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ID0405603000

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    Deutscher Bundestag 56. Sitzung Bonn, den 24. Januar 1963 Inhalt: Entwurf eines Gesetzes zur Ergänzung des Grundgesetzes (Drucksache IV/891) — Erste Beratung — Höcherl, Bundesminister . 2477 A, 2526 D Hoogen (CDU/CSU) . . . . . . 2491 C Dr. Schäfer (SPD) . . . . . . . 2495 D Dorn (FDP) . . . . . . . . . 2504 C Leber (SPD) . . . . . . . . 2507 A Sänger (SPD) 2516 B Dr. h. c. Güde (CDU/CSU) . . . 2523 D Entwurf eines Gesetzes über den Zivildienst im Verteidigungsfall (Zivildienstgesetz) (Drucksache 1V/450) — Erste Beratung —; in Verbindung mit .dem Entwurf eines Gesetzes zur Ergänzung des Gesetzes über den Bundesgrenzschutz und die Einrichtung von Bundesgrenzschutzbehörden (Drucksache IV/343) — Erste Beratung —; dem Entwurf eines Gesetzes zur Regelung des Aufenthalts .der Zivilbevölkerung im Verteidigungsfall (Aufenthaltsregelungsgesetz) (Drucksache IV/895) — Erste Beratung —; dem Entwurf eines Gesetzes über bauliche Maßnahmen zum Schutz der Zivilbevölkerung (Schutzbaugesetz) (Drucksache IV/ 896) — Erste Beratung —; und dem Entwurf eines Gesetzes über den Selbstschutz der Zivilbevölkerung (Selbstschutzgesetz) (Drucksache IV/897) — Erste Beratung — Schmitt-Vockenhausen (SPD) . . . 2533 C Lünenstraß (SPD) . . . . . . . 2537 B Dr. Even (Düsseldorf) (CDU/CSU) 2539 C Frau Dr. Flitz (Wilhelmshaven) (FDP) 2541 D Busse (FDP) . . . . . . . . 2544 D Frau Renger (SPD) 2546 B Hansing (SPD) 2548 D Dr. Kempfler (CDU/CSU) 2550 D Hübner (CDU/CSU) 2551 D Entwurf eines Gesetzes über die Sicherstellung von Leistungen auf dem Gebiet der gewerblichen Wirtschaft sowie des Geld- und Kapitalverkehrs (Wirtschaftssicherstellungsgesetz) (Drucksache IV/ 892) — Erste Beratung —; in Verbindung mit dem Entwurf eines Gesetzes über die Sicherstellung der Versorgung mit Erzeugnissen der Ernährungs- und Landwirtschaft sowie der Forst- und Holzwirtschaft (Ernährungssicherstellungsgesetz) (Drucksache IV/893) — Erste Beratung —; und dem Entwurf eines Gesetzes zur Sicherstellung des Verkehrs (Verkehrssicherstellungsgesetz) (Drucksache IV/894) — Erste Beratung — Dr. Bieringer (CDU/CSU) . . . 2553 B Lange (Essen) (SPD) 2553 C Dr. Imle (FDP) 2555 D Lemmrich (CDU/CSU) 2556 C Überweisung der Gesetzentwürfe an Ausschüsse 2557 C Wahlen zum Europäischen Parlament und zur Beratenden Versammlung des Europarates 2557 D Nächste Sitzung 2558 C Anlage 2559 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 56. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. Januar 1963 2477 56. Sitzung Bonn, den 24. Januar 1963 Stenographischer Bericht Beginn: 9.02 Uhr.
  • folderAnlagen
    Anlage Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete (r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Fran Albertz 24. 1. Arendt (Wattenscheid) 25.1. Dr. Arndt (Berlin) 24. 1. Dr. Atzenroth 25.1. Dr. Dr. h. c. Baade 25. 1. Bading 5.2. Bauknecht 25. 1. Fürst von Bismarck 25. 1. Dr. Bleiß 25.1. Dr. von Brentano 25. 1. Brese 25. 1. Deringer 24. 1. Dr. Dörinkel 4. 2. Drachsler 25. 1. Dr. Dr. h. c. Dresbach 28.2. Eisenmann 24. 1. Etzel 26. 1. Faller * 25. 1. Figgen 23. 2. Funk (Neuses am Sand) 16. 2. Gewandt 31. 1. Freiherr zu Guttenberg 25. 1. Haage (München) 25. 1. Hahn (Bielefeld) 25. 1. Hammersen 24.1. Harnischfeger 25. 1. Hauffe 28.2. Hellenbrock 26. 1. Holkenbrink 26. 1. Dr. Hoven 25. 1. Illerhaus 24. 1. Kahn-Ackermann 25. 1. Kalbitzer 25. 1. Dr. Kanka 24. 1. Katzer 31. 1. Keller 25. 1. Frau Kipp-Kaule 25. 1. Klinker 25. 1. Koenen (Lippstadt) 25.1. Dr. Kohut 25. 1. Kriedemann* 25. 1. Kühn (Köln) 2.2. Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordneter) beurlaubt bis einschließlich Lemmer 26. 1. Lenz (Bremerhaven) 25. 1. Lücker (München) * 25. 1. Mattick 25. 1. Mauk 25. 1. Frau Dr. Maxsein 25. 1. Dr. Menzel 25. 1. Dr. von Merkatz 4. 2. Dr. Miessner 31. 1. Missbach 25. 1. Dr. Morgenstern 25. 1. Müller (Berlin) 28. 2. Müller (Remscheid) 25. 1. Müller-Hermann 31. 1. Neubauer 17.2. Neumann (Berlin) 25. 1. Ollenhauer 25. 1. Dr.-Ing. Philipp 25. 1. Rademacher 31. 1. Ravens 25. 1. Dr. Reinhard 25. 1. Richarts 26. 1. Dr. Rutschke 31. 1. Sander 25. 1. Schmücker 24. 1. Schneider (Hamburg) 31. 1. Schröder (Osterode) 25. 1. Schütz 25. 1. Dr. Stammberger 3. 2. Dr. Starke 24. 1. Stein 24. 1. Frau Strobel * 25. 1. Struve 25. 1. Dr. Süsterhenn 25. 1. Urban 25. 1. Wacher 25. 1. Dr. Wahl 28. 2. Dr. Zimmer 26. 1. Zühlke 24. 1. b) Urlaubsanträge Dopatka 21.2. Werner 24. 2. *) Für die Teilnahme an Ausschußsitzungen des Europäischen Parlaments
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Hermann Höcherl


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Nein, sondern ich meine, daß dort Vorentscheidungen fallen, denen wir uns wahrscheinlich in Anerkennung der Verträge und der Bindungen, durch die wir mit unseren Alliierten verknüpft sind, durchaus anschließen können, vor allem wenn wir in unseren Möglichkeiten der Führungsmacht weitgehend verpflichtet sein müssen.

    (Abg. Dr. Schäfer: Sie bestätigen und bekräftigen meine Befürchtungen!)

    — Nein, Herr Schäfer! Es gibt gar keinen Zweifel, daß wir Verpflichtungen aus dem NATO-Bereich haben; das wissen Sie!

    (Abg. Dr. Schäfer: Das ist etwas ganz anderes!)

    — Das meine ich und sonst nichts! Das, was Sie aus den geheimen Nachrichten herausgelesen haben, die in der Begründung zitiert sind, betrifft diesen Bereich; Sie haben es vielleicht falsch aufgefaßt. Ich darf deshalb, um Irrtümer auszuschalten, erklären: es ist ja so, daß sich ein richtiger Streit nur an Irrtümern entzünden kann; an Tatsachen kann er sich praktisch nicht entfalten. Da gibt es kaum viele Dissonanzen, aber die Irrtümer, die echten und die unechten, die gesuchten Irrtümer, die geben der Sache erst eine Würze. Das war auch hier vielleicht eine nicht ganz entfernte Ursache.
    Nun zu der berühmten einfachen oder Zweidrittelmehrheit für die Proklamation, zu der Herr Kollege Güde schon ein sehr wesentliches Argument geliefert hat. Es hat in der Weimarer Zeit, auf die mit Recht Bezug genommen wird, bereits Situationen gegeben, in denen das Erfordernis der Zweidrittelmehrheit uns in ernste Schwierigkeiten gebracht hat. Das wissen Sie genau. Das ist das eine. Wir dürfen nicht wieder die Möglichkeit schaffen, daß kleine Minderheiten, vielleicht kumuliert, solche Entscheidungen maßgeblich beeinflussen.
    Und noch eines, das mir noch viel wichtiger erscheint. Wir haben gemeinsam den Art. 59 a beschlossen, der die Ausrufung des Verteidigungsfalles und damit zugleich auch den Wechsel des Oberkommandos vom Verteidigungsminister zum Bundeskanzler betrifft. Da haben wir gemeinsam die einfache Mehrheit vorgesehen. In welch sonderbare Konkurrenz und in welchen Widerspruch zu unseren eigenen früheren Entscheidungen würden wir uns hier bringen! Nach Art. 59 a wird der Verteidigungsfall durch eine Entscheidung mit einfacher Mehrheit ausgelöst. Dieser einfachen Mehrheit haben wir damals zugestimmt; und hier machen wir eine Verfassungsergänzung und verlangen eine Zweidrittelmehrheit. Diesen Widerspruch soll mir jemand erklären!
    Aber das ist für mich nicht einmal das Entscheidende.

    (Abg. Dr. Schäfer: Ausschuß!)

    Das ist nur ein Grund. Der entscheidende Grund ist der, daß man Minderheiten unter Umständen, die unter ganz anderen Auspizien entstehen, hier in diesem Hause nicht die Möglichkeit geben soll, vielleicht demokratische Mehrheiten — und die Vertretungen in diesem Hause sind demokratische Mehrheiten — gemeinsam vom Wege der Pflicht abzuhalten.

    (Zuruf von der SPD: Das haben wir gestern gesehen!)

    Mit der Frage .der Verhältnismäßigkeit habe ich mich im Zusammenhang mit den Äußerungen des Herrn Kollegen Hoogen befassen können.
    Sie beanstanden dann den Art. 115 b und meinen, wir könnten die Vollmachten, die in den Buchstaben e und f des Abs. 2 aufgezählt sind, auf die Gesetzgebungszuständigkeit für die Sicherheit beschränken. Ich glaube nicht, daß das möglich ist. Ich darf ein einfaches Beispiel nennen. Nehmen Sie die finanziellen Anforderungen einer Krise und nehmen Sie unser Finanzverfassungsrecht.

    (Abg. Dr. Schäfer: Das ist ja unter e und f besonders aufgeführt!)

    — Das meine ich ja.

    (Abg. Dr. Schäfer: Dann brauchen Sie es ja auch nicht!)

    Sind Sie damit einverstanden, daß wir das ändern?

    (Abg. Dr. Schäfer: In „Sicherheit und Ordnung"!)

    — In „Sicherheit und Ordnung", die Finanzverfassung? — Nein!

    (Abg. Dr. Schäfer: Nein, Abs. 1!) — Abg.

    Dr. Weber [Koblenz]: Ausschuß!)
    — Nein, nein; zu Art. 115 b Abs. 2 haben Sie beanstandet, daß diese ganze Aufzählung gemacht wird, daß wir einfach „Sicherheit und Ordnung" sagen.

    (Abg. Dr. Schäfer: Da haben Sie mich mißverstanden!)




    Bundesminister Höcherl
    — Entschuldigung, ich bin gern bereit, das zur Kenntnis zu nehmen.
    Dann haben Sie beanstandet — eine ganz wesentliche Sache —, daß wir uns nun Beauftragte zulegen wollten, Reichsstatthalter alter Form usw., oder daß wir vielleicht gar der Meinung sein könnten, daß ein sozialdemokratischer Ministerpräsident kein geeigneter Statthalter sein könnte. Daß es ohne eine Beauftragung im ernstesten Falle gehen könnte, werden Sie selbst nicht annehmen, Herr Kollege. Ich glaube, wenn man sich einen sehr schlimmen Fall vorstellt — ein leichter Fall und ein Spannungsfall sind, glaube ich, nicht solche Fälle —, daß die Einsetzung eines solchen Beauftragten notwendig wird und daß die Begründung, die vielleicht mißverstanden worden ist, so ausgelegt werden könnte, als ob hier Parteigesichtspunkte eine Rolle spielten. Meine Damen und Herren, wir sind nicht so mißtrauisch. Ich bitte doch eines zur Kenntnis zu nehmen. Wir machen — Sie haben es selbst erklärt — eine solche Verfassungsänderung nicht für diese und für die nächste Legislaturperiode, sondern das soll dauernder Bestandteil unserer Verfassung bleiben. Wir rechnen ja damit, daß es noch sehr lange dauern wird, bis Sie, meine Damen und Herren, unter Umständen allein oder vielleicht mit uns zu sammen einmal die Regierung übernehmen. Meine Damen und Herren, ich habe die Formulierung so gewählt, daß wir auch bei den sehr zielbewußten Sozialdemokraten keine Gefahr laufen, daß sie diese Rechte mißbrauchen.

    (Heiterkeit und Beifall bei den Regierungsparteien.)

    So habe ich das formuliert.
    Dann haben Sie, Herr Kollege Schäfer, sich noch zu der Insellage geäußert. Da ist Ihnen auch ein kräftiges Mißverständnis unterlaufen. Wenn diese Insellage in Betracht kommt, ist es nicht so, daß nun jede dieser drei Ebenen — wenn ich es einmal so sagen darf — tun und lassen kann, was sie mag, sondern — damit hier keine Irrtümer entstehen — hier gilt das Prinzip der Subsidiarität.
    Auf die Frage des Streiks komme ich nachher bei der kurzen Behandlung des Beitrags von Herrn Kollegen Leber zu sprechen.
    Was die Frage der Polizeistärke und der Polizeireserven betrifft, so darf ich Ihnen meinen Standpunkt mitteilen. Zunächst: Was an Unterstützung und Ausbau der Bereitschaftspolizeien getan werden kann, tut der Innenminister nach Kräften. Daß selbst der sich in Finanznot befindende Bund laufend auch an sehr wohlhabende Länder heute noch Beiträge zur Neuaufstellung von Hundertschaften der Bereitschaftspolizei gibt, können Sie, meine Damen und Herren, aus dem Haushalt herauslesen.

    (Zuruf des Abg. Dr. Schäfer.)

    — Daß ich nicht alle Anträge über die Hürde gewisser Chefbesprechungen bringe, ist nicht meine Schuld. Wir sind sehr stark am Ausbau dieser Bereitschaftspolizeien interessiert.
    Ich bin auch sehr gern bereit, Herr Kollege Schäfer, in ein Gespräch darüber einzutreten, wie man
    eine Polizeireserve aufstellen kann. Dazu bin ich sehr gern bereit. Aber Sie werden es für richtig halten, wenn ich sage, daß ich den Ländern den Vortritt lassen wollte. Die Innenminister der Länder befassen sich auf ihrer nächsten Konferenz mit dieser Frage. Ich hoffe, daß sie eine solche Anregung einer gemeinsamen gesetzlichen Regelung an den Bund herantragen werden, und ich werde einer derartigen Anregung natürlich sehr gern entsprechen. Aber ich wollte in diesen Dingen nicht vorausgehen, sondern ich glaube, daß man hier den Zuständigkeitsbereich der Länder beachten sollte. Ich bin der Überzeugung, daß die Einsicht der Länder in dieser Frage dazu führen wird, daß eine solche Anregung an den Bund kommt, und das scheint mir der richtige und vernünftige Ablauf zu sein.
    Nun darf ich mich dem Beitrag des Herrn Kollegen Dorn zuwenden, der zunächst mit Entwicklungen in der Weimarer Zeit operiert hat.
    Meine Damen und Herren, Sie wissen, daß der berühmte und so viel geschmähte Art. 48 der Weimarer Verfassung der Weimarer Republik am Anfang überhaupt das Leben ermöglicht hat. Ich bin der Meinung, daß Ebert recht hatte, als er den Art. 48 so kräftig gebrauchte, um diese schwierige, ich möchte sagen, Erstlingszeit der Weimarer Republik zu überwinden.
    Daß die Dinge in der zweiten Phase anders zu beurteilen sind, ist auch vollkommen klar. Aber Sie kennen die Gründe. Es war so, daß die Mehrheiten in der Krisenzeit bei den Extremen waren. Eine parlamentarische Arbeit war gar nicht mehr möglich, weil die beiden Extremen, die Nationalsozialisten und die Kommunisten, die zusammen eine Mehrheit hatten, aber wegen ihrer Widersprüchlichkeit nicht zu einer Regierungsbildung kommen konnten, es verhindert haben, daß ordnungsgemäß regiert werden konnte. Daher ist meines Erachtens diese Anwendung des Art. 48 der Weimarer Verfassung auch insoweit historisch ausreichend entschuldigt.
    Auch der Herr Kollege Dorn meint, die Zweidrittelmehrheit würde die absolute Seligkeit bringen. Nun, ich bitte doch sehr zu beachten, welche Argumente dazu bereits vorgetragen worden sind.
    Ich habe keinen Zweifel, Herr Kollege Dorn, daß es sich, wenn die Streitkräfte im Innern eingesetzt werden, um einen polizeilichen Vorgang handelt und daß der absolute Vorrang, ich möchte sagen, des polizeilichen Beauftragten sichergestellt sein muß. Das habe ich auch in Besprechungen mit den Gewerkschaften der Polizei deutlich genug gemacht.
    Was die Frage der Meinungsfreiheit, der Presse usw. angeht, so komme ich darauf nachher bei der kurzen Würdigung des Beitrags von Herrn Kollegen Sänger zurück und kann mir deswegen an dieser Stelle Ausführungen dazu ersparen.
    Heir Kollege Leber, was Sie im ersten Teil Ihrer Ausführungen gesagt haben, empfinde ich als einen ganz besonders konstruktiven Beitrag, und ich danke Ihnen sehr dafür. Ich stimme fast mit jedem Wort, das Sie gesagt haben, überein. Auch ich bin der Meinung, daß das Staatsbewußtsein und das ge-



    Bundesminister Höcherl
    genseitige Vertrauen der tragende Grund für diese Gesetzgebung sein müssen. Ich möchte annehmen, daß das, was sich bisher in dieser Debatte abgespielt hat, doch ein Zeichen für dieses gegenseitige Vertrauen ist. Was Sie so an Mißtrauensbeispielen angeführt haben, das war mehr, ich möchte sagen, oratorischer Art. So ernst waren diese Dinge gar nicht. Ich bin überhaupt der Meinung, daß die Beziehungen in diesem Hause zwischen den beiden Seiten in Wirklichkeit viel, viel besser sind, als sie nach draußen hin gemacht werden oder als sie sich gelegentlich hier in sehr lauten oder spitzen Darlegungen ergeben. Die Dinge sind viel, viel besser gelaufen, auch in schwierigen Fragen, und ich möchte wissen, warum das hier nicht möglich sein sollte.
    Nun kommen Sie auf meine ,,Erstlings"-Zeit zurück und haben mir den berühmten Fall der AleteMilch vorgehalten. Ich darf Ihnen zunächst bestätigen: ich bin genauso wie Sie mit Kuhmilch aufgezogen worden; wir sind also Milchgenossen, Herr Kollege Leber, oder Milchgeschwister.

    (Heiterkeit. — Abg. Leber: Das habe ich mir gedacht!)

    Nun, dieses Fernsehinterview mit der Alete-Milch hat mir neben Ihren Bemerkungen und auch einigen Pressebemerkungen noch andere Schwierigkeiten eingebracht, und zwar wettbewerbsmäßige Schwierigkeiten. Ich bin zwar ein kinderreicher Familienvater und habe aus diesem Grunde eine oberflächliche Kenntnis bezüglich der Verwendung von Alete-Milch. Aber ich wußte nicht, daß es eine ganze Reihe von Konkurrenzfirmen gibt. Ich habe von der Alete-Fabrik eine Einladung in Gedichtform bekommen und von den Konkurrenzunternehmungen etwas anderes.

    (Heiterkeit.)

    Aber Sie unterliegen einem ganz kräftigen Irrtum, Herr Kollege Leber. Diese Bemerkung ist nicht im Zusammenhang damit gefallen, daß Streiks oder Arbeitskämpfe verboten werden sollten. Es war vielmehr eine Bemerkung zu den auch von Ihnen ausführlich zitierten Notdienstbestimmungen für Arbeitskämpfe.

    (Abg. Leber: Die aber nur im Arbeitskampf vorkommen!)

    — Ja, gut. Ich habe mich bei den Besprechungen mit den Gewerkschaften ausdrücklich mit der Frage des Streiks befaßt. Das ist die für die Gewerkschaften entscheidende Frage. Wir waren der Meinung, daß der Streik gemäß der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu definieren ist, und da ist er nach Methode und Zielsetzung einwandfrei definiert.
    Nun gibt es eine entscheidende Frage, die sich jede Regierung stellen muß. Sie haben sie in Ihrem Bereich gelöst, und zwar durch die §§ 6 und 7 der Kampfbestimmungen, die für alle Gewerkschaften gemeinsam gültig sind. Das war die Frage, die abgehandelt worden ist und die ich in Unkenntnis, ich möchte fast sagen, der Marktsituation bei der Kindermilch an dem Beispiel Alete-Milch abgehandelt habe, als ich der Meinung war, das sei die einzige Herstellerin von .Kindermilch, unabhängig von 'den Bezugsquellen ausländischer Art; das hat etwas für
    sich. Aber immerhin, ich nehme einmal an, daß wäre die einzige Fabrik für Kindermilch und wäre damit lebenswichtig. Das könnte man nicht bestreiten. Aber ich hätte vielleicht ein besseres Beispiel wählen können.
    Sie werden mit mir einiggehen, daß die Unberührtheit des Arbeitskampfes von diesen Bestimmungen die Ergänzung finden muß in den Notdienstbestimmungen, die Sie sich freiwillig gegeben haben.

    (Zuruf des Abg. Leber.)

    — Ja, ja, das war das Beispiel, das ganz aus dem Zusammenhang herausgerissen mir als Stolpern bei den ersten Gehversuchen als Innenminister vorgeworfen worden ist. Das Beispiel war vielleicht schlecht gewählt, aber sachlich sind wir uns einig.
    Ich sage Ihnen eines: Ich bin der vollen, ernsten inneren Überzeugung, daß die Gewerkschaften eine sehr wichtige Funktion haben, und ich achte ihre Tätigkeit und zolle ihr Respekt. Ich bin der Meinung, daß wir alle zusammen ein gutes Verhältnis zu den Gewerkschaften haben und uns bemühen müssen, es zu verbessern, wo es nur geht. Das gilt nicht nur für die Gewerkschaften, es gilt genauso für die anderen Einrichtungen und beruflichen Zusammenschlüsse. Das möchte ich hier ausdrücklich erklären, und dabei bleibt es.
    Genauso bleibt es dabei — und das ist hier ausdrücklich niedergelegt —, daß der Arbeitskampf in der rechtlich zugelassenen Form selbst im äußeren Verteidigungsnotstand durch die Bestimmung 'des Art. 9 Abs. 3 des Grundgesetzes absolut geschützt ist, obwohl ich das für blasse Theorie halte. Warum halte ich das für blasse Theorie? — Weil ich weiß, daß die Arbeitnehmer in einer solchen Gefahr etwas anderes zu denken haben und etwas anderes tun, daß sie sich nämlich mit ihrer ganzen Kraft dafür einsetzen, daß wir diese Dinge bereinigen 'können. So ist die Wirklichkeit.
    Aber die deutsche Leidenschaft für theoretische Untersuchungen wird sich hier in vielen und langen Ausschußsitzungen niederschlagen, wie sie auch gelegentlich jetzt in der Debatte schon zum Ausdruck gekommen ist. Nehmen wir die Dinge etwas praktischer, dann wird es viel, viel weniger Probleme geben. Ich habe in meiner Einführungsrede absichtlich den Weg gewählt, einmal nur Beispiele hinzustellen, weil wir Tatbestände in gegebenen Situationen lösen müssen. Das ist unsere Aufgabe. Wir haben nicht rechts- und auch nicht verfassungstheoretische Untersuchungen anzustellen und auch nicht die Literatur zu vermehren, wir müssen vielmehr Entscheidungen treffen und praktische Lösungen finden.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Wenn wir das versuchen, werden wir uns wahrscheinlich sehr rasch einig werden.

    (Abg. Dr. Schäfer: Wenn wir uns demnach einig sind, kann man es doch auch hineinschreiben!)

    — Ich habe gar nichts dagegen. Meines Erachtens
    steht es schon drin. Aber es gibt eine Regel für die



    Bundesminister Höcherl
    Gesetzgebungstechnik, besonders bei der Verfassungsgesetzgebung: äußerste Ökonomie!

    (Abg. Dr. Schäfer: Jawohl!)

    — Jawohl. Wenn ich schon sage, ein Verbot, Artikel 9 Abs. 3 einzuschränken, selbst bei äußerem Notstand, kann jeder, der von den Sachen etwas versteht, — —

    (Zuruf ides Abg. Dr. Schäfer)

    — Aber wenn Sie es absolut noch einmal haben wollen, noch einmal unterstrichen haben wollen, dann sollen Sie das auch noch bekommen: von mir aus Gürtel und Hosenträger!

    (Heiterkeit.)

    Nun zu dem Angriff, der gegen Herrn Schäffer geführt worden ist. Herr Kollege Leber, ich möchte der Meinung sein, über den demokratischen Ruf unseres Freundes Schäffer kann es gar keinen Zweifel geben. Ich glaube, Herr Kollege Güde hat die Sache schon richtiggestellt. Ich habe nur einen mündlichen Bericht über diese Veranstaltung bekommen. Sie ist, glaube ich, nicht übermäßig glücklich verlaufen.
    Nun darf ich Ihnen noch eines sagen, meine Herren: Es ist furchtbar schwer. Viele von uns haben die Zeit erlebt, Sie und ich. Vergegenwärtigen Sie sich die Situation der damaligen Zeit: Eine jahrelange Massenarbeitslosigkeit ging zu Ende, und dann sofort die ideale und richtige Beurteilung revolutionärer Vorgänge zu finden, — das Recht zum politischen Irrtum, meine Damen und Herren!

    (Abg. Leber: Er soll ihn eingestehen! Darum geht's!)

    — Wenn ich es andeuten müßte, ohne es mit einer freundschaftlichen Ausdeutung zu versuchen, möchte ich so sagen, daß er unter den gleichen Erkenntnismöglichkeiten, die ihm damals zur Verfügung standen, wieder so handeln würde. Aber nachdem es eine Wiederholung im Leben nicht gibt, muß man die Fehler so nehmen, wie sie sind.

    (Zurufe von der SPD.)

    — Ja, andere sehr bedeutende Leute, sehr große Leute im In- und Ausland, über unsere Grenzen hinaus und innerhalb unserer Grenzen haben sich damals geirrt, meine Damen und Herren, und wir nützen uns alle nicht, wenn wir fortgesetzt Irrtümer als Schuld ausgeben. Es ist nicht immer so. Der fortgesetzte Irrtum kann zur Schuld werden, wenn die Erkenntnismöglichkeit da war. Sie war aber nicht in allen Zeiten und Phasen gegeben.

    (Abg. Leber: Im Alter muß sie aber doch langsam kommen!)

    — Ich will Altersfragen nicht behandeln, Herr Leber.
    Ich weiß gar nicht, Herr Leber, was Sie gegen das Zivildienstgesetz haben. Ich habe auch versucht, die Tatbestände vorzuweisen, die wir im Zivildienstgesetz lösen müssen. Was haben Sie eigentlich dagegen? Sie haben nur gesagt, daß es Ihnen nicht gefällt.

    (Abg. Leber: Im Ausschuß!)

    — Es wäre mir lieber gewesen, wenn Sie eingehend begründet hätten, was ihnen nicht gefällt.
    Sie sagen, wir wollen aus den Arbeitsämtern Zwingburgen machen.

    (Abg. Leber: Das sind sie früher gewesen!)

    — Nein, nein, die Arbeitsämter, die von Ihnen belegt waren. Das sind doch nicht unsere, da haben wir gar nichts zu reden. Da sind Sie mit Ihrer Personalpolitik längst drin. Da kann doch deswegen gar nichts passieren,

    (große Heiterkeit)

    wie Sie überhaupt die kleine Personalpolitik viel
    besser beherrschen als wir. Das ist ja unsere Crux.

    (Erneute große Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU. — Zuruf von der SPD: Es wäre schön, wenn das wahr wäre!)

    — Das ist wahr. Ich kann es nur immer bewundern bei Ihnen, meine Damen und Herren. Wir machen verzweifelte Anstrengungen, Ihnen das nachzumachen, aber es gelingt kaum.

    (Heiterkeit und Zurufe.)

    — Das scheint die einzige Chance zu sein, einmal hier auf der Regierungsbank zu sitzen. Vorhin habe ich jemand gehört, der gesagt hat, ein Sozialdemokrat müßte einmal Innenminister sein. Meine Damen und Herren, dieser Stuhl ist gespickt mit Nägeln. Das ist etwas für einen indischen Jogi. Drängen Sie sich nicht auf diesen Stuhl!

    (Große Heiterkeit und Zurufe von der SPD. — Zuruf links: Sie fühlen sich aber ganz wohl darauf!)

    — Ich bin nie verwöhnt worden in meinem Leben, auch jetzt nicht.

    (Erneute Heiterkeit. — Abg. Dr. Schäfer: Daß das das Ergebnis unserer Indienreise ist, hätte ich nie gedacht!)

    — Auch eine süße Frucht.
    Nun, Herr Kollege Sänger, die Frage der Pressefreiheit und der Einschränkung des Artikels 5! Ich glaube, wir theoretisieren viel zu stark. In England ist hierfür eine sehr schöne Form gefunden worden, diese Anlaufstelle, die ich nicht nur für diesen Zweck, sondern auch für andere sehr gern bei uns haben möchte und die ich auch einrichten werde. Das Haus müßte mir die Möglichkeit dazu geben; es wird ein Gesetz dazu erlassen werden müssen. Ich werde ein Experiment versuchen, meine Damen und Herren. Ich werde die Presse — und heute ist nicht die Presse allein anzusprechen, sondern auch der Rundfunk und das Fernsehen — bei der Gesetzgebungsvorbereitungsarbeit beteiligen, damit sie auch einmal die andere Seite sehen und sich nicht nur in „konstruktiver Kritik" zu ergehen brauchen.
    Nun gibt es in England, Herr Kollege Sänger, auch noch etwas anderes. Da gab es und gibt es sehr massive strafrechtliche Sanktionen. Das ist der zweite Teil dieser Dinge. Ohne Sanktionen, nur mit gutem Willen und nur mit Vertrauen, meine



    Bundesminister Höcherl
    Damen und Herren, kann man eine Welt nicht regieren. Die Dinge sind etwas anders. Sie wissen genau, wie sie sind. Ihr Kollege hat immer wieder versucht, zwischen Presse und Presse zu unterscheiden. Ich halte nichts davon, jetzt zu klassifizieren. Aber wir müssen wohl auch hier eine Lösung finden.
    In Schweden mußten während des Weltkrieges zum Schutz der Neutralität sogar Experimente unternommen werden, die in die Meinungsfreiheit gegen den Willen der schwedischen Bevölkerung und der schwedischen Regierung eingriffen, weil der Krieg ungeheuer gefährlich an den schwedischen Grenzen brandete. So war es. Ich weiß nicht, ob Sie wissen, was verboten werden mußte, weil gerade unsere damalige Regierung einen unerhörten Druck auf dieses Land ausübte, so daß die schwedische Regierung gegen den eigenen Willen und gegen die geschlossene Meinung des schwedischen Volkes, nur um keine größeren Gefahren entstehen zu lassen, so weit gehen mußte, Presseveröffentlichungen, die in der Sache berechtigt und notwendig gewesen wären, hintanzuhalten. So waren die Dinge.
    In der Schweiz — Schweden und die Schweiz, beides Länder, die die Schrecken des Krieges innerhalb ihrer eigenen Grenzen nicht erfahren haben, die es also etwas leichter hatten als alle anderen Länder — gab es ein Pressebuch, wenn ich einmal so sagen darf. Herr Dr. Frey hat es aufgeführt. Die Schweizer haben eine sehr zielbewußte Verwaltung in normalen Zeiten, erst recht in diesen Zeiten. Ich bin durchaus bereit, dieses schweizerische Pressebuch sofort als Gesetzesvorschlag zu übernehmen. Es ist nicht ganz so liebenswürdig, wie Sie es dargestellt haben.
    Meine Damen und Herren, damit wäre ich in der Würdigung der Beiträge zu Ende.
    Ich darf zum Schluß noch folgendes sagen: Wir sollten die Partie nicht so spielen, daß wir sie von Opposition zu Regierung und Regierungskoalition spielen, sondern wir müssen sie mit einem ganz anderen Grundgedanken spielen. Wir alle sind die Beauftragten des Volkes, und wir sind die Treuhänder der Sicherheit des Volkes. Wir müßten eigentlich einen Wettbewerb veranstalten, wer mehr an Sicherheit bieten kann, Sie oder wir.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)



Rede von Erwin Schoettle
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Damit ist die Aussprache zu Punkt 5 der Tagesordnung abgeschlossen.
Ich rufe auf den Punkt 6 der Tagesordnung:
a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über den Zivildienst im Verteidigungsfall (Zivildienstgesetz) (Drucksache IV/450),
b) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ergänzung des Gesetzes über den Bundesgrenzschutz und die Einrichtung von Bundesgrenzschutzbehörden (Drucksache IV/343),
c) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Regelung des Aufenthalts der Zivilbevölkerung im Verteidigungsfall (Aufenthaltsregelungsgesetz) (Drucksache IV/895),
d) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über bauliche Maßnahmen zum Schutz ,der Zivilbevölkerung (Schutzbaugesetz) (Drucksache IV/896),
e) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs einen Gesetzes über den Selbstschutz der Zivilbevölkerung (Selbstschutzgesetz) (Drucksache IV/897).
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Schmitt-Vockenhausen.

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    Rede von Dr. Hermann Schmitt


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Herr Minister hat in seinen letzten Ausführungen seinen Stuhl mit großen Nadeln gespickt gesehen. Ich muß sagen, manchmal setzt er sich auch selbst in Nadeln, ohne daß ein Grund dazu vorhanden ist. So hat er vorhin beispielsweise von den ,,Verfassungsromantikern" gesprochen. Herr Minister, ich muß Ihnen sagen, das war wieder einmal eine schlechte Vokabel. Wenn der Herr Kollege Hoogen in Fragen der Sicherung der rechtlichen Ordnung Darlegungen gemacht hat, ist ein solches Attribut sicher nicht gut. Ich glaube, in diesem Hause sind wir eigentlich stolz darauf, daß wir die Vorstellung haben, dadurch die Freiheit und die Sicherheit dieser Demokratie auch für Notzeiten verankern zu können. Insofern sollte man wohl eine solche Vokabel gar nicht gebrauchen.
    Sie haben vorhin von den Beispielen gesprochen. Es war eigentlich immer sehr positiv, daß wir Ihnen bei den Beispielen an sehr vielen Dingen zeigen konnten, wie man manches besser regeln kann.
    Wir haben jetzt über die zivile Notstandsplanung zu sprechen. Damit treten die Fragen des zivilen Bevölkerungsschutzes erstmalig in der Nachkriegszeit mit der Möglichkeit, daß schnell zahlreiche gesetzliche Verpflichtungen und Auflagen gemacht werden, in das Bewußtsein unserer Bevölkerung. Es ist wohl richtig und notwendig, in einer solchen Lage einiges Grundsätzliche zu den Fragen ,der zivilen Notstandsplanung, des Zivilschutzes, ihren Entwicklungen, ihren Notwendigkeiten und Möglichkeiten zu sagen.
    Meine Damen und Herren, in der Geschichte der Menschheit haben in fast allen kriegerischen Auseinandersetzungen nicht nur die Kombattanten Not und Tod erlitten, sondern stets war auch die Bevölkerung mittelbar und unmittelbar Objekt des Krieges. Wir kennen — wenn ich mir die Bemerkung erlauben darf — zahlreiche Werke der Weltliteratur und der Bildenden Kunst, in denen die Not und das Elend der Menschheit eindrucksvoll geschildert werden. Alle Sachverständigen sagen heute allerdings, daß keine Vorstellungskraft ausreiche, um das aus-



    Schmitt-Vockenhausen
    zumalen, was die Menschheit in einem dritten Weltkrieg erleiden würde.
    Während früher das Leid und die Verluste der Menschen an Leib und Leben vor allem auf die Übergriffe der Kriegführenden zurückzuführen waren, sind sie mit der Entwicklung der modernen Waffentechnik immer mehr in Zusammenhang mit den Kampfhandlungen entstanden. In eindrucksvoller Weise wird diese Entwicklung in ,der dankenswerten Schrift der Vereinigung deutscher Wissenschaftler „Ziviