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ID0405808600

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    Deutscher Bundestag 58. Sitzung Bonn, den 7. Februar 1963 Inhalt: Fragestunde (Drucksache IV/947) Frage des Abg. Wellmann: Gesundheitsschädigende ausländische Lebens- und Genußmittel Frau Dr. Schwarzhaupt, Bundesminister 2589 B Frage des Abg. Blachstein: Verträge der Bundespost für spanische Gastarbeiter Stücklen, Bundesminister 2589 C, 2590 A Blachstein (SPD) . . . . 2589 D, 2590 A Frage des Abg. Dr. Rinderspacher: Unzulässigkeit der Versendung von leeren Briefumschlägen als Drucksache Stücklen, Bundesminister . . 2590 A, B, D, 2591 A, B, C, D Dr. Rinderspacher (SPD) . . . 2590 B, C, D Dr. Mommer (SPD) 2591 A Dr. Bechert (SPD) 2591 B Dr. Schäfer (SPD) 2591 C Regling (SPD) 2591 C, D Fragen des Abg. Biegler: Schmuckblattformulare Stücklen, Bundesminister . . . . 2591 D Fragen der Abg. Dr. Mommer und Dürr: Doppelte Gebühr für Gespräche bei Störung des Selbstwählverkehrs Stücklen, Bundesminister 2592 A, B, C, D, 2593 A, B, C Dr. Mommer (SPD) 2592 B, C Dürr (FDP) . . . . . . 2592 D, 2593 A Dr. Schäfer (SPD) 2593 B Frage des Abg. Freiherr von Mühlen: International gebräuchliche Adressenschreibung Stücklen, Bundesminister 2593 D, 2594 A, B Freiherr von Mühlen (FDP) 2593 D, 2594 A Aussprache über die Erklärung der Bundesregierung: Ollenhauer (SPD) 2594 C Dr. von Brentano (CDU/CSU) . . 2604 C Dr. Mende (FDP) 2610 C Schmücker (CDU/CSU) . . . . 2615 D Erler (SPD) 2621 C, 2631 D Dr. Adenauer, Bundeskanzler . . . 2629 C Dr. Achenbach (FDP) . . . . . . 2632 B Dr. Schröder, Bundesminister . . . 2634 C Dr. Jaeger (CDU/CSU) . . . . . 2638 C Nächste Sitzung . . . . . . . . . 2643 D Anlagen 2645 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 58. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 7. Februar 1963 2589 58. Sitzung Bonn, den 7. Februar 1963 Stenographischer Bericht Beginn: 9.01 Uhr.
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    *) Siehe Anlage 2 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 58. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 7. Februar 1963 2645 Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordneter) beurlaubt bis einschließlich Dr. Aigner * 9. 2. Arendt (Wattenscheid) * 9. 2. Dr. Arndt (Berlin) 16.2., Dr. Dr. h. c. Baade 8.2. Bals 8. 2. Bergmann * 9. 2. Birkelbach * 9. 2. Fürst von Bismarck 22. 2. Dr. Bleiß 8. 2. Frau Brauksiepe 8. 2. Dr. Burgbacher * 9.2. Cramer 8.2. Dr. Deist * 9. 2. Deringer * 9. 2. Dr. Dichgans * 9. 2. Dopatka 21.2. Dr. Dörinkel 8. 2. Drachsler 8. 2. Dr. Dr. h. c. Dresbach 31. 3. Frau Dr. Elsner * 9.2. Faller * 9.2. Felder 8. 2. Figgen 20.4. Dr. Dr. h. c. Friedensburg * 9. 2. Funk (Neuses am Sand) 16.2. Dr. Furler * 9. 2. Gaßmann 8.2. Gedat 15.2. Dr. Gleissner 8. 2. Gscheidle 7. 2. Hahn (Bielefeld) * 9. 2. Hammersen 8.2. Dr. von Haniel-Niethammer 8. 2. Harnischfeger 15. 2. Hauffe 28.2. Herold 8. 2. Hilbert 8.2. Illerhaus * 9. 2. Kalbitzer * 9. 2. Katzer 28. 2. Frau Kipp-Kaule 8.2. Dr. Klein (Berlin) 8. 2. Klein (Saarbrücken) 15.2. Klinker * 9. 2. Kohlberger 8.2. Frau Korspeter 8. 2. Dr. Kreyssig * 9. 2. Kriedemann * 9. 2. Kühn (Hildesheim) 8. 2. Kurlbaum 8.2. Lemmer 28. 2. Lenz (Brühl) * 9. 2. Dr. Löhr * 9.2. Lücker (München) * 9.2. Margulies * 9. 2. Mauk * 9.2. Menke 8.2. Metzger * 9. 2. Abgeordneter) beurlaubt bis einschließlich Michels 7. 2. Müller (Berlin) 28.2. Müller (Nordenham) 2. 3. Müser 8. 2. Neubauer 17. 2. Nieberg 8. 2. Oetzel 28. 2. Frau Dr. Pannhoff 8.2. Dr.-Ing. Philipp * 9.2. Pöhler 8. 2. Frau Dr. Probst * 9.2. Rademacher 8. 2. Richarts * 9. 2. Dr. Rieger (Köln) 8. 2. Ritzel 8. 2. Ruf 8.2. Seither 11.3. Steinhoff 15. 2. Dr. Steinmetz 8. 2. Storch * 9. 2. Strauß 18. 3. Frau Strobel * 9. 2. Sühler 8.2. Frau Vietje 15. 2. Wacher 8. 2. Dr. Wahl 28.2. Weinkamm * 9.2. Werner 24.2. Wischnewski * 9. 2. Wittmer-Eigenbrodt 16. 2. Dr. Zimmermann (München) 8. 2. * Für die Teilnahme an einer Tagung des Europäischen Parlaments Anlage 2 Schriftliche Ausführungen des Abgeordneten Dr. Wuermeling zu der Aussprache über die Regierungserklärung. Wir haben heute nach Neubildung der Bundesregierung die erste allgemeine politische Aussprache. Bei einer solchen Aussprache sollen die Grundlinien unserer Politik erörtert werden. Sie verstehen es gewiß, wenn ich meinerseits dabei das Thema anspreche, mit dem ich durch mein bisheriges Amt als Familienminister engstens verbunden bin und dem ich künftig auch als Abgeordneter mit Leib und Seele verbunden bleiben werde, die Familienpolitik. Dieses Thema gehört in die Generalaussprache über die Gesamtpolitik, weil es ein Thema ist, das in alle politischen Sachbereiche hineinstrahlt und hineinstrahlen muß und weil es bei allen einzelnen Fachgesetzen leider immer nur irgendwie am Rande erscheint. Es pflegt aber dort jeweils im Schatten der Fülle der Fachprobleme zu stehen, die etwa bei jedem Sozialgesetz, bei jedem Steuergesetz, beim Wohnungsbau usw. zu erörtern sind. Ist es 2646 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 58. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 7. Februar 1963 nicht wirklich so, daß wir sowohl in der Gesetzgebung als auch in der Verwaltung immer wieder der Gefahr erliegen, nur in den vertikalen Fachbereichen etwa der Sozialversicherungszweige, der Kriegsopferversorgung, des Lastenausgleichs, des Steuerrechts usw. zu denken und den horizontal quer durch alle vertikalen Fachbereiche gehenden so wichtigen Bereich Familie darüber in den Hintergrund treten zu lassen? Und das, obwohl es doch ein immer wieder gerade von den beiden großen Fraktionen des Hauses betontes Hauptanliegen ist, die Familie als die wichtigste Institution für Staat und Gesellschaft zu schützen und unseren Familien mit Kindern auch wirtschaftlich wenigstens einigermaßen gleichberechtigte Existenzvoraussetzungen zu ermöglichen. Auch die gestrige Regierungserklärung hat das ja erneut in zwei markanten programmatischen Sätzen unterstrichen. Lassen Sie mich zu letzterem Punkt hier heute etwas sagen, aber mit der betonten Vorbemerkung, daß diese Fragen des Familienausgleichs gewiß nicht der einzige — und nicht einmal der wichtigste — Bereich der Familienpolitik sind, aber doch der Bereich, auf dem gerade wir hier auf der Bundesebene die größten