Rede:
ID0405603200

insert_comment

Metadaten
  • sort_by_alphaVokabular
    Vokabeln: 6
    1. Das: 1
    2. Wort: 1
    3. hat: 1
    4. der: 1
    5. Abgeordnete: 1
    6. Lünenstraß.: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 56. Sitzung Bonn, den 24. Januar 1963 Inhalt: Entwurf eines Gesetzes zur Ergänzung des Grundgesetzes (Drucksache IV/891) — Erste Beratung — Höcherl, Bundesminister . 2477 A, 2526 D Hoogen (CDU/CSU) . . . . . . 2491 C Dr. Schäfer (SPD) . . . . . . . 2495 D Dorn (FDP) . . . . . . . . . 2504 C Leber (SPD) . . . . . . . . 2507 A Sänger (SPD) 2516 B Dr. h. c. Güde (CDU/CSU) . . . 2523 D Entwurf eines Gesetzes über den Zivildienst im Verteidigungsfall (Zivildienstgesetz) (Drucksache 1V/450) — Erste Beratung —; in Verbindung mit .dem Entwurf eines Gesetzes zur Ergänzung des Gesetzes über den Bundesgrenzschutz und die Einrichtung von Bundesgrenzschutzbehörden (Drucksache IV/343) — Erste Beratung —; dem Entwurf eines Gesetzes zur Regelung des Aufenthalts .der Zivilbevölkerung im Verteidigungsfall (Aufenthaltsregelungsgesetz) (Drucksache IV/895) — Erste Beratung —; dem Entwurf eines Gesetzes über bauliche Maßnahmen zum Schutz der Zivilbevölkerung (Schutzbaugesetz) (Drucksache IV/ 896) — Erste Beratung —; und dem Entwurf eines Gesetzes über den Selbstschutz der Zivilbevölkerung (Selbstschutzgesetz) (Drucksache IV/897) — Erste Beratung — Schmitt-Vockenhausen (SPD) . . . 2533 C Lünenstraß (SPD) . . . . . . . 2537 B Dr. Even (Düsseldorf) (CDU/CSU) 2539 C Frau Dr. Flitz (Wilhelmshaven) (FDP) 2541 D Busse (FDP) . . . . . . . . 2544 D Frau Renger (SPD) 2546 B Hansing (SPD) 2548 D Dr. Kempfler (CDU/CSU) 2550 D Hübner (CDU/CSU) 2551 D Entwurf eines Gesetzes über die Sicherstellung von Leistungen auf dem Gebiet der gewerblichen Wirtschaft sowie des Geld- und Kapitalverkehrs (Wirtschaftssicherstellungsgesetz) (Drucksache IV/ 892) — Erste Beratung —; in Verbindung mit dem Entwurf eines Gesetzes über die Sicherstellung der Versorgung mit Erzeugnissen der Ernährungs- und Landwirtschaft sowie der Forst- und Holzwirtschaft (Ernährungssicherstellungsgesetz) (Drucksache IV/893) — Erste Beratung —; und dem Entwurf eines Gesetzes zur Sicherstellung des Verkehrs (Verkehrssicherstellungsgesetz) (Drucksache IV/894) — Erste Beratung — Dr. Bieringer (CDU/CSU) . . . 2553 B Lange (Essen) (SPD) 2553 C Dr. Imle (FDP) 2555 D Lemmrich (CDU/CSU) 2556 C Überweisung der Gesetzentwürfe an Ausschüsse 2557 C Wahlen zum Europäischen Parlament und zur Beratenden Versammlung des Europarates 2557 D Nächste Sitzung 2558 C Anlage 2559 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 56. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. Januar 1963 2477 56. Sitzung Bonn, den 24. Januar 1963 Stenographischer Bericht Beginn: 9.02 Uhr.
  • folderAnlagen
    Anlage Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete (r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Fran Albertz 24. 1. Arendt (Wattenscheid) 25.1. Dr. Arndt (Berlin) 24. 1. Dr. Atzenroth 25.1. Dr. Dr. h. c. Baade 25. 1. Bading 5.2. Bauknecht 25. 1. Fürst von Bismarck 25. 1. Dr. Bleiß 25.1. Dr. von Brentano 25. 1. Brese 25. 1. Deringer 24. 1. Dr. Dörinkel 4. 2. Drachsler 25. 1. Dr. Dr. h. c. Dresbach 28.2. Eisenmann 24. 1. Etzel 26. 1. Faller * 25. 1. Figgen 23. 2. Funk (Neuses am Sand) 16. 2. Gewandt 31. 1. Freiherr zu Guttenberg 25. 1. Haage (München) 25. 1. Hahn (Bielefeld) 25. 1. Hammersen 24.1. Harnischfeger 25. 1. Hauffe 28.2. Hellenbrock 26. 1. Holkenbrink 26. 1. Dr. Hoven 25. 1. Illerhaus 24. 1. Kahn-Ackermann 25. 1. Kalbitzer 25. 1. Dr. Kanka 24. 1. Katzer 31. 1. Keller 25. 1. Frau Kipp-Kaule 25. 1. Klinker 25. 1. Koenen (Lippstadt) 25.1. Dr. Kohut 25. 1. Kriedemann* 25. 1. Kühn (Köln) 2.2. Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordneter) beurlaubt bis einschließlich Lemmer 26. 1. Lenz (Bremerhaven) 25. 1. Lücker (München) * 25. 1. Mattick 25. 1. Mauk 25. 1. Frau Dr. Maxsein 25. 1. Dr. Menzel 25. 1. Dr. von Merkatz 4. 2. Dr. Miessner 31. 1. Missbach 25. 1. Dr. Morgenstern 25. 1. Müller (Berlin) 28. 2. Müller (Remscheid) 25. 1. Müller-Hermann 31. 1. Neubauer 17.2. Neumann (Berlin) 25. 1. Ollenhauer 25. 1. Dr.-Ing. Philipp 25. 1. Rademacher 31. 1. Ravens 25. 1. Dr. Reinhard 25. 1. Richarts 26. 1. Dr. Rutschke 31. 1. Sander 25. 1. Schmücker 24. 1. Schneider (Hamburg) 31. 1. Schröder (Osterode) 25. 1. Schütz 25. 1. Dr. Stammberger 3. 2. Dr. Starke 24. 1. Stein 24. 1. Frau Strobel * 25. 1. Struve 25. 1. Dr. Süsterhenn 25. 1. Urban 25. 1. Wacher 25. 1. Dr. Wahl 28. 2. Dr. Zimmer 26. 1. Zühlke 24. 1. b) Urlaubsanträge Dopatka 21.2. Werner 24. 2. *) Für die Teilnahme an Ausschußsitzungen des Europäischen Parlaments
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Hermann Schmitt


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Herr Minister hat in seinen letzten Ausführungen seinen Stuhl mit großen Nadeln gespickt gesehen. Ich muß sagen, manchmal setzt er sich auch selbst in Nadeln, ohne daß ein Grund dazu vorhanden ist. So hat er vorhin beispielsweise von den ,,Verfassungsromantikern" gesprochen. Herr Minister, ich muß Ihnen sagen, das war wieder einmal eine schlechte Vokabel. Wenn der Herr Kollege Hoogen in Fragen der Sicherung der rechtlichen Ordnung Darlegungen gemacht hat, ist ein solches Attribut sicher nicht gut. Ich glaube, in diesem Hause sind wir eigentlich stolz darauf, daß wir die Vorstellung haben, dadurch die Freiheit und die Sicherheit dieser Demokratie auch für Notzeiten verankern zu können. Insofern sollte man wohl eine solche Vokabel gar nicht gebrauchen.
    Sie haben vorhin von den Beispielen gesprochen. Es war eigentlich immer sehr positiv, daß wir Ihnen bei den Beispielen an sehr vielen Dingen zeigen konnten, wie man manches besser regeln kann.
    Wir haben jetzt über die zivile Notstandsplanung zu sprechen. Damit treten die Fragen des zivilen Bevölkerungsschutzes erstmalig in der Nachkriegszeit mit der Möglichkeit, daß schnell zahlreiche gesetzliche Verpflichtungen und Auflagen gemacht werden, in das Bewußtsein unserer Bevölkerung. Es ist wohl richtig und notwendig, in einer solchen Lage einiges Grundsätzliche zu den Fragen ,der zivilen Notstandsplanung, des Zivilschutzes, ihren Entwicklungen, ihren Notwendigkeiten und Möglichkeiten zu sagen.
    Meine Damen und Herren, in der Geschichte der Menschheit haben in fast allen kriegerischen Auseinandersetzungen nicht nur die Kombattanten Not und Tod erlitten, sondern stets war auch die Bevölkerung mittelbar und unmittelbar Objekt des Krieges. Wir kennen — wenn ich mir die Bemerkung erlauben darf — zahlreiche Werke der Weltliteratur und der Bildenden Kunst, in denen die Not und das Elend der Menschheit eindrucksvoll geschildert werden. Alle Sachverständigen sagen heute allerdings, daß keine Vorstellungskraft ausreiche, um das aus-



    Schmitt-Vockenhausen
    zumalen, was die Menschheit in einem dritten Weltkrieg erleiden würde.
    Während früher das Leid und die Verluste der Menschen an Leib und Leben vor allem auf die Übergriffe der Kriegführenden zurückzuführen waren, sind sie mit der Entwicklung der modernen Waffentechnik immer mehr in Zusammenhang mit den Kampfhandlungen entstanden. In eindrucksvoller Weise wird diese Entwicklung in ,der dankenswerten Schrift der Vereinigung deutscher Wissenschaftler „Ziviler Bevölkerungsschutz heute" belegt. Während der Anteil der Zivilbevölkerung an den 9,8 Millionen Toten des ersten Weltkrieges noch 5% Prozent betrug, war er im zweiten Weltkrieg schon 48% von 52 Millionen. Im Korea-Krieg waren sogar 84% der 9,2 Millionen Toten Zivilisten. Niemand wird sagen können, was geschehen würde, wenn die Weltmächte in eine Auseinandersetzung verwickelt würden. Sie wissen, es gibt verschiedene Theorien über den Ablauf solcher bewaffneter Auseinandersetzungen. Wir wissen nicht, wie ihr Verlauf sein würde. Selbst ein Krieg. mit konventionellen Waffen — und jeder, der die konventionellen Waffen des Jahres 1963 kennt, weiß, daß ihre Feuerkraft ein Vielfaches der des zweiten Weltkrieges darstellt — würde für die Bevölkerung zu ungeheuren Zerstörungen und Verlusten führen. Vor allem gibt es, wenn der Gegner die Zivilbevölkerung treffen will, keinen Schutz, der schnell geschaffen werden kann und der überhaupt in einem vernünftigen Verhältnis zu den finanziellen Möglichkeiten eines Volkes stehen würde.
    Wir sind sehr froh darüber, daß die Entwürfe der Regierung von jenen illusionären Vorstellungen, wie sie landläufig gepflegt worden sind, abgehen und hier keine falschen Meinungen aufkommen lassen über die grausame Wirklichkeit, der wir uns gegenübersehen.
    Ich will davon absehen, noch einmal zu schildern — das ist in diesem Hause schon oft genug geschehen —, welche Wirkungen Atom- und Wasserstoffbomben, geschweige denn, welche Auswirkungen chemische und biologische Kampfmittel hätten. Es gibt eingehende realistische Schilderungen dieser Verheerungen. Sie wissen ja, daß Hiroshima und Nagasaki mit 130 000 Toten und 150 000 Verletzten nur ein Vorspiel dessen waren, was uns erwarten würde. Sie wissen aus Manöverberichten, daß eine einzige auf New York geworfene Atombombe nach vorsichtiger Schätzung etwa 5 Millionen Menschen das Leben nehmen würde und daß ein mittlerer Atombombenschlag gegen die USA etwa 60 Millionen Amerikaner töten könnte.
    Meine Damen und Herren, ich will mich nun nicht mit den militärischen Theorien im einzelnen beschäftigen, weder mit der Theorie der massiven Vergeltung noch mit der der abgestuften Abschreckung. Ich will auch nicht im einzelnen auf die Gründe, die für oder gegen diese Theorien sprechen, eingehen. Ich gehöre zu denen, denen die Auffassung von der begrenzten Abschreckung sehr viel besser begründet erscheint als viele Meinungen, die hier und auch anderwärts im Zusammenhang mit der massiven Vergeltung vorgetragen worden sind. Aber ich
    glaube in dieser Stunde: wenn wir es schaffen wollen, die Menschen unseres Volkes für den zivilen Bevölkerungsschutz zu gewinnen, dann müssen wir versuchen, möglichst viele, ja, möglichst alle für diese Aufgabe zu gewinnen. Ich glaube, daß das nur möglich ist, wenn wir klarmachen, daß ziviler Bevölkerungsschutz nichts anderes ist als Ausdruck echter Humanität, daß er nicht Folge militärischer Überlegungen ist.
    Meine Damen und Herren, der zivile Bevölkerungsschutz ist der großangelegte Versuch, im Falle des Falles zu helfen, wem noch zu helfen ist, zu retten, was zu retten ist, und nicht zuletzt, für einen solchen Tag vorzubereiten, was in unseren Kräften steht, was finanziell möglich ist und was mit einigermaßen Sicherheit auch wirksam werden wird. Wir wissen, daß für den Teil der Bevölkerung, der nicht an den Kampfhandlungen beteiligt ist, auf allen Seiten die gleichen schrecklichen Aussichten bestehen. Es eröffnet sich daher auf diesem Gebiet die Möglichkeit, durch internationale Abmachungen ähnlich den Genfer Konventionen die Grundlage für internationale Vereinbarungen zum Schutze der notleidenden Zivilbevölkerung zu schaffen. Wir sind hier für jede Initiative und für jede Maßnahme dankbar. Ich möchte nur an die Prager Beschlüsse vom Oktober 1961 erinnern. Jeder Fortschritt ist hier von großer Bedeutung für die Zivilbevölkerung.
    Wir werden natürlich bei unseren Bemühungen in unserem Volk vielen Menschen begegnen, die aus diesen oder jenen Gründen glauben, abseits stehen zu sollen oder zu müssen. Ich denke dabei an die zahlreichen Angehörigen der mittleren und älteren Generation, die allein schon durch das Heulen der Sirenen verstört und erschreckt werden. Ich denke an die Menschen, die allein durch die Erinnerung an die Bombennächte in schlimmste seelische Konflikte kommen. Ich halte die Motive vieler Menschen für durchaus ehrenwert, die Sorge haben, ob ihre Hilfe beim zivilen Bevölkerungsschutz nicht die Gefahr der Vorbereitung und Möglichkeit eines neuen Krieges vergrößere. Wir nehmen alle diese Argumente ernst. Aber wir glauben, mit all jenen übereinstimmen zu müssen, die, wie die Vereinigung deutscher Wissenschaftler, aus wohlüberlegten Gründen der Auffassung sind, daß wir alle uns der sittlichen Verpflichtung der Hilfe in Notzeiten nicht entziehen können.
    Da niemand etwas Genaues weiß und niemand etwas absolut Richtiges voraussagen kann, da niemand die Entschlüsse und Schritte eines potentiellen Gegners kennt, müssen wir uns nun überlegen: was können wir tun, welches Ziel können wir uns setzen, ohne daß zivile Schutzmaßnahmen zum Wunschdenken werden? Selbst wenn wir aus dieser für alle verbindlichen Sache Maßnahmen einleiten und prüfen, werden sie so umfangreich, so einschneidend im Leben unseres Volkes und im Gefüge unserer Wirtschaft und unserer finanziellen Leistungskraft sein, .daß wir uns sorgfältig überlegen müssen, was wir tun können, was wir tun wollen und was wir tun müssen.
    In der Diskussion über die zivile Notstandsplanung wird leider allzu oft vergessen, was ein ziviler



    Schmitt-Vockenhausen
    Notstand für ein Volk bedeutet und was getan werden muß, um ihm zu begegnen. Denken Sie nur daran: der einzelne muß gewarnt werden. Die Warnung hat nur einen Sinn, wenn man weiß, wie man sich schützt. Der einzelne muß wissen, wo Schutzräume sind. Es sollte Schutzmöglichkeiten am Arbeitsplatz, in der Schule, an öffentlichen Plätzen geben. Das allein genügt nicht. Es muß Schutzgerät vorhanden sein. Es muß Vorsorge für Essen und Trinken getroffen werden. Neben der Lebensmittelbevorratung brauchen wir Kleidung und Decken. Die öffentlichen Versorgungsbetriebe müssen geschützt werden. Die Ausrüstung mit Transistorgeräten ist notwendig. Nicht zuletzt brauchen wir Hilfs-
    und Ausweichkrankenhäuser und Arzneimittelvorräte.
    Alle diese Fragen stehen nicht erst seit heute auf der Tagesordnung, sondern sie stehen seit jenem Tag zur Diskussion, an dem der Bundeskanzler den Alliierten seine Bereitschaft zur Aufstellung von Truppen erklärt hat. Ich will mich hier nicht mit der Frage auseinandersetzen, ob in all diesen Jahren geschehen ist, was hätte geschehen können und was hätte geschehen müssen.
    Eine kurze Zwischenbilanz von dem, was geplant war und dem, was geschehen ist, zeigt, daß wir keinen Grund zur Zufriedenheit haben, Herr Minister. ch will hier nur daran erinnern, daß wir beispielsweise von jenem überörtlichen Luftschutzhilfsdienst, der mit 110 000 Helfern geplant war, im Augenb ick nur etwa 35 000 Helfer haben. Ich könnte hier die Liste noch weiterführen, z. B. .die fehlenden Krankenhäuser erwähnen. Lassen Sie mich zu den Haushaltsmitteln eines sagen: selbst wenn stolze Zahlen im Haushalt stehen, sind die Gelder noch lange nicht ausgegeben. Sie wissen, daß hier die Sparsamkeit Rekorde geschlagen hat und daß von den zahlreichen Mitteln, die bewilligt worden sind, nur verhältnismäßig wenig ausgegeben worden ist. All das will ich hier nur noch einmal in Ihre Erinnerung zurückrufen.
    Für die Aufklarung der Bevölkerung über richtiges und falsches Verhalten hat die Regierung trotz unseres Drängens auch recht wenig getan. Sie wissen auch, daß Merkblätter wie „Jeder hat eine Chance" die Unsicherheit sicher nicht verringert, sondern vermehrt haben. Wir haben immer wieder den schnelleren Aufbau eines funktionierenden Warnsystems gefordert. Leider wurde auch in dieser Hinsicht zu wenig getan, und der Aufbau der Warnämter geht noch zu schleppend voran. Sie wissen, daß wir uns in jedem Jahr hier über diese Frage unterhalten haben. Wir sind oft genug damit vertröstet worden, daß man noch mehr Erfahrungen sammeln müsse. Es sind fast neun Jahre seit dem ersten großen Antrag in dieser Frage vergangen. Ich brauche es Ihnen nicht zu sagen, das kann man sich selbst ausrechnen: was man in dieser Zeit mit relativ geringen Mitteln hätte tun können, das ist heute viel teurer und schwieriger. Nachdem man die Maßnahmen so lange vor sich hergeschoben hat, nur weil sie nicht populär waren, müssen wir jetzt alle die Rechnung dafür bezahlen. Ich sage das nicht im Sinne einer Klage oder Anklage, ich sage es als
    Feststellung, ich sage es als Hoffnung, daß wir uns einem Abschnitt des zivilen Bevölkerungsschutzes nähern, den wir gemeinsam hier bewältigen sollten. Meine Damen und Herren, wir haben uns immer bemüht, diese Fragen mit Ihnen gemeinsam zu lösen, und ich habe seit Ihrem Amtsantritt, Herr Minister, das Gefühl, daß wir bei unseren Bemühungen auf mehr Bereitschaft als in der Vergangenheit stoßen.
    Daß Sie heute, Herr Minister, vor einer ungleich schwierigeren Situation als in den Zeiten des Juliusturms stehen, ist uns auch klar. Weil Sie nun in vielen Fällen Bundesmittel noch nicht bereitstellen konnten, haben Sie nun hier den Versuch gemacht, die Bürger dafür in um so stärkerem Maße heranzuziehen. Das geht uns vielfach zu weit: Wir wissen aber, daß hier Grenzen gesetzt sind, nicht nur durch das Einkommen, sondern auch dadurch, daß wir bei unseren Bemühungen nicht neue Widerstände heraufbeschwören dürfen, wo wir gerade dabei sind, alte Widerstände bei den Menschen abzubauen und zu beseitigen.
    Vor allem — ich muß das hier leider sagen, Herr Minister — werden die Gemeinden durch diese Gesetze in große Sorge versetzt. Sie wissen, ihre Belastung ist ohnehin groß und ihr finanzieller Bedarf bei weitem nicht gedeckt, und schließlich warten sie ja auch auf die Erfüllung zahlreicher Versprechungen auf finanzielle Hilfe. Herr Kollege Güde, wir haben lange Vertrauen auf diese Versprechungen mit der Finanzreform gehabt, sind aber immer enttäuscht worden. Wenn nun noch hinzu kommt, daß die Städte, die ohnehin Krllege sehr viel gelitten haben, jetzt auch noch erhöhte Aufwendungen für die Kosten des zivilen Bevölkerungsschutzes machen müssen, dann dürfen Sie nicht verkennen, daß die Gemeinden Grund und Recht zur Sorge haben und 'daß sie den Wunsch haben, daß wir uns hier gemeinsam um vernünftige Lösungen bemühen.
    Wenn wir uns nun hier Gedanken über die Gesamtheit der Vorlagen gemacht haben, dann gilt das vor allem für die zahlreichen Wünsche auf Ermächtigungen. Da hat ein Mann der Wirtschaft ganz richtig gesagt: „Wenn ich einen Kredit von einer Million brauche, dann kann ich mir doch nicht zehn Millionen bereitstellen lassen". Sie haben sich in den Gesetzen mit Ermächtigungen vorsorglich gut eingedeckt. Wir werden uns im einzelnen damit beschäftigen müssen. Wir wissen, daß es notwendig ist, Ermächtigungen zu geben; aber wir werden auch immer daran denken, daß dabei Maßhalten gut ist.
    Ich will über die wirtschaftspolitischen Vorstellungen, die in diesen Gesetzen zum Ausdruck kommen, nichts sagen. Aber mir hat ein uns nicht wohl gesinnter Mann gesagt: „Das hätte unser Verband nicht einmal von der SPD angenommen, was da alles an Vorstellungen entwickelt ist." Ich würde empfehlen, daß wir uns sehr eingehend damit beschäftigen. Stellen Sie sich einmal vor: Sie können sogar die Elektrifizierung der Bundesbahn mit dem Verkehrssicherungsgesetz durch Verwaltungsakt rückgängig machen! Ich will damit sagen: man muß sich



    Schmitt-Vockenhausen
    mit diesen Ermächtigungen sehr sorgfältig beschäftigen. Hier ist eine solche Fülle von Ermächtigungen vorgesehen, daß kein Parlament mit gutem Gewissen seine Zustimmung geben kann.
    Wir werden uns später noch mit den Einzelgesetzen beschäftigen, mein Kollege Lünenstraß mit dem Zivildienstgesetz und dem Bundesgrenzschutzgesetz, die verehrte Frau Kollegin Renger mit dem Schutzbaugesetz, der Herr Kollege Hansing mit dem Aufenthaltsregelungsgesetz und dem Selbstschutzgesetz.
    Bei allem guten Willen, Herr Minister, den Sie hier gehabt haben, läßt sich nicht verheimlichen: Ihre Entwürfe sind nicht zur vollen Reife gediehen. Ich muß das anfügen, weil ich damit klarmachen will: wir müssen diese Entwürfe sehr sorgfältig prüfen. Wir bemängeln, wie Sie ja auch wissen, daß es noch an der notwendigen Gesamtkonzeption und Gesamtplanung fehlt. Aber das wissen wir gemeinsam. Wir werden uns darum bemühen. Es ist ja so: die eigentlichen Impulse, das endlich einmal voranzutreiben, kamen immer gewissermaßen von der Außenpolitik. Da war der 13. August, da war die Kuba-Krise, und dann mußte das plötzlich hier schnell über die Hürden.
    Meine Damen und Herren, wir wollen uns bemühen, klare Zeitpläne in Ihre Vorstellungen hineinzubringen. Wir müssen dabei bedenken, daß auch die technische Entwicklung schnell vorangeht. Vieles ist in kurzer Zeit überholt. Schließlich wird auch die Bereitschaft der Menschen, mitzuarbeiten, davon abhängen, daß sie eine übergeordnete Gesamtsicht spüren. Erst dann sind sie bereit, ihren Teil an Opfern zu bringen, wenn sie das hier sehen. Schließlich müssen die Opfer auch im Rahmen der Gesamtplanung vertretbar und sinnvoll sein.
    Vor allem müssen wir dafür sorgen — wir haben das auch im Ausschuß schon besprochen —, daß Spekulationsüberlegungen bei den zahlreichen Maßnahmen ausgeschaltet werden, wenn die Planung in Gang kommt. Die Spuren des Koblenzer Beschaffungsamtes sollten uns schrecken, und wir sollten daraus einiges lernen. Herr Minister, ich hoffe, daß auch Ihr Haus einiges aus den eigenen unvollkommenen Planungen gelernt hat. Der Bundesrechnungshof hat die Kritik der Opposition der vergangenen Jahre in diesen Tagen noch einmal bestätigt. Da ist einiges getan worden, was wir immer bemängelt haben: Man kann doch auch nicht Hals über Kopf etwas tun, nur um etwas zu tun, sondern man muß das schon so einrichten, daß nicht der Steuerzahler letztlich der Leidtragende ist und der Staat große Verluste erleidet.
    Ich gestehe auch, daß ich manches in den Entwürfen vermisse, was in anderen Ländern mit Erfolg durchgeführt und entwickelt worden ist. Ich denke da z. B. an die Frage der Erkennungsmarken. Sicher weiß ich, daß es für viele Menschen erschreckend ist, wenn man überhaupt an diese Frage geht. Aber ich glaube, daß sie nicht nur für den zivilen Bevölkerungsschutz, sondern auch bei Verkehrsunfällen gute Dienste leisten kann. Wir sollten das prüfen.
    Ich denke an die Frage der Ausnutzung von Transistorgeräten. Wir wissen, daß wir mit dem
    Ausfall des elektrischen Stroms rechnen müssen. I Vorbereitungen auf diesem Gebiet sind unumgänglich.
    Lassen Sie mich hier auch noch einmal die Frage des Warnsystems anschneiden. Sie wissen, daß in den Vereinigten Staaten ein vereinfachtes Warnsystem besteht. Bei mehreren Warnsignalen besteht bei kurzen Warnzeiten zu große Gefahr der Verwechslung und damit entsetzlicher Irrtümer. Wir sollten uns auch dieser Frage, die zunächst in Ihre Zuständigkeit gehört, doch noch einmal bei den weiteren Gesprächen im Ausschuß zuwenden,
    Ich will mich nun hier nicht über die Fragen der Organisation verbreitern. Sie ist historisch gewachsen, und das spricht nicht immer dafür, daß sie sinnvoll ist. Wir wissen das alle. Wir wollen uns daher bemühen, eine klare Verwaltungsorganisation zu schaffen. Der Luftschutzhilfsdienst muß in ein vernünftiges Verhältnis zum Katastropheneinsatz kommen. Wir brauchen noch bessere Abgrenzungen zwischen Selbstschutz und Luftschutz. Ich bin der Meinung, daß alles, was über den unmittelbaren Bereich des einzelnen hinausgeht, von ihnen nicht mehr als Selbstschutz angesehen wird, so daß wir hier noch Vorstellungen entwickeln müssen.
    Meine Damen und Herren, große und schwere Aufgaben sind es, die wir mit der Beratung dieser Gesetzentwürfe vor uns haben. Niemand gibt sich in diesem Hohen Hause Illusionen 'darüber hin, daß, wenn jeder eine Chance haben soll, sie nur darin liegen kann, daß kein Krieg entsteht.
    Wir wollen nun versuchen, mit allen Sachverständigen, mit den Ministerien — was nicht heißt, daß dort keine Sachverständigen sind — diese Fragen vertrauensvoll zu lösen.
    Herr Minister, lassen Sie mich hier ein Wort sagen: Ich bin nicht sehr begeistert — ich habe es Ihnen auch schon gesagt —, daß ausgerechnet der Leiter Ihrer Zivilschutzabteilung zu dem Zeitpunkt, da hier die Vorarbeit für diese Gesetzgebung in die Wege geleitet ist, weggeht. Wenn auch Frau Schwarzhaupt wegen der Koalitionsschwierigkeiten 14 Monate keinen Staatssekretär finden wollte oder konnte, ist es natürlich ein ungünstiger Zeitpunkt, wenn Sie ausgerechnet dann, wenn die Gesetze hier zur ersten Lesung anstehen, diesen Herrn dorthin abgeben müssen.

    (Abg. Dr. Schäfer: Aber wenn er Staatssekretär wird!!!)

    — Ich habe selbstverständlich nichts gegen das Fortkommen des einzelnen, ich beglückwüsche den Herrn dazu.
    Wir wollen versuchen, gemeinsam mit den kommunalen Spitzenverbänden, den Gewerkschaften und der Wirtschaft das zu tun, was in unseren Kräften steht. Wir können nicht genug Anregung und Hilfe von draußen bekommen. Der Sachverstand zahlreicher Wissenschaftler und aller interessierten Kreise, auch der Praktiker, kann uns hier nur helfen. In diesem Fall hat niemand von den Theoretikern des Ministeriums, das wissen Sie, den Sachverstand für sich gepachtet. Wir brauchen den Rat aller.



    Schmitt-Vockenhausen
    Lassen Sie mich noch eines sagen. In den Vereinigten Staaten wird in öffentlichen Diskussionen immer wieder auf die Gefahr hingewiesen, daß allzu perfektionistische Maßnahmen beim zivilen Bevölkerungsschutz die Grundstruktur unserer demokratischen Gesellschaftsordnung ändern können. Man muß diese Gefahren erkennen, um ihnen begegnen zu können. Wir müssen auch die Leistungskraft und die Leistungsfähigkeit der Wirtschaft in Rechnung stellen. Wir müssen die Utopie auf diesem Gebiet vermeiden, den Fatalismus überwinden und einen Weg suchen, von dem wir hoffen, daß ihn zu gehen vielleicht in einigen Jahren für die Menschheit überflüssig sein wird.
    Ich bin mit der Denkschrift, von der ich schon einmal gesprochen habe, die von den Professoren Hahn, Heisenberg und Weizsäcker unterzeichnet ist, der Ansicht, daß jede noch so geringe Chance, Menschenleben zu retten, uns allen die Pflicht auferlegt, diese Möglichkeiten wahrzunehmen. Parlament und Regierung haben die Pflicht, sie aufzuzeigen und voranzugehen.
    Meine Damen und Herren, die SPD-Bundestagsfraktion wird bei den Beratungen der Gesetze für die zivile Notstandsplanung entsprechend den Entschließungen ihrer Parteikörperschaften mitarbeiten und versuchen, das Beste zum Wohle der Menschen unseres Volkes zu tun.

    (Beifall bei der SPD und Abgeordneten der FDP.)



Rede von Erwin Schoettle
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Abgeordnete Lünenstraß.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Karl-Heinz Lünenstraß


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Meine Kollegen haben über die Grundsätze und über die Grundzüge der sozialdemokratischen Auffassung zu den vorliegenden Gesetzentwürfen gesprochen. Ich habe den Auftrag, einige Bemerkungen zu dem vorliegenden Gesetzentwurf über den Zivildienst im Verteidigungsfall zu machen. Mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten darf ich einige weitere Bemerkungen zu der Ergänzung des Gesetzes über den Bundesgrenzschutz und die Einrichtung von Bundesgrenzschutzbehörden machen.
    Vorab eine allgemeine Bemerkung. Vor ungefähr einem Jahr fand die erste Lesung dieses Zivildienstgesetzes im Bundesrat statt. Schon damals hat die sozialdemokratische Fraktion hier in diesem Hause die Auffassung vertreten, daß es nicht glücklich sei, dieses Gesetz isoliert und für sich allein zu beraten. Die Mehrheit des Bundesrates hat einen entsprechenden Antrag abgelehnt. Insbesondere der Herr Staatssekretär des Bundesinnenministeriums hat die besondere Dringlichkeit und die Eilbedürftigkeit des Gesetzes betont.
    Ich glaube, es war gut, daß die erste Beratung damals nicht erfolgt ist, und zwar aus zwei Gründen. Erstens ist nicht zu bezweifeln, daß das Gesetz in einem sachlichen Zusammenhang mit den heute zur Beratung stehenden Gesetzen steht; der Innenminister selbst sprach in dem Zusammenhang von einem Paket. Zum anderen — ich möchte mit allem
    Nachdruck und mit allem Ernst darauf hinweisen — handelt es sich bei der von Ihnen erwarteten und durchaus möglichen Zustimmung der sozialdemokratischen Fraktion zu der Grundgesetzänderung ja nicht nur für uns jedenfalls nicht nur — um eine Überprüfung der Gesetzgebung zur Änderung des Grundgesetzes. Vielmehr kommt es uns selbstverständlich entscheidend auch darauf an, wie diese Gesetze — ich darf es noch einmal sagen — innerhalb des gesamten Paketes gestaltet werden.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Wir werden also unsere Haltung und unsere mögliche Zustimmung davon abhängig machen, wie diese Gesetze — ich will keine Bewertung der einzelnen Gesetze vornehmen — gestaltet werden. Aber ich will in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, daß gerade das Gesetz über den Zivildienst von besonderer Bedeutung ist.
    Wir haben in unangenehmer Erinnerung den Entwurf für ein Notdienstgesetz aus dem Jahre 1960. Wir bedauern außerordentlich, daß wir bei ganzen Passagen und bei vielen Einzelstellen des vorliegenden Gesetzentwurfs an dieses Notdienstgesetz erinnert werden. Wir hätten es gern gesehen, wenn die Regierung und insbesondere der Herr Innenminister aus der .damaligen ersten Lesung und aus der öffentlichen Diskussion einige Konsequenzen bestimmter Art gezogen hätte. Nun gut, das ist nicht geschehen oder nur teilweise geschehen, nach unserer Auffassung unvollkommen geschehen. Wir werden in den zuständigen Ausschüssen — zusammen mit Ihnen — Gelegenheit haben, dazu Stellung zu nehmen. Wir werden den Versuch machen, über die Einzelheiten zusprechen und zu einer gemeinsamen Regelung zu kommen.
    Der Herr Innenminister hat heute in seinen Stellungnahmen wiederholt darauf hingewiesen, daß man nicht allzuviel theoretisieren sollte und daß man sich hüten sollte, Regelungen und Formen zu schaffen, die nicht praktikabel seien. Ich glaube, das vorliegende Zivildienstgesetz bietet allen Anlaß, jedenfalls im Ausschuß zu überlegen, ob denn diese Formulierungen und Einzelbestimmungen wirklich praktikabel sind. Sowohl die Ordnungs- und insbesondere die Strafbestimmungen als auch die Erfassungsbestimmungen sind nach unserer Meinung nicht nur nicht liberal genug gehalten, sie erschweren auch das, was man in Wirklichkeit will. Am Wollen und am Willen zum Gemeinsamen sollte kein Zweifel bestehen.
    Ich darf, meine sehr verehrten Damen und Herren, einige wenige Bemerkungen zu den Punkten machen, die hier erwähnt worden sind. Ich will mich dabei auf ein paar wesentliche Punkte beschränken.
    Nach wie vor ist die Auswirkung des § 3 ungeklärt. Ungeklärt ist die Übereinstimmung mit Art. 12 des Grundgesetzes. Während in § 3 vom Einsatz im Bereich der Bundeswehr gesprochen wird, spricht Art. 12 vom Verband. Wir sind der Auffassung, daß hier eine korrekte und einwandfreie Abklärung zu erfolgen hat, und wir erwarten von der Bundesregierung in den zuständigen Ausschüssen nicht nur eine Aufklärung über diese Tatbestände, sondern eine wirkliche Klärung.



    Lünenstraß
    Ebenfalls liegt uns eine wirkliche Trennung der einzelnen Zuständigkeiten am Herzen. Ich kann es mir ersparen, hier heute weiteres dazu zu sagen; meine Kollegen haben schon einige Bemerkungen dazu gemacht. Die in diesem Gesetz niedergelegte Regelung versucht nicht nur, den Aufgabenbereich der zivilen Verteidigung, sondern versucht gleichzeitig auch Aufgaben in der Wirtschaft zu ordnen. Es bleibt abzuwarten und ist zu prüfen, ob das der einzig mögliche und in diesem Zusammenhang richtige Weg ist. Wir haben da berechtigte Zweifel. Wir möchten annehmen, daß nach einer gemeinsamen Beratung die Möglichkeit gegeben ist, Regelungen und Formulierungen zu finden, die der 'Sache nach gerecht sind.
    Ich möchte in diesem Zusammenhang auch auf ein weiteres Problem aufmerksam machen, von dem heute schon einmal die Rede war. Es handelt sich um die Festlegung der Heranziehungsbehörden. Es hat darüber nicht nur im 3. Bundestag, sondern auch bei den Beratungen im Bundesrat Auseinandersetzungen gegeben. Daß die Meinungen darüber auseinandergehen, ist dem Hohen Hause bekannt. Wir sind nach wie vor der Auffassung, daß es tunlich ist, damit die Arbeitsverwaltungen nicht zu beauftragen. Das im einzelnen zu begründen ist im Augenblick nicht erforderlich. Einige Gründe sind genannt worden. Es ist der Regierung bislang jedenfalls nicht gelungen, uns davon zu überzeugen, daß dieser Weg der einzig mögliche, der praktikable und sinnvolle ist. Das isst insbesondere aus dem
    Grunde nicht gelungen, weil sich im Rahmen der gesamten zivilen Notstandsplanung 'herausstellen wird, daß die unteren Verwaltungsbehörden auf der Ebene des Landkreises und der kreisfreien Städte nicht nur diese, sondern viele andere Aufgaben erledigen müssen.
    Im übrigen möchte ich mich der Auffassung anschließen, die in der Diskussion im Bundesrat zum Ausdruck gebracht worden ist: daß das Verständnis bei der Bevölkerung für eine Maßnahme, die von der unteren Verwaltungsbehörde veranlaßt worden ist, mit Sicherheit größer ist als für eine Maßnahme, die von der Arbeitsverwaltung getroffen worden ist. Wie gesagt, auch hier bleibt die Frage offen, welche Regelung im einzelnen als die richtige, als die praktikable anzusehen ist.
    Meine Damen und Herren, in der Begründung zu dem Entwurf der Regierung wird wiederholt auf den Vorrang der Freiwilligkeit hingewiesen. Nun, es gibt auch bei uns keine Meinungsverschiedenheiten darüber, daß wir allein mit dem Appell an die Freiwilligkeit und allein mit den Freiwilligen die vor uns stehenden Aufgaben mit Sicherheit nicht bewältigen können. Das bedeutet aber doch nicht im vorhinein — ich möchte es einmal plastisch sagen —, die Segel zu streichen, indem man den Vorrang der Freiwilligkeit eben nur so en passant zum Ausdruck bringt. Wir meinen vielmehr, daß müßte nicht nur verstärkt werden, sondern darüber hinaus müßten wir alle uns verpflichtet fühlen, in der Öffentlichkeit mehr für den Gedanken der Freiwilligkeit bei all diesen Dingen zu werben.
    Mein Kollege Schmitt-Vockenhausen hat vorhin I auf das Fiasko beim zivilen Bevölkerungsschutz hingewiesen. Das muß nicht unbedingt so sein. Man kann nicht sagen, daß die Maßnahmen, die dort in der Vergangenheit ergriffen worden sind, die einzig möglichen oder notwendigsten waren. Wir werden uns also bei den Beratungen im Ausschuß überlegen müssen, welche anderen Wege zu beschreiten sind. Es gibt in der Sozialdemokratischen Partei keine Meinungsverschiedenheiten — ich darf das wiederholen — über die Notwendigkeit einer solchen gesetzlichen Regelung; sie wird auch von uns anerkannt. Wir brauchen in genügendem Umfang Kräfte für den zivilen Bevölkerungsschutz, für die Wahrnehmung lebens- und verteidigungswichtiger Aufgaben, z. B. in der öffentlichen Verwaltung, aber natürlich ebenso für den Sanitäts- und für den Polizeidienst.
    Über die Polizeireserve ist sowohl in den Diskussionsbeiträgen als auch vom Herrn Innenminister gesprochen worden.
    Als Grundlage für die gesamte Heranziehung halten wir eine Änderung des Grundgesetzes für zwingend notwendig. Wir wenden uns mit Entschiedenheit gegen Bestimmungen, die den Zivildienst im Bereich der Wirtschaft zulassen. Wir werden darüber in den Ausschüssen sprechen müssen, und wir erwarten, daß uns die Regierung ganz eindeutige Erklärungen darüber abgibt, wie in einem solchen Fall die Dinge geregelt werden sollen. Ich darf wiederholen, daß nach unserer Auffassung die Heranziehungsbehörden ganz allgemein die Behörden der öffentlichen Verwaltung sein sollten.
    Wir wünschen im übrigen, daß die Altersgrenze für die Heranzuziehenden einer genauen Prüfung unterzogen wird. Sie wissen, daß insbesondere um die Festsetzung der Altersgrenze für die Frauen eine lebhafte Diskussion eingesetzt hat. Uns allen ist bekannt, daß die Meinungen darüber nicht einheitlich sind,

    (Zuruf des Abg. Dr. Even)

    — auch bei den Frauen nicht einheitlich sind, Herr Kollege Dr. Even, selbstverständlich nicht. Keine Meinungsverschiedenheiten sollte es über die nach unserer Auffassung zwingende Notwendigkeit geben, Untersuchungen hinsichtlich der Mütter mit Kindern und auch hinsichtlich der Altersgrenze für Frauen im Grundsätzlichen vorzusehen. Ich glaube, eine solche Regelung würde auch bei den Frauen selbst Beifall finden.
    Die Frage der Versorgung für die Zivildienstpflichtigen ist in diesem Gesetzentwurf nicht ausreichend gelöst. Wir werden uns im zuständigen Ausschuß von den mitberatenden Ausschüssen beraten lassen müssen, damit wir zu Regelungen kommen, die allen Notwendigkeiten Rechnung tragen.
    Abschließend zu diesem Gesetzentwurf lassen Sie mich sagen: wir knüpfen an die Beratungen die Erwartung, daß die Gesetzentwürfe und insbesondere der Gesetzentwurf für ein Zivildienstgesetz nach der ersten Lesung bei den Beratungen in den zuständigen Ausschüssen und bei der zweiten Le-



    Lünenstraß
    sung eine Form bekommen, die eine praktische
    Handhabung im Interesse der Sache möglich macht.
    Gestatten Sie mir nun einige Bemerkungen zu dem auf der Tagesordnung an nächster Stelle aufgeführten Gesetzentwurf. Es handelt sich hierbei um eine Ergänzung des Bundesgrenzschutzgesetzes. Der Herr Innenminister hat heute vormittag bei seiner Stellungnahme einige Bemerkungen zu diesem Gesetzentwurf gemacht. Er hat in erster Linie die in der Begründung zu dem Gesetzentwurf vorgebrachte Argumentation wiederholt, daß zwar auch aus verschiedenen anderen Gründen eine Gesetzesänderung notwendig sei, daß aber vor allem etwas geschehen müsse zum Schutze der Beamten im Bundesgrenzschutz selbst. Der Herr Innenminister ist einen Schritt weitergangen. Er hat geglaubt, daß der Kombattanten-Status möglicherweise — und er bezog sich da auf Aussprachen mit den Innenministern der Länder — auf die Polizeieinheiten oder die Bereitschaftspolizei in den Ländern ausgedehnt werden könnte. Er hat in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, daß das in diesem Gesetz nicht geschehen sei. Er hat aber auch nicht gesagt, daß er das für die Zukunft vorsieht.
    Im möchte in diesem Zusammenhang den Wunsch äußern, daß die Regierung Gelegenheit nimmt, uns im zuständigen Ausschuß — der Herr Innenminister hat das bereits in einem anderen Zusammenhang vorhin zugestanden — eine umfassende Konzeption des Gesamtbereichs vorzutragen, in dem der Bundesgrenzschutz in Zukunft seine Aufgaben zu erfüllen haben wird. Wir sind der Meinung, daß nur dieses eine Argument zum Schutz der Beamtenschaft nicht allein durchschlagend sein kann. Wir werden auch Gelegenheit nehmen müssen, Überlegungen anzustellen, ob und in welchem Umfange das überhaupt geschehen soll.
    Ich möchte eine Anmerkung zu dem § 2 b machen, der dem Minister die Vollmacht erteilen soll, in Übereinstimmung mit dem Finanzminister dieses Gesetz oder aber die Konsequenzen dieses Gesetzes auch auf die Zollbeamtenschaft zu übertragen. Wir sollten davon ausgehen, daß die Leute, die den Beruf des Polizeibeamten oder aber des Zollbeamten gewählt haben, sich für einen Zivilberuf entschieden haben, und wir werden ernsthaft überlegen und prüfen müssen, inwieweit die hier geforderten einzelnen Dinge nun in jedem Fall auch in Übereinstimmung mit diesem Erfordernis und mit dem Wunsch der Beamtenschaft selbst zu bringen sind. Wir sollten es uns nicht so einfach machen, daß wir durch die Verleihung des Kombattanten-Status zwar — so lautet auch die Argumentation der Regierung — hier eine Schutzmöglichkeit für den Betreffenden schaffen, andererseits aber in endlose Verwicklungen mit den Beamten, insbesondere mit der Zollbeamtenschaft selbst geraten.
    Ich möchte hierbei feststellen, daß wir zumindest zu diesem Zeitpunkt glauben, eine Zustimmung nicht geben zu können. Wir werden aber auch hier den weiteren Gang der Beratungen in den Ausschüssen abwarten und natürlich unsere endgültige Entscheidung von dem Gang der Verhandlungen abhängig machen.
    Ich darf zum Schluß noch einmal darauf hinweisen, daß wir sowohl für das Zivildienstgesetz als auch für die Ergänzung des Bundesgrenzschutzgesetzes erwarten, daß die Regierung und die Mitglieder der Koalitionsfraktionen im zuständigen Ausschuß unsere Arbeit anerkennen, so wie wir unsererseits durchaus bereit sind, sachlich mitzuarbeiten, um beiden Gesetzen die erforderliche Form zu geben.

    (Beifall bei der SPD.)