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ID0406108400

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    Deutscher Bundestag 61. Sitzung Bonn, den 15. Februar 1963 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung . . . . . 2775 A Fragestunde (Drucksachen IV/958, IV/967) Frage des Abg. Josten: Umgehungsstraße Altenahr Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . . . 2775 D, 2776 A Josten (CDU/CSU) . . . . . . . 2776 A Fragen des Abg. Dr. Rutschke: Führung der B 10 bei Karlsruhe Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . . 2776 B, 2777 C, D, 2778 A, B, C Dr. Rutschke (FDP) . 2777 B, D, 2778 B, C Erler (SPD) . . . . . 2777 D, 2778 A Frage des Abg. Oetzel: Umgehungsstraße bei Witten . . . . 2778 D Fragen des Abg. Kuntscher: Selbstwählferndienst in Bremervörde Stücklen, Bundesminister 2779 A, B, C, D Kuntscher (CDU/CSU) . . 2779 A, B, C, D, 2780 A Frage des Abg. Hammersen: Vorwählnummern im Fernsprechverkehr Stücklen, Bundesminister 2780 B, 2781 A Dürr (FDP) 2780 D Frage des Abg. Dr. Mommer: Lesbarkeit der Poststempel . . . . 2781 A Frage der Abg. Frau Dr. Hubert: Ratifizierungsgesetz über das europäische Niederlassungsabkommen Dr. Carstens, Staatssekretär 2781 A, C, D Frau Dr. Hubert (SPD) . . . 2781 C, D Frage des Abg. Schmitt-Vockenhausen: Formulare für den neuen Personalausweis Höcherl, Bundesminister . . . 2782 A, B Schmitt-Vockenhausen (SPD) . . . 2782 A Fragen des Abg. Dr. Hamm (Kaiserslautern) : Erhöhte Giftigkeit durch Abbaubarkeit der Detergentien . . . . . . . . 2782 B II Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 61. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. Februar 1963 Frage der Abg. Frau Dr. Hubert: Bevorratung mit Arzneimitteln bei chronischen Leiden Frau Dr. Schwarzhaupt, Bundesminister . . . . . . 2782 C, D Frau Dr. Hubert (SPD) 2782 C Entwurf eines Gesetzes zur weiteren Aufbesserung von Leistungen aus Renten- und Pensionsversicherungen sowie aus Kapitalzwangsversicherungen (Drucksache IV/810); Schriftlicher Bericht des Wirtschaftsausschusses (Drucksachen IV/922, zu IV/922) — Zweite und dritte Beratung — Burgemeister (CDU/CSU) . . . . 2783 A Soetebier (FDP) . . . . . . . . 2783 C Antrag betr. Raumordnung (Abg. Dr. Schmidt [Wuppertal], Bading, Margulies, Jacobi [Köln] u. Gen.) (Drucksache IV/473) 2783 D Bericht über die Ausführung des Beschlusses des Bundestages vom 14. Juni 1961 betr. § 116 des Deutschen Richtergesetzes (Drucksache IV/634) Dr. Bucher, Bundesminister . . . 2784 A Wittrock (SPD) 2784 A Dr. h. c. Güde (CDU/CSU) . . . 2785 B Frau Dr. Diemer-Nicolaus (FDP) . 2786 A Antrag betr. Nachwahlen (CDU/CSU, FDP) (Drucksache IV/982) 2786 C Schriftlicher Bericht des Sozialpol. Ausschusses über die Entwürfe der Verordnung über die Soziale Sicherheit der Grenzgänger und der Verordnung über die Soziale Sicherheit der Saisonarbeiter (Drucksachen IV/375, IV/983) . . . . . 2786 C Schriftlicher Bericht des Sozialpol. Ausschusses über die Verordnung des Rates der EWG zur Abänderung der Verordnungen Nr. 3 und Nr. 4 des Rates der EWG über die Soziale Sicherheit der Wanderarbeitnehmer (Drucksachen IV/917, IV/984) 2786 D Mündlicher Bericht des Ausschusses für Inneres über die Verordnung über die Einzelheiten für die Feststellung der Ruhegehälter der in Artikel 83 Absatz 3 des Statuts genannten Beamten sowie für die Aufteilung der aus der Zahlung dieser Ruhegehälter entstehenden Lasten auf den Versorgungsfonds der EGKS und die Haushaltspläne der EWG und der EAG (Drucksachen IV/964, IV/985) 2787 A Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Zweiten Änderungsgesetzes zum AVAVG (Drucksache IV/744); Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Arbeit (Drucksache IV/910) — Zweite und dritte Beratung — 2787 A Große Anfrage betr. Umsatzsteuer-Systemreform (SPD) (Drucksache IV/548); in Verbindung mit der Großen Anfrage betr. Reform der deutschen Umsatzsteuer (FDP) (Drucksache IV/684), dem Entwurf eines . . . Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes (Drucksache IV/866) — Erste Beratung — und dem Entwurf eines . . . Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes (Drucksache IV/867) — Erste Beratung — Kurlbaum (SPD) 2787 C Dr. Imle (FDP) 2789 A Dr. Dahlgrün, Bundesminister . . . 2791 A Nächste Sitzung 2802 C Anlagen 2803 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 61. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. Februar 1963 2775 61. Sitzung Bonn, den 15. Februar 1963 Stenographischer Bericht Beginn: 9.02 Uhr