Möglichkeiten und Aufgaben haben, mit deren Erfüllung wir uns -- trotz all dessen, was bisher erreicht wurde — in der Bundesrepublik in einem schmerzlichen Rückstand gegenüber unseren westlichen Nachbarländern befinden. Ich bekenne das in aller Offenheit nach neun Jahren unaufhörlichen und leider nicht genügend erfolgreichen Ringens als Familienminister. Ich will hier nicht im einzelnen auf die Ergebnisse der Godesberger Konferenz von acht europäischen Familienministern vom Mai vorigen Jahres, die das gezeigt haben, eingehen. Sie sind Ihnen und der Öffentlichkeit ja aus dem amtlichen Bulletin bekannt. Ich gebe auch zu, daß Vergleiche mit anderen Ländern allein nicht zwingend sind, wenn man Entschlüsse für sein eigenes Land zu fassen hat, zumal da solche Vergleiche ja nicht immer auf absolut gleichartigen Komponenten aufgebaut sind. Wir haben uns allerdings bemüht, in der Familienministerkonferenz eine weitgehende Vergleichbarkeit sicherzustellen. Wichtiger als diese internationalen Vergleiche scheint mir vielmehr die Kenntnis der Situation der Familien in unserem eigenen Lande, insbesondere der Entwicklung der wirtschaftlichen Situation unserer Familien mit Kindern angesichts der Lohn-und Preisentwicklung in einer Zeit, in der wir alle immer wieder die Notwendigkeit des Schutzes und der Gerechtigkeit für sie betont haben. Hier muß leider .die betrübliche Feststellung getroffen werden, daß für die Angehörigen aller Bereiche des sozialen Lebens in den letzten Jahren Verbesserungen ihrer wirtschaftlichen Lebensbedingungen — gewiß unterschiedlichen Ausmaßes, aber jedenfalls sichtbare reale Verbesserungen — eingetreten sind, weithin durch •gesetzliche Maßnahmen, daß aber unsere Familien mit Kindern — und ich wage zu behaupten: allein diese! — hinter der für alle anderen eingetretenen Aufwärtsentwicklung sichtbar zurückgeblieben sind. Weil wir uns das alle täglich vor Augen halten sollten, möchte ich Ihnen diese Feststellung kurz begründen. Dazu zunächst folgendes: Wenn Löhne und Gehälter steigen — und sie sind in den letzten Jahren erheblich, mehr als die Preise gestiegen —, dann hat ,der Alleinstehende die meinetwegen 20 bis 30 DM monatlicher Erhöhung nach Abzug der Steuern und Sozialabgaben für sich allein und verbessert sich entsprechend um das volle Mehr an Kaufkraft. Wo aber auch Frau und Kinder mitversorgt werden müssen, ,dividiert sich die monatliche Erhöhung durch 4 oder 5 oder noch mehr Köpfe, so daß der Kaufkraftrückstand unserer Kinderfamilien gegenüber den Alleinstehenden schon von daher mit jeder linearen Lohn- und Gehaltserhöhung immer größer wird. Dazu kommt aber noch, daß .die Preiserhöhungen für den lebensnotwendigen Bedarf, mit dem die Lohnerhöhungen ja weithin begründet werden, dieselben Familien mit Kindern, die ohnehin mit den linearen Lohnerhöhungen immer weiter hinter ,die Alleinstehenden zurückfallen, multipliziert mit der Zahl der Familienmitglieder, treffen, daß hier also einer dividierten Lohn- oder Gehaltserhöhung eine multiplizierte Verteuerung des lebensnotwendigen Bedarfs gegenübersteht, dem die Eltern gerade für ihre Kinder nicht ausweichen können. Durch diese Entwicklung kommen die Familien mit Kindern auf doppelte Weise immer weiter in Rückstand. Ich sage das jetzt nicht, um nach irgendeiner Seite hin Vorwürfe zu erheben, sondern ausschließlich, weil ich meine, daß wir uns, da wir unsere öffentlichen Erklärungen zugunsten unserer Kinderfamilien doch ernst nehmen, über diesen Tatbestand klar werden müssen. Denn im Anfange allen Fortschritts steht immer die klare Erkenntnis der Sachlage. Ich habe das Gefühl, daß aus dieser Sachlage bisher deshalb nicht die gebotenen Konsequenzen einer entsprechenden Anpassung der Familienleistungen gezogen worden sind, weil diese Erkenntnis vielen von uns bisher einfach nicht tief genug ins Bewußtsein gelangt ist. Ich darf das deshalb mit einigen wenigen Tatsachen erläutern, die meines Erachtens jeden geradezu erschrecken müssen, der sich den besonderen Sorgen unserer Väter und Mütter verbunden weiß. Zunächst das Bild im großen Bereich der freien Wirtschaft. Seit der letzten Erhöhung des Kindergeldes von 30 auf 40 DM monatlich per 1. März 1959 haben sich die durchschnittlichen Monatslöhne männlicher Industriearbeiter nach den Feststellungen des Statistischen Bundesamtes schon bis August 1962 um 42 % — inzwischen noch weiter — erhöht. Da das Kindergeld seitdem unverändert blieb, erhöhte sich hier das Monatseinkommen — schon bis August 1962 — bei Ledigen und kinderlos Verheirateten um die genannten 42 %, bei Familien mit 3 Kindern nur um 39 %, bei Familien mit 5 Kindern nur um 34 %, und das, obschon gerade die Familien mit Kindern, wie gesagt, durch die Preisentwicklung viel stärker betroffen sind als andere. Die Zahlenreihe müßte gerechterweise genau die umgekehrte Tendenz aufweisen. Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 58. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 7. Februar 1963 2647 Hierbei habe ich noch nicht einmal berücksichtigt, daß nach den Feststellungen des Statistischen Bundesamtes von 1959/62 die Lebenshaltungskosten für den Unterhalt von Kindern mit rund 10% erheblich stärker angestiegen sind als die allgemeinen Lebenshaltungskosten eines Erwachsenen (7,6 %). Es steht aber ohnedies eindeutig fest, daß in dem großen Bereich der privaten Wirtschaft der Anteil am Sozialprodukt für die Familien mit Kindern sichtbar abgesunken ist, während der Anteil der Kinderlosen am Sozialprodukt zu Lasten der Kinderlosen sich ebenso sichtbar erhöht hat. Das ist aber doch wohl genau das Gegenteil von dem, was wir alle anstreben. Betrachten wir die Entwicklung bei den 835 000 Arbeitern des öffentlichen Dienstes — Bund, Länder und Gemeinden —, von denen über 500 000 allein auf Bundesbahn und Bundespost entfallen, uns also im Bundestag besonders interessieren. Hier ergibt sich, daß, weil die Kinderzuschläge seit 1956 überhaupt nicht mehr erhöht wurden, die Entwicklung noch wesentlich ungünstiger für die Familien ist. Bei einem Arbeiter der Lohngruppe IV (Ortsklasse 1) und einem mittleren Kinderzuschlag von 35 DM monatlich erhöhten sich von 1956 auf 1962 die Monatsbezüge der Kinderlosen um 53 %, bei 3 Kindern um 41%, bei 5 Kindern nur um 35 %. Hier erhöhte sich also der Anteil der Alleinstehenden am Sozialprodukt