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ID0405605600

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    Deutscher Bundestag 56. Sitzung Bonn, den 24. Januar 1963 Inhalt: Entwurf eines Gesetzes zur Ergänzung des Grundgesetzes (Drucksache IV/891) — Erste Beratung — Höcherl, Bundesminister . 2477 A, 2526 D Hoogen (CDU/CSU) . . . . . . 2491 C Dr. Schäfer (SPD) . . . . . . . 2495 D Dorn (FDP) . . . . . . . . . 2504 C Leber (SPD) . . . . . . . . 2507 A Sänger (SPD) 2516 B Dr. h. c. Güde (CDU/CSU) . . . 2523 D Entwurf eines Gesetzes über den Zivildienst im Verteidigungsfall (Zivildienstgesetz) (Drucksache 1V/450) — Erste Beratung —; in Verbindung mit .dem Entwurf eines Gesetzes zur Ergänzung des Gesetzes über den Bundesgrenzschutz und die Einrichtung von Bundesgrenzschutzbehörden (Drucksache IV/343) — Erste Beratung —; dem Entwurf eines Gesetzes zur Regelung des Aufenthalts .der Zivilbevölkerung im Verteidigungsfall (Aufenthaltsregelungsgesetz) (Drucksache IV/895) — Erste Beratung —; dem Entwurf eines Gesetzes über bauliche Maßnahmen zum Schutz der Zivilbevölkerung (Schutzbaugesetz) (Drucksache IV/ 896) — Erste Beratung —; und dem Entwurf eines Gesetzes über den Selbstschutz der Zivilbevölkerung (Selbstschutzgesetz) (Drucksache IV/897) — Erste Beratung — Schmitt-Vockenhausen (SPD) . . . 2533 C Lünenstraß (SPD) . . . . . . . 2537 B Dr. Even (Düsseldorf) (CDU/CSU) 2539 C Frau Dr. Flitz (Wilhelmshaven) (FDP) 2541 D Busse (FDP) . . . . . . . . 2544 D Frau Renger (SPD) 2546 B Hansing (SPD) 2548 D Dr. Kempfler (CDU/CSU) 2550 D Hübner (CDU/CSU) 2551 D Entwurf eines Gesetzes über die Sicherstellung von Leistungen auf dem Gebiet der gewerblichen Wirtschaft sowie des Geld- und Kapitalverkehrs (Wirtschaftssicherstellungsgesetz) (Drucksache IV/ 892) — Erste Beratung —; in Verbindung mit dem Entwurf eines Gesetzes über die Sicherstellung der Versorgung mit Erzeugnissen der Ernährungs- und Landwirtschaft sowie der Forst- und Holzwirtschaft (Ernährungssicherstellungsgesetz) (Drucksache IV/893) — Erste Beratung —; und dem Entwurf eines Gesetzes zur Sicherstellung des Verkehrs (Verkehrssicherstellungsgesetz) (Drucksache IV/894) — Erste Beratung — Dr. Bieringer (CDU/CSU) . . . 2553 B Lange (Essen) (SPD) 2553 C Dr. Imle (FDP) 2555 D Lemmrich (CDU/CSU) 2556 C Überweisung der Gesetzentwürfe an Ausschüsse 2557 C Wahlen zum Europäischen Parlament und zur Beratenden Versammlung des Europarates 2557 D Nächste Sitzung 2558 C Anlage 2559 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 56. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. Januar 1963 2477 56. Sitzung Bonn, den 24. Januar 1963 Stenographischer Bericht Beginn: 9.02 Uhr.
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    Anlage Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete (r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Fran Albertz 24. 1. Arendt (Wattenscheid) 25.1. Dr. Arndt (Berlin) 24. 1. Dr. Atzenroth 25.1. Dr. Dr. h. c. Baade 25. 1. Bading 5.2. Bauknecht 25. 1. Fürst von Bismarck 25. 1. Dr. Bleiß 25.1. Dr. von Brentano 25. 1. Brese 25. 1. Deringer 24. 1. Dr. Dörinkel 4. 2. Drachsler 25. 1. Dr. Dr. h. c. Dresbach 28.2. Eisenmann 24. 1. Etzel 26. 1. Faller * 25. 1. Figgen 23. 2. Funk (Neuses am Sand) 16. 2. Gewandt 31. 1. Freiherr zu Guttenberg 25. 1. Haage (München) 25. 1. Hahn (Bielefeld) 25. 1. Hammersen 24.1. Harnischfeger 25. 1. Hauffe 28.2. Hellenbrock 26. 1. Holkenbrink 26. 1. Dr. Hoven 25. 1. Illerhaus 24. 1. Kahn-Ackermann 25. 1. Kalbitzer 25. 1. Dr. Kanka 24. 1. Katzer 31. 1. Keller 25. 1. Frau Kipp-Kaule 25. 1. Klinker 25. 1. Koenen (Lippstadt) 25.1. Dr. Kohut 25. 1. Kriedemann* 25. 1. Kühn (Köln) 2.2. Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordneter) beurlaubt bis einschließlich Lemmer 26. 1. Lenz (Bremerhaven) 25. 1. Lücker (München) * 25. 1. Mattick 25. 1. Mauk 25. 1. Frau Dr. Maxsein 25. 1. Dr. Menzel 25. 1. Dr. von Merkatz 4. 2. Dr. Miessner 31. 1. Missbach 25. 1. Dr. Morgenstern 25. 1. Müller (Berlin) 28. 2. Müller (Remscheid) 25. 1. Müller-Hermann 31. 1. Neubauer 17.2. Neumann (Berlin) 25. 1. Ollenhauer 25. 1. Dr.-Ing. Philipp 25. 1. Rademacher 31. 1. Ravens 25. 1. Dr. Reinhard 25. 1. Richarts 26. 1. Dr. Rutschke 31. 1. Sander 25. 1. Schmücker 24. 1. Schneider (Hamburg) 31. 1. Schröder (Osterode) 25. 1. Schütz 25. 1. Dr. Stammberger 3. 2. Dr. Starke 24. 1. Stein 24. 1. Frau Strobel * 25. 1. Struve 25. 1. Dr. Süsterhenn 25. 1. Urban 25. 1. Wacher 25. 1. Dr. Wahl 28. 2. Dr. Zimmer 26. 1. Zühlke 24. 1. b) Urlaubsanträge Dopatka 21.2. Werner 24. 2. *) Für die Teilnahme an Ausschußsitzungen des Europäischen Parlaments
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Erwin Lange