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    Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordneter) beurlaubt bis einschließlich Dr. Arndt (Berlin) 16. 2. Dr. Aschoff 15. 2. Dr. Atzenroth 15. 2. Dr. Dr. h. c. Baade 15.2. Bauer (Wasserburg) 15. 2. Bazille 15. 2. Frau Berger-Heise 15. 2. Beuster 15. 2. Fürst von Bismarck 22. 2. Blachstein 15. 2. Böhme (Hildesheim) 15. 2. Corterier 15. 2. Dr. Danz 15. 2. Deringer 15. 2. Diebäcker 15.2. Dopatka 21.2. Dr. Dörinkel 20. 2. Dr. Dr. h. c. Dresbach 31. 3. Ehren 15. 2. Frau Eilers 15. 2. Eisenmann 15. 2. Etzel 15. 2. Figgen 20.4. Dr. Dr. h. c. Friedensburg 15. 2. Fritsch 15. 2. Frau Funcke (Hagen) 15. 2. Funk (Neuses am Sand) 16. 2. Dr. Furler 15. 2. Gaßmann 15. 2. Gedat 15. 2. Gehring 15.2. Freiherr zu Guttenberg 15. 2. Hahn (Bielefeld) * 15.2. Hamacher 15. 2. Hammersen 15. 2. Harnischfeger 15. 2. Hauffe 28.2. Höfler 15. 2. Kalbitzer * 15.2. Katzer 28. 2. Dr. Kempfler 15.2. Frau Dr. Kiep-Altenloh 15. 2. Frau Kipp-Kaule 15. 2. Klein (Saarbrücken) 15. 2. Kohlberger 15.2. Dr. Kohut 15. 2. Dr. Kopf 15. 2. Frau Krappe 15. 2. Kraus 15. 2. Krug 15. 2. Dr. Krümmer 15. 2. Kühn (Hildesheim) 16. 2. Leber 15.2. Abgeordneter) beurlaubt bis einschließlich Lemmer 28. 2. Lenz (Bremerhaven) 15. 2. Leonhard 15. 2. Liehr 15. 2. Dr. Löbe 1. 3. Lücker (München) 15. 2. Dr. Mälzig 15. 2. Margulies * 15. 2. Mattick 15. 2. Maucher 15. 2. Frau Dr. Maxsein 15. 2. Dr. h. c. Menne (Frankfurt) 15. 2. Metzger * 15. 2. Michels 15. 2. Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller 15. 2. Müller (Berlin) 31. 3. Müller (Nordenham) 2. 3. Murr 15. 2. Nellen 15.2. Neubauer 17. 2. Neumann (Allensbach) 15. 2. Neumann (Berlin) 23. 2. Oetzel 28. 2. Opitz 15. 2. Frau Dr. Pannhoff 15. 2. Dr.-Ing. Philipp 15. 2. Pöhler 15. 2. Ramms 15, 2. Dr. Reinhard 15. 2. Dr. Reischl 15. 2. Dr. Rieger (Köln) 15. 2. Ritzel 15.2. Ruf 16. 2. Sander 15. 2. Schoettle 15. 2. Dr. Schwörer 15.2. Seidl (München) 15. 2. Seither 11.3. Spitzmüller 15. 2. Dr. Stammberger 28.2. Steinhoff 15. 2. Dr. Steinmetz 15. 2. Stingl 15. 2. Dr. Stoltenberg 15. 2. Strauß 18. 3. Strohmayr 15. 2. Dr. Tamblé 15. 2. Urban 15. 2. Frau Vietje 15. 2. Dr. Wahl 28. 2. Weber (Georgenau) 15.2. Wellmann 15.2. Werner 24. 2. Wittmer-Eigenbrodt 30. 4. Dr. Wuermeling 1. 3. Wullenhaupt 19.2. * Für die Teilnahme an Ausschußsitzungen des Europäischen Parlaments 2804 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 61. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. Februar 1963 Anlage 2 Umdruck 187 Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU, FDP zur zweiten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur weiteren Aufbesserung von Leistungen aus Renten- und Pensionsversicherungen sowie aus Kapitalzwangsversicherungen (Drucksachen IV/810, IV/922, zu IV/922). 1. In § 4 Abs. 1 werden die Worte „30 vom Hundert" durch die Worte „45 vom Hundert" ersetzt. 2. § 4 Abs. 1 a erhält nachstehende neue Fassung: „(1 a) Aus den in § 5 des saarländischen Gesetzes Nr. 669 bezeichneten Versicherungsverträgen schuldet der Versicherer den Anspruchsberechtigten mit Wirkung vom 1. Januar 1963 zuzüglich zu der in § 6 des saarländischen Gesetzes Nr. 669 bestimmten zusätzlichen Versicherungssumme eine weitere zusätzliche Versicherungssumme in Höhe der sich nach § 6 Abs. 1 Satz 1 des saarländischen Gesetzes Nr. 669 ergebenden zusätzlichen Versicherungssumme. § 6 Abs. 1 Satz 2 und 3 des saarländischen Gesetzes Nr. 669 gilt entsprechend." Bonn, den 14. Februar 1963 Schmücker und Fraktion Freiherr von Kühlmann-Stumm und Fraktion
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    Rede von Dr. Wolfgang Imle


