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ID0405604400

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    Vokabeln: 6
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    4. Frau: 1
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    6. \'Renger.: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 56. Sitzung Bonn, den 24. Januar 1963 Inhalt: Entwurf eines Gesetzes zur Ergänzung des Grundgesetzes (Drucksache IV/891) — Erste Beratung — Höcherl, Bundesminister . 2477 A, 2526 D Hoogen (CDU/CSU) . . . . . . 2491 C Dr. Schäfer (SPD) . . . . . . . 2495 D Dorn (FDP) . . . . . . . . . 2504 C Leber (SPD) . . . . . . . . 2507 A Sänger (SPD) 2516 B Dr. h. c. Güde (CDU/CSU) . . . 2523 D Entwurf eines Gesetzes über den Zivildienst im Verteidigungsfall (Zivildienstgesetz) (Drucksache 1V/450) — Erste Beratung —; in Verbindung mit .dem Entwurf eines Gesetzes zur Ergänzung des Gesetzes über den Bundesgrenzschutz und die Einrichtung von Bundesgrenzschutzbehörden (Drucksache IV/343) — Erste Beratung —; dem Entwurf eines Gesetzes zur Regelung des Aufenthalts .der Zivilbevölkerung im Verteidigungsfall (Aufenthaltsregelungsgesetz) (Drucksache IV/895) — Erste Beratung —; dem Entwurf eines Gesetzes über bauliche Maßnahmen zum Schutz der Zivilbevölkerung (Schutzbaugesetz) (Drucksache IV/ 896) — Erste Beratung —; und dem Entwurf eines Gesetzes über den Selbstschutz der Zivilbevölkerung (Selbstschutzgesetz) (Drucksache IV/897) — Erste Beratung — Schmitt-Vockenhausen (SPD) . . . 2533 C Lünenstraß (SPD) . . . . . . . 2537 B Dr. Even (Düsseldorf) (CDU/CSU) 2539 C Frau Dr. Flitz (Wilhelmshaven) (FDP) 2541 D Busse (FDP) . . . . . . . . 2544 D Frau Renger (SPD) 2546 B Hansing (SPD) 2548 D Dr. Kempfler (CDU/CSU) 2550 D Hübner (CDU/CSU) 2551 D Entwurf eines Gesetzes über die Sicherstellung von Leistungen auf dem Gebiet der gewerblichen Wirtschaft sowie des Geld- und Kapitalverkehrs (Wirtschaftssicherstellungsgesetz) (Drucksache IV/ 892) — Erste Beratung —; in Verbindung mit dem Entwurf eines Gesetzes über die Sicherstellung der Versorgung mit Erzeugnissen der Ernährungs- und Landwirtschaft sowie der Forst- und Holzwirtschaft (Ernährungssicherstellungsgesetz) (Drucksache IV/893) — Erste Beratung —; und dem Entwurf eines Gesetzes zur Sicherstellung des Verkehrs (Verkehrssicherstellungsgesetz) (Drucksache IV/894) — Erste Beratung — Dr. Bieringer (CDU/CSU) . . . 2553 B Lange (Essen) (SPD) 2553 C Dr. Imle (FDP) 2555 D Lemmrich (CDU/CSU) 2556 C Überweisung der Gesetzentwürfe an Ausschüsse 2557 C Wahlen zum Europäischen Parlament und zur Beratenden Versammlung des Europarates 2557 D Nächste Sitzung 2558 C Anlage 2559 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 56. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. Januar 1963 2477 56. Sitzung Bonn, den 24. Januar 1963 Stenographischer Bericht Beginn: 9.02 Uhr.
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    Anlage Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete (r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Fran Albertz 24. 1. Arendt (Wattenscheid) 25.1. Dr. Arndt (Berlin) 24. 1. Dr. Atzenroth 25.1. Dr. Dr. h. c. Baade 25. 1. Bading 5.2. Bauknecht 25. 1. Fürst von Bismarck 25. 1. Dr. Bleiß 25.1. Dr. von Brentano 25. 1. Brese 25. 1. Deringer 24. 1. Dr. Dörinkel 4. 2. Drachsler 25. 1. Dr. Dr. h. c. Dresbach 28.2. Eisenmann 24. 1. Etzel 26. 1. Faller * 25. 1. Figgen 23. 2. Funk (Neuses am Sand) 16. 2. Gewandt 31. 1. Freiherr zu Guttenberg 25. 1. Haage (München) 25. 1. Hahn (Bielefeld) 25. 1. Hammersen 24.1. Harnischfeger 25. 1. Hauffe 28.2. Hellenbrock 26. 1. Holkenbrink 26. 1. Dr. Hoven 25. 1. Illerhaus 24. 1. Kahn-Ackermann 25. 1. Kalbitzer 25. 1. Dr. Kanka 24. 1. Katzer 31. 1. Keller 25. 1. Frau Kipp-Kaule 25. 1. Klinker 25. 1. Koenen (Lippstadt) 25.1. Dr. Kohut 25. 1. Kriedemann* 25. 1. Kühn (Köln) 2.2. Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordneter) beurlaubt bis einschließlich Lemmer 26. 1. Lenz (Bremerhaven) 25. 1. Lücker (München) * 25. 1. Mattick 25. 1. Mauk 25. 1. Frau Dr. Maxsein 25. 1. Dr. Menzel 25. 1. Dr. von Merkatz 4. 2. Dr. Miessner 31. 1. Missbach 25. 1. Dr. Morgenstern 25. 1. Müller (Berlin) 28. 2. Müller (Remscheid) 25. 1. Müller-Hermann 31. 1. Neubauer 17.2. Neumann (Berlin) 25. 1. Ollenhauer 25. 1. Dr.-Ing. Philipp 25. 1. Rademacher 31. 1. Ravens 25. 1. Dr. Reinhard 25. 1. Richarts 26. 1. Dr. Rutschke 31. 1. Sander 25. 1. Schmücker 24. 1. Schneider (Hamburg) 31. 1. Schröder (Osterode) 25. 1. Schütz 25. 1. Dr. Stammberger 3. 2. Dr. Starke 24. 1. Stein 24. 1. Frau Strobel * 25. 1. Struve 25. 1. Dr. Süsterhenn 25. 1. Urban 25. 1. Wacher 25. 1. Dr. Wahl 28. 2. Dr. Zimmer 26. 1. Zühlke 24. 1. b) Urlaubsanträge Dopatka 21.2. Werner 24. 2. *) Für die Teilnahme an Ausschußsitzungen des Europäischen Parlaments
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    Rede von Hermann Busse


