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    Deutscher Bundestag 58. Sitzung Bonn, den 7. Februar 1963 Inhalt: Fragestunde (Drucksache IV/947) Frage des Abg. Wellmann: Gesundheitsschädigende ausländische Lebens- und Genußmittel Frau Dr. Schwarzhaupt, Bundesminister 2589 B Frage des Abg. Blachstein: Verträge der Bundespost für spanische Gastarbeiter Stücklen, Bundesminister 2589 C, 2590 A Blachstein (SPD) . . . . 2589 D, 2590 A Frage des Abg. Dr. Rinderspacher: Unzulässigkeit der Versendung von leeren Briefumschlägen als Drucksache Stücklen, Bundesminister . . 2590 A, B, D, 2591 A, B, C, D Dr. Rinderspacher (SPD) . . . 2590 B, C, D Dr. Mommer (SPD) 2591 A Dr. Bechert (SPD) 2591 B Dr. Schäfer (SPD) 2591 C Regling (SPD) 2591 C, D Fragen des Abg. Biegler: Schmuckblattformulare Stücklen, Bundesminister . . . . 2591 D Fragen der Abg. Dr. Mommer und Dürr: Doppelte Gebühr für Gespräche bei Störung des Selbstwählverkehrs Stücklen, Bundesminister 2592 A, B, C, D, 2593 A, B, C Dr. Mommer (SPD) 2592 B, C Dürr (FDP) . . . . . . 2592 D, 2593 A Dr. Schäfer (SPD) 2593 B Frage des Abg. Freiherr von Mühlen: International gebräuchliche Adressenschreibung Stücklen, Bundesminister 2593 D, 2594 A, B Freiherr von Mühlen (FDP) 2593 D, 2594 A Aussprache über die Erklärung der Bundesregierung: Ollenhauer (SPD) 2594 C Dr. von Brentano (CDU/CSU) . . 2604 C Dr. Mende (FDP) 2610 C Schmücker (CDU/CSU) . . . . 2615 D Erler (SPD) 2621 C, 2631 D Dr. Adenauer, Bundeskanzler . . . 2629 C Dr. Achenbach (FDP) . . . . . . 2632 B Dr. Schröder, Bundesminister . . . 2634 C Dr. Jaeger (CDU/CSU) . . . . . 2638 C Nächste Sitzung . . . . . . . . . 2643 D Anlagen 2645 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 58. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 7. Februar 1963 2589 58. Sitzung Bonn, den 7. Februar 1963 Stenographischer Bericht Beginn: 9.01 Uhr.
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    *) Siehe Anlage 2 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 58. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 7. Februar 1963 2645 Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordneter) beurlaubt bis einschließlich Dr. Aigner * 9. 2. Arendt (Wattenscheid) * 9. 2. Dr. Arndt (Berlin) 16.2., Dr. Dr. h. c. Baade 8.2. Bals 8. 2. Bergmann * 9. 2. Birkelbach * 9. 2. Fürst von Bismarck 22. 2. Dr. Bleiß 8. 2. Frau Brauksiepe 8. 2. Dr. Burgbacher * 9.2. Cramer 8.2. Dr. Deist * 9. 2. Deringer * 9. 2. Dr. Dichgans * 9. 2. Dopatka 21.2. Dr. Dörinkel 8. 2. Drachsler 8. 2. Dr. Dr. h. c. Dresbach 31. 3. Frau Dr. Elsner * 9.2. Faller * 9.2. Felder 8. 2. Figgen 20.4. Dr. Dr. h. c. Friedensburg * 9. 2. Funk (Neuses am Sand) 16.2. Dr. Furler * 9. 2. Gaßmann 8.2. Gedat 15.2. Dr. Gleissner 8. 2. Gscheidle 7. 2. Hahn (Bielefeld) * 9. 2. Hammersen 8.2. Dr. von Haniel-Niethammer 8. 2. Harnischfeger 15. 2. Hauffe 28.2. Herold 8. 2. Hilbert 8.2. Illerhaus * 9. 2. Kalbitzer * 9. 2. Katzer 28. 2. Frau Kipp-Kaule 8.2. Dr. Klein (Berlin) 8. 2. Klein (Saarbrücken) 15.2. Klinker * 9. 2. Kohlberger 8.2. Frau Korspeter 8. 2. Dr. Kreyssig * 9. 2. Kriedemann * 9. 2. Kühn (Hildesheim) 8. 2. Kurlbaum 8.2. Lemmer 28. 2. Lenz (Brühl) * 9. 2. Dr. Löhr * 9.2. Lücker (München) * 9.2. Margulies * 9. 2. Mauk * 9.2. Menke 8.2. Metzger * 9. 2. Abgeordneter) beurlaubt bis einschließlich Michels 7. 2. Müller (Berlin) 28.2. Müller (Nordenham) 2. 3. Müser 8. 2. Neubauer 17. 2. Nieberg 8. 2. Oetzel 28. 2. Frau Dr. Pannhoff 8.2. Dr.-Ing. Philipp * 9.2. Pöhler 8. 2. Frau Dr. Probst * 9.2. Rademacher 8. 2. Richarts * 9. 2. Dr. Rieger (Köln) 8. 2. Ritzel 8. 2. Ruf 8.2. Seither 11.3. Steinhoff 15. 2. Dr. Steinmetz 8. 2. Storch * 9. 2. Strauß 18. 3. Frau Strobel * 9. 2. Sühler 8.2. Frau Vietje 15. 2. Wacher 8. 2. Dr. Wahl 28.2. Weinkamm * 9.2. Werner 24.2. Wischnewski * 9. 2. Wittmer-Eigenbrodt 16. 2. Dr. Zimmermann (München) 8. 2. * Für die Teilnahme an einer Tagung des Europäischen Parlaments Anlage 2 Schriftliche Ausführungen des Abgeordneten Dr. Wuermeling zu der Aussprache über die Regierungserklärung. Wir haben heute nach Neubildung der Bundesregierung die erste allgemeine politische Aussprache. Bei einer solchen Aussprache sollen die Grundlinien unserer Politik erörtert werden. Sie verstehen es gewiß, wenn ich meinerseits dabei das Thema anspreche, mit dem ich durch mein bisheriges Amt als Familienminister engstens verbunden bin und dem ich künftig auch als Abgeordneter mit Leib und Seele verbunden bleiben werde, die Familienpolitik. Dieses Thema gehört in die Generalaussprache über die Gesamtpolitik, weil es ein Thema ist, das in alle politischen Sachbereiche hineinstrahlt und hineinstrahlen muß und weil es bei allen einzelnen Fachgesetzen leider immer nur irgendwie am Rande erscheint. Es pflegt aber dort jeweils im Schatten der Fülle der Fachprobleme zu stehen, die etwa bei jedem Sozialgesetz, bei jedem Steuergesetz, beim Wohnungsbau usw. zu erörtern sind. Ist es 2646 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 58. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 7. Februar 1963 nicht wirklich so, daß wir sowohl in der Gesetzgebung als auch in der Verwaltung immer wieder der Gefahr erliegen, nur in den vertikalen Fachbereichen etwa der Sozialversicherungszweige, der Kriegsopferversorgung, des Lastenausgleichs, des Steuerrechts usw. zu denken und den horizontal quer durch alle vertikalen Fachbereiche gehenden so wichtigen Bereich Familie darüber in den Hintergrund treten zu lassen? Und das, obwohl es doch ein immer wieder gerade von den beiden großen Fraktionen des Hauses betontes Hauptanliegen ist, die Familie als die wichtigste Institution für Staat und Gesellschaft zu schützen und unseren Familien mit Kindern auch wirtschaftlich wenigstens einigermaßen gleichberechtigte Existenzvoraussetzungen zu ermöglichen. Auch die gestrige Regierungserklärung hat das ja erneut in zwei markanten programmatischen Sätzen unterstrichen. Lassen Sie mich zu letzterem Punkt hier heute etwas sagen, aber mit der betonten Vorbemerkung, daß diese Fragen des Familienausgleichs gewiß nicht der einzige — und nicht einmal der wichtigste — Bereich der Familienpolitik sind, aber doch der Bereich, auf dem gerade wir hier auf der Bundesebene die größten Möglichkeiten und Aufgaben haben, mit deren Erfüllung wir uns -- trotz all dessen, was bisher erreicht wurde — in der Bundesrepublik in einem schmerzlichen Rückstand gegenüber unseren westlichen Nachbarländern befinden. Ich bekenne das in aller Offenheit nach neun Jahren unaufhörlichen und leider nicht genügend erfolgreichen Ringens als Familienminister. Ich will hier nicht im einzelnen auf die Ergebnisse der Godesberger Konferenz von acht europäischen Familienministern vom Mai vorigen Jahres, die das gezeigt haben, eingehen. Sie sind Ihnen und der Öffentlichkeit ja aus dem amtlichen Bulletin bekannt. Ich gebe auch zu, daß Vergleiche mit anderen Ländern allein nicht zwingend sind, wenn man Entschlüsse für sein eigenes Land zu fassen hat, zumal da solche Vergleiche ja nicht immer auf absolut gleichartigen Komponenten aufgebaut sind. Wir haben uns allerdings bemüht, in der Familienministerkonferenz eine weitgehende Vergleichbarkeit sicherzustellen. Wichtiger als diese internationalen Vergleiche scheint mir vielmehr die Kenntnis der Situation der Familien in unserem eigenen Lande, insbesondere der Entwicklung der wirtschaftlichen Situation unserer Familien mit Kindern angesichts der Lohn-und Preisentwicklung in einer Zeit, in der wir alle immer wieder die Notwendigkeit des Schutzes und der Gerechtigkeit für sie betont haben. Hier muß leider .die betrübliche Feststellung getroffen werden, daß für die Angehörigen aller Bereiche des sozialen Lebens in den letzten Jahren Verbesserungen ihrer wirtschaftlichen Lebensbedingungen — gewiß unterschiedlichen Ausmaßes, aber jedenfalls sichtbare reale Verbesserungen — eingetreten sind, weithin durch •gesetzliche Maßnahmen, daß aber unsere Familien mit Kindern — und ich wage zu behaupten: allein diese! — hinter der für alle anderen eingetretenen Aufwärtsentwicklung sichtbar zurückgeblieben sind. Weil wir uns das alle täglich vor Augen halten sollten, möchte ich Ihnen diese Feststellung kurz begründen. Dazu zunächst folgendes: Wenn Löhne und Gehälter steigen — und sie sind in den letzten Jahren erheblich, mehr als die Preise gestiegen —, dann hat ,der Alleinstehende die meinetwegen 20 bis 30 DM monatlicher Erhöhung nach Abzug der Steuern und Sozialabgaben für sich allein und verbessert sich entsprechend um das volle Mehr an Kaufkraft. Wo aber auch Frau und Kinder mitversorgt werden müssen, ,dividiert sich die monatliche Erhöhung durch 4 oder 5 oder noch mehr Köpfe, so daß der Kaufkraftrückstand unserer Kinderfamilien gegenüber den Alleinstehenden schon von daher mit jeder linearen Lohn- und Gehaltserhöhung immer größer wird. Dazu kommt aber noch, daß .die Preiserhöhungen für den lebensnotwendigen Bedarf, mit dem die Lohnerhöhungen ja weithin begründet werden, dieselben Familien mit Kindern, die ohnehin mit den linearen Lohnerhöhungen immer weiter hinter ,die Alleinstehenden zurückfallen, multipliziert mit der Zahl der Familienmitglieder, treffen, daß hier also einer dividierten Lohn- oder Gehaltserhöhung eine multiplizierte Verteuerung des lebensnotwendigen Bedarfs gegenübersteht, dem die Eltern gerade für ihre Kinder nicht ausweichen können. Durch diese Entwicklung kommen die Familien mit Kindern