um 53%, der des Familienvaters mit 5 Kindern aber nur um 35%, beim Alleinstehenden also um rund 50 % mehr, als bei der Familie mit 5 Kindern. Ich glaube, daß das Tatbestände sind, an denen schlechthin niemand von uns vorbeigehen kann und die stärker nach Abhilfe geradezu schreien als jede andere noch so dringlich erscheinende gesellschaftspolitische Maßnahme. Für die Bundesbeamten hat die dem Hause vorliegende Regierungsvorlage, wie wir gern als erfreulich anerkennen, vorgesehen, daß die familienbezogenen Gehaltsteile ab 1. April 1963 ebenso um 6 % erhöht werden wie die Grundgehälter. Die Bundesregierung hat also die mir heute noch absolut unverständlich erscheinende Länderregelung, die ausgerechnet die familienbezogenen Gehaltsteile von der Erhöhung ausschloß, bewußt nicht mitgemacht, so daß hier, wenn man die Dinge rein rechnerisch prozentual sieht — wogegen manches gesagt werden könnte —, die Familien anteilig berücksichtigt sind. Ich glaube, daß dieser familienpolitische Querschnitt durch die verschiedenen Bereiche der Berufstätigen in die allgemeine politische Aussprache gehört, weil man die Lage der Familie einmal quer durch alle Bereiche sehen muß, um ein klares Gesamtbild zu bekommen. Aus dem Gesagten ergibt sich, daß in allen Bereichen der Lohn- und Gehaltsempfänger — Entsprechendes gilt natürlich auch für die freien Berufe -der Anteil der Familien am Sozialprodukt in den letzten Jahren erheblich geschmälert wurde zugunsten des Anteils der Ledigen und kinderlosen Verheirateten. Die Familien mit Kindern befinden sich wirtschaftlich, gemessen an der Entwicklung der Erwachsenenhaushalte, in einer eindeutig rückläufigen Entwicklung. Bei dieser Sachlage sollen ihnen nun durch die Krankenversicherungsreform noch mehr neue Lasten auferlegt werden als den kinderlosen Haushalten, insbesondere durch die Handhabung des 2%igen Individualbeitrages mit der Selbstbeteiligung auch für Kinder. Ich hoffe zuversichtlich, daß das Hohe Haus den Familien wenigstens solche Sonderbelastungen erspart, wenn schon die vorgesehene Kindergeldaufbesserung nicht einmal das notwendige Mindestausmaß erreicht. Es lag mir sehr daran, diese ernsten und unser aller Wollen eideutig widersprechenden Tatbeständen hier und heute einmal in aller Offenheit darzulegen, damit wir uns demnächst bei allen einschlägigen Gesetzen daran erinnern und alle gemeinsam auf Abstellung dieser eindeutig für die Familien rückläufigen Entwicklung nach besten Kräften bedacht sind, die Wohlstandsentwicklung in den letzten Jahren ist eindeutig auf den Rücken der Familie vor sich gegangen. Das aber kann kein Staat zulassen, der auf seine Zukunft bedacht ist und dessen verantwortliche Träger wissen um die Bedeutung der Familien und ihrer Kinder für den Einzelnen wie für die Gesamtheit. Lassen Sie mich zum Schluß noch die sich natürlich aufdrängende Frage beantworten, wie eine solche Entwicklung im Zeitalter der Familienpolitik und im Jahrhundert des Kindes überhaupt möglich war. Ich möchte das tun ohne jede Polemik nach irgendeiner Seite hin, ich möchte nur erkennbar machen, wo meines Erachtens die Wurzel des Übels liegt. Die Ursache für diese, wie gesagt von niemandem wirklich gewollte Entwicklung liegt in dem individualistischen Denken unserer Zeit, das immer nur allein das Individuum sieht, das im Gesellschaftsleben pair das „do ut des", die Leistung gegen die Gegenleistung kennt und darüber vergißt, daß die für Staat und Gesellschaft lebenswichtige Institution Familie in der modernen Industriegesellschaft dabei zu kurz kommt, gewissermaßen „erdrückt" wird, obschon sie doch mit die wichtigste Leistung auch für Staat und Gesellschaft erbringt. Wir müssen in allen Bereichen unseres sozialen Lebens — jeder an seiner Stelle — darauf bedacht sein und bleiben, daß dieser Entwicklung Einhalt geboten wird, nicht nur vom Gesetzgeber, sondern auch von den Tarifvertragspartnern, auch von Ländern und Gemeinden und überall, wo man etwas dazu tun kann. Niemand darf hier sagen: Familienausgleich natürlich, aber was geht mich das an? Das kann nicht alles allein der Bundesgesetzgeber machen, was hier notwendig ist. Denn das Sozialprodukt ist nur einmal da, und alles, über das etwa die Sozialpartner in tarifvertraglichen Vereinbarungen verfügen, ist für den Familienausgleich nicht mehr greifbar. Und alle Mittel des Bundeshaushalts, über die wir für andere Zwecke verfügen, sind damit der Verwendung für den so zurückgebliebenen Familienausgleich entzogen. Sollten wir alle uns nicht einmal ganz nüchtern fragen, ob wir daran in den letzten Jahren nicht zu wenig gedacht haben? Ziehen wir aus der ge- 2648 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 58. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 7. Februar 1963 wonnenen Erkenntnis die sich zwangsläufig ergebenden Konsequenzen! In unseren Nachbarländern ist es weithin so, daß alle politischen Parteien ebenso wie Wirtschaft und Gewerkschaften die Familienausgleichsmaßnahmen für absolut vordringlich halten gegenüber anderen gesellschaftspolitischen Anliegen. Mit dieser gemeinsamen Haltung haben sie alle einen wirklichen und einigermaßen gerechten Familienausgleich durchgeführt, auch die Länder, deren wirtschaftlicher Aufstieg nicht das Ausmaß des unseren in der Bundesrepublik erreichte. Ich möchte heute darum werben, daß alle beteiligten Kreise sich zu dem Entschluß durchringen, künftig auch bei uns gemeinsam dieses große und unausweichlich wichtige Anliegen nicht nur zu sehen, sondern auch zu gemeinsamem Tun über alle Parteigrenzen hinweg bereit zu sein. Meinerseits möchte ich jedenfalls in diesem Sinne meinem Nachfolger im Amt des Familienministers jede mögliche Unterstützung zuteil werden lassen, auf daß er es leichter hat als ich in den Jahren, in denen die Familienpolitik erst aufgebaut und ihre Idee und Aufgabe erst einmal durchgesetzt werden mußte. Und hierzu erbitte ich die Mitarbeit aller Fraktionen und auch der Presse, eben weil Schutz und Gerechtigkeit für die Familien ein Anliegen unseres ganzen Volkes in allen gesellschaftlichen Bereichen ist. „Die Rettung des Menschengeschlechtes beginnt bei der Familie" ! Dessen mögen wir alle — jeder in seinem Bereich — stets eingedenk sein und bleiben und danach handeln!
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Carlo Schmid


