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ID0405809200

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    Deutscher Bundestag 58. Sitzung Bonn, den 7. Februar 1963 Inhalt: Fragestunde (Drucksache IV/947) Frage des Abg. Wellmann: Gesundheitsschädigende ausländische Lebens- und Genußmittel Frau Dr. Schwarzhaupt, Bundesminister 2589 B Frage des Abg. Blachstein: Verträge der Bundespost für spanische Gastarbeiter Stücklen, Bundesminister 2589 C, 2590 A Blachstein (SPD) . . . . 2589 D, 2590 A Frage des Abg. Dr. Rinderspacher: Unzulässigkeit der Versendung von leeren Briefumschlägen als Drucksache Stücklen, Bundesminister . . 2590 A, B, D, 2591 A, B, C, D Dr. Rinderspacher (SPD) . . . 2590 B, C, D Dr. Mommer (SPD) 2591 A Dr. Bechert (SPD) 2591 B Dr. Schäfer (SPD) 2591 C Regling (SPD) 2591 C, D Fragen des Abg. Biegler: Schmuckblattformulare Stücklen, Bundesminister . . . . 2591 D Fragen der Abg. Dr. Mommer und Dürr: Doppelte Gebühr für Gespräche bei Störung des Selbstwählverkehrs Stücklen, Bundesminister 2592 A, B, C, D, 2593 A, B, C Dr. Mommer (SPD) 2592 B, C Dürr (FDP) . . . . . . 2592 D, 2593 A Dr. Schäfer (SPD) 2593 B Frage des Abg. Freiherr von Mühlen: International gebräuchliche Adressenschreibung Stücklen, Bundesminister 2593 D, 2594 A, B Freiherr von Mühlen (FDP) 2593 D, 2594 A Aussprache über die Erklärung der Bundesregierung: Ollenhauer (SPD) 2594 C Dr. von Brentano (CDU/CSU) . . 2604 C Dr. Mende (FDP) 2610 C Schmücker (CDU/CSU) . . . . 2615 D Erler (SPD) 2621 C, 2631 D Dr. Adenauer, Bundeskanzler . . . 2629 C Dr. Achenbach (FDP) . . . . . . 2632 B Dr. Schröder, Bundesminister . . . 2634 C Dr. Jaeger (CDU/CSU) . . . . . 2638 C Nächste Sitzung . . . . . . . . . 2643 D Anlagen 2645 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 58. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 7. Februar 1963 2589 58. Sitzung Bonn, den 7. Februar 1963 Stenographischer Bericht Beginn: 9.01 Uhr.
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    *) Siehe Anlage 2 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 58. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 7. Februar 1963 2645 Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordneter) beurlaubt bis einschließlich Dr. Aigner * 9. 2. Arendt (Wattenscheid) * 9. 2. Dr. Arndt (Berlin) 16.2., Dr. Dr. h. c. Baade 8.2. Bals 8. 2. Bergmann * 9. 2. Birkelbach * 9. 2. Fürst von Bismarck 22. 2. Dr. Bleiß 8. 2. Frau Brauksiepe 8. 2. Dr. Burgbacher * 9.2. Cramer 8.2. Dr. Deist * 9. 2. Deringer * 9. 2. Dr. Dichgans * 9. 2. Dopatka 21.2. Dr. Dörinkel 8. 2. Drachsler 8. 2. Dr. Dr. h. c. Dresbach 31. 3. Frau Dr. Elsner * 9.2. Faller * 9.2. Felder 8. 2. Figgen 20.4. Dr. Dr. h. c. Friedensburg * 9. 2. Funk (Neuses am Sand) 16.2. Dr. Furler * 9. 2. Gaßmann 8.2. Gedat 15.2. Dr. Gleissner 8. 2. Gscheidle 7. 2. Hahn (Bielefeld) * 9. 2. Hammersen 8.2. Dr. von Haniel-Niethammer 8. 2. Harnischfeger 15. 2. Hauffe 28.2. Herold 8. 2. Hilbert 8.2. Illerhaus * 9. 2. Kalbitzer * 9. 2. Katzer 28. 2. Frau Kipp-Kaule 8.2. Dr. Klein (Berlin) 8. 2. Klein (Saarbrücken) 15.2. Klinker * 9. 2. Kohlberger 8.2. Frau Korspeter 8. 2. Dr. Kreyssig * 9. 2. Kriedemann * 9. 2. Kühn (Hildesheim) 8. 2. Kurlbaum 8.2. Lemmer 28. 2. Lenz (Brühl) * 9. 2. Dr. Löhr * 9.2. Lücker (München) * 9.2. Margulies * 9. 2. Mauk * 9.2. Menke 8.2. Metzger * 9. 2. Abgeordneter) beurlaubt bis einschließlich Michels 7. 2. Müller (Berlin) 28.2. Müller (Nordenham) 2. 3. Müser 8. 2. Neubauer 17. 2. Nieberg 8. 2. Oetzel 28. 2. Frau Dr. Pannhoff 8.2. Dr.-Ing. Philipp * 9.2. Pöhler 8. 2. Frau Dr. Probst * 9.2. Rademacher 8. 2. Richarts * 9. 2. Dr. Rieger (Köln) 8. 2. Ritzel 8. 2. Ruf 8.2. Seither 11.3. Steinhoff 15. 2. Dr. Steinmetz 8. 2. Storch * 9. 2. Strauß 18. 3. Frau Strobel * 9. 2. Sühler 8.2. Frau Vietje 15. 2. Wacher 8. 2. Dr. Wahl 28.2. Weinkamm * 9.2. Werner 24.2. Wischnewski * 9. 2. Wittmer-Eigenbrodt 16. 2. Dr. Zimmermann (München) 8. 2. * Für die Teilnahme an einer Tagung des Europäischen Parlaments Anlage 2 Schriftliche Ausführungen des Abgeordneten Dr. Wuermeling zu der Aussprache über die Regierungserklärung. Wir haben heute nach Neubildung der Bundesregierung die erste allgemeine politische Aussprache. Bei einer solchen Aussprache sollen die Grundlinien unserer Politik erörtert werden. Sie verstehen es gewiß, wenn ich meinerseits dabei das Thema anspreche, mit dem ich durch mein bisheriges Amt als Familienminister engstens verbunden bin und dem ich künftig auch als Abgeordneter mit Leib und Seele verbunden bleiben werde, die Familienpolitik. Dieses Thema gehört in die Generalaussprache über die Gesamtpolitik, weil es ein Thema ist, das in alle politischen Sachbereiche hineinstrahlt und hineinstrahlen muß und weil es bei allen einzelnen Fachgesetzen leider immer nur irgendwie am Rande erscheint. Es pflegt aber dort jeweils im Schatten der Fülle der Fachprobleme zu stehen, die etwa bei jedem Sozialgesetz, bei jedem Steuergesetz, beim Wohnungsbau usw. zu erörtern sind. Ist es 2646 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 58. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 7. Februar 1963 nicht wirklich so, daß wir sowohl in der Gesetzgebung als auch in der Verwaltung immer wieder der Gefahr erliegen, nur in den vertikalen Fachbereichen etwa der Sozialversicherungszweige, der Kriegsopferversorgung, des Lastenausgleichs, des Steuerrechts usw. zu denken und den horizontal quer durch alle vertikalen Fachbereiche gehenden so wichtigen Bereich Familie darüber in den Hintergrund treten zu lassen? Und das, obwohl es doch ein immer wieder gerade von den beiden großen Fraktionen des Hauses betontes Hauptanliegen ist, die Familie als die wichtigste Institution für Staat und Gesellschaft zu schützen und unseren Familien mit Kindern auch wirtschaftlich wenigstens einigermaßen gleichberechtigte Existenzvoraussetzungen zu ermöglichen. Auch die gestrige Regierungserklärung hat das ja erneut in zwei markanten programmatischen Sätzen unterstrichen. Lassen Sie mich zu letzterem Punkt hier heute etwas sagen, aber mit der betonten Vorbemerkung, daß diese Fragen des Familienausgleichs gewiß nicht der einzige — und nicht einmal der wichtigste — Bereich der Familienpolitik sind, aber doch der Bereich, auf dem gerade wir hier auf der Bundesebene die größten Möglichkeiten und Aufgaben haben, mit deren Erfüllung wir uns -- trotz all dessen, was bisher erreicht wurde — in der Bundesrepublik in einem schmerzlichen Rückstand gegenüber unseren westlichen Nachbarländern befinden. Ich bekenne das in aller Offenheit nach neun Jahren unaufhörlichen und leider nicht genügend erfolgreichen Ringens als Familienminister. Ich will hier nicht im einzelnen auf die Ergebnisse der Godesberger Konferenz von acht europäischen Familienministern vom Mai vorigen Jahres, die das gezeigt haben, eingehen. Sie sind Ihnen und der Öffentlichkeit ja aus dem amtlichen Bulletin bekannt. Ich gebe auch zu, daß Vergleiche mit anderen Ländern allein nicht zwingend sind, wenn man Entschlüsse für sein eigenes Land zu fassen hat, zumal da solche Vergleiche ja nicht immer auf absolut gleichartigen Komponenten aufgebaut sind. Wir haben uns allerdings bemüht, in der Familienministerkonferenz eine weitgehende Vergleichbarkeit sicherzustellen. Wichtiger als diese internationalen Vergleiche scheint mir vielmehr die Kenntnis der Situation der Familien in unserem eigenen Lande, insbesondere der Entwicklung der wirtschaftlichen Situation unserer Familien mit Kindern angesichts der Lohn-und Preisentwicklung in einer Zeit, in der wir alle immer wieder die Notwendigkeit des Schutzes und der Gerechtigkeit für sie betont haben. Hier muß leider .die betrübliche Feststellung getroffen werden, daß für die Angehörigen aller Bereiche des sozialen Lebens in den letzten Jahren Verbesserungen ihrer wirtschaftlichen Lebensbedingungen — gewiß unterschiedlichen Ausmaßes, aber jedenfalls sichtbare reale Verbesserungen — eingetreten sind, weithin durch •gesetzliche Maßnahmen, daß aber unsere Familien mit Kindern — und ich wage zu behaupten: allein diese! — hinter der für alle anderen eingetretenen Aufwärtsentwicklung sichtbar zurückgeblieben sind. Weil wir uns das alle täglich vor Augen halten sollten, möchte ich Ihnen diese Feststellung kurz begründen. Dazu zunächst folgendes: Wenn Löhne und Gehälter steigen — und sie sind in den letzten Jahren erheblich, mehr als die Preise gestiegen —, dann hat ,der Alleinstehende die meinetwegen 20 bis 30 DM monatlicher Erhöhung nach Abzug der Steuern und Sozialabgaben für sich allein und verbessert sich entsprechend um das volle Mehr an Kaufkraft. Wo aber auch Frau und Kinder mitversorgt werden müssen, ,dividiert sich die monatliche Erhöhung durch 4 oder 5 oder noch mehr Köpfe, so daß der Kaufkraftrückstand unserer Kinderfamilien gegenüber den Alleinstehenden schon von daher mit jeder linearen Lohn- und Gehaltserhöhung immer größer wird. Dazu kommt aber noch, daß .die Preiserhöhungen für den lebensnotwendigen Bedarf, mit dem die Lohnerhöhungen ja weithin begründet werden, dieselben Familien mit Kindern, die ohnehin mit den linearen Lohnerhöhungen immer weiter hinter ,die Alleinstehenden zurückfallen, multipliziert mit der Zahl der Familienmitglieder, treffen, daß hier also einer dividierten Lohn- oder Gehaltserhöhung eine multiplizierte Verteuerung des lebensnotwendigen Bedarfs gegenübersteht, dem die Eltern gerade für ihre Kinder nicht ausweichen können. Durch diese Entwicklung kommen die Familien mit Kindern auf doppelte Weise immer weiter in Rückstand. Ich