auf doppelte Weise immer weiter in Rückstand. Ich sage das jetzt nicht, um nach irgendeiner Seite hin Vorwürfe zu erheben, sondern ausschließlich, weil ich meine, daß wir uns, da wir unsere öffentlichen Erklärungen zugunsten unserer Kinderfamilien doch ernst nehmen, über diesen Tatbestand klar werden müssen. Denn im Anfange allen Fortschritts steht immer die klare Erkenntnis der Sachlage. Ich habe das Gefühl, daß aus dieser Sachlage bisher deshalb nicht die gebotenen Konsequenzen einer entsprechenden Anpassung der Familienleistungen gezogen worden sind, weil diese Erkenntnis vielen von uns bisher einfach nicht tief genug ins Bewußtsein gelangt ist. Ich darf das deshalb mit einigen wenigen Tatsachen erläutern, die meines Erachtens jeden geradezu erschrecken müssen, der sich den besonderen Sorgen unserer Väter und Mütter verbunden weiß. Zunächst das Bild im großen Bereich der freien Wirtschaft. Seit der letzten Erhöhung des Kindergeldes von 30 auf 40 DM monatlich per 1. März 1959 haben sich die durchschnittlichen Monatslöhne männlicher Industriearbeiter nach den Feststellungen des Statistischen Bundesamtes schon bis August 1962 um 42 % — inzwischen noch weiter — erhöht. Da das Kindergeld seitdem unverändert blieb, erhöhte sich hier das Monatseinkommen — schon bis August 1962 — bei Ledigen und kinderlos Verheirateten um die genannten 42 %, bei Familien mit 3 Kindern nur um 39 %, bei Familien mit 5 Kindern nur um 34 %, und das, obschon gerade die Familien mit Kindern, wie gesagt, durch die Preisentwicklung viel stärker betroffen sind als andere. Die Zahlenreihe müßte gerechterweise genau die umgekehrte Tendenz aufweisen. Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 58. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 7. Februar 1963 2647 Hierbei habe ich noch nicht einmal berücksichtigt, daß nach den Feststellungen des Statistischen Bundesamtes von 1959/62 die Lebenshaltungskosten für den Unterhalt von Kindern mit rund 10% erheblich stärker angestiegen sind als die allgemeinen Lebenshaltungskosten eines Erwachsenen (7,6 %). Es steht aber ohnedies eindeutig fest, daß in dem großen Bereich der privaten Wirtschaft der Anteil am Sozialprodukt für die Familien mit Kindern sichtbar abgesunken ist, während der Anteil der Kinderlosen am Sozialprodukt zu Lasten der Kinderlosen sich ebenso sichtbar erhöht hat. Das ist aber doch wohl genau das Gegenteil von dem, was wir alle anstreben. Betrachten wir die Entwicklung bei den 835 000 Arbeitern des öffentlichen Dienstes — Bund, Länder und Gemeinden —, von denen über 500 000 allein auf Bundesbahn und Bundespost entfallen, uns also im Bundestag besonders interessieren. Hier ergibt sich, daß, weil die Kinderzuschläge seit 1956 überhaupt nicht mehr erhöht wurden, die Entwicklung noch wesentlich ungünstiger für die Familien ist. Bei einem Arbeiter der Lohngruppe IV (Ortsklasse 1) und einem mittleren Kinderzuschlag von 35 DM monatlich erhöhten sich von 1956 auf 1962 die Monatsbezüge der Kinderlosen um 53 %, bei 3 Kindern um 41%, bei 5 Kindern nur um 35 %. Hier erhöhte sich also der Anteil der Alleinstehenden am Sozialprodukt um 53%, der des Familienvaters mit 5 Kindern aber nur um 35%, beim Alleinstehenden also um rund 50 % mehr, als bei der Familie mit 5 Kindern. Ich glaube, daß das Tatbestände sind, an denen schlechthin niemand von uns vorbeigehen kann und die stärker nach Abhilfe geradezu schreien als jede andere noch so dringlich erscheinende gesellschaftspolitische Maßnahme. Für die Bundesbeamten hat die dem Hause vorliegende Regierungsvorlage, wie wir gern als erfreulich anerkennen, vorgesehen, daß die familienbezogenen Gehaltsteile ab 1. April 1963 ebenso um 6 % erhöht werden wie die Grundgehälter. Die Bundesregierung hat also die mir heute noch absolut unverständlich erscheinende Länderregelung, die ausgerechnet die familienbezogenen Gehaltsteile von der Erhöhung ausschloß, bewußt nicht mitgemacht, so daß hier, wenn man die Dinge rein rechnerisch prozentual sieht — wogegen manches gesagt werden könnte —, die Familien anteilig berücksichtigt sind. Ich glaube, daß dieser familienpolitische Querschnitt durch die verschiedenen Bereiche der Berufstätigen in die allgemeine politische Aussprache gehört, weil man die Lage der Familie einmal quer durch alle Bereiche sehen muß, um ein klares Gesamtbild zu bekommen. Aus dem Gesagten ergibt sich, daß in allen Bereichen der Lohn- und Gehaltsempfänger — Entsprechendes gilt natürlich auch für die freien Berufe -der Anteil der Familien am Sozialprodukt in den letzten Jahren erheblich geschmälert wurde zugunsten des Anteils der Ledigen und kinderlosen Verheirateten. Die Familien mit Kindern befinden sich wirtschaftlich, gemessen an der