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Die Fraktionen haben vereinbart, nach der Rede des Kollegen Dr. Mende eine Pause eintreten zu lassen und heute nachmittag um 14.30 Uhr fortzufahren. Als erster wird dann Herr Abgeordneter Schmücker das Wort erhalten.
    Ich unterbreche die Sitzung.

    (Unterbrechung von 12.52 bis 14.31 Uhr.)



Rede von Dr. Thomas Dehler
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Wir fahren in der Sitzung fort. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Schmücker.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Kurt Schmücker


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! So will es ja wohl die Übung dieses Hauses, daß man seine Ausführugen mit ein paar Vorbemerkungen beginnt. Vielleicht dienen sie auch dazu, es denjenigen, die noch kommen wollen, zu ermöglichen, bei der Debatte, dann, wenn es um das Sachliche geht, dabei zu sein. Die erste Vorbemerkung ist dann meist eine Zensur des Vorredners. Ich versage es mir, in dieses Spiel einzusteigen; denn ich weiß ja nicht, ob mir mein Referat gelingt. Im Bundestag ist es ja nicht anders als in den Versammlungen: Das, was man sachlich zu sagen hat, wissen die Leute sowieso, und es kommt nur darauf an, wie man es sagt. Das gelingt einem nicht jedesmal in gleicher Weise.



    Schmücker
    Die zweite Bemerkung, die ich machen wollte: Leider ist der Herr Bundeskanzler noch nicht da; ich kann es ihm ja nachher erzählen. Er war so humorvoll, seinen Ausführungen selbst ein Prädikat zu geben, und Herr Kollege Ollenhauer sagte dann, der Herr Bundeskanzler habe möglicherweise mit Absicht so geredet. Ich bin dieser Auffassung nicht. Herr Bundeskanzler — ich glaube, wir können es uns auch gegenseitig sagen —, ich habe den Eindruck, daß wir der inneren Politik nicht immer den Rang zukommen lassen, den sie verdient, daß wir doch hin und wieder unter einer gewissen Überbetonung der Außenpolitik leiden.
    Meine Damen und Herren, ich weiß sehr wohl, daß in keinem Bereich der Politik die Aufgabenstellung, und zwar die umfassende Aufgabenstellung, so deutlich wird wie in der Gestaltung der auswärtigen Beziehungen. Aber liegt nicht in der Anerkennung dieses Vorrangs, dieses Primats der Außenpolitik auch eine gewisse Gefahr, daß man eben zu leicht geneigt wird, die übrigen Probleme zu unterschätzen?
    Wir haben es heute morgen auch wieder erlebt, daß jeder sofort und selbstverständlich im Grundsatz bereit ist, beispielsweise die Unteilbarkeit von nationaler und persönlicher Freiheit, die Unteilbarkeit von sozialer, wirtschaftlicher und militärischer Sicherheit anzuerkennen; aber wenn es dann um die Realisierung geht, sieht das Bild leider recht oft anders aus.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

    Es ist fraglos ein großer Gewinn, daß wir in diesem Bundestag nicht mehr wie in den ersten zehn Jahren außen- und verteidigungspolitisch so unversöhnlich kontrovers diskutieren; aber ausreichend ist das nicht. Es genügt nicht, sich zur Wiedervereinigung, zu Berlin, zu einem verstärkten Verteidigungsbeitrag zu bekennen. Dieses Bekenntnis wird erst glaubwürdig, wenn man bereit ist, wirtschafts-, finanz-
    und sozialpolitisch, eben im gesamten politischen Bereich, die Konsequenzen zu ziehen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Wer dazu nicht bereit ist, meine Damen und Herren, dessen Worte sind hohl.
    Nun bin ich keineswegs der Meinung, daß die Abzweigung wirtschaftlichen Potentials für unsere nationalen Aufgaben, für die Verteidigung oder für die Entwicklungshilfe oder auch für die Überwindung der Übergangsschwierigkeiten in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft eine selbstlose Opferleistung der deutschen Wirtschaft darstellen würde. Das ist nichts anderes als die Sache einer vernünftigen Gegenseitigkeit. Ohne eine gute Politik im Inneren wie im Äußeren kann auch idle Wirtschaft nicht gedeihen, und ohne eine starke Wirtschaftskraft kann die Politik ihre besten Ideen nicht verwirklichen. Und sprechen wir es offen 'aus: Um die Verwirklichung dieser ganz einfachen Wahrheit — sicher ist das ein Gemeinplatz; aber man kann nicht ganz darauf verzichten, hin und wieder darauf hinzuweisen — ist es in 'der Bundesrepublik noch nicht zubest bestellt. Wir alle, das ganze deutsche
    Volk, seine Parlamente und Regierungen von den Kommunen über die Länder bis zu uns, haben das rechte Maß für diese Politik noch nicht gefunden.
    In seiner Regierungserklärung hat der Herr Bundeskanzler gesagt, daß er angesichts des in der nächsten Woche zu erstattenden Wirtschaftsberichts keine längeren Ausführungen zur wirtschaftspolitischen Lage machen wolle. Meine Freunde von der CDU/CSU-Fraktion sind damit einverstanden, daß wir die Fragen der engeren Wirtschaftspolitik bei Vorlage des Berichts behandeln. Das gilt auch für die Agrarpolitik, die eine Spezialdebatte im Zusammenhang mit dem Grünen Bericht erfordert.
    Aber das in der Regierungserklärung angeschnittene und von mir aufzugreifende Thema geht über den Rahmen einiger Ressorts hinaus. Ich möchte sogar behaupten, daß bei aller Anerkennung ihrer Wichtigkeit .die Fragen der Wirtschaftspolitik in engerem Sinn wie das Kartellrecht oder die Frage des Warentests oder sogar die Konzentrationsenquete nicht zur ersten Dringlichkeitsstufe gehören.
    Nun verstehen Sie mich bitte nicht falsch. Die genannten Dinge sind sehr wichtig, und es gibt gar keinen Grund, sie zu verzögern. Aber die lebensnotwendige Stärkung unserer Wirtschaft, ohne die wir unsere politischen Aufgaben nicht werden erfüllen können, ohne die auch die Wirtschaftskraft selber nicht wachsen kann, geht in Aufgaben hinein, die — ich sagte es schon — weit über die engen Bereiche einzelner Ressorts hinausreichen. Es geht hier im wesentlichen um folgende vier Punkte — auch ich möchte keine Rangordnung, wenn ich sie in folgender Reihenfolge aufzähle —: 1. die Gestaltung der öffentlichen Haushalte, 2. die Fortentwicklung unseres Steuer- und Finanzrechts, 3. unsere Sozialpolitik und 4. nicht zum geringsten die Tarifpolitik. Alle diese Fragen können nicht nur nach innerdeutschen Gesichtspunkten behandelt werden, sie müssen auch nach der Entwicklung in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und nach den Bedürfnissen, die sich aus der übrigen Außenwirtschaft ergeben, behandelt werden.
    Aber ich möchte noch einmal betonen: Es kommt mir hier nicht darauf an, eine Spezialdebatte zu entfesseln, sondern den Zusammenhang herzustellen mit der Tatsache, daß hohe Ausgaben befriedigt werden müssen, und der Tatsache, daß die Mittel dafür erarbeitet werden müssen. Ich glaube, wenn wir die Bereitschaft zu diesen Ausgaben nicht mit konkreten Vorschlägen stützen, sind wir auch in unseren Grundsatzerklärungen nicht ausreichend glaubwürdig.
    Zunächst also zur Gestaltung der öffentlichen Haushalte! Herr Kollege Ollenhauer hat uns davor gewarnt, dieses Problem immer wieder in den Vordergrund zu stellen. Aber, meine Herren von der SPD, die Summe der öffentlichen Haushalte hat 100 Milliarden überschritten. Daran erkennen wir, welche Bedeutung die öffentlichen Haushalte haben. Wenn ich einmal aus der anderen Kiste ein Wort herausnehmen darf, möchte ich sagen: Die öffentliche Hand sind die marktbeherrschenden Unternehmen schlechthin. Wenn Sie die Beziehung des Ein-



