufgebaut haben — alle diese Verträge gehören doch irgendwie zusammen —, und daß Sie nach dem Handelsvertrag mit Sowjetrußland jetzt einen Handelsvertrag mit Polen abgeschlossen haben und einen mit Ungarn beabsichtigen.
    Man wird alle Handelsverträge, die man abschließt, in gleicher Weise loyal handhaben müssen. In diesem Falle steht nicht nur in Frage, wie man im Osten über diese Dinge urteilt, sondern hier steht auch zur Debatte, was man im Westen ganz allgemein von unserer Vertragstreue zu abgeschlossenen Verträgen hält.

    (Beifall bei der SPD und bei der FDP. — Zustimmung bei Abgeordneten der CDU/ CSU.)

    Über die politischen Auswirkungen der Lieferungen dieser Rohre ist heute nicht gesprochen worden, obwohl darüber in der Öffentlichkeit viel Wirbel veranstaltet wurde. Ich darf nur sagen, daß wir der Auffassung sind, daß alle diese Argumentationen nicht ziehen.

    (Unruhe bei der CDU/CSU.)

    Ich habe aber nicht die Absicht, die Auseinandersetzung über diesen Punkt hier weiter auszudehnen.

    (Abg. Majonica: Na also, Herr Dr. Deist!)

    Meine Damen und Herren, es handelt sich hier, wie ich betonte, für uns um außenpolitische Überlegungen, nicht uni die Berücksichtigung irgendwelcher wirtschaftlicher Interessen.

    (Zurufe von der CDU/CSU: Eben!)

    Wir hätten gewünscht, daß Sie diese außenpolitischen Überlegungen in einem anderen, viel entscheidenderen Fall mit gleicher Intensität angestellt hätten.

    (Beifall bei der SPD.)

    Sie wissen nur zu gut, daß die Art der Verhandlungen und der Zeitpunkt der Unterzeichnung des deutsch-französischen Vertrages das europäische Verhältnis, die europäische Zusammenarbeit arg belastet haben, daß die Zusammenarbeit mit unserem atlantischen Partner jenseits der Meere dadurch sehr gefährdet wurde und daß der russischen Politik damit ein billiges Argument gegeben wird.

    (Beifall bei der SPD. — Abg. Majonica: Sie haben schon bessere Ablenkungsmanöver veranstaltet, Herr Deist!)

    Wir hätten gewünscht, daß Sie dort jene Überlegungen so ernsthaft angestellt hätten, wie Sie es jetzt auf einem Nebenschauplatz tun.

    (Beifall bei der SPD. — Abg. Majonica: Ist die NATO für Sie ein Nebenschauplatz, Herr Deist?)




    Dr. Deist
    — Nein, die NATO ist kein Nebenschauplatz. Aber das, was Sie hier aufführen, ist ein Nebenschauplatz,

    (Beifall bei der SPD)

    und das, was Sie uns heute in den letzten zwei Stunden vorgeführt haben, macht den ganzen Akt geradezu zu einer Tragikomödie.

    (Erneuter Beifall bei der SPD.)

    Wir halten es nicht für gut, wenn die Bundesregierung auf diese Weise den Eindruck hervorzurufen versucht, als seien Abgeordnete, die sich, wie Herr Dr. von Brentano sagte, sicherlich ebenso ehrlich um gute außenpolitische Beziehungen bemühen, die Mehrheit von Ausschüssen dieses Bundestages und viele, viele politisch verantwortliche Menschen in Deutschland, darunter z. B. auch Ihr Parteifreund, der Ministerpräsident Meyers, hinsichtlich der loyalen Zusammenarbeit mit unseren westlichen Bündnispartnern nicht ganz zuverlässig.

    (Beifall bei der SPD.)

    Wir Sozialdemokraten haben durch die Tat bewiesen, insbesondere in kritischen Situationen, daß wir sehr wohl wissen, was es heißt, loyaler Partner des westlichen Bündnisses zu sein.

    (Lachen bei der CDU/CSU.)

    In den letzten Monaten, in denen es darauf ankam, manche Mißverständnisse, die durch Ihre Haltung hervorgerufen wurden, zu beseitigen, sind auch die Sozialdemokraten mit in die Bresche gesprungen,
    um das Klima in der übrigen Welt wieder zu verbessern.

    (Beifall bei der SPD.)

    Wenn es darauf ankam, sowjetischen Zumutungen hart entgegenzutreten, dann haben wir es an der genügenden Härte nicht fehlen lassen. Aber wir werden nicht mitwirken, wenn die Bundesregierung versucht, durch geschäftsordnungsmäßige Maßnahmen und durch Pressionen einen Beschluß in diesem Bundestage herbeizuführen, den wir für außenpolitisch außerordentlich gefährlich halten.

    (Beifall bei der SPD.)