sage das jetzt nicht, um nach irgendeiner Seite hin Vorwürfe zu erheben, sondern ausschließlich, weil ich meine, daß wir uns, da wir unsere öffentlichen Erklärungen zugunsten unserer Kinderfamilien doch ernst nehmen, über diesen Tatbestand klar werden müssen. Denn im Anfange allen Fortschritts steht immer die klare Erkenntnis der Sachlage. Ich habe das Gefühl, daß aus dieser Sachlage bisher deshalb nicht die gebotenen Konsequenzen einer entsprechenden Anpassung der Familienleistungen gezogen worden sind, weil diese Erkenntnis vielen von uns bisher einfach nicht tief genug ins Bewußtsein gelangt ist. Ich darf das deshalb mit einigen wenigen Tatsachen erläutern, die meines Erachtens jeden geradezu erschrecken müssen, der sich den besonderen Sorgen unserer Väter und Mütter verbunden weiß. Zunächst das Bild im großen Bereich der freien Wirtschaft. Seit der letzten Erhöhung des Kindergeldes von 30 auf 40 DM monatlich per 1. März 1959 haben sich die durchschnittlichen Monatslöhne männlicher Industriearbeiter nach den Feststellungen des Statistischen Bundesamtes schon bis August 1962 um 42 % — inzwischen noch weiter — erhöht. Da das Kindergeld seitdem unverändert blieb, erhöhte sich hier das Monatseinkommen — schon bis August 1962 — bei Ledigen und kinderlos Verheirateten um die genannten 42 %, bei Familien mit 3 Kindern nur um 39 %, bei Familien mit 5 Kindern nur um 34 %, und das, obschon gerade die Familien mit Kindern, wie gesagt, durch die Preisentwicklung viel stärker betroffen sind als andere. Die Zahlenreihe müßte gerechterweise genau die umgekehrte Tendenz aufweisen. Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 58. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 7. Februar 1963 2647 Hierbei habe ich noch nicht einmal berücksichtigt, daß nach den Feststellungen des Statistischen Bundesamtes von 1959/62 die Lebenshaltungskosten für den Unterhalt von Kindern mit rund 10% erheblich stärker angestiegen sind als die allgemeinen Lebenshaltungskosten eines Erwachsenen (7,6 %). Es steht aber ohnedies eindeutig fest, daß in dem großen Bereich der privaten Wirtschaft der Anteil am Sozialprodukt für die Familien mit Kindern sichtbar abgesunken ist, während der Anteil der Kinderlosen am Sozialprodukt zu Lasten der Kinderlosen sich ebenso sichtbar erhöht hat. Das ist aber doch wohl genau das Gegenteil von dem, was wir alle anstreben. Betrachten wir die Entwicklung bei den 835 000 Arbeitern des öffentlichen Dienstes — Bund, Länder und Gemeinden —, von denen über 500 000 allein auf Bundesbahn und Bundespost entfallen, uns also im Bundestag besonders interessieren. Hier ergibt sich, daß, weil die Kinderzuschläge seit 1956 überhaupt nicht mehr erhöht wurden, die Entwicklung noch wesentlich ungünstiger für die Familien ist. Bei einem Arbeiter der Lohngruppe IV (Ortsklasse 1) und einem mittleren Kinderzuschlag von 35 DM monatlich erhöhten sich von 1956 auf 1962 die Monatsbezüge der Kinderlosen um 53 %, bei 3 Kindern um 41%, bei 5 Kindern nur um 35 %. Hier erhöhte sich also der Anteil der Alleinstehenden am Sozialprodukt um 53%, der des Familienvaters mit 5 Kindern aber nur um 35%, beim Alleinstehenden also um rund 50 % mehr, als bei der Familie mit 5 Kindern. Ich glaube, daß das Tatbestände sind, an denen schlechthin niemand von uns vorbeigehen kann und die stärker nach Abhilfe geradezu schreien als jede andere noch so dringlich erscheinende gesellschaftspolitische Maßnahme. Für die Bundesbeamten hat die dem Hause vorliegende Regierungsvorlage, wie wir gern als erfreulich anerkennen, vorgesehen, daß die familienbezogenen Gehaltsteile ab 1. April 1963 ebenso um 6 % erhöht werden wie die Grundgehälter. Die Bundesregierung hat also die mir heute noch absolut unverständlich erscheinende Länderregelung, die ausgerechnet die familienbezogenen Gehaltsteile von der Erhöhung ausschloß, bewußt nicht mitgemacht, so daß hier, wenn man die Dinge rein rechnerisch prozentual sieht — wogegen manches gesagt werden könnte —, die Familien anteilig berücksichtigt sind. Ich glaube, daß dieser familienpolitische Querschnitt durch die verschiedenen Bereiche der Berufstätigen in die allgemeine politische Aussprache gehört, weil man die Lage der Familie einmal quer durch alle Bereiche sehen muß, um ein klares Gesamtbild zu bekommen. Aus dem Gesagten ergibt sich, daß in allen Bereichen der Lohn- und Gehaltsempfänger — Entsprechendes gilt natürlich auch für die freien Berufe -der Anteil der Familien am Sozialprodukt in den letzten Jahren erheblich geschmälert wurde zugunsten des Anteils der Ledigen und kinderlosen Verheirateten. Die Familien mit Kindern befinden sich wirtschaftlich, gemessen an der Entwicklung der Erwachsenenhaushalte, in einer eindeutig rückläufigen Entwicklung. Bei dieser Sachlage sollen