    Schmücker
    zelnen zu dieser Summe bei 25 Millionen Beschäftigten nehmen, stellen Sie fest, daß auf den Kopf dieser Beschäftigten eine Leistung von 4000 DM entfällt. Wenn Sie die Lohnsumme des Haushalts der öffentlichen Hand einschließlich Post und Bahn nehmen, dann macht sie über ein Fünftel der Gesamtlohnsumme aus.
    Daß diese gewaltige Macht am Markt das Marktgeschehen sehr stark beeinflußt, kann doch niemand bestreiten. Daß wir, die wir einen Teil kontrollieren, genauso wie die Parlamente von Ländern und Gemeinden dazu verpflichtet sind, gerade die Haushalte auf das öffentliche Wohl auszurichten, daran kann doch wohl kein Zweifel bestehen. Nun haben wir es aber mit einer ganz merkwürdigen Erscheinung zu tun. Wenn eine einzelne Person zum eigenen Vorteil etwas Geschäftliches tut, dann kommen noch gewisse Bedenken, dann sind noch sehr viele Skrupel vorhanden, sich über Gebote und Gesetze hinwegzusetzen. Aber in dem Augenblick, wo der einzelne für eine größere Gemeinschaft handelt, sind diese Skrupel viel geringer. Es kommt darauf an, daß wir mit gutem Beispiel vorangehen — das will ich gar nicht bestreiten; ich will es sogar unterstreichen — und verlangen, daß die öffentliche Hand sich auf allen ihren Ebenen den Möglichkeiten des Marktes anpaßt, daß man mit größerem wirtschaftlichem Verständnis an die Dinge herangeht.
    Nun werden Sie dazu sagen: Was hat 'das mit deinem Thema zu tun? Nun, ich meine, sehr viel; denn die Kostenverteuerungen — ein anderes Wort für die nicht ausgenutzte Wirtschaftskraft — rühren
    ja zum großen Teil daher, daß in geradezu unsinniger Weise teilweise die Kapazitäten am Markt überfordert werden. Was nützt es zum Beispiel, wenn die Bundesregierung Bundesmittel zögerlich herausgibt, um einen langsameren Ablauf zu erreichen und die bedachten Stellen dieses Unternehmen durch Zwischenfinanzierungen wieder auffangen!

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

    Oder was nützt es, wenn wir festlegen, daß Verwaltungsbauten nicht oder nur in beschränktem Ausmaß errichtet werden sollen, und sehr schlaue Ausleger dieses Gesetzes dann feststellen, daß beispielsweise ein Katasteramt ein Kartenhaus und kein Verwaltungshaus ist! Man baut darauf los und verfälscht so die Begriffe.
    Meine Damen und Herren, ich sage noch einmal, daß wir mit gutem Beispiel vorangehen müssen. Alle die Kritik, die von Ihrer Seite gekommen ist, daß der vorgelegte Bundeshaushalt geradezu ein klassisches Beispiel dafür sei, wie man nicht vorgehen dürfe, trifft nicht den Kern. Ich möchte einmal wissen, wie Sie reagiert hätten, wenn wir in diesem Bundeshaushalt bereits Beträge für Gesetze eingestellt hätten, die noch gar nicht beschlossen sind.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

    Es ist 'doch eine alte Sache, daß so etwas nicht geht. Andererseits war die tage, als das Stabilisierungsprogramm verkündet wurde, völlig anders als heute. Inzwischen ist doch etwas geschehen.
    Meine Damen und Herren, wie sähe es wohl aus, wenn wir im Herbst die Nominallösung gemacht hätten und alles heute noch zusätzlich verkraften müßten! Wir sollten aber nach den Verhältnissen des heutigen Tages diskutieren und nicht in vergangenen Dingen, die heute nur noch historische Bedeutung haben, herumkramen.
    Wenn wir eine antizyklische Haushaltspolitik auf allen Ebenen unter dem guten Beispiel des Bundes verlangen, dann wissen wir sehr wohl, daß die Bundesregierung keine ausreichenden Vollmachten hat, um eine solche Politik durchzusetzen. Einesteils bin ich sogar froh, daß sie diese Vollmachten nicht hat; denn wenn es zu schwierig wird, weicht man ja allzu leicht und allzu gern in dirigistische Maßnahmen aus. Es ist besser, daß wir versuchen, uns gegenseitig zu überzeugen, und daß wir als politische Parteien, die nicht nur in Bonn, sondern auch in den Ländern und Gemeinden vertreten sind, jeweils eine einheitliche Linie vertreten. Als wir in Niedersachsen einen sehr interessanten Streit mit den Rathausparteien hatten, haben wir von unserer Seite immer wieder darauf hingewiesen, daß es doch gerade der Sinn der politischen Parteien im kommunalen Bereich sei, die politischen Vorstellungen von der obersten Ebene bis zur kommunalen einheitlich zu verwirklichen, damit sich keiner aus der Gesamtverpflichtung herauslösen könnte. So, meine ich, sind wir bei dieser Frage als politische Parteien insgesamt angesprochen, ob es uns gegen den verständlichen Egoismus des Bundes, der Länder und der Gemeinden gelingt, diesen Zusammenhalt in der Haushaltspolitik herzustellen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Ganz richtig!)

    Ich wäre sehr begierig, von der Sozialdemokratie zu hören, wie sie dazu steht. Herr Kollege Deist, Sie sind ja im Januar äußerst aktiv und produktiv gewesen,

    (Abg. Dr. Deist: Ich bemühe mich!)

    und ich habe, wo ich es zu Gesicht bekam, alles gelesen, um festzustellen, in welchem Grade der Annäherung wir uns befinden und welche neuen Liebeserklärungen Sie sogar einigen großwirtschaftlichen Verbänden gewidmet haben. Ich glaube Ihnen durchaus, daß wir hier weitgehend einer Meinung sind; aber ich habe auch einige andere Zitate aus Ihren Reihen vorliegen, aus denen hervorgeht, daß man gar nicht der Auffassung ist, daß wir hier zu einer einheitlichen Gestaltung des öffentlichen Haushalts kommen sollten. Auf unsere Bitten hin, hier etwas zu tun, wird uns dann entgegengehalten — Herr Möller, das waren Sie —, der Bund solle lieber zwei Milliarden an die Länder und Gemeinden geben, als zwei Milliarden von ihnen zu verlangen.

    (Abg. Dr. Möller: Das habe ich nie gesagt!)

    Und Herr von Knoeringen sagte im Herbst vor den Kommunalpolitikern der SPD — so habe ich es schriftlich vorliegen; wenn es nicht stimmte, wäre ich froh. Ich habe nicht vor, Zitate vorzulesen und hinter Zitaten etwas zu verstecken. Es kommt mir darauf an, von Ihnen zu hören, ob Sie mit uns der Auffassung sind, daß wir die Gestaltung der öffent-