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es scheint ein Wettlauf einzusetzen, wer sich die Federn an den Hut stecken kann, wenn wir hier zu einer Umsatzsteuerreform kommen, und da möchten wir natürlich in diesem Wettlauf nicht fehlen. Das ist klar.

    (Heiterkeit und Beifall in der Mitte. — Abg. Kurlbaum: Spät kommt ihr!)

    — Diese Ovationen nehme ich natürlich gerne entgegen.

    (Heiterkeit.)

    Ich darf darauf hinweisen, daß wir bereits in der letzten Legislaturperiode den Ihnen allen ja bekannten Entwurf Zierold-Pritsch beraten haben. Wir hatten ihn allerdings noch nicht im Parlament eingebracht, weil wir erst einmal sondieren wollten, wie die Dinge eigentlich liegen, da wir der Meinung sind, daß man sehr eingehende Prüfungen anstellen muß, wenn eine Umsatzsteuerreform vorgenommen werden soll. Wir wollten damals natürlich erst einmal die Wirtschaft dazu hören. Und siehe da, die großen Verbände der Wirtschaft usw., die befragt wurden, zeigten sich sehr zurückhaltend, d. h. man bekam kein Bild darüber, welche Stellung dazu bezogen wurde. Das war bei uns der Anlaß, diese Dinge zunächst einmal zurückzustellen.

    (Abg. Kurlbaum: Welche Wirtschaft haben Sie denn gefragt, die große oder die kleine?)