Entwicklung der Erwachsenenhaushalte, in einer eindeutig rückläufigen Entwicklung. Bei dieser Sachlage sollen ihnen nun durch die Krankenversicherungsreform noch mehr neue Lasten auferlegt werden als den kinderlosen Haushalten, insbesondere durch die Handhabung des 2%igen Individualbeitrages mit der Selbstbeteiligung auch für Kinder. Ich hoffe zuversichtlich, daß das Hohe Haus den Familien wenigstens solche Sonderbelastungen erspart, wenn schon die vorgesehene Kindergeldaufbesserung nicht einmal das notwendige Mindestausmaß erreicht. Es lag mir sehr daran, diese ernsten und unser aller Wollen eideutig widersprechenden Tatbeständen hier und heute einmal in aller Offenheit darzulegen, damit wir uns demnächst bei allen einschlägigen Gesetzen daran erinnern und alle gemeinsam auf Abstellung dieser eindeutig für die Familien rückläufigen Entwicklung nach besten Kräften bedacht sind, die Wohlstandsentwicklung in den letzten Jahren ist eindeutig auf den Rücken der Familie vor sich gegangen. Das aber kann kein Staat zulassen, der auf seine Zukunft bedacht ist und dessen verantwortliche Träger wissen um die Bedeutung der Familien und ihrer Kinder für den Einzelnen wie für die Gesamtheit. Lassen Sie mich zum Schluß noch die sich natürlich aufdrängende Frage beantworten, wie eine solche Entwicklung im Zeitalter der Familienpolitik und im Jahrhundert des Kindes überhaupt möglich war. Ich möchte das tun ohne jede Polemik nach irgendeiner Seite hin, ich möchte nur erkennbar machen, wo meines Erachtens die Wurzel des Übels liegt. Die Ursache für diese, wie gesagt von niemandem wirklich gewollte Entwicklung liegt in dem individualistischen Denken unserer Zeit, das immer nur allein das Individuum sieht, das im Gesellschaftsleben pair das „do ut des", die Leistung gegen die Gegenleistung kennt und darüber vergißt, daß die für Staat und Gesellschaft lebenswichtige Institution Familie in der modernen Industriegesellschaft dabei zu kurz kommt, gewissermaßen „erdrückt" wird, obschon sie doch mit die wichtigste Leistung auch für Staat und Gesellschaft erbringt. Wir müssen in allen Bereichen unseres sozialen Lebens — jeder an seiner Stelle — darauf bedacht sein und bleiben, daß dieser Entwicklung Einhalt geboten wird, nicht nur vom Gesetzgeber, sondern auch von den Tarifvertragspartnern, auch von Ländern und Gemeinden und überall, wo man etwas dazu tun kann. Niemand darf hier sagen: Familienausgleich natürlich, aber was geht mich das an? Das kann nicht alles allein der Bundesgesetzgeber machen, was hier notwendig ist. Denn das Sozialprodukt ist nur einmal da, und alles, über das etwa die Sozialpartner in tarifvertraglichen Vereinbarungen verfügen, ist für den Familienausgleich nicht mehr greifbar. Und alle Mittel des Bundeshaushalts, über die wir für andere Zwecke verfügen, sind damit der Verwendung für den so zurückgebliebenen Familienausgleich entzogen. Sollten wir alle uns nicht einmal ganz nüchtern fragen, ob wir daran in den letzten Jahren nicht zu wenig gedacht haben? Ziehen wir aus der ge- 2648 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 58. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 7. Februar 1963 wonnenen Erkenntnis die sich zwangsläufig ergebenden Konsequenzen! In unseren Nachbarländern ist es weithin so, daß alle politischen Parteien ebenso wie Wirtschaft und Gewerkschaften die Familienausgleichsmaßnahmen für absolut vordringlich halten gegenüber anderen gesellschaftspolitischen Anliegen. Mit dieser gemeinsamen Haltung haben sie alle einen wirklichen und einigermaßen gerechten Familienausgleich durchgeführt, auch die Länder, deren wirtschaftlicher Aufstieg nicht das Ausmaß des unseren in der Bundesrepublik erreichte. Ich möchte heute darum werben, daß alle beteiligten Kreise sich zu dem Entschluß durchringen, künftig auch bei uns gemeinsam dieses große und unausweichlich wichtige Anliegen nicht nur zu sehen, sondern auch zu gemeinsamem Tun über alle Parteigrenzen hinweg bereit zu sein. Meinerseits möchte ich jedenfalls in diesem Sinne meinem Nachfolger im Amt des Familienministers jede mögliche Unterstützung zuteil werden lassen, auf daß er es leichter hat als ich in den Jahren, in denen die Familienpolitik erst aufgebaut und ihre Idee und Aufgabe erst einmal durchgesetzt werden mußte. Und hierzu erbitte ich die Mitarbeit aller Fraktionen und auch der Presse, eben weil Schutz und Gerechtigkeit für die Familien ein Anliegen unseres ganzen Volkes in allen gesellschaftlichen Bereichen ist. „Die Rettung des Menschengeschlechtes beginnt bei der Familie" ! Dessen mögen wir alle — jeder in seinem Bereich — stets eingedenk sein und bleiben und danach handeln!
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Fritz Erler