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Einige Bemerkungen zu dem Komplex dieser drei Gesetze — Wirtschaftssicherstellungsgesetz, Ernährungssicherstellungsgesetz und Verkehrssicherstellungsgesetz — erscheinen meinen Freunden notwendig.
    Herr Minister, Sie haben hier heute morgen einmal um Vertrauen geworben. Heute nachmittag haben Sie erklärt, daß mit Vertrauen allein die Welt nicht regiert werden könne. Ich frage also: Was soll man Ihnen glauben? Da, wo es sich darum handelt, Rechte der gesetzgebenden Körperschaft, die gleichzeitig auch seine Pflichten sind, an die Exekutive abzutreten, sollte man es mit dem Goethe-Wort halten: „Was man Schwarz auf Weiß besitzt, kann man getrost nach Hause tragen" und sich nicht ohne das zufriedengeben.

    (Abg. Dr. Imle: Soviel Schwarz gibt es doch gar nicht, Herr Lange!)

    — Wahrscheinlich. Ich hätte jedenfalls gewünscht, daß die Bundesregierung aus der Auseinandersetzung um das Wirtschaftsicherstellungsgesetz, auf das Kollege Bieringer hingewiesen hat und das bis zum 31. März dieses Jahres gültig ist, entsprechende Schlußfolgerungen gezogen hätte. Das hat die Bundesregierung nicht getan. Wenn man sich diese drei Gesetze ansieht, hat man den Eindruck, daß man für den Notstand wieder das ABC parlamentarischer Demokratie erlernen muß. Wir 'dürften nicht daran vorbeikommen, in den Ausschüssen klarzustellen, daß Sachverhalte, die dem Begriff des Notstands im Sinne der entsprechenden Verfassungsbestimmung nicht ohne weiteres unterzuordnen sind, in einem solchen Gesetz nicht mit geregelt werden können.