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren Kollegen! Ich habe die Aufgabe, namens der Freien Demokraten zu dem Gesetz über die Aufenthaltsregelung und zu den beiden Selbstschutzgesetzen zu sprechen. Erlauben Sie mir vorab eine Randbemerkung auch zu dem Gesetz betreffend den Bundesgrenzschutz. Ich darf hier auch namens der Freien Demokraten heute schon anmelden, daß wir allen Erweiterungen auf den zivilen Sektor, möge es der Zoll sein, möge es die Polizei sein, die allerstärksten Bedenken entgegensetzen würden. Was man bei dem Bundesgrenzschutz vielleicht tun kann, kann man noch nicht ohne weiteres für weitere zivile Beamte unternehmen.
    Doch nun zu den drei von mir soeben genannten' Gesetzen! Zu den Fragen, die mit diesen Gesetzen zusammenhängen, sind bereits heute vormittag und am Anfang des Nachmittags im Rahmen der Fragen, die die Grundgesetzänderung betreffen, eine Fülle von Problemen angeschnitten worden, die auch die jetzt zur Erörterung stehenden Gesetze betreffen. Im allgemeinen hat weiter der Kollege SchmidtVockenhausen bereits alles, was darüber hinaus grundsätzlich zu sagen ist, meines Erachtens in recht klarer und deutlicher Weise gesagt. Man kann dem wohl, von der einen oder anderen Kleinigkeit vielleicht abgesehen, zustimmen. Ich möchte Ihre Zeit nicht in Anspruch nehmen, indem ich das alles wiederhole.
    Eines freilich möchte ich aus den allgemeinen Grundsätzen in diesem Zusammenhang zunächst noch einmal besonders hervorheben: daß alle drei Gesetze nur praktiziert werden können, wenn in den