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst möchte ich mit Befriedigung die Sätze registrieren, die der Herr Bundeskanzler soeben in unmißverständlicher Weise dem deutsch-britischen Verhältnis und der Haltung der Bundesregierung gegenüber dem Eintritt Groß-



    Erler
    Britanniens in die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft gewidmet hat. Dieser Standpunkt, ehern durchgehalten, wird die Unterstützung des ganzen Hauses haben.

    (Allseitiger Beifall.)

    Ich möchte nicht auf die Geschichtsbetrachtungen zurückkommen, Herr Bundeskanzler. Da sind wir nun einmal verschiedener Meinung. Ich sehe beängstigende Perspektiven vor mir. Wenn ich heute schon ein Prophet mit ungebrochenem Selbstbewußtsein sein sollte, was wird dann erst einmal in späteren Lebensjahren aus mir werden?

    (Heiterkeit und Beifall bei der SPD.) Hoffentlich passen dann andere auf mich auf.

    Ein letztes. Ich würde mich freuen, wenn vielleicht der Herr Außenminister sich zu einigen Anregungen äußerte — denn das ging sehr ins Fachliche, und das möchte ich dem Herrn Bundeskanzler gar nicht zumuten —, die hier für den Fortgang der Verhandlungen über den Beitritt Großbritanniens gegeben worden sind, und zwar sowohl vom Fraktionsvorsitzenden der CDU/CSU als auch von mir. Ich behaupte gar nicht unbedingt, daß das alles Perlen aus dem Sack unerschöpflicher Weisheit sind, aber man muß das Gespräch doch wenigstens einmal beginnen. Vielleicht können wir da vom Herrn Bundesaußenminister einiges erfahren. Ich glaube, das würde auch im Interesse aller liegen.
    Denn — und damit rasch noch ein Wort zur Konsultation — wenn wir von dem deutsch-französischen Vertrag und seinen Konsultationspflichten,

    (Bundeskanzler Dr. Adenauer: Verzeihen Sie : Konsultierungspflichten!)