    — Also, ich weiß gar nicht, Herr Kurlbaum, welchen Konzern Sie damit meinen. D e n haben wir allerdings nicht gefragt, sondern wir haben die großen Verbände befragt, ob das der Bundesverband der Deutschen Industrie ist, ob das die Großhandelsverbände oder die Fachverbände oder die Verbände des Handwerks und des Einzelhandels sind. Sie können die Liste bei uns gern einsehen. Sie wird mindestens zwei Seiten umfassen; die werden nicht einmal ausreichen.
    Das Problem der Umsatzsteuer ist eigentlich erst aufgetaucht, seitdem sie 1951 das vierte Prozent bekommen hat. Damit traf die Erklärung von Popitz, des Schöpfers der Umsatzsteuer — der kumulativen Umsatzsteuer, wie wir sie haben —, nicht mehr zu, daß eine Umsatzsteuer des jetzigen Systems, wenn sie 2 % überschreitet, wettbewerbsverzerrend wirkt, also nicht mehr wettbewerbsneutral ist.
    Seit dieser Zeit haben schon alsbald die Bemühungen eingesetzt, die Umsatzsteuer durch eine Reform wettbewerbsneutral zu machen. Diese Bemühungen haben seitdem nicht aufgehört. Der Kollege Kurlbaum hat soeben schon auf den Vorschlag des Wissenschaftlichen Beirats aus dem Jahre 1953 hingewiesen. Ich darf noch anfügen, daß wir auch den Vorschlag von Professor Schmölders von 1953 haben. Dann hat sich 1954/55 Herr Zierold-Pritsch damit befaßt, der nachher den Entwurf fertiggestellt hat. Weiter haben Herr Ritschel, der frühere Kollege Dr. Eckhardt und ebenfalls Herr Dr. Becker und Herr Haller daran gearbeitet.
    Ich darf noch einmal kurz darauf hinweisen, warum das jetzige System eben nicht mehr wettbewerbsgerecht ist. Der erste Grund ist die Kumulativwirkung. Diese Umsatzsteuer hat dazu geführt, daß Wirtschaftsstufen übersprungen werden und damit im Endergebnis eine vertikale Konzentration gefördert wird. Der zweite Grund liegt in den erheblichen Mängeln beim grenzüberschreitenden Verkehr. Ich nehme an, der Herr Bundesfinanzminister wird nachher dazu noch eingehend sprechen. Wir kennen alle das Problem im Import und Export, z. B. zwischen Frankreich und uns; dort werden 20 bis 25 % zurückgewährt, während bei uns eine demgegenüber nur kleine Rückerstattung in Frage kommt.
    Die Dinge sind nun so vorangetrieben worden, weil sich auch die EWG-Kommission eingehend damit befaßt hat. Diejenigen, die es angeht, kennen ja auch die Richtlinien, die dazu ergangen sind. Es würde die anderen Kollegen sicherlich zu sehr strapazieren, wenn ich darauf hier jetzt noch einginge. Ich glaube, das sollte man dem zuständigen Ausschuß überlassen. — Herr Schulhoff, mit dem „strapazieren" waren jetzt nicht Sie gemeint.
    Was ist nun der Sinn unserer Anfrage, die wir damals gestellt haben? Wir wollen feststellen, welche Möglichkeiten im einzelnen bestehen und wie das ganze Problem auch mit Rücksicht auf die Harmonisierung in der EWG gelöst werden kann. Dem Vernehmen nach stellt sich die Bundesregierung auf den Standpunkt, daß wir nun wohl ein Mehrwertsteuersystem mit Vorsteuerabzug bekommen sollen.
    In den anderen Staaten, mit denen wir innerhalb der EWG in Verbindung stehen, auch außerhalb der EWG, in der EFTA, gibt es andere Systeme, die man hier auch einmal beleuchten sollte. Ich darf sie hier kurz erwähnen. In Norwegen gibt es eine Einzelhandelssteuer von 10%. In Italien wird sich diese Steuer kaum einführen lassen. Holland und Belgien besteuern den Einzelhandel überhaupt nicht. Eine zweite Art ist die Grossistensteuer, wie wir sie in England und in der Schweiz haben. Aber dazu ist eine Registrierpflicht erforderlich. Sie läßt sich in einem Land wie der Schweiz noch durchführen, wo eben kurz telefoniert wird; aber in der Bundesrepublik wird das nicht möglich sein. Dasselbe würde bei einer Produktionssteuer der Fall sein. Wir glauben, diese kann nicht zum Zuge kommen.
    Ein ganz besonderes Problem wird sicherlich die Besteuerung der Dienstleistungen sein. Ich denke insbesondere an die Dienstleistungen im Handwerk, aber auch im Verkehrsgewerbe. Man wird sich bei der Besteuerung des Verkehrsgewerbes sicherlich Gedanken darüber machen müssen, ob ein Fortfall der Beförderungsteuer angebracht ist oder nicht, ins-



    Dr. Imle
    besondere auch deswegen, weil es in den EWG-Staaten eine Beförderungsteuer nicht gibt.