ihnen nun durch die Krankenversicherungsreform noch mehr neue Lasten auferlegt werden als den kinderlosen Haushalten, insbesondere durch die Handhabung des 2%igen Individualbeitrages mit der Selbstbeteiligung auch für Kinder. Ich hoffe zuversichtlich, daß das Hohe Haus den Familien wenigstens solche Sonderbelastungen erspart, wenn schon die vorgesehene Kindergeldaufbesserung nicht einmal das notwendige Mindestausmaß erreicht. Es lag mir sehr daran, diese ernsten und unser aller Wollen eideutig widersprechenden Tatbeständen hier und heute einmal in aller Offenheit darzulegen, damit wir uns demnächst bei allen einschlägigen Gesetzen daran erinnern und alle gemeinsam auf Abstellung dieser eindeutig für die Familien rückläufigen Entwicklung nach besten Kräften bedacht sind, die Wohlstandsentwicklung in den letzten Jahren ist eindeutig auf den Rücken der Familie vor sich gegangen. Das aber kann kein Staat zulassen, der auf seine Zukunft bedacht ist und dessen verantwortliche Träger wissen um die Bedeutung der Familien und ihrer Kinder für den Einzelnen wie für die Gesamtheit. Lassen Sie mich zum Schluß noch die sich natürlich aufdrängende Frage beantworten, wie eine solche Entwicklung im Zeitalter der Familienpolitik und im Jahrhundert des Kindes überhaupt möglich war. Ich möchte das tun ohne jede Polemik nach irgendeiner Seite hin, ich möchte nur erkennbar machen, wo meines Erachtens die Wurzel des Übels liegt. Die Ursache für diese, wie gesagt von niemandem wirklich gewollte Entwicklung liegt in dem individualistischen Denken unserer Zeit, das immer nur allein das Individuum sieht, das im Gesellschaftsleben pair das „do ut des", die Leistung gegen die Gegenleistung kennt und darüber vergißt, daß die für Staat und Gesellschaft lebenswichtige Institution Familie in der modernen Industriegesellschaft dabei zu kurz kommt, gewissermaßen „erdrückt" wird, obschon sie doch mit die wichtigste Leistung auch für Staat und Gesellschaft erbringt. Wir müssen in allen Bereichen unseres sozialen Lebens — jeder an seiner Stelle — darauf bedacht sein und bleiben, daß dieser Entwicklung Einhalt geboten wird, nicht nur vom Gesetzgeber, sondern auch von den Tarifvertragspartnern, auch von Ländern und Gemeinden und überall, wo man etwas dazu tun kann. Niemand darf hier sagen: Familienausgleich natürlich, aber was geht mich das an? Das kann nicht alles allein der Bundesgesetzgeber machen, was hier notwendig ist. Denn das Sozialprodukt ist nur einmal da, und alles, über das etwa die Sozialpartner in tarifvertraglichen Vereinbarungen verfügen, ist für den Familienausgleich nicht mehr greifbar. Und alle Mittel des Bundeshaushalts, über die wir für andere Zwecke verfügen, sind damit der Verwendung für den so zurückgebliebenen Familienausgleich entzogen. Sollten wir alle uns nicht einmal ganz nüchtern fragen, ob wir daran in den letzten Jahren nicht zu wenig gedacht haben? Ziehen wir aus der ge- 2648 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 58. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 7. Februar 1963 wonnenen Erkenntnis die sich zwangsläufig ergebenden Konsequenzen! In unseren Nachbarländern ist es weithin so, daß alle politischen Parteien ebenso wie Wirtschaft und Gewerkschaften die Familienausgleichsmaßnahmen für absolut vordringlich halten gegenüber anderen gesellschaftspolitischen Anliegen. Mit dieser gemeinsamen Haltung haben sie alle einen wirklichen und einigermaßen gerechten Familienausgleich durchgeführt, auch die Länder, deren wirtschaftlicher Aufstieg nicht das Ausmaß des unseren in der Bundesrepublik erreichte. Ich möchte heute darum werben, daß alle beteiligten Kreise sich zu dem Entschluß durchringen, künftig auch bei uns gemeinsam dieses große und unausweichlich wichtige Anliegen nicht nur zu sehen, sondern auch zu gemeinsamem Tun über alle Parteigrenzen hinweg bereit zu sein. Meinerseits möchte ich jedenfalls in diesem Sinne meinem Nachfolger im Amt des Familienministers jede mögliche Unterstützung zuteil werden lassen, auf daß er es leichter hat als ich in den Jahren, in denen die Familienpolitik erst aufgebaut und ihre Idee und Aufgabe erst einmal durchgesetzt werden mußte. Und hierzu erbitte ich die Mitarbeit aller Fraktionen und auch der Presse, eben weil Schutz und Gerechtigkeit für die Familien ein Anliegen unseres ganzen Volkes in allen gesellschaftlichen Bereichen ist. „Die Rettung des Menschengeschlechtes beginnt bei der Familie" ! Dessen mögen wir alle — jeder in seinem Bereich — stets eingedenk sein und bleiben und danach handeln!
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Konrad Adenauer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und meine Herren! Herr Kollege Erler spricht nach meiner Schätzung etwa 250 bis 300 Silben in der Minute.