    — seinen Konsultierungspflichten ausgehen, dann ist es sicher richtig, daß jeder Partner auf die Gegenstände eingehen muß, die der andere vorschlägt. Gut, wir haben aber doch heute schon durchaus die Möglichkeit, ohne von einer solchen Rechtspflicht Gebrauch zu machen, mit dem Partner darüber zu sprechen. Es hat ja auch schon bisher, ohne einen solchen Vertrag, Konsultationen gegeben. Warum also sollen wir so sehr lange warten? Vielleicht bestünde die Möglichkeit, im Zusammenhang mit dem ganzen Bukett, das hier vorzutragen ich vorhin die Ehre hatte, das Gespräch mit unserem französischen Freund — ich wiederhole: Freund — doch schon etwas eher aufzunehmen, damit nicht allzuviel Zeit verlorengeht.

    (Beifall bei der SPD.)



Rede von Dr. Eugen Gerstenmaier
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Achenbach.

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    Rede von Dr. Ernst Achenbach


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der verehrte Kollege Erler hat seine Darlegungen mit einigen spaßigen Bemerkungen über die Koalition begonnen, 'sicher provoziert durch meinen Freund Erich Mende. Aber, Herr Erler, ich habe Sie doch richtig verstanden, daß Sie 'die These von Erich Mende eigentlich bestätigt haben, daß Sie nämlich eine
    Koalitionspartei im Wartestand wirklich bleiben wollen und sich jederzeit bereit halten, in die Regierung einzutreten.
    Sie wissen, es gibt in Berlin einen Mann, der einmal die Bemerkung gemacht hat: Wer nicht so denkt wie die CDU, der fliegt aus der SPD. Ich halte diese Bemerkung natürlich nicht für richtig. Aber sie ist gemacht worden. Auf der anderen Seite wird man nach den Darlegungen des Herrn Bundeskanzlers zugeben müssen, daß die andere These: „Wer nicht 'so denkt wie die SPD, der fliegt aus der CDU" vorläufig noch nicht gilt, wenngleich wir vor einiger Zeit so gewisse Tendenzen glaubten feststellen zu können.
    Herr Erler, Sie haben dann von dem verlorenen Jahr gesprochen. Stellen wir doch auch das vernünftigerweise richtig! Herr Kollege Ollenhauer, ein Jahr, in dem es gelungen ist, den Frieden zu erhalten und noch eine Steigerung des Sozialprodukts zu erzielen, ist wirklich kein verlorenes Jahr.
    Nun hat die Frage des deutsch-französischen Vertrages einen großen Raum in den Darlegungen von Herrn Erler eingenommen. Wir sind uns jedoch einig, daß wir uns heute noch nicht in der Ratifizierungsdebatte befinden, und ich möchte mich auch daran halten.
    Fest steht jedenfalls, daß eine völlige Einigkeit in diesem Hause über die unverrückbare Notwendigkeit einer deutschfranzösischen Feundschaft besteht. Das hat der Bundestag in seiner letzten außenpolitischen Debatte bekräftigt, und das ist, sehr verehrter Herr Bundeskanzler, auch immer unsere Meinung gewesen. Es hat in der Vergangenheit Dinge gegeben, bei denen wir nicht derselben Meinung waren; in diesem Punkt jedoch habe ich immer mit Freude und mit Bewunderung festgestellt, mit welcher Zähigkeit Sie an diesem Gedanken festgehalten haben. Ich selbst hatte ihn schon von jemandem, der noch älter war als Sie, nämlich von jemandem, der im Siegerland auf dem Kartoffelfeld die Mobilmachung von 1870 noch miterlebt hat und der mir, wenn ich von Paris zurückkam, wo ich studierte, immer sagte: Na, was machen denn die Franzosen? Das sind doch auch Menschen wie wir! — So ist es in der Tat und infolgedessen muß der alte deutsch-französische Gegensatz überwunden werden! Ich bin auch der Meinung, die ganze Welt sollte sich darüber freuen, daß wir diesen Gegensatz überwunden haben.
    Natürlich gilt das gleiche auch für unser Verhältnis zu den Engländern. Auch mit den Engländern wollen wir gute, ja ausgezeichnete Beziehungen haben. Aber lassen Sie mich hier ganz kurz noch eine Bemerkung machen; sie schlägt ein bißchen in die Kerbe, in die vorhin der Herr Bundeskanzler geschlagen hat. Ich meine — der Bundestag hat es zum Ausdruck gebracht, und der Herr Bundeskanzler hat es jetzt sehr stark unterstrichen —, wir sind nun einmal für ausgezeichnete Beziehungen zu Großbritannien, und wir wollen, daß Großbritannien nach Europa und in die EWG hineinkommt. Das haben wir erklärt.