    (Abg. Schulhoff: Sie sind zu schnell über das Handwerk hinweggegangen!)

    — Zum Handwerk wollte ich jetzt gerade etwas sagen.

    (Abg. Dr. Schmidt [Wuppertal] : Das ist fast so stark wie die Grüne Front!)

    — Die kommt auch noch, Herr Schmidt.
    Beim Handwerk also muß bei besonders wertschöpfenden Zweigen eine sorgfältige Prüfung erfolgen. Man hat da zunächst immer die Gold- und Silberschmiede angeführt. Aber die neuesten Berechnungen führen dazu, daß sie gar nicht dazugehören, weil sie alle auch Handel treiben und bei einer Wertschöpfung von etwa 40 % liegen. Bei einer Wertschöpfung von 40 % ist aber die gleiche Belastung wie heute gegeben.

    (Abg. Schulhoff: Wertschöpfung 80 %, 90 %!)

    — Beim Friseur, Herr Schulhoff! Aber Sie können das Umsatzsteuerrecht doch nicht nach dem Friseur ausrichten!

    (Abg. Schulhoff: Ich wollte Sie nur berichtigen!)

    — Das war ein Zwischenruf, aber keine Berichtigung.
    Beim Baugewerbe haben wir das gleiche Problem. Die Wertschöpfung im Baugewerbe liegt bei 60 %. In Frankreich hat man sich damit geholfen, daß man nur 60 % der Wertschöpfung zugrunde gelegt hat und so ungefähr zu der gleichen Belastung gekommen ist.
    Aber die Dienstleistungen spielen auch noch bei anderen Berufen eine Rolle. Ich erinnere an die Handelsvertreter und an die freien Berufe.
    Damit kommen wir zu dem Problem, wie es mit den Befreiungen und den Ermäßigungen steht, die unser ganzes Umsatzsteuerrecht heute so außerordentlich kompliziert gemacht haben. Die Experten sind sich wohl alle darüber einig, daß das neue System, das wir haben wollen und wohl auch bekommen werden, nur dann richtig funktioniert, wenn es, wie es so schön heißt, lupenrein oder chemisch rein ist, d. h. möglichst wenig Ausnahmen enthält. Ich glaube nicht, daß es zu 100 % rein sein wird, weil wahrscheinlich doch irgendwo Ausnahmen gemacht werden müssen; denn sonst kommen die Dinge irgendwie ins Fließen, und wir übersehen das nicht.
    Im Zusammenhang mit den Ausnahmen wird die Landwirtschaft ein besonderes Problem darstellen. Aber ich habe den Eindruck, die Landwirtschaft selber hat sich noch zuwenig mit dem Problem befaßt, um eine eigene klare Aussage hierzu machen zu können. Man hat z. B. vergessen, daß sie die bezahlte Umsatzsteuer bei den von ihr bezogenen Betriebsmitteln — z. B. Mähdrescher oder sonstige Maschinen — später wieder absetzen kann. Wir werden da genaue Überlegungen anstellen und Prüfungen vornehmen. Wir wissen, daß das ein heißes Eisen ist, aber das Problem muß geklärt werden.
    Ein besonderes Problem bildet die Höhe des Steuersatzes. Nach den letzten Erklärungen operiert man immer mit dem Satz von 10 %. Es wäre eine sehr glückliche Lösung, wenn wir dazu kämen, weil das Rechnen damit sehr einfach wäre: man streicht einfach eine Stelle ab.

    (Abg. Dr. Schmidt [Wuppertal] : Eine gefährliche Propaganda! Ich bin für 8 % — Heiterkeit bei der SPD.)

    — Aber Herr Schmidt, ich bin an sich für null, wenn wir es so sagen wollen.

    (Abg. Dr. Schmidt [Wuppertal] : Nein, ich bin für ausreichende Staatseinnahmen, aber nicht mehr!)

    — Völlig einig! Aber wir werden nach den jetzigen Berechnungen nur dann auf 8 % kommen, wenn wir keine Befreiungen zulassen.

    (Abg. Dr. Schmidt [Wuppertal] : Natürlich! Das ist der Sinn der Sache!)