    (Heiterkeit in der Mitte. — Zuruf von der SPD: Was soll das?)

    Ich schätze das so aus der Tätigkeit der Stenographen. Natürlich ist es dann sehr schwer, auf alles zu antworten, was er in verhältnismäßig kurzer Zeit mit größter Schnelligkeit sagt. Aber einige Sachen habe ich mir doch notiert.
    Sie haben gesagt, Herr Erler: Wer an dem Vertrauen der Führungsmacht nagt, macht sich — ich weiß nicht, welchen Vergehens — schuldig. Sie haben dann einige Minuten darauf gesagt: Hier müssen alle die Wahrheit sagen. Etwas übertrieben, Herr Erler, nicht wahr? Das würden Sie doch zugeben.

    (Heiterkeit bei den Regierungsparteien. — Abg. Erler: Ein Unterschied der Lebensgewohnheiten, Herr Bundeskanzler! — Weitere Zurufe von der SPD.)

    Aber Sie haben dann gesagt: auch die Bundesregierung! Sehen Sie, wer an dem Vertrauen zur Bundesregierung nagt, der macht sich auch einer schweren Schuld gegenüber dem deutschen Volk schuldig.

    (Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Erler: Und das nach dem ,,Spiegel"-Bericht? — Weitere Zurufe von der SPD.)

    Sie sind heute hingewiesen worden — ich kann nicht einmal sagen: angegriffen worden — auf Ihre starken Veränderungen wichtigster politischer Anschauungen und Grundsätze, die Sie im Laufe dieser Jahre erlebt haben und die wir miterlebt haben. Sicher, meine Herren, es muß mehr Freude sein im Himmel über einen Sünder, der Buße tut. Aber, meine Herren, er muß auch Buße tun! Das gehört auch dazu.

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU.)

    Meine Herren, Herr Erler ist wirklich — um seinen Ausdruck zu gebrauchen — ein Mann von ungebrochenem Selbstbewußtsein. Ich habe so etwas selten erlebt wie heute Ihre Rede hier. Sie haben den schönen Satz zur Begründung für den Wechsel in Ihren Auffassungen zu lebenswichtigen Dingen des deutschen Volkes gesagt: Die Veränderung der Weltpolitik muß man sehen. Vollkommen richtig! Aber es fragt sich, Herr Erler, wann man sie sieht. Politik kann nur der machen, der sie rechtzeitig sieht und nicht post.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Ich meine, wenn mir nachher vorgeführt wird, daß Sowjetrußland eine ganz außerordentlich große nukleare Macht geworden ist und daß es uns an den Kragen will, dann gehe ich mit, Herr Erler, dann sehe ich die Weltgeschichte. Nein, man muß sie eben vorher sehen.
    Sie haben zum Beispiel auch davon gesprochen, daß Sie überlegt hätten, ob man an Amerika, diese



    Dr. Adenauer
    nukleare Macht, herangehen solle, solange nicht die Frage der Wiedervereinigung seitens Rußlands negativ beantwortet sei. Wissen Sie denn nicht, Herr Erler, was der amerikanische Präsident Eisenhower ganz kurz nach seinem Regierungsantritt der Welt öffentlich angeboten hat? Richtig, damals hatten die Vereinigten Staaten allein nukleare Waffen. Aber Eisenhower hat der ganzen Welt angeboten, sämtliche amerikanischen nuklearen Waffen, sämtliche Stoffe zur Herstellung, alle Vorräte einer öffentlichen Kontrolle zu unterstellen, um sie zu friedlichen Zwecken zu verwenden. Der einzige Staat, der das abgelehnt hat, war Sowjetrußland, meine Damen und Herren. Ich meine, da konnte man doch schon die Weltgeschichte in etwa sehen und wußte, was man für Konsequenzen daraus zu ziehen hat.
    Sie haben dann das mit der Montanunion wundervoll dargestellt. Meine Herren, dem Herrn Kollegen Erler waren Kohle und Eisen zu wenig; es müßte viel mehr hereinkommen. Er hat angedeutet, was alles hereinkommen müsse, damit wirklich was entstehe. Herr Kollege Erler, es gibt ja auch noch Zeugen der Entstehung der Montanunion. Sie können darüber auch in den Stenographischen Berichten des Bundestages nachlesen. Wie ist denn die Montanunion entstanden?
    Mir hat Herr Schumann damals geschrieben: Zwischen dem französischen Volk und dem deutschen Volk dauert das Mißtrauen an, und die Franzosen sind voll Furcht, daß sich Deutschland eines Tages wieder erholen wird und daß es dann an Frankreich Revanche nehmen wird. Er hat dann in dem Brief fortgefahren: Jede Aufrüstung zeigt sich auf zwei Gebieten an, auf dem Gebiete der Produktion von Stahl und Eisen und damit zusammenhängend von Kohle. Darum schlug er vor, daß zwischen den Staaten, die er angeschrieben hat -auch Großbritannien war dabei, an allererster Stelle —, eine Montanunion derart gegründet wird, daß jedes Land überschauen kann, wenn auf dem Gebiet der Produktion von Eisen, Stahl und Kohle irgendeine Unruhe entsteht. Wenn wir so etwas schaffen — so fuhr er fort —, dann gewinnen wir das Vertrauen zueinander, das keiner den anderen überfallen wird. — Das war der Gesichtspunkt der Montanunion, und dem haben Sie nicht zugestimmt.

    (Abg. Dr. Mommer: Es gab auch andere, Herr Bundeskanzler!)

    — Nein, es war nichts anderes!

    (Abg. Dr. Mommer: Auch andere!)

    Dem haben Sie nicht zugestimmt. Und neben Ihnen standen — ich darf da nicht Genossen sagen — als Genossen in dem Kampf die Schwerindustrie.

    (Heiterkeit.)

    Das waren damals Ihre Freunde.

    (Fortgesetzte Heiterkeit und Zurufe von der SPD.)

    Ich erinnere mich noch sehr, welche Mühe es auch
    mich persönlich gekostet hat, die Schwerindustrie —
    ob sie nun in intimer Verbindung mit Ihnen stand, weiß ich nicht —,

    (Heiterkeit)

    die Bergwerksindustrie davon zu überzeugen, daß sie unter keinen Umständen hier nein sagen dürfe. Und wir haben es getan. Die Sozialdemokratische Partei hat damals leider nicht mitgemacht.
    Ich würde jetzt hier nicht davon gesprochen haben — ich hatte gar nicht daran gedacht, davon zu sprechen —, wenn Sie sich nicht hier hingestellt hätten als ein Prophet, wie seit Christi Geburt keiner mehr auf die Welt gekommen ist.

    (Beifall und anhaltende allgemeine Heiterkeit.)

    Aber sehen Sie, Herr Erler, wer Begabung hat — und Sie haben Begabung —,

    ('erneute Heiterkeit)

    hat auch eine große Verantwortung für den Gebrauch dieser Begabung. Ich sage Ihnen: weitere solche Reden hier in diesem Hause tragen nicht dazu bei, daß das Vertrauen zum deutschen Volk wächst.

    (Widerspruch bei der SPD.)

    — Natürlich müssen Sie nein sagen; Sie dürfen doch nicht ja sagen, das ist doch klar.

    (Heiterkeit in der Mitte.)

    Sie glauben noch immer, wie es scheint, daß man
    draußen in der Welt zum deutschen Volk ein ungebrochenes Vertrauen hat. Gar kein Gedanke daran!

    (Zuruf von der SPD: Denken Sie doch mal an Strauß!)

    Meine Damen und Herren, im Ausland ist nicht vergessen, was von hier ausgegangen ist, von Deutschland.

    (Zuruf von der SPD: Von dort!)

    Darum müssen wir, meine Damen und Herren — ich spreche aus dem Gefühl einer tiefen Verantwortung und einer großen Sorge heraus — mit der größten Sorgfalt alle Reden bedenken, die sich so direkt an das Ausland wenden.

    (Lebhafte Rufe Sehr gut! und Sehr wahr! bei der SPD. — Zuruf von der SPD: Ins Stammbuch!)

    Und deswegen war diese Bemerkung von dem Mann mit (dem ungebrochenen Selbstvertrauen, auf den Sie so reagiert haben, eine höchst überflüssige Bemerkung.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU.)

    Meine Damen und Herren, seien wir doch froh, daß es so ist, wie es jetzt ist mit Frankreich. Ich weiß, vom Standpunkt der parlamentarischen Demokratie aus kann man Kritik üben.

    (Zuruf von der SPD: Muß man!)

    Aber, meine Damen und Herren — ich sage das
    sehr offen —: der Zustand, wie er in Frankreich die
    Jahre vorher gewesen ist, wo die Regierungen stän-



    Dr. Adenauer
    dig gewechselt haben, war für Frankreich schlecht, war für uns schlecht, war für Europa schlecht.

    (Hört! Hört! und Zurufe von der SPD.)

    Und ich will Ihnen nur folgendes sagen — gerade den Herren, die von da hinten die Zwischenrufe machen —: mir hat der verstorbene Foster Dulles zweimal gesagt: „Wenn Sie nicht zu uns halten, dann werden wir Europa verlassen." So sah es doch damals in Europa aus! Die Amerikaner glaubten nicht an die Festigkeit. Wir haben uns konsolidiert, und wir haben dafür gesorgt, daß man doch wieder Vertrauen zum deutschen Volke bekommen hat. Und seien wir froh, Herr Erler, über jede Freundschaft, die wir uns noch erwerben in irgendeinem Volke. Wir können sie bei Gott gebrauchen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und Abgeordneten der FDP.)

    Und überlassen wir jedem Volke, sich eine Regierungsreform zu bauen, die es will. Das ist seine Sache, meine Damen und Herren, solange es damit keine anderen bedroht; das ist seine Sache, und wir sollten uns hüten vor an Spott grenzender Kritik.
    Im übrigen möchte ich Ihnen nur das eine sagen: Nach den letzten Zählungen in Frankreich haben 67 Prozent der Befragten sich für dieses Regime ausgesprochen. Ich möchte Ihnen noch ,ein weiteres sagen. Als ich jetzt in Paris war, hat Herr Blankenhorn 150 Abgeordnete für mich eingeladen zu einem Zusammenkommen. Natürlich, der größte Teil da-von waren Gaullisten. Es waren aber auch Nichtgaullisten dabei, und ich habe sehr freimütig mit den Herren über alles gesprochen. Und im Grunde genommen sind die Herren alle ganz zufrieden.

    (Lachen bei der SPD.)

    Und das 'ist doch schließlich die Hauptsache!

    (Heiterkeit bei der SPD.)

    Aber vor allem, meine Damen und Herren: ich habe mich gestern absichtlich so vorsichtig ausgedrückt und habe gebeten, wir möchten über das deutschfranzösische Abkommen diskutieren, wenn es hier zur Vorlage kommt. Wir können jetzt nicht ausgiebig darüber diskutieren; auch 'deswegen nicht, weil dadurch nun im Zusammenhang mit dem, was mit Großbritanniens Beitritt geschehen ist, dann dieses Abkommen eine viel zu große Bedeutung in der außenpolitischen Bewertung erlangt. Man soll doch alle Dinge 'in ihrem Rahmen lassen und nicht darüber hinausgehen.
    Da ich nun einmal das Wort genommen habe und da Herr Kollege Ollenhauer, der ganz spezielle Fragen an mich gestellt hat, inzwischen wieder anwesend ist, möchte ich ihm diese Fragen jetzt beantworten. Herr Kollege Ollenhauer, Sie haben zwei spezielle Fragen an mich gerichtet. Die erste betraf die Konsultation mit Frankreich und ging dahin, ob ich auch konsultiert worden sei über die Rede, die de Gaulle auf der Pressekonferenz gehalten hat. Dazu sage ich Ihnen folgendes. Bei der Schlußsitzung, die wir in Paris hatten, hat de Gaulle gesagt: Wenn das Abkommen Rechtens geworden ist, wird
    der erste Gegenstand der Konsultation der Beitritt Englands zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft sein. Das war sehr korrekt, und das wird auch nach menschlischem Ermessen der erste Gegenstand der Konsultation sein.
    Ich will Ihnen aber noch weiter wiedergeben, was ich Herrn de Gaulle, als der Antrag der Briten, in die EWG aufgenommen zu werden, ernst wurde — er war nicht immer so ernst —, über die deutsche Stellungnahme und über meine persönliche Stellungnahme gesagt habe. Ich habe ihm erklärt: Wir Deutschen sind auf ein gutes Einvernehmen mit Großbritannien wegen Berlin und der Wiedervereinigung angewiesen, und deswegen bin ich ohne Rücksicht auf alles andere für die Aufnahme 'Großbritanniens in die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft. Ich habe gesagt: Natürlich muß über Einzelheiten gesprochen werden.
    Am 11. Oktober des Jahres 1962 habe ich Ihnen, Herr Kollege Ollenhauer, desselbe geantwortet. Sie können das nachlesen. Ich habe Ihnen ganz klar erklärt, daß ich dafür sei und daß natürlich über dieses und jenes gehandelt werden müsse. Damals habe ich gesagt — und gerade das hat Anerkennung in der britischen Presse gefunden —: Die britischen Vertreter sind dazu da, bei den Verhandlungen die britischen Interessen wahrzunehmen, und die deutschen Vertreter sind dafür da, die deutschen Interessen wahrzunehmen, und dann muß man eben sehen, daß man übereinkommt. Das ist bei jedem politischen Verhandeln so selbstverständlich wie nur denkbar. Aber ich wiederhole nochmals, Herr Kollege Ollenhauer: ich habe damals, als zuerst im Ernst darüber gesprochen wurde, Herrn de Gaulle gesagt, daß ich aus diesen politischen Gründen dafür sei, und ich habe es später hier vor dem Bundestag auch wiederholt.
    Ich meine, das ist keine gute Außenpolitik: Dadurch, daß man einem Regierungschef immer wieder die Frage stellt, daß man glaubt, verschiedene Schattierungen der Meinungen innerhalb der Bundesregierung herauszufinden, dadurch, daß man vom Zwielicht spricht, fördert man die Sache nicht. Ich wünsche, daß die Briten an mein Wort glauben:

    (Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Dadurch werden wir in den ganzen Verhandlungen einen guten Schritt vorankommen. Aber wir werden nicht vorankommen, wenn hier in diesem Hause an meinen Worten Zweifel geäußert werden.

    (Anhaltender Beifall bei den Regierungsparteien.)



Rede von Dr. Eugen Gerstenmaier
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Abgeordnete Erler.

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    Rede von Fritz Erler


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst möchte ich mit Befriedigung die Sätze registrieren, die der Herr Bundeskanzler soeben in unmißverständlicher Weise dem deutsch-britischen Verhältnis und der Haltung der Bundesregierung gegenüber dem Eintritt Groß-



    Erler
    Britanniens in die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft gewidmet hat. Dieser Standpunkt, ehern durchgehalten, wird die Unterstützung des ganzen Hauses haben.

    (Allseitiger Beifall.)

    Ich möchte nicht auf die Geschichtsbetrachtungen zurückkommen, Herr Bundeskanzler. Da sind wir nun einmal verschiedener Meinung. Ich sehe beängstigende Perspektiven vor mir. Wenn ich heute schon ein Prophet mit ungebrochenem Selbstbewußtsein sein sollte, was wird dann erst einmal in späteren Lebensjahren aus mir werden?

    (Heiterkeit und Beifall bei der SPD.) Hoffentlich passen dann andere auf mich auf.

    Ein letztes. Ich würde mich freuen, wenn vielleicht der Herr Außenminister sich zu einigen Anregungen äußerte — denn das ging sehr ins Fachliche, und das möchte ich dem Herrn Bundeskanzler gar nicht zumuten —, die hier für den Fortgang der Verhandlungen über den Beitritt Großbritanniens gegeben worden sind, und zwar sowohl vom Fraktionsvorsitzenden der CDU/CSU als auch von mir. Ich behaupte gar nicht unbedingt, daß das alles Perlen aus dem Sack unerschöpflicher Weisheit sind, aber man muß das Gespräch doch wenigstens einmal beginnen. Vielleicht können wir da vom Herrn Bundesaußenminister einiges erfahren. Ich glaube, das würde auch im Interesse aller liegen.
    Denn — und damit rasch noch ein Wort zur Konsultation — wenn wir von dem deutsch-französischen Vertrag und seinen Konsultationspflichten,

    (Bundeskanzler Dr. Adenauer: Verzeihen Sie : Konsultierungspflichten!)

    — seinen Konsultierungspflichten ausgehen, dann ist es sicher richtig, daß jeder Partner auf die Gegenstände eingehen muß, die der andere vorschlägt. Gut, wir haben aber doch heute schon durchaus die Möglichkeit, ohne von einer solchen Rechtspflicht Gebrauch zu machen, mit dem Partner darüber zu sprechen. Es hat ja auch schon bisher, ohne einen solchen Vertrag, Konsultationen gegeben. Warum also sollen wir so sehr lange warten? Vielleicht bestünde die Möglichkeit, im Zusammenhang mit dem ganzen Bukett, das hier vorzutragen ich vorhin die Ehre hatte, das Gespräch mit unserem französischen Freund — ich wiederhole: Freund — doch schon etwas eher aufzunehmen, damit nicht allzuviel Zeit verlorengeht.

    (Beifall bei der SPD.)