    Dr. Achenbach
    Nun vielleicht ist es ganz natürlich im Hinblick auf gewisse Pressestimmen, auch drüben, bei unseren Freunden, den Amerikanern, wenn ich sie einmal ein bißchen aufkläre auch über gewisse Gefühlsregungen bei uns. Sehen Sie, wenn mich jemand fragt: Sind Sie für den Eintritt der Engländer in Europa?, sage ich ja, und wenn er dann zu mir sagt: Sind Sie wirklich dafür?, dann sage ich ja. Wenn er dann aber sagt: Sind Sie auch ganz wirklich dafür und haben Sie auch gar keine Vorbehalte, und ist es wirklich so?, ja dann, muß ich sagen, fällt mir das langsam doch etwas lästig, und dann würde ich fast reagieren mit dem Wort: Was denken denn die Leute eigentlich, was wir für Leute sind! Das ist übrigens der Titel eines Artikels, der kürzlich drüben in Amerika ein gewisses Aufsehen erregt hat.
    Wir wollen das einmal richtig verstehen. Es hat ja auch bei uns Leute gegeben, die in früheren Zeiten das Bedürfnis hatten, an jedem Tag morgens, mittags und abends von den Amerikanern bestätigt zu bekommen, daß sie zu uns stehen würden. Das ist natürlich auch nicht richtig. Wir haben Vertrauen dazu, daß die Amerikaner zu uns stehen; aber da wir ihre Verbündeten sind, haben auch wir schließlich ein Recht darauf, daß man zu unserem Wort Vertrauen hat. Dabei sollten wir es belassen und diese Tatsache nicht zerreden.
    Herr Kollege Erler, wie immer haben sich in Ihren Ausführungen auch Gedankengänge befunden, die unsere Billigung finden können. Ich meine, daß das auch bei unseren Koalitionsfreunden der Fall ist. Ihre Anregung, aus der WEU ein Instrument zu machen, das mithilft, das europäische Vertrauen wieder zu stärken, scheint mir richtig zu sein. Auch ihr Hinweis auf die Verpflichtungen der WEU sind sicher richtig. Nun, die Politische Kommission der WEU, Herr Bundeskanzler, die neulich in Paris getagt hat, hat ja schon den Wunsch geäußert, der Ministerrat der WEU möge es doch als eine vordringliche Aufgabe ansehen, eben im Rahmen der Sieben — der Sechs plus England — wieder einen guten neuen Anfang zu machen und in absehbarer Zeit die Krise zu überwinden. Sie haben gesagt, die Krise sei heilbar. Das ist auch unsere Auffassung, und ich meine, es ist gut, wenn niemand bei uns und auch niemand draußen diesen unseren Willen in Zukunft in Zweifel zieht.
    Nun, ich habe mich eigentlich gemeldet, weil ich auch noch auf eine andere Tatsache hinweisen möchte. Nicht nur im Westen nämlich, Herr Bundeskanzler, werden die Motive des deutsch-französischen Vertrags oder gewisse Möglichkeiten falsch interpretiert, sondern die Sowjetunion hat uns ja gerade jetzt eine Note übersandt, in dem auch sie diesem Vertrag völlig falsche Motive unterschiebt. Auch die Sowjetunion sagt, sie habe nichts gegen gute deutsch-französische Beziehungen — und das ist sehr erfreulich —, aber sie meint, daß dieser Vertrag zwischen uns und den Franzosen den Zweck verfolge, einen Sturmbock gegen sie 'zu bilden.
    Ich glaube, es ist gut, wenn man hier feststellt, daß diese Auffassung abwegig ist. In diesem Zusammenhang, Herr Bundeskanzler, ist es sicher
    auch gut, wenn wir gerade heute noch einmal die Entschließung des Bundestages vom 12. Oktober 1962 zitieren. Ziffer 4 lautet:
    Der Fortschritt der Menschheit, von der ein großer Teil noch von Hunger und Elend geplagt ist, hat als erste und unerläßliche Voraussetzung die Erhaltung des Weltfriedens.
    Der Bundestag ist der Auffassung, daß, nachdem in Westeuropa eine dauerhafte Friedensordnung gefunden worden ist, erneut versucht werden muß, auch mit Deutschlands östlichen Nachbarn zu einem wahren Frieden zu gelangen.
    Das Recht auf Selbstbestimmung, auf nationale Einheit und Freiheit muß dabei für das deutsche Volk ebenso respektiert werden wie für alle anderen Völker.
    Nun kann man natürlich über den Zeitpunkt von Verhandlungen geteilter Meinung sein; aber ich möchte doch von mir aus auf die Tatsache hinweisen, Herr Bundeskanzler, daß gerade die Westeuropäische Union in einer einmütigen Entschließung im Dezember vorigen Jahres darauf hingewiesen hat, daß nach ihrer Auffassung, also nach Auffassung der Beratenden Versammlung .der Westeuropäischen Union, der Moment gekommen sei, im Hinblick auf die Beendigung der Kuba-Krise nunmehr beschleunigt und dringend Gespräche zu eröffnen mit dem Ziel, zum Abschluß eines Friedensvertrages mit dem Osten zu kommen, der naturgemäß die Wiedervereinigung Deutschlands in sich schließen muß und der natürlich auch — und insofern, Herr Kollege Erler, sind wir uns auch völlig einig — das Recht der Deutschen, sich in eine vernünftigere europäische Organisation einzugliedern, in sich schließt. Das lassen wir uns selbstverständlich von niemandem bestreiten. Ich bin sehr froh, daß auch Sie das hier gesagt haben. Wir sind sicher alle dieser Meinung.
    Aber ich glaube, Herr Bundeskanzler, wir sollten an dieser Entschließung der Westeuropäischen Union nicht achtlos vorbeigehen, weil sie die falsche Argumentation der russischen Note geradezu demonstriert. Nein, es ist nicht so, daß wir gegen friedliche Koexistenz seien. Das stimmt ja nicht. Der Bundestag und die Westeuropäische Union haben eindeutig erklärt, daß sie einen gerechten Frieden im Osten wollen.
    Nun, wenn man zu einem Frieden kommen will, Herr Bundeskanzler, dann gibt es zwei Dinge, die man berücksichtigen muß, erstens die Methode und zweitens die Substanz. Sicherlich haben alle die recht, die darauf hingewiesen haben, daß es nicht so aussieht, als ob es in der Substanz jetzt oder ganz schnell eine Einigung zwischen den Auffassungen der Russen und den unseren geben könne. Die russischen Vorschläge vom Jahre 1959 waren sicher nicht geeignet, eine Einigung herbeizuführen.
    Aber man muß ja, Herr Bundeskanzler, selbst wenn der Gegner — wenn Sie so wollen — einen Balken im Auge hat, als besonders anständiger Mensch auch den geringsten Splitter bei sich selbst vermeiden. Es ist nun nicht ganz zu bestreiten, daß