    Das ist die Voraussetzung. Bei 8% gibt es aber Schwierigkeiten in den Berechnungen, und genau dasselbe tritt ein, wenn Sie über 10 % hinausgehen. Ich wollte damit nur sagen, daß insofern eine Erleichterung bei der Verwaltung und auch bei den Betrieben eintreten würde.
    Besondere Aufmerksamkeit werden wir auch den Investitionen widmen müssen. Hier ist die Frage, ob wir einen sofortigen Abzug oder nur einen Abzug pro rata zulassen sollten, da sich sonst irgendwelche Liquiditätsschwierigkeiten ergeben könnten.

    (Abg. Dr. Schmidt [Wuppertal] : Ich wundere mich, Sie hatten soviel Zweifel in Ihrer Anfrage; jetzt sind Sie bei der Begründung und Propagierung! — Zuruf von der SPD: Das wußten sie 'damals noch nicht!)

    — Nein, das wissen wir wohl. Ich stelle das heraus, weil ich annehme, daß der Herr Bundesfinanzminister etwas dazu sagen wird, und weil wir darüber etwas hören wollen.
    Eine weitere Frage ist, wie sich die Mehrwertsteuer auf den Großhandel auswirkt. Sie wissen, daß gerade von dieser Branche erhebliche Bedenken geltend gemacht worden sind.
    Es muß aber auch verhindert werden, daß bei der Einführung der Mehrwertsteuer ein Druck auf die Preisgestaltung ausgeübt wird. Wir werden uns sehr eingehend damit befassen müssen, damit hier keine Schwierigkeiten innerhalb der Wirtschaft entstehen. Ich kann auch hierzu nur feststellen, daß sich alle Fraktionen dieses Hauses darüber einig sind, daß das Problem so schnell wie möglich geklärt werden muß. Gut Ding will eben Weile haben. Wir hoffen auch auf eine recht baldige Einbringung des Entwurfs. Ich würde es sogar begrüßen, wenn uns der Herr Bundesfinanzminister einen ganz bestimm-



    Dr. Imle
    ten Termin angeben könnte, damit die Arbeit im Finanzausschuß zusammen mit den anderen vorliegenden Entwürfen begonnen werden kann. Wir hoffen, daß uns die heutige Antwort der Bundesregierung diese Arbeit in erfreulichem Umfang erleichtern wird.

    (Beifall bei der FDP.)



Rede von Dr. Thomas Dehler
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Die beiden Großen Anfragen der Fraktion der SPD und der Fraktion der FDP sind begründet.
Das Wort zur Beantwortung hat der Herr Bundesminister der Finanzen.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Rolf Dahlgrün