    Busse
    breiten Volksschichten die Überzeugung dahintersteht, daß die Maßnahmen, die hier angeordnet werden, erstens notwendig sind, zweitens aber auch gut und zweckmäßig sind. Wenn es nicht gelingt, diese Überzeugung in das breite Volk hineinzutragen, dann, glaube ich, sind die Gesetze von vornherein zum Scheitern verurteilt. Denn ich kann mir einfach nicht denken, daß eine Großstadt oder Teile einer Großstand unter einer Polizeieskorte evakuiert werden, um nur einmal einen Punkt des ersten Gesetzes anzuschneiden. Diese Überzeugung in das Volk hineinzutragen wird nicht leicht sein; denn wo immer man diese Fragen in der Öffentlichkeit anschneidet, findet man zunächst einen allgemeinen Widerstand, einmal aus der Erinnerung heraus: So hat es schon einmal angefangen —, weiter aber auch aus einer — erlauben Sie mir den Ausdruck — rein defätistischen Einstellung heraus, ,daß man sagt: Es ist doch alles Unsinn, was hier gemacht wird, es hilft ja doch nichts; fallen die Atombomben, dann sind wir alle geliefert, und es hat gar keinen Sinn, hier etwas zu machen. Hier aufklärend zu wirken ist meines Erachtens noch vordringlicher, als Gesetze zu schaffen, aufklärend zu wirken ganz nüchtern und klar, welche Gefahren insbesondere ein künftiger Atomkrieg mit sich bringt. Verschönerungen, Verniedlichungen gar sind nicht nur nicht angebracht, sondern sie sind ausgesprochen schädlich. Jeder muß wissen, daß es, wenn es zu einer solchen Auseinandersetzung kommt, bei jedem einzelnen um das Ganze geht, daß allerdings eine Chance bleibt, aber nur dann, wenn sie bis zur letzten Möglichkeit und aus innerer Überzeugung mit dem besten Willen exerziert wird. Diese Aufklärung muß einsetzen, muß besser, muß weiter betrieben werden, als es bisher gegangen ist.
    Dazu kommt das zweite, was ich angedeutet habe: der Staatsbürger muß auch die Überzeugung gewinnen, daß die Maßnahmen, die angeordnet und eingeleitet werden, wirklich zu seinem Besten dienen, daß es sich um seine Angelegenheit, um sein Persönlichstes, um das seiner Frau, seiner Kinder handelt, was hier zur Erörterung steht und gemacht werden soll. Deshalb scheinen mir die Dinge so wichtig, daß sie auch in ihrer sachlichen Auswirkung sehr genau von uns in den Ausschußberatungen überlegt werden müssen.
    Ich habe manches von Wissenschaftlern, von Beamten, von Verbänden über die zur Erörterung stehenden Fragen gelesen. Wir werden uns sehr eingehend belehren müssen, was man heute bereits eindeutig sagen kann. So gesellen sich zu den psychologischen Schwierigkeiten, die wir erst noch überwinden müssen, die gesetzestechnischen. Wir sind in weiten Gebieten darauf angewiesen, eine Materie zu regeln, über die man heute eine echte Erfahrung noch nicht besitzt. Es ist gewissermaßen ein Versuch, der einmal gemacht wird, um die Dinge irgendwie doch in den Griff zu bekommen. Die Ausführungen, die insbesondere von Wissenschaftlern bisher gemacht worden sind, die sich mit den Fragen sehr eingehend befaßt haben, sind doch weitgehend so theoretischer Natur, daß der normale Sterbliche — und dazu rechne ich auch die
    Juristen — sich konkrete Vorstellungen darüber bis heute noch nicht machen kann.

    (Zustimmung bei der FDP.)

    Wenn die Dinge aber so liegen, wird man z. B. die Kostenfrage, die sich aus den einzelnen Gesetzen ergibt, die sich insbesondere für den einzelnen Staatsbürger ergibt, ganz einfach schon deshalb einer sehr genauen Kontrolle unterziehen müssen, weil unter Umständen nicht unerhebliche Ausgaben auch auf den einzelnen Staatsbürger zukommen.
    Wenn ich aus der Begründung des Gesetzentwurfs einmal die meines Erachtens außerordentlich vorsichtig geschätzten Zahlen der Bundesregierung nehme und von einem Kostenaufwand von 3,166 Milliarden DM im Jahre ausgehe, wovon auf Bund, Länder und Gemeinden rund 1,8 Milliarden DM entfallen, so sind es allein 1,36 Milliarden DM, die in jedem Jahr von der Bevölkerung aufgebracht werden müssen; mit gewissen Vergünstigungen usw. usw., aber es sind zusätzliche Beträge, die aufgebracht werden müssen und die man nicht einfach als ein Quantité négligeable wird behandeln können. Gerade darum ist es auch hier so notwendig, genau zu prüfen, welche Maßnahmen die vordringlichsten und die besten sind und wieweit nicht doch die öffentliche Hand über das im Gesetz vorgesehene Maß hinaus verpflichtet ist, helfend beizutragen und mitzuwirken.
    Ich meine aber auch, daß gewisse andere Dinge unter all den Gesichtspunkten, die ich soeben genannt habe, klar gesehen werden sollten. Ich möchte als Beispiel etwa den § 10 des Aufenthaltsregelungsgesetzes ansprechen, in dem gesagt wird, daß im Frieden bereits die Maßnahmen des I. Abschnittes, also die Maßnahmen der Evakuierung, vorbereitet werden sollen, insbesondere die Orte, aus denen die Zivilbevölkerung verlegt werden soll, die Aufnahmeorte, die Kreise der zu verlegenden Personen usw. usw. Es genügt nicht, daß wir eine solche Bestimmung in das Gesetz hineinschreiben. Viel wesentlicher scheint mir zu sein, daß wir die Regierung, die zuständigen Stellen laufend kontrollieren, was in dieser Hinsicht geschehen ist, wie ihre Vorstellungen gewesen sind, was sie zu tun beabsichtigen und ähnliches.
    Neulich habe ich gehört — es war nicht im Bund, sondern in einem Land —, daß Erwägungen gepflogen worden sind etwa dahin gehend, daß man Leute aus Dortmund in die Nähe des Teutoburger Waldes und dort wieder in die Nähe von Abschußrampen bringen sollte. Solchen Überlegungen, meine Freunde, könnten wir keineswegs unsere Zustimmung geben. Diese Dinge müssen unter der Kontrolle des Bundestages bleiben, nicht nur um zu kontrollieren, sondern auch um zu lernen, um darauch nachher die notwendigen Schlußfolgerungen zu ziehen.
    Zum Schluß möchte ich noch zwei Fragen anschneiden.

    (Vorsitz: Vizepräsident Dr. Dehler.)

    Es hat mich geradezu gefreut, in dem Selbstschutzgesetz eine mustergültige Organisation mit Block-



    Busse
    wart, Bezirkswart, Gruppenwart oder wie er gerade heißt, vorzufinden. Diese Organisation wird notwendig und gut sein. Sie wird wirksam werden können, wenn ein Krieg wirklich nur mit konventionellen Waffen geführt wird. Im Falle des Krieges mit nuklearen Waffen freilich wird da, wo es entscheidend darauf ankommt, eine solche Organisation einfach nicht durchgeführt werden können; dann ist das Haus, die Familie entscheidend auf sich selbst angewiesen.
    Sowohl bezüglich der Bautätigkeit als auch bezüglich der Organisation scheint es mir im Selbstschutz am vordringlichsten zu sein, daß man die Häuser — und zwar nicht nur die künftigen Neubauten, sondern in einem größeren Maße, als hier vorgesehen ist, auch die Altbauten — so einrichtet, daß sie zunächst jedenfalls einen gewissen Schutz gewähren, und daß man die Bevölkerung aufklärt und belehrt, welche praktischen Möglichkeiten bestehen und was geschehen muß, damit sie im Ernstfall wenigstens das, was eben vermieden werden kann, auch vermeidet.
    Wenn die Gesetze in der Ausschußberatung in diesem Geiste durchgearbeitet werden, dann wird, so glauben wir, eine Regelung gefunden werden, die sich einfach zwangsläufig ergeben mußte, seitdem wir die Wiederbewaffnung unseres Volkes betreiben und auch wir unseren Verteidigungsbeitrag leisten wollen.
    Es wäre gut, wenn die Gesetze bald verabschiedet würden; denn viel, viel Zeit ist bereits verstrichen, ohne daß das Notwendige geschehen ist. Hoffen wir, daß wir immer noch zu früh kommen, daß das, was hier wieder angestrebt wird, nie akute Wirklichkeit wird! Verschließen wir aber auch nicht die Augen vor den Notwendigkeiten! Lassen Sie uns bald an die Beratung dieser Gesetze herangehen!

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)



Rede von Dr. Thomas Dehler
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Das Wort hat Frau Abgeordnete 'Renger.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Annemarie Renger


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Kollege Even hat hier die Verantwortung der Staatsführung, die Vorsorge für die Bevölkerung zu schaffen, besonders hervorgehoben. Sie alle hier in diesem Hause wissen sehr gut, daß die sozialdemokratische Opposition viele Jahre lang immer wieder diese Staatsführung vergeblich ermuntert hat, endlich das Notwendige zu tun. Wir sind trotzdem 'sehr froh darüber, Herr Minister, daß die Bundesregierung, wenn auch mit vieljähriger Verspätung, nun endlich den Gesetzentwurf über die baulichen Maßnahmen zum Schutze der Zivilbevölkerung vorgelegt hat. Allerdings können wir Ihnen nicht verschweigen, daß uns dieser Gesetzentwurf noch nicht zufriedenstellt.
    Mit dem Gesetzentwurf scheint die Gefahr zu entstehen, daß er bei der Bevölkerung die Skepsis gegenüber Maßnahmen auf dem baulichen Sektor des Bevölkerungsschutzes nicht etwa verringert, sondern vielleicht sogar noch verstärkt. In diesem Gesetzentwurf sind eine Fülle von Dingen enthalten, die uns zur Kritik herausfordern. Herr Minister, nach meinem Gefühl zeigen die vielen Bestimmungen über Rechtsverordnungen und Verwaltungsanordnungen, die Sie vorgesehen haben, leider, daß man sich über viele Dinge noch nicht im klaren ist.

    (Beifall bei der SPD.)

    Bisher war die allgemeine Auffassung dieses Hohen Hauses — und auch der Bundesregierung —, daß der zivile Bevölkerungsschutz Bestandteil 'der Gesamtverteidigung ist. Man war sich wohl auch darüber im klaren, daß es ohne ausreichenden Schutzraumbau keinen Bevölkerungsschutz geben kann. Ohne ihn aber können auch alle vorgesehenen Hilfsmaßnahmen nicht effektiv werden.
    Im NATO-Bereich gilt für die Zivilbevölkerung der Grundsatz „stay at home". Die in diesem Gesetzentwurf vorgesehenen Maßnahmen sind aber noch nicht dazu angetan, diesen Grundsatz zu verwirklichen. Wie soll z. B. die Bevölkerung zu Hause bleiben, wenn nur für einen Teil, nämlich für diejenigen, die in Neubauten wohnen, Schutzräume vorgesehen werden? Wie sollen z. B. das Zivildienstgesetz, das Selbstschutzgesetz oder gar das Aufenthaltsregelungsgesetz befolgt werden, wenn nachdiesem Gesetz weder die Arbeitsstätten noch die Versorgungsbetriebe ausreichend geschützt werden?
    Auch ist aus diesem Gesetz noch nicht zu ersehen, daß es eine wirkliche Planung für öffentliche Schutzraumbauten, besonders in gefährdeten Gebieten, gibt. Ebenso fehlt auch ein Programm für die Instandsetzung der vorhandenen Bunker. Auch meinen wir, Herr Minister, daß die jetzt im Aufenthaltsregelungsgesetz vorgesehene Bestimmung über die Hillfs- und Ausweichkrankenhäuser besser in diesem Gesetz untergebracht wäre.
    Dieses Gesetz spricht von unterirdischen Luftschutzanlagen, von der Errichtung öffentlicher Schutzräume in sogenannten Mehrzweckbauten —über deren Verwendungsmöglichkeit man sich noch sehr im unklaren ist —; man spricht in § 36 davon, daß auch ein Schutz gegen mittelbare Gefahren, wie sie für Talsperren gegeben sind, vorgesehen werden soll. Aber es steht in diesem Gesetz nur, daß die neuen, nicht aber die bisher schon errichteten großen Bauten geschützt werden sollen. Dabei werden wir in der nächsten Zukunft z. B. so viele Talsperren nicht mehr bauen, wie das in der Vergangenheit geschehen ist. Entsprechendes gilt für die großen Kraftstoffvorratslager. Wir sind der Ansicht, daß auch für die schon vorhandenen Anlagen ein Schutz vorgesehen werden muß.
    Das ganze Gesetz geht nicht von dem aus, was eigentlich für das Überleben der Bevölkerung im Kriegsfall erforderlich wäre. Es schafft nach meiner Auffassung noch nicht die Möglichkeiten für die Sicherheit der Bevölkerung, die zu schaffen der Staat verpflichtet wäre, sondern es überträgt die Verantwortung für das Überleben weitgehend dem einzelnen Bürger und bürdet ihm außerordentliche Lasten auf.
    Ich glaube nicht, daß man, wie der Herr Kollege Even es getan hat, gerade an dieser Stelle sagen



    Frau Renger
    kann, man müsse den Mut haben, vom Volk Opfer zu verlangen. Es handelt sich hier ja nicht um eine Wohlfahrtseinrichtung, sondern es geht darum, daß die Bevölkerung einen Anspruch auf Sicherheit hat. Der Herr Kollege Even sagte ja vorher auch, daß der Staat dafür Vorsorge zu treffen hat. Genau wie das auf dem militärischen Sektor geschieht, hat die Bevölkerung Anspruch darauf, daß auch auf dem zivilen Sektor das gleiche getan wird.
    Obgleich die Bundesregierung sich darüber im klaren ist, daß man den Einsatz von atomaren Kampfmitteln nicht ausschließen kann — und im übrigen sind atomare Kampfmittel auch taktische Atomwaffen —, obgleich man sich darüber im klaren ist, daß das ganze Bundesgebiet gleichmäßig gefährdet ist — weil es eben nicht möglich ist, Kampfgebiete im voraus zu berechnen —, und obgleich die Bundesregierung ausdrücklich betont, daß es nicht genügt, nur in Neubauten Schutzräume zu errichten, hält es die Bundesregierung aus wirtschaftlichen und finanziellen Erwägungen nicht für möglich, die Inangriffnahme von baulichen Schutzmaßnahmen für alle Bürger vorzusehen. Ich muß sagen, es ist betrüblich, wenn gerade immer wieder auf dem Gebiet des Bevölkerungsschutzes all diese Überlegungen finanzieller, wirtschaftlicher und sonstiger Natur eintreten, wenn ich auch zugebe, daß das selbstverständlich ein schwieriges Problem ist. Ich möchte doch noch einmal daran erinnern, daß wir, wenn hier vor einigen Jahren etwas getan worden wäre, mindestens seit 1957/58 für 10 Millionen Menschen in den Neubauten Schutzräume für erheblich weniger Geld hätten haben können, als es nun kosten wird.
    Wir glauben nicht, daß es möglich ist, die Bevölkerung in verschiedene Kategorien einzuteilen, einmal in solche, die in Gemeinden unter 50 000 Einwohner wohnen und die einen Grundschutz haben sollen, und zum anderen in solche in Gemeinden über 50 000 Einwohner, die einen verstärkten Schutz haben sollen; dazu in solche, die in Alt- oder in Neubauten wohnen. Mir scheint, daß diese Aufteilung der Bevölkerung doch der These widerspricht, daß das ganze Bundesgebiet gleichmäßig gefährdet ist. Es scheint mir aber auch eine ungleiche Behandlung der Bürger mit einem ungleichen Schutzeffekt zu sein. Selbstverständlich muß man berücksichtigen, daß in Ballungszentren oder in größeren Städten die Waffenwirkung noch verheerender ist als auf dem flachen Lande. Dieses Gesetz sollte aber nicht den Eindruck erwecken, als könnte jetzt etwa die Periode des Schutzes der Zivilbevölkerung gegen eine atomare Kriegführung eingeleitet werden. Man sollte der Bevölkerung offen und ehrlich die Meinung der Regierung sagen, daß sie es aus wirtschaftlichen, finanziellen und materiellen Gründen und wegen des Arbeitskräftemangels in absehbarer Zeit nicht für möglich hält, hier umfassende Maßnahmen einzuleiten.
    Zu dem letzten Punkt — Mangel an Arbeitskräften — möchte ich noch einmal kurz sprechen. Ich sehe, daß mein Kollege Leber gerade herüberschaut. Gerade im Hinblick auf die Anspannung auf dem Baumarkt und den Mangel an Arbeitskräften gerade auf diesem Sektor erscheint es unklar, in welcher Weise die Bundesregierung jährlich, wie sie es angenommen hat, etwa für 2,5 bis 2,7 Millionen Menschen Schutzplätze erstellen will, ohne daß darunter besonders der Wohnungsbau leiden müßte. In dieses Kapitel gehört natürlich auch noch die Frage, über die man sich Gedanken machen sollte, wie man dadurch Erleichterungen schaffen könnte, daß man mehr genormte Teile, Baufertigteile usw. verwendet.
    Trotz all dieser Schwierigkeiten müssen wir versuchen, mit dem Schutzraumproblem fertig zu werden. Wir sollten deshalb in diesem Stadium überlegen, wie man erst einmal der gesamten Bevölkerung einen zu verantwortenden Minimalschutz gegen nicht-atomare Kampfmittel — dazu würden wahrscheinlich allerdings auch schon Raketen gehören — und gegen radioaktive Niederschläge, gegen Trümmer einstürzender Gebäude und nach Möglichkeit — aber das wird sehr schwer sein — gegen chemische und biologische Kampfmittel schaffen könnte, damit wenigstens diejenigen eine Überlebenschance hätten, die nicht unmittelbar von den Vernichtungswaffen betroffen wären. Wenn man diesem Gedanken näherträte, würden von den angenommenen Mitteln etwa 1,5 Milliarden DM frei werden.
    Ich glaube, der Einwand, gerade durch die Gleichheit der Maßnahmen schaffe man einen ungleichen Schutzeffekt, wird durch die Tatsache widerlegt, daß auch ein Schutzraum mit einem verstärkten Schutzeffekt von 3 atü gegen eine gezielte nukleare Vernichtungswaffe in einem weiten Umkreis keine Überlebenschance gibt, vor allen Dingen, wenn man davon ausgeht, daß Schutzräume zunächst einmal in Neubauten erstellt werden sollen, die meistens am Stadtrand liegen, und daß die Masse der Menschen, die ja wohl doch in den Altbauten im Kerngebiet der Stadt lebt, dann ohne Schutz bliebe.
    Die Vorstellung, daß steuerliche Anreize zur Schaffung von etwa einer Million Schutzplätzen in Altbauten führen würden, ist, glaube ich, eine Illusion, und Herr Regierungsdirektor Platz hat ja auch gesagt, es sei damit zu rechnen, daß es eventuell 50 Jahre dauern werde, ehe man auf diese Weise in allen Altbauten einen Schutz 'geschaffen habe.
    Das Gebiet der steuerlichen Vergünstigungen scheint überhaupt noch nicht richtig durchdacht zu sein. Auch scheinen hier eine Reihe von Ungerechtigkeiten zu bestehen, und zwar schon deshalb, weil man Arbeitsstätten und Wohnungen ungleich behandelt. Ganz nebenbei gesagt ist die Regelung aber auch in sich ungerecht. Denn es kann passieren, daß die steuerliche Vergünstigung denjenigen zugute kommt, die schon ein hohes Einkommen haben, daß aber z. B. die kleinen und mittleren oder die schwachen Betriebe ganz besonders benachteiligt würden. Ich glaube, dieses Gebiet muß man sich noch sehr genau anschauen.
    Aus all .den genannten Gründen bittet meine Fraktion, zu prüfen, ob es nicht, wie es auch der Bundesrat überlegt hat und wie es der Deutsche Städtetag und die Wissenschaftler in ihrer Denkschrift vorgeschlagen haben, sinnvoller wäre, statt für die kommenden Jahre nur in Neubauten einen Grund- bzw. verstärkten Schutz vorzusehen, in Alt-



    Frau Renger
    und Neubauten nur den Grundschutz zu planen, ausgenommen besonders zu schützende Versorgungsbetriebe, öffentliche Schutzbauten und andere wichtige Objekte.
    Mein Vorredner hat schon gesagt, daß die zahlreichen wissenschaftlichen Erkenntnisse auf diesem Gebiet sich so sehr widersprechen, daß es außerordentlich schwer ist, hier den richtigen Weg zu finden. Trotzdem glaube ich, daß es richtig wäre, diese Vorschläge zu prüfen. Soweit man es im Moment isagen kann, scheint es vernüftiger zu sein, zuerst einmal dieser von uns hier gegebenen Anregung zu folgen. Wir werden ja im Ausschuß Gelegenheit haben, darüber zu sprechen.
    Ich muß noch einige Worte zur Frage der Finanzierung sagen. Der einzelne Bürger wird durch diese Maßnahmen außerordentlich belastet — ich habe das vorhin schon angedeutet —, und zwar unabhängig davon, wie hoch sein Einkommen ist. Meine Damen und Herren, es geht nicht an, 'daß die Schutzmöglichkeiten des einzelnen von seiner persönlichen Finanzkraft, von der finanziellen Kraft seiner Gemeinde oder seines Betriebes abhängen. Es darf nicht sein, daß die reiche Gemeinde für einen guten Schutz sorgen kann, der große, gut verdienende Betrieb für seine Arbeitskräfte die besten Schutzmöglichkeiten schaffen kann und daß sich die anderen mit wenig oder gar nichts begnügen müssen.
    Auch, glaube ich, ist das System der Abwälzung der Schutzraumkosten auf die Mieten noch nicht endgültig geklärt. Der Entwurf geht davon aus, daß die Erhöhung der Mieten bei etwa 10 Pf liegen würde. Ich glaube, das ist etwas zu gering gerechnet. Ich will zugeben, daß die Berechnungen für große Wohnblocks vielleicht einigermaßen stimmen könnten. Aber in dem Fall, wo es sich etwa um ein Ein-, Zwei- oder Dreifamilienhaus handelt, betragen die Kosten für einen Schutzplatz im Grundschutz pro Person nicht etwa 320 DM, sondern wahrscheinlich 900 bis 1000 DM. Sie können sich vorstellen, welche Belastung das gerade für die Familien bedeuten würde, die sich unter ziemlichen Mühen nun endlich das von Ihnen doch so warm empfohlene Einfamilienhaus gebaut haben. Ich glaube, daß alles das eingehender geprüft werden muß.
    Eine Überprüfung der Kosten ist auch für den einzelnen erforderlich; denn es hat gar keinen Sinn, daß wir den Leuten hier etwas erzählen, was nachher nicht stimmt, und daß sie sich übers Ohr gehauen fühlen, abgesehen davon, daß ja noch viele Kosten, z. B. auch aus dem Selbstschutzgesetz, auf sie zukommen.
    Ich glaube auch, daß man den gesamten Finanzierungsplan noch einmal durchrechnen und überprüfen muß. Falls man zu dem Beschluß kommen sollte, daß in der Tat zuerst ein Grundschutz für alle Bürger das Richtige wäre, müßten wir neue Berechnungsgrundlagen bekommen.
    Mein Kollege Schmitt-Vockenhausen hat schon von der großen finanziellen Belastung der Gemeinden gesprochen, die dadurch entsteht, daß in Schulen, in Krankenhäusern, in Pflegehäusern Schutzräume vorzusehen, daß öffentliche Luftschutzbauten zu unterhalten sind und für die Lebensmittelbevorratung Sorge zu tragen ist. Die Gemeinden sind der Meinung, das sei nicht zu tragen, es handele sich außerdem um Zweckausgaben, die keine sächlichen und Verwaltungskosten sind. Es geht einfach nicht, daß der Bund immer Gesetze verabschiedet, die in die Gemeinden hineinwirken, wie es damals auch mit der Gewerbesteuer gemacht wurde, und daß die Gemeinden nachher verpflichtet sind, diese Mittel zu Lasten wichtiger Gemeindeaufgaben selbst aufzubringen.
    Meine Damen und Herren, Bevölkerungsschutz kann nicht die Aufgabe des einzelnen sein. Es ist die Aufgabe des Staates, für die Sicherheit seiner Bürger sowohl durch militärische Maßnahmen als auch durch Zivilschutzmaßnahmen zu sorgen. Das bedeutet aber in der Konsequenz, daß der Bund auch die Hauptlast der Kosten tragen muß, schon damit die Gleichwertigkeit des Schutzes für alle Bürger garantiert ist. Die sozialdemokratische Fraktion ist sich der Schwierigkeit dieses Problems gewiß bewußt. Niemand ist zu beneiden, der diese Fragen wirklich zur Zufriedenheit aller lösen muß.
    Ich glaube, daß wir alle diese Gesetze im Innenausschuß so diskutieren sollten, wie es dem Problem angemessen ist, denn es geht um die Lebensinteressen von uns allen. Unbelastet von parteipolitischen Vorstellungen müssen wir an die Arbeit gehen. Wir müssen Wissenschaftler und Sachverständige hören, damit wir uns ein, wie wir hoffen, gutes und vernünftiges Urteil bilden können.
    Als Schlußbemerkung darf ich sagen: Wir sind verpflichtet, das Mögliche für die Sicherheit der Bevölkerung zu tun, in der großen Hoffnung, daß wir es nie brauchen.

    (Beifall bei der SPD und vereinzelt in der Mitte.)