    Dr. Achenbach
    Ï auch wir noch ein bißchen insofern in Verzug sind, als eine Note der Russen, die in höflichem Ton gehalten war, von uns jedenfalls nicht beantwortet worden ist. Das ist die Note vom 3. August 1961, in der die Russen sagen, ihre Vorschläge seien kein Ultimatum, wir sollten Vorschläge machen, und sie wollten sie prüfen.
    Die Frage, was dabei herauskommt, ist, glaube ich, eine Frage, die man in der Außenpolitik nie stellen sollte, Herr Bundeskanzler. Wenn man zu mir sagt: Mach' Vorschläge!, dann mach' ich welche. Dann wird sich herausstellen, wer zu was steht und was bei der Sache herauskommt.
    Die Erhaltung des Weltfriedens und ständige Bemühungen um den Weltfrieden sind unsere vornehmste Aufgabe. Vor aller Welt und auch vor der Sowjetunion sollten wir deutlich machen: Wir sind eindeutig bereit, über alles zu sprechen, was an politischen Problemen zwischen Ost und West noch offensteht. Wir möchten nicht, daß es aus der deutschen Frage zu einer Bedrohung des Weltfriedens kommt. Es heißt in der russischen Note, daß, wenn wir uns atomare Waffen zulegten, sie das als eine unmittelbare Bedrohung ihrer lebenswichtigen Interessen betrachten müßten und sie dann gezwungen wären, gewisse Maßnahmen zu ergreifen. Darin liegt natürlich eine gewisse Parallelität zu Kuba.
    Alle diese Dinge, Herr Bundeskanzler, würden dann entschärft, wenn wir uns zumindest in der Methode dazu entschließen würden, für eine Friedenskonferenz einzutreten. Selbstverständlich soll das in fester Absprache mit unseren Verbündeten geschehen; denn das Bündnis mit den Vereinigten Staaten ist nach wie vor der Eckpfeiler und die Grundlage unserer Außenpolitik. Wer wollte das bezweifeln! Jeder Zweifel daran ist absolut abwegig. Aber zusammen mit unseren Verbündeten sollten wir jetzt sagen: 18 Jahre nach Beendigung der Feindseligkeiten ist es an der Zeit, sich zusammenzusetzen und die Probleme zu erörtern, die noch offenstehen. In diese Verhandlungen sollten wir durchaus selbstbewußt hineingehen, gestützt auf unsere Verbündeten und mit dem festen Willen, dann nein zu sagen, wenn uns etwas zugemutet wird, was mit unseren Lebensinteressen und unserer Selbstachtung nicht vereinbar ist. Zumindest ist dann der sowjetischen Propaganda sehr viel Wind aus den Segeln genommen.
    Herr Bundeskanzler, ich glaube, gerade Sie werden die Bedeutung dieser Forderung ermessen. In diesem Jahrhundert ist das deutsche Volk zweimal durch das Fegefeuer von großen Kriegen gegangen mit all dem Leid, das Kriege nun einmal mit sich bringen. Es ist unser aller Pflicht, alles zu tun, diesem Volk einen neuen Weltkrieg zu ersparen, soweit es in unseren Kräften steht. Kein zukünftiger Historiker soll sagen dürfen — Herr Bundeskanzler, Sie werden mir da wohl zustimmen —, an den Deutschen sei der Friede mit dem Osten gescheitert. Wir wollen den Frieden. Überall dort, wo es eine Möglichkeit gibt, den Weltfrieden zu erhalten, überall dort, wo es darum geht, offenstehende politische Probleme in gerechter Weise zu lösen oder einer Lösung näherzubringen, sollte die Welt wissen, daß
    die Bundesrepublik und die Bundesregierung bereit sind, das Notwendige zu tun.

    (Beifall bei der FDP.)