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich begrüße es sehr, daß die Großen Anfragen der Fraktionen der SPD — Drucksache IV/548 — und der FDP — Drucksache IV/684 — mir Gelegenheit geben, die überaus bedeutsame Frage der Umsatzsteuerreform unter Berücksichtigung aller Probleme in ihrer Gesamtheit darzulegen. Ich darf noch hervorheben, daß Abgeordnete der CDU/CSU den Entwurf eines neuen Umsatzsteuergesetzes in Gestalt einer Mehrwertsteuer mit Vorsteuerabzug — Drucksache IV/660 — eingebracht haben und daß die Fraktion der SPD den Entwurf eines Gesetzes für eine einmalige statistische Steuererklärung auf der Grundlage einer Mehrwertsteuer mit Vorumsatzabzug — Drucksache IV/691 — vorgelegt hat. Außerdem haben die Fraktionen der CDU/CSU und der FDP eine grundsätzliche Überprüfung der Umsatzbesteuerung von Leistungen im Rahmen der Umsatzsteuerreform gefordert — Drucksache IV/736 —. Ferner liegen Anträge auf Erhöhung der Umsatzausgleichsteuer — Drucksache IV/661 — und auf andere Änderungen des geltenden Umsatzsteuerrechts an zuständiger Stelle vor.
    Die Mängel unserer gegenwärtigen Umsatzsteuer sind nicht erst seit heute im Gespräch. Viele beklagen die konzentrationsfördernde Wirkung dieser Steuer sowie die Tatsache, daß man den Grenzausgleich bei ihr nicht für jede Ware genau vornehmen kann. Mir erscheint eine umfassende Behandlung des Themas Umsatzsteuerreform vor allem deshalb wichtig, weil in der Öffentlichkeit die schwierigen Fragen dieser Reform häufig nicht erschöpfend behandelt und in ihrer Tragweite nicht voll übersehen werden.
    Bevor ich auf die einzelnen Fragen eingehe, gestatten Sie mir, daß ich zwei Hinweise auf Gesichtspunkte voranstelle, die für die Umsatzsteuerreform im Augenblick, aber auch auf absehbare Zeit von ausschlaggebender Bedeutung sind.
    Im Hintergrund aller Betrachtungen zu einer Reform unserer Umsatzbesteuerung steht die Tatsache, daß das dem Bund durch Art. 106 des Grundgesetzes ausschließlich zugewiesene Aufkommen der Umsatzsteuer die mit Abstand bedeutendste Einnahmequelle des Bundes ist. Dieses Aufkommen erbringt seit Jahren mehr als 40% aller Bundessteuereinnahmen und wird einschließlich Umsatzausgleichsteuer für das Haushaltsjahr 1963 auf 20,2 Milliarden DM geschätzt. Der Bund könnte bei seiner
    gegenwärtigen Finanzlage Minderungen des ihm nach dem geltenden Recht zufließenden Umsatzsteueraufkommens nur in Kauf nehmen, wenn er diese Ausfälle aus anderen Quellen decken könnte, und dieser Weg steht dem Bund nicht offen. Er kann nicht auf die ihm nach dem Grundgesetz zugewiesenen einzelnen Verbrauchsteuern — deren Wirkungsbereich bekanntlich nur begrenzt ist — oder gar auf die Zölle ausweichen. Der Bund hat sogar für den Haushalt 1963 — nachdem 1962 ein finanzieller Beitrag der Länder geleistet wurde — eine Erhöhung des Bundesanteils an dem Aufkommen der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer in Aussicht genommen.
    Hieraus ergibt sich sehr deutlich, wie eng die finanzielle und steuerpolitische Bewegungsfreiheit des Bundes ist. Eingriffe in die Gestaltung einer so bedeutsamen Finanzquelle wie der Umsatzsteuer sind also für den Bund fraglos mit einem außerordentlich großen Budgetrisiko verbunden. Jedenfalls sind bei einer Umsatzsteuerreform heute weniger als je Haushaltsausfälle des Bundes zu verantworten, was ich mit allem Nachdruck hervorheben möchte.
    Mein zweiter Hinweis bezieht sich auf die Entwicklung der Steuerharmonisierung im Rahmen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft. Nach Art. 99 des Vertrages von Rom hat die EWG-Kommission zu prüfen, wie die Rechtsvorschriften der einzelnen Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuer, die Verbrauchsabgaben und sonstige indirekte Steuern, einschließlich der Ausgleichsabgaben für den Handelsverkehr zwischen den Mitgliedstaaten, im Interesse des Gemeinsamen Marktes harmonisiert werden können. Die Kommission muß dem Rat der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft entsprechende Vorschläge unterbreiten, der hierüber einstimmig zu entscheiden hat. Die Kommission hat sich in mehrjährigen Untersuchungen um eine Klärung der Voraussetzungen einer solchen Harmonisierung bemüht. Auf der Grundlage des Ergebnisses dieser Untersuchungen hat sie dem Rat der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft vor kurzem ihre Vorschläge zur Harmonisierung der Umsatzsteuern unterbreitet, die bereits im Finanzausschuß des Parlaments in Bearbeitung sind.
    Die Bundesregierung hat das Hohe Haus und den Bundesrat entsprechend dem Gesetz zu den Verträgen zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Europäischen Atomgemeinschaft von diesen Vorschlägen unterrichtet. Diese in Bearbeitung befindliche Vorlage hat die Nr. IV/850.
    Unter diesen Umständen kann die Frage einer Reform der Umsatzsteuer in der Bundesrepublik nicht völlig losgelöst von der Harmonisierung der Umsatzsteuern in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft behandelt werden.
    Im übrigen tragen auch die beiden Großen Anfragen dem Gewicht der Entwicklung in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft Rechnung, indem sie sich bekanntlich nicht nur auf die Frage einer innerdeutschen Umsatzsteuerreform, sondern auch