    Lange (Essen)

    Die drei Gesetzentwürfe, die hier zur Debatte stehen, gehen — Kollege Bieringer hat darauf hingewiesen — hinter das Wirtschaftssicherstellungsgesetz zurück, was die parlamentarische Kontrolle anbelangt. Wir legen keinen Wert darauf — und dazu hat heute morgen der Kollege Hoogen von der CDU/CSU einiges sehr Nützliche gesagt —, als Parlament die Flucht aus der Verantwortung anzutreten oder aber Chancen für Teile des Parlaments zu eröffnen, durch Delegation von Befugnissen an die Regierung die Flucht aus der Verantwortung antreten zu können. Auch die Kollegen von der CDU/CSU und der FDP sollten sich also sehr genau überlegen, ob angesichts eines so weitgreifenden, beinahe uneingeschränkten Ermächtigungskataloges die Sicherstellung der Versorgung der Bevölkerung mit Gütern und Leistungen überhaupt gewährleistet werden kann und wie das Parlament oder das Notstandsparlament die Kontrolle behalten kann.
    Der Herr 'Bundesinnenminister hat heute morgen gesagt, der gemeinsame Bezugspunkt dieser drei Gesetze sei der Verteidigungsfall; dafür müsse man vorsorgen und in diesem Zusammenhang müsse man auch Vorsorge für Versorgungskrisen treffen, die aus anderen Gründen entstehen könnten. Wir sind der Auffassung, daß für diese drei Gesetze demokratisch-parlamentarische Grundlagen sichergestellt sein müssen bzw. das Parlament eingeschaltet werden muß. Wir sollten uns auch in diesem Zusammenhang das alte Wirtschaftssicherungsgesetz zu Gemüte führen. Da ist nämlich das Parlament, der Bundestag mit verankert.
    Wir müssen weiter fordern, Herr Minister, daß in den drei Gesetzen die Versorgung der Bevölkerung durch entsprechende Bestimmungen wirksamer sichergestellt wird, als das in dem Ermächtigungskatalog der Fall ist.
    Wir legen weiter Wert darauf, daß der Fall der Versorgungskrisen, die nicht durch einen Spannungszustand oder durch den Verteidigungsfall entstehen, getrennt wird von dem Verteidigungsfall und dem Spannungszustand, d. h. daß der Fall der Versorgungskrisen unter ganz anderen Gesichtspunkten geordnet wird als der Fall der Versorgung der Bevölkerung und der Streitkräfte im Spannungszustand und im Verteidigungsfalle. Diese beiden Möglichkeiten, einzugreifen und die Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen, kann man nicht unter ein und denselben Bezugspunkt, nämlich den Verteidigungsfall, setzen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Ist ja auch nicht der Fall!)

    Deshalb sollte man eine säuberliche Scheidung und insoweit auch andere Voraussetzungen, andere oder klarere Begriffe und Begriffsbestimmungen im Gesetz finden.
    Wir sind also in der Tat der Meinung, daß hinsichtlich aller drei Gesetze der Fall der Versorgungskrise — § 2 der Gesetzentwürfe — Bestandteil der allgemeinen Ordnung der Wirtschaft ist, wobei die Versorgungskrise nicht aus Gründen resultiert, die aus der Ordnung der Wirtschaft kommen,
    sondern aus Gründen, welche außerhalb — sprich: Weltmarkt oder Naturkatastrophen — liegen. Deshalb also muß für den Fall der Versorgungskrisen in den drei Gesetzen eine andersgeartete Regelung erfolgen. Sie kann sich noch stärker ausgebaut an das ursprüngliche Wirtschaftssicherstellungsgesetz anlehnen der es mindestens zum Vorbild nehmen. Dann werden wir weitersehen. Es ist also klar — und das wird noch doppelt schwierig —, daß dadurch, daß man den Fall der Versorgungskrisen hier mit hineingebracht hat, und infolge der entsprechenden Paragraphen der drei Gesetze — § 5 des Wirtschaftssicherstellungsgesetzes, § 7 des Ernährungssicherstellungsgesetzes und § 6 des Verkehrssicherstellungsgesetzes — praktisch eine uneingeschränkte Bevollmächtigung der Regierung möglich wird, was wir nach allseitiger Überzeugung — wenn ich auch die Aussage des Kollegen Hoogen richtig deute — nicht verantworten zu können glauben. Wir können hier kein uneingeschränktes Notverordnungsrecht zugestehen; wir können keine Ermächtigung ohne entsprechende parlamentarische Kontrolle zugestehen. Wir müssen, so glauben 'wir jedenfalls, als Parlament eindeutige Beschlüsse über Art und Umfang der Ermächtigung treffen und müssen gleichzeitig auch als Parlament oder im entsprechenden Fall — das gilt auch für den Verteidigungsfall oder den Spannungszustand — als Notstandsparlament imstande sein, die Dinge wieder an uns zu ziehen, also über das Inkrafttreten und Außerkrafttreten zu bestimmen.
    Die Einschaltung des Bundesrates beim Erlaß der Rechtsverordnungen reicht nicht aus. Der Bundestag als der eigentliche Gesetzgeber muß also in diesem Zusammenhang mit eingeschaltet werden.
    Ein weiterer Punkt stimmt uns sehr bedenklich. Im Ernährungssicherstellungsgesetz wird im Vorbeigehen eine neue Bundesoberbehörde begründet. Wir haben das Bundesamt für gewerbliche Wirtschaft auf besonderer gesetzlicher Grundlage, und wir haben auch, was den anderen Sektor, den Verkehrssektor, betrifft, dort besondere gesetzliche Voraussetzungen. Wir sollten uns auch darüber verständigen, daß hier nicht im Zusammenhang mit irgendeiner Notstandsregelung eine obere Bundesbehörde errichtet werden kann, die keine klar umrissenen, eindeutigen gesetzlichen Grundlagen und gesetzlichen Aufgaben hat. Hinsichtlich des Bundesamtes für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten als Bundesoberbehörde müßte also wohl eine besondere, über die im Ernährungssicherstellungsgesetz zum Ausdruck kommenden Vorstellungen hinausgehende gesetzliche Grundlage geschaffen werden.
    Wenn wir als vordringliche Aufgabe die Versorgung der Bevölkerung und die Versorgung der Streitkräfte im Verteidigungsfall und im Spannungszustand anerkennen, kommen wir, glaube ich, nicht daran vorbei, auch eindeutig klarzustellen — damit nämlich die Versorgung der Bevölkerung mit Gütern und Leistungen auch zu entsprechenden Bedingungen vom Preise her erfolgen kann —, daß in allen drei Gesetzen, nicht nur im Verkehrssicherstellungsgesetz und nicht nur im Ernährungssicherstellungsgesetz, sondern auch im Wirtschaftssicherstellungsgesetz einheitliche Grundsätze für die



    Lange (Essen)

    Preisbildung aufgestellt werden. Für diesen Punkt sollten wir uns auch einiges in den Ausschüssen vornehmen. Wir kommen nämlich dann gleichzeitig mit diesen einheitlichen Grundsätzen über die Preisbildung auf allen diesen Gebieten hinsichtlich der Versorgung der Bevölkerung dem Bedürfnis entgegen, zu verhindern, daß hier unter Umständen irgendwelche sehr geschickte Leute besondere Krisengewinne machen, wie wir das zu einem gewissen Teil schon heute angesichts der infolge des Winters eingetretenen Schwierigkeiten bei der Versorgung mit Brennstoffen erleben.
    Der Bundesminister des Innern hat heute morgen auch darauf verwiesen, daß die Bundesregierung bemüht gewesen sei, bei der Anwendung der drei Gesetze im Falle von Versorgungskrisen und auch in den anderen Fällen, soweit das dann überhaupt noch möglich ist, zunächst einmal mit marktkonformen Mitteln zu arbeiten und dann zum Schluß, sagen wir, das schärfste Mittel, die Bewirtschaftung, anzuwenden. Im alten Wirtschaftssicherstellungsgesetz, Herr Minister, ist das ausdrücklich gesagt. Warum haben Sie das in diesen drei Gesetzen nicht ausdrücklich gesagt? Hier nützt nicht nur das Wort des Ministers, sondern das muß im Gesetz festgelegt werden. Sie wollen es, so sagen Sie, mit leichter Hand machen. Trotzdem empfehle ich, noch einmal unsere Erklärung anläßlich der Verabschiedung des Wirtschaftssicherstellungsgesetzes von 1959 nachzulesen. Ich will das hier nicht wiederholen. Dort haben wir einige Vorbehalte hinsichtlich der
    Glaubwürdigkeit einer Regierung gemacht.
    Es nützt auch gar nichts, wenn der Sprecher der CDU/CSU-Fraktion hier erklärt: Von diesem Gesetz ist bisher noch kein Gebrauch gemacht worden. Wir müssen dabei trotzdem alle parlamentarischdemokratischen Vorkehrungen im Auge behalten.
    Wir haben noch ein verfassungsrechtliches Bedenken hinsichtlich der Übertragung der Befugnis zum Erlaß von Rechtsverordnungen auf obere Bundesbehörden. Auch darüber, Herr Minister, wird in den Ausschüssen zu sprechen sein.
    Eine Abgrenzung muß auch hier gegenüber dem Bundesleistungsgesetz, auf das in der Begründung so oft verwiesen worden ist, vorgenommen werden. Es erscheint uns erforderlich, im Zweifelsfalle das Bundesleistungsgesetz in etlichen Teilen auf Grund eines entsprechenden Initiativantrages zu ändern; denn alle diese gesetzlichen Bestimmungen müssen miteinander in Übereinstimmung gebracht werden.
    Bei der Beratung dieser wirtschaftlichen Notstandsgesetze müssen wir uns auch das Wirtschaftsstrafgesetz ein wenig anschauen. Wenn das Wirtschaftsstrafgesetz jetzt schon einmal etwas mehr — mehr als nur erhobener Zeigefinger — angewandt worden wäre, wäre vielleicht manches im Zusammenhang mit der gegenwärtigen Versorgungskrise — Hausbrandversorgung, Versorgung mit Heizöl usw. — vermieden worden.
    Wir sind also der Auffassung, daß diese beiden Gesetze, die hier nur in der Begründung erwähnt worden sind, auch bei der Beurteilung der Notstandsvorlagen mitberücksichtigt und miterörtert werden 1 müssen.
    Die Schlußfolgerung, die wir alle miteinander ziehen sollten, ist die, daß für den Verteidigungsfall und den Spannungszustand volle Rechtsstaatlichkeit und volle parlamentarische Kontrolle gewährleistet sein müssen. Dazu ist eine ausreichende gesetzliche Regelung mit klaren Definitionen — und keine „Kautschukbestimmungen" — erforderlich. Wir sind nicht imstande, ohne weiteres Blankovollmachten zu erteilen. Das Parlament oder das Notparlament müssen eingeschaltet bleiben. Für den Fall der Versorgungskrise müssen wir, glaube ich, noch zusätzliche, weitergehende gesetzliche Sicherungen einbauen, weil dabei nicht ein so rasches Handeln wie im Verteidigungsfall erforderlich ist, das Parlament uneingeschränkt in der Verantwortung bleiben kann und seine Aufgaben nicht auf das Notparlament übertragen zu werden brauchen.
    Alle diese Fragen sollten wir in den Ausschüssen sorgfältig erörtern und prüfen. Die drei uns vorliegenden Gesetze sollten unter einheitlichen Gesichtspunkten geprüft werden. Wir müssen dafür sorgen, daß, gerade weil das nicht so vorgesehen ist, der Wirtschaftsausschuß auch beim Verkehrssicherstellungsgesetz die wirtschaftspolitischen Aspekte mit überprüfen und mit erörtern kann. Es bedarf dazu keines besonderen Überweisungsbeschlusses. Nach dem, was zwischen den Fraktionen geschäftsordnungsmäßig verabredet worden ist, ist eine solche Einschaltung möglich. Nur wären wir dankbar, meine Damen und Herren, wenn auf diese Art und Weise sichergestellt würde, daß dem Parlament die volle, uneingeschränkte Verantwortung erhalten bleibt und daß niemandem hier im Parlament erlaubt wird, die Flucht vor der Verantwortung anzutreten.

    (Beifall bei der SPD.)



Rede von Dr. Thomas Dehler
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Imle.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Wolfgang Imle


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Gründlichkeit meiner Vorredner könnte mich sicherlich dazu veranlassen, mich im großen und ganzen auf ihre Ausführungen zu beziehen. Aber ich habe namens meiner Fraktion noch einige Erklärungen abzugeben. Ich glaube, die Stille dieses Hauses zeigt, daß wir uns bereits auf den morgigen Tag vorbereiten.
    Ich bin mit meinen Vorrednern der Meinung, daß es sich bei den drei Gesetzentwürfen — dem Wirtschaftssicherstellungsgesetz, dem Verkehrssicherstellungsgesetz und dem Ernährungssicherstellungsgesetz — um ein Ganzes handelt, das auch als Ganzes behandelt werden sollte. Es besteht wohl auch Einigkeit darüber, daß das, was mit diesen Gesetzen erreicht werden soll, für den Ernstfall unbedingt notwendig ist. Man kann an die Dinge nicht erst herangehen, wenn der Ernstfall kurz bevorsteht. Es ist vielmehr eine große Schubladenarbeit — so möchte ich es einmal nennen — zu leisten, damit in dem Augenblick, in dem etwas getan werden muß, die Dinge auf den Tisch gelegt werden können.



    Dr. Imle
    Es geht bei diesen Gesetzen um die Übertragung von Zuständigkeiten auf die Exekutive, und da muß wirklich sehr eingehend geprüft werden, ob man mit dieser Übertragung so weit gehen kann, wie es hier im einzelnen vorgesehen ist. Auch muß genau geprüft werden, was alles in dieser Zuständigkeit getan werden kann.
    Nach § 1 will man z. B. auch Vorschriften über die Verwaltung von gewerblichen Betrieben erlassen. Ich weiß nicht, ob das richtig ist, weil hiernach das zuständige Landeswirtschaftsamt oder Ernährungsamt durch einen Obersekretär oder Inspektor schließlich bis in die kleinste Kleinigkeit in die ureigensten Angelegenheiten der Betriebe eingreifen könnte. Es erscheint mir sehr zweifelhaft, ob man so weit gehen soll. Allerdings gehen auch die soeben von Herrn Kollegen Lange angesprochenen Probleme der Übertragung doch wohl sehr weit. Die Bundesregierung soll nämlich die Möglichkeit haben, die Befugnis zum Erlaß der Rechtsverordnungen auf den Bundeswirtschaftsminister zu übertragen, und dieser soll die Befugnis weiter auf das Bundesamt für gewerbliche Wirtschaft übertragen können, „wenn die Bundesregierung festgestellt hat, daß dies zur beschleunigten Herstellung der Verteidigungsbereitschaft der Bundesrepublik notwendig ist". Diese Begriffsbestimmung ist mir etwas zu kautschukartig; denn das läßt sich einfach nicht nachprüfen. Wann tritt dieser Fall denn ein? Wenn die Bundesregierung das festgestellt hat, braucht sie nicht einmal selbst für diesen schweren Ernstfall die Verordnungen zu erlassen, sondern kann die Befugnis auf das Bundesamt für gewerbliche Wirtschaft übertragen.
    Besonders der Fall des § 2, der Fall der Versorgungskrise, muß sehr genau betrachtet werden. In § 3 ist vorgesehen, daß die Verordnungen schon erlassen werden können, „um eine dringend notwendige Steigerung der Versorgungsleistungen zu erreichen". Überspitzt ausgedrückt ist die Steigerung der Versorgungsleistungen dauernd notwendig, weil wir ja einen immer besseren Lebensstandard erreichen wollen. Das scheint mir sehr undurchsichtig und sehr angreifbar zu sein. Allerdings heißt es in Abs. 2, daß die Rechtsverordnungen auf das unerläßliche Maß zu beschränken und inhaltlich so zu gestalten sind, daß in die wirtschaftliche Betätigungsfreiheit der Beteiligten so wenig wie möglich eingegriffen und die Leistungsfähigkeit der Gesamtwirtschaft möglichst wenig beeinträchtigt wird. Danach habe ich fast den Eindruck, daß das eine leichte Beruhigung von uns allen sein soll.
    Auch das Problem der Geltungsdauer der Rechtsverordnungen muß meines Erachtens sehr genau geprüft werden. Wir werden — ich möchte das abschließend zu diesem Problem sagen — sehr genau darauf achten müssen, daß, solange nicht der Ernstfall als solcher eingetreten ist, auch das Parlament seine Zustimmung geben muß.
    Erlauben Sie mir noch ein Wort zu der weiteren Gestaltung der Beteiligung anderer Vereinigungen. Sowohl im Verkehrssicherstellungsgesetz als auch im Ernährungssicherstellungsgesetz ist darauf hingewiesen worden, daß Aufgaben auf andere Vereinigungen, die sich mit diesen Problemen befassen, übertragen werden können. Hier fehlt mir aber, Herr Bundesminister, der Hinweis auf die Beteiligung der Selbstverwaltung der Wirtschaft, die ja schon mit all diesen Dingen vertraut ist. Man sollte sie hier nicht ausschließen. Sicherlich werden wir uns auch mit diesen Fragen beschäftigen müssen.
    Wir möchten nur hoffen, daß sich in dem allgemeinen Gespräch hier im Hause eine Einigkeit der Standpunkte ergibt, die es uns erlaubt, diese Gesetze möglichst bald zu verabschieden.

    (Beifall bei der FDP und in der Mitte.)