    Schmücker
    lichen Haushalte im Sinne einer antizyklischen Politik gemeinsam durchführen müssen, und ob Sie bereit sind, die Konsequenzen aus dieser Notwendigkeit zu ziehen. Die Konsequenzen aus dieser Notwendigkeit sind fraglos die, daß wir uns verstärkt Sorgen und Gedanken-um die Umgestaltung unseres Steuer- und Finanzrechts machen müssen. Ich weiß — und ich schließe mich der Kritik voll und ganz an —, daß die Kommission schon längst hätte tätig werden können. Aber was soll andererseits eine solche Kommission machen, wenn sie politisch im luftleeren Raum schwebt und gar nicht weiß, welche Beschlüsse eventuell von den Parteien überhaupt honoriert werden! Es muß doch von den Parteien auch gesagt werden, wozu sie bereit sind.
    Wir haben auf dem Dortmunder Parteitag der CDU ausdrücklich festgestellt, daß für uns die Finanzverfassungsreform eines der wichtigsten Anliegen ist. Solange wir aber nicht die allgemeine Zustimmung dazu haben, also die notwendige Mehrheit dazu nicht haben, schwebt doch eine Kommission im luftleeren Raum. Sie können also diese Arbeit, die trotzdem hätte angelaufen sein können, jetzt ganz wesentlich dadurch erleichtern, daß Sie sich zu diesem Prinzip bekennen.
    Ich möchte zur Begründung der Notwendigkeit dieser Reform noch ein paar weitere Hinweise geben, und ich darf zwischendurch bemerken, daß ich hier keine Spezialdebatte entfesseln und mich auch gar nicht zu Einzelfragen dieses Themas äußern will. Ich möchte vielmehr den Zusammenhang herstellen zwischen der allgemeinen inneren Politik
    und den notwendigen Mehrausgaben. Ich möchte also dazu sprechen, wie es uns gelingen kann, die Wirtschaftskraft so zu fördern und zu stärken, daß wir in der Lage sein werden, diese Mehrausgaben zu leisten. Jede wettbewerbliche Ungleichheit, jede strukturelle Verschiebung, ja — ich möchte sagen — jede strukturelle ungesunde Entwicklung bedeutet immer gleichzeitig eine Kostenverteuerung und eine Verringerung des wirtschaftlichen Gesamtertrags.
    Sehen Sie sich beispielsweise die Verhältnisse in den Kommunen an, dann stellen Sie fest, daß an der Spitze die beiden Autostädte Rüsselsheim und Wolfsburg stehen. Rüsselsheim hegt bei 1153 pro Kopf der Bevölkerung, Wolfsburg bei 805, und die Landgemeinden — die Landkreise eingerechnet krebsen so bei 50 bis 80 herum. Dabei weiß jeder von uns, daß die wesentliche Steuerquelle, die Gewerbesteuer, an sich nur in den Gemeinden anfällt, aber nicht von den Bürgern der Gemeinden gezahlt wird. Das wird von der breiten Konsumentenschicht im Bund gemacht. Dadurch entstehen doch Strukturverschlechterungen — ich sage noch einmal —, die Kostenverteuerungen großen Ausmaßes bedeuten. Wir müssen diese Dinge bereinigen.
    Unsere Großstädte, in denen man nicht teurer oder billiger lebt als auf dem Lande, werden ja praktisch von der Gesamtheit eben über diese Gewerbesteuer finanziert. Ich habe nichts dagegen. Aber wenn Sie sich das Ausmaß ansehen und beispielsweise feststellen, daß eine Stadt wie Dortmund ein Steueraufkommen hat, das nur halb so groß ist wie das von Stuttgart, und sich dann die
    Städte ansehen, fragen Sie sich: Mit welchem Recht eigentlich? Wenn Sie sich die Liste der 20 steuerstärksten Kommunen in Deutschland ansehen, so stellen Sie fest, daß darunter erstaunlicherweise abgesehen von einer Stadt, die aber atypisch ist, keine Stadt aus dem Ruhrgebiet ist.
    Meine Damen und Herren, Nordrhein-Westfalen hat das stärkste Steueraufkommen auf dem Kommunalsektor, ich glaube, im Schnitt 155 DM pro Kopf der Bevölkerung. Unter den Spitzenstädten ist Nordrhein-Westfalen jedoch kaum zu finden. Sehen wir uns einmal speziell das Ruhrgebiet an. Ich verstehe es — die Bundesregierung hat es ja auch angeschnittten —, daß es im Interesse des Ruhrgebietes notwendig ist, die Frage der Energieplanung zu lösen. Aber was wird hier deutlich? Das Ruhrgebiet steht mit fast allen seinen Städten am unteren Ende, unter dem Durchschnitt des kommunalen Steueraufkommens. Hier findet also eine Strukturwandlung statt, die aus dem Bereich selbst getragen wird, während in anderen Bereichen überhaupt keine nennenswerte Eigenleistung erbracht wird. So ist es vielleicht zu verstehen, daß das RheinMain-Becken in den letzten zehn Jahren eine Verzwölffachung der Wirtschaftskraft erfahren hat, während das Ruhrgebiet im Vergleich damit stagniert.
    Meine Damen und Herren, ich würde viel lieber als Provinzler die Beispiele der Strukturwandlung aus den Landgemeinden als Folgen der agrarwirtschaftlichen Verhältnisse bringen. Aber dann würde man vielleicht sagen: Du vertrittst hier eine Interessentenmeinung, eine Wahlkreisauffassung. Ich möchte lieber auf dieses Beispiel des Ruhrgebiets hinweisen, um darzutun, wie bitter notwendig es ist, eine Änderung im Interesse der Stärkung der Wirtschaftskraft herbeizuführen. Damit wir alle in die Lage versetzt werden, die Mehrausgaben, die wir leisten müssen, auch ohne Minderung unseres Lebensstandards zu leisten, kommen wir um erhebliche Reformen nicht herum.
    Ich darf in diesem Zusammenhang ein Wort aus der Regierungserklärung aufgreifen, Herr Bundeskanzler, das Sie zur Raumordnung gesagt haben. Ich bin sehr für diese Raumordnung. Aber ich warne davor, daß man eine Raumordnung mit administrativen Maßnahmen beginnt, wenn man nicht die Grundlagen der Finanzwirtschaft geordnet hat.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Das nützt uns doch nichts, daß wir — ich darf hier auf das Beispiel des Hannoverschen Gesetzes hinweisen — einen Großraum schaffen, der eine Überkommune darstellt, und in der Finanzwirtschaft noch keine gesunden Verhältnisse haben.

    (Zustimmung in der Mitte und bei der SPD.)

    Die beste Raumordnung, die beste Strukturpolitik ist eine Änderung der Finanzverfassung im Sinne einer möglichst gleichmäßigen Beteiligung am Steueraufkommen.

    (Abg. Dr. Deist: Wem sagen Sie das eigentlich?)




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    — Herr Dr. Deist, ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie nachher hierherkämen und die Bereitschaft Ihrer Partei zur Durchführung all dieser Maßnahmen erklärten. Dann hätten wir es nicht mehr nötig — wir haben sowieso nicht so gute Leute in der Dokumentation wie Sie —, das Material all der anderen zu sammeln, die sich immer leidenschaftlich dagegen äußern.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Meine Damen und Herren, ich möchte, auch ohne in eine Sachdebatte einzusteigen, das zweite Steuerproblem, das Problem der Umsatzsteuer, ansprechen. Hier sind die Dinge ja durch die Brüsseler Direktive Gott sei Dank — ich sage das auch mit einem gewissen Vorwurf — jetzt in Gang gekommen. Aber was hat sich bei den Beratungen zumindest in unserer Fraktion herausgestellt? Daß die Harmonisierung dieser Steuersätze allein gar nicht genügt, daß man das Verhältnis der direkten zu den indirekten Steuern im EWG-Raum betrachten muß. Dabei stellen wir fest, daß wir in Deutschland — und allein auf Deutschland bezogen halte ich diese Zahl für sehr gesund — einen Anteil der direkten Steuern von etwa 56,5% haben. Ich habe die Zahlen dem Finanzbericht 1963 Seite 64 entnommen. Frankreich liegt bei 43%, Italien bei 36%.
    Was geht daraus hervor? Daß alle Pläne, die auf der Annahme beruhen, man könne noch ein bißchen auf unsere Ertragsteuern aufstocken, uns wirtschaftlich in die größten Schwierigkeiten bringen. Denn wenn wir beim grenzüberschreitenden Verkehr für die indirekten Steuern eine Abgleichung vornehmen, dann bleibt doch immer noch diese Differenz der direkten Belastungen. Diese Differenz ist so erheblich, daß es unserer deutschen Wirtschaft schwerfallen wird, sich zu behaupten.
    Aber im wesentlichen mache ich diesen Hinweis, damit die Länder einmal die Konsequenzen bedenken möchten. Wenn nämlich unsere Wirtschaft nicht floriert, dann werden auch sie nicht das Steueraufkommen haben, da sie ja im Steueraufkommen im wesentlichen vom Ertrag abhängen.
    Wenn man die internationalen Vergleiche zieht, dann sieht das Spiel beim Kampf um die Quote Bund : Länder etwas anders aus. Vielleicht stehen wir sogar vor der Notwendigkeit, die Aufteilung der Steuerquellen auch im Hinblick auf die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft völlig neu zu überdenken. Damit möchte ich ein paar Bemerkungen zur Einkommen-, Körperschaft- und Lohnsteuer machen. Ich sagte schon, daß es eine fast naive Überlegung ist, nun einfach aufzustocken, sowohl auf den Plafond wie insgesamt mit einer Ergänzungsabgabe aufzustocken. Das sage ich ausdrücklich.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

    Eine Aufstockung ist nur möglich, wenn wir eine weitere Bereinigung der noch im Tarif enthaltenen Ungerechtigkeiten durchführen. Aber es wäre auch naiv, den Plafond zu erhöhen. Siehe England und die Vereinigten Staaten. Dort hat man das ja auch versucht und hat davon später Abstand genommen.
    Nun möchte ich hier ganz kurz ein Thema anreißen, Herr Dr. Deist, das bei Ihnen — seit der
    Herbstrede — immer wieder auftaucht. Wenn ich Sie recht verstanden habe, sind Sie der Meinung, daß es durch die Art der deutschen Steuergesetzgebung, vor allen Dingen durch die degressive Abschreibung, zu einer Überinvestition gekommen ist, die letzten Endes nicht rationalisierend wirkt, sondern kostenverteuernd. Ich gebe Ihnen recht, daß das für viele Bereiche der Fall ist, z. B. für den Bereich, aus dem ich selber komme. Man kann in diesem Bereich gar nicht rationalisieren, ohne gleichzeitig zu expandieren. Wir sollten Ihnen dankbar dafür sein, daß Sie diesen Hinweis gegeben haben. Ich möchte doch davor warnen — Sie haben sicher selbst gar nicht die Absicht gehabt, aber so ist es aufgenommen worden —, daß man diese Behauptung generalisiert.

    (Zuruf.)

    — Ich sage es aus einem anderen Grund, nicht aus einem polemischen Grund. Die Behauptung trifft nur einen bestimmten Bereich der deutschen Wirtschaft. Durch diesen Hinweis wird aber etwas anderes deutlich: daß bei der Begünstigung oder vielleicht nur bei der gerechten Behandlung — das können Sie auslegen, wie Sie wollen — der Investitionen im Gegensatz dazu der Barmittelbedarf der deutschen Wirtschaft zu kurz kommt. Der Barmittelbedarf, der liquide Bedarf ist eigentlich nur ein anderes Wort für die Lagerhaltung. Wir spüren das gerade in diesen Wochen, in diesem Winter, daß sowohl nach dem Prinzip der Marktwirtschaft als auch nach unserer Steuergesetzgebung die Lagerhaltung zu kurz kommt. Das führt weiterhin zu einer Verschärfung des Konjunkturablaufs, und die mangelhafte Lagerhaltung — damit bin ich wieder bei dem roten Faden — muß kostenverteuernd wirken.
    Wir müssen uns also überlegen, wie wir diese Benachteiligung der deutschen Wirtschaft gegenüber der Wirtschaft im Ausland beseitigen können. Wir müssen uns das auch deswegen überlegen, weil wir darauf angewiesen sind, einen noch höheren Effekt aus der deutschen Wirtschaft herauszuholen, um unsere gewachsenen Aufgaben bestreiten zu können. Gleichzeitig wird aber, glaube ich, mit diesem Problem der Kern des sogenannten Mittelstandsproblems angesprochen. Denn das eigentliche Problem im Mittelstand ist doch, wie man den sehr gestiegenen Kapitalbedarf befriedigen kann.
    Wenn wir also über solche Fragen künftig diskutieren, dann bitten wir darum, daß wir uns im Interesse der Steigerung der deutschen Wirtschaftskraft — und zwar für alle Aufgaben, für die sozialen, die kulturellen wie für die militärpolitischen — überlegen, wie wir die Steuergesetzgebung im Hinblick auf diese Notwendigkeiten verbessern können.
    Meine Damen und Herren, ich nannte drittens ,als maßgebend für die wirtschaftliche Entwicklung unsere Sozialgesetzgebung. Befürchten Sie nun nicht, daß ich hier in eine Spezialdebatte einsteige. Außerdem beherrsche ich die Terminologie gar nicht ausreichend, um das zu können. Aber so viel darf man ja wohl feststellen, daß die Art der Sozialgesetzgebung heute völlig anders ist als früher; es ist keine Fürsorgegesetzgebung mehr, sondern schon



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    mehr eine Versorgungsgesetzgebung. Hoffentlich habe ich den richtigen Ausdruck gebraucht; aber ich denke, Sie wissen, was ich meine. Wir wollen nicht darüber jammern. All dieses Gerede über den Wohlfahrtsstaat: Gott, es gehört ja wohl dazu. Aber es gehört auch ein Sicherheitsbedürfnis dazu. Wir müssen verstärkt darauf Bedacht nehmen, daß man die Sozialgesetzgebung leistungsbejahend gestaltet, daß heißt die Eigenverantwortung stärkt, und das heißt, Kasten sparen für die Gesamtheit.

    (Beifall in der Mitte.)

    Wir haben ja die Gesetze vorliegen, und ich erkläre ausdrücklich im Auftrage meiner Fraktion, daß wir nach wie vor an der geschlossenen Verabschiedung dieser Gesetze festhalten.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Meine Damen und Herren, wir sagen es gar nicht als Klage, sondern wir sagen es mit Stolz, daß wir in den Sozialleistungen in Deutschland an der Spitze innerhalb der EWG marschieren. Wir sagen das mit Stolz, und wir möchten diese Leistungen aufrechterhalten. Wir weisen aber darauf hin, daß wir diese Leistungen nur aufrechterhalten können, sie nur geben können, wenn sie vorher genommen worden sind.

    (Beifall in der Mitte.)

    Dieser Zusammenhang muß immer wieder herausgestellt werden, schon um das rechte Maß zu finden.
    Ich habe vorhin gesagt, wir stehen an der Spitze.
    Wenn man nun die einzelnen Gruppen untersucht, stellen wir — und hier sage ich, leider — fest, daß wir in der Familienpolitik nachhinken. Daraus ergibt sich doch eigentlich nur, wenn wir das Bestehende erhalten wollen, 'daß wir dann, wenn wir Weiteres tun, zunächst einmal familienpolitisch vorgehen müssen.

    (Beifall in der Mitte.)

    Wir 'wollen mehr leisten. Dann aber sollten wir den Sektor zuerst nehmen, der am schlechtesten dran ist. Dazu gehört aber nicht nur das Fordern, sondern auch das Verzichten; denn erst dann ist es wahrhaftig.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Ich möchte als letzten Punkt kurz die Tarifpolitik ansprechen. Jeder betont, er sei für die Autonomie der Tarifpartner. Man stelle sich doch bloß einmal vor, wir hätten im Bundestag diese Zuständigkeit auch noch. Nun, vielleicht wird es dann wieder etwas interessanter; aber seien wir doch heilfroh, daß wir keine unmittelbare Einwirkung haben. Das entbindet uns aber nicht von der Pflicht, die Tarifpartner darauf hinzuweisen, in welcher Situation wir uns befinden. Wirtschaftsbericht hin und her; ich halte sehr viel davon. Aber auch ohne daß. der Bericht da ist, wissen 'wir, daß wir maßhalten müssen. Wir hören mit einiger Sorge die Forderungen, die 'aufgestellt worden sind. Daß man in der Frage der Lohnhöhe beweglich bleiben muß, ist selbstverständlich. Wenn die Tarifpartner es nicht sind, dann sorgt der Markt schon dafür, daß die Sache im Spiel bleibt. Aber für eines haben wir — das darf ich für meine ganze Fraktion sagen — gar kein
    Verständnis, daß wir angesichts der heutigen Situation auf dem Arbeitsmarkt noch Forderungen vorgesetzt bekommen, die Arbeitszeit über das durchschnittliche Maß hinaus zu verkürzen. Meine Damen und Herren, diese Forderungen sind ja nicht echt; denn die Verkürzung findet ja gar nicht statt.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Entweder leisten diejenigen, die die verkürzte Zeit bekommen haben, Überstunden — na, das 'geht noch —, oder sie leisten Schwarzarbeit. Auf jeden Fall halten wir eine weitere Verkürzung der Arbeitszeit, abgesehen von den Bereichen, die noch nicht im Mittel liegen, für nicht vertretbar. Wenn hier soviel von sozialer Gesinnung geredet wird, bitte ich, auch einmal 'an diejenigen zudenken, die heute noch 60 und mehr Stunden arbeiten müssen. Dann sollten wir uns zunächst einmal um diese kümmern. Wenn man nicht weiß, wer das ist, empfehle ich, einmal aufs Land und in die Bauernhöfe zu gehen und nachzusehen, was die Hausfrauen arbeiten müssen, und auch einmal anzusehen, wieviel Selbständige, die nicht über eine Versorgung verfügen, heute noch zu schuften haben.
    Meine Damen und Herren, 'darüber hinaus meinen wir, sollten wir gerade zur Auflockerung des Arbeitsmarktes — und ich setze hinzu: zur Stärkung unserer Wirtschaftskraft, damit wir unsere gewachsenen Aufgaben erfüllen können — uns Gedanken darüber machen, wie man immer mehr — seien Sie nicht erschrocken — Selbständige in die Arbeit bis in den öffentlichen Bereich einordnen kann; denn der große Unterschied zwischen einem Beschäftigten mit festgesetzter Arbeit und einem Selbständigen ist doch der, daß der Selbständige sich dem Arbeitsanfall anpassen muß und das auch gerne tut, während der andere aus der Organisation der Behörde oder des Betriebes heraus das gar nicht kann.
    Meine Damen und Herren, ich habe versucht, in hoffentlich nicht zu langen Ausführungen über den engeren Rahmen der Wirtschaftspolitik hinaus die Probleme anzusprechen, die wir meinen jetzt lösen zu müssen, damit wir unsere Wirtschaft intakt halten und sie stärken und damit wir im politischen Raum unsere sozialen, unsere kulturellen, unsere verteidigungspolitischen, kurzum unsere politischen Aufgaben erfüllen können.
    Wir sollten diese Überlegungen auch im Hinblick auf den wachsenden — ich sage das bewußt: den wachsenden — Raum der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft anstellen; denn, meine Damen und Herren, so ist es ja nicht, daß man einfach sagen kann: Noch ein paar dazu! Wir müssen uns ja auch im Wettbewerb gegenüber der Wirtschaft 'in diesen Ländern behaupten.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

    Ich las mit großer Freude, 'daß man beispielsweise in Österreich — man hatte dort unsere Finanzverfassung — eine Finanzverfassungsreform bereits durchgeführt hat im Hinblick auf den späteren Anschluß an die EWG, 'während wir — wie war das heute morgen noch? — auf Grund unseres Grundgesetzes noch nicht zu einer 'derartigen Finanzver-



    Schmücker
    fassungsreform gekommen sind. Die Franzosen sollen schuld daran sein? Nun, mögen sie schuld daran sein, daß wir diese Einteilung haben. Wir haben es doch selbst als Deutsche in der Hand, diese Dinge nun im Rahmen der Buchstaben und des Geistes des Grundgesetzes so auslegen, so zu gestalten, daß das Gesamte einen Vorteil hat.
    Herr Bundeskanzler, es hat geheißen, Ihre Regierungserklärung sei langweilig gewesen. Möglich, daß derjenige, der nur die Worte hörte, das als langweilig empfunden hat. Aber ich glaube, es sind eine Fülle interessanter und lebenswichtiger Probleme, wenn auch nur stichwortartig, angesprochen worden. Es kommt nun für jeden von uns darauf an, die direkte Verbindung von der Alltagsarbeit bis zur hohen Politik zu sehen und von diesen Zusammenhängen durchdrungen zu sein. Wir verkennen und verschweigen gar nicht die Schwierigkeiten, welche die Regierung im ersten Jahr gehabt hat. Aber ich nehme das Wort des Kollegen Mende auf und sage: Wer diese Schwierigkeiten überwunden hat, überwindet auch den Tadel, den er bis dahin vielleicht verdiente.
    Ich darf in abschließender Zusammenfassung noch einmal feststellen: jede soziale Maßnahme, überhaupt jede fortschrittliche Leistung, gleich welcher Art, jede Verteidigungsanstrengung ist nur möglich, wenn wir die wirtschaftlichen Voraussetzungen dafür schaffen. Wer sich zur Stärkung der inneren und äußeren Sicherheit bekennt, muß immer dazu sagen, welches Geld — und das heißt letzten Endes, welche Arbeit — notwendig ist und was er vom deutschen Volke verlangen muß, um diese Leistungen zu erbringen. Wer es unterläßt, dies zu tun, der kann seine Ideale so leidenschaftlich vortragen, wie es ihm die Schule erlaubt, letzten Endes redet er hohl und unwahrhaftig, oder — um ein Schlagwort der letzten Tage zu gebrauchen — er stellt sich selber ins Zwielicht.
    Meine Damen und Herren, die Fraktion der CDU/ CSU ist bereit, alle, auch die im einzelnen unpopulären Maßnahmen zu unterstützen, um das Gesamtziel unserer Politik zu realisieren. Sie fordert die Bundesregierung auf, die Arbeit in diesem Sinne vérstärkt und auch beschleunigt fortzusetzen. Wir bitten die Opposition, die sich erfreulicherweise in vielen Punkten der Außen- und Verteidigungspolitik nach Jahren harten Widerstandes unseren Auffassungen genähert hat, nun auch die innerpolitischen Konsequenzen zu ziehen, also nicht nur die großen Ziele anzuerkennen, sondern auch den Weg dahin im Alltag mitzugehen oder aber ihrerseits andere Vorschläge zu machen. Niemand darf unserem Volk verschweigen, daß wir große Anstrengungen zu machen haben, wenn wir gleichzeitig unseren Lebens standard aufrechterhalten und unsere Verteidigung kräftigen wollen. Wir können das letztlich nur durch Arbeit und durch die Bereitschaft zu persönlicher Verantwortung. Wir sind überzeugt, daß diese Bereitschaft in unserem Volk besteht. Sorgen wir in Politik und Verwaltung in Bund, Ländern und Gemeinden dafür, daß — ausgerichtet auf das Ganze die Grundlagen richtig gelegt werden.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)