    Bundesminister Dr. Dahlgrün
    auf die Harmonisierung der Umsatzsteuern im Rahmen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft erstrecken.
    Aus Gründen der Übersichtlichkeit werde ich mich in meinen weiteren Ausführungen zunächst mit den allgemeinen Fragen der Umsatzsteuerreform in der Bundesrepublik beschäftigen, um am Schluß zu den Fragen überzugehen, die sich aus der Zugehörigkeit der Bundesrepublik zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft ergeben.
    Zu einer Urteilsbildung in der bereits seit dem Bestehen der Umsatzbesteuerung immer wieder erhobenen Frage nach der besten Umsatzsteuer, die sich auch in den beiden Großen Anfragen der Fraktionen der FDP und der SPD findet, gehört vorab die Klarstellung, daß es Grundsatzforderungen an eine Umsatzbesteuerung gibt, denen kein Umsatzsteuersystem gleichzeitig und in gleichem Umfange gerecht werden kann, weil die völlige oder auch nur weitgehende Erfüllung einer dieser Forderungen oft zwangsläufig die Erfüllbarkeit einer anderen Forderung ausschließt.
    Jede Gestaltung der Umsatzbesteuerung hat zunächst davon auszugehen, daß die Umsatzsteuer wirtschaftlich als allgemeine Verbrauchsteuer wirken soll. Sie steht damit im Gegensatz zu den Spezialakzisen, die nur auf ausgewählten einzelnen Gütern des Verbrauchs lasten. Da die Umsatzsteuer den Verbrauch besteuert, ergänzt sie im Rahmen des gesamten Steuersystems sinnvoll die direkte Besteuerung der Personen und Gesellschaften nach dem erzielten Einkommen, nach dem Ertrag und nach dem Vermögen.
    Im einzelnen möchte ich folgendes bemerken:
    Aus dem wirtschaftlichen Charakter einer allgemeinen Verbrauchsteuer ergibt sich als eine Grundsatzforderung, daß die Umsatzsteuer nach ihrer Gestaltung von den Unternehmungen als echte betriebliche Kostensteuer mit dem Preis der Ware oder Leistung auf .den Verbraucher überwälzt werden kann. Die Umsatzsteuer muß daher so gestaltet sein, daß die Überwälzung möglichst einfach und leicht vonstatten gehen kann.
    Die Umsatzsteuer sollte weiterhin die wirtschaftlichen Wettbewerbsbedingungen nicht beeinflussen. Sie sollte also auch nicht — hiermit bejahe ich zugleich die Frage 2 a) der Großen Anfrage der Fraktion der SPD — die Zusammenfassung von aufeinander folgenden Wirtschaftsstufen steuerlich begünstigen und damit aus steuerlichen Gründen die wirtschaftliche Konzentration, unabhängig von den Bedürfnissen der Volkswirtschaft, fördern. Die Erfüllung dieser Forderung, die von der Bundesregierung als besonders bedeutsam angesehen wird, sollte jedoch nicht durch Maßnahmen erkauft werden, die ihrerseits andere schwere Wettbewerbsstörungen hervorrufen. Auf diese Frage werde ich später noch eingehen.
    Ferner sollte die Umsatzbesteuerung so beschaffen sein, daß die steuerliche Belastung der Waren möglichst genau feststellbar ist. Nur dann läßt sich
    nämlich ein Grenzausgleich für jede einzelne Ware entsprechend durchführen, womit ich zugleich Frage 2 c) der Großen Anfrage der Fraktion der SPD beantwortet habe.
    Die Umsatzsteuer sollte weiterhin dem Staat, dessen Bedarfsdeckung sie dient, ein möglichst stetiges und sicheres Aufkommen gewährleisten.
    Andererseits ,sollte die Umsatzsteuer wegen ihres hohen Aufkommens so gestaltet sein, daß sie der konjunkturpolitischen Forderung einer antizyklischen Steuerpolitik nicht entgegenwirkt.
    Eine weitere Grundsatzforderung von großer Bedeutung betrifft die Praktikabilität der Besteuerung. Eine Steuer darf nicht so kompliziert gestaltet sein, daß sie Wirtschaft und Verwaltung überfordert.

    (Abg. Schulhoff: Sehr richtig!)

    — Schon Popitz, Herr Schulhoff, der Schöpfer unserer Umsatzsteuer, warnte davor, sich bei der Abfassung von Steuergesetzen nur von volkswirtschaftlichen Erkenntnissen leiten zu lassen.

    (Abg. Dr. Koch meldet sich zu einer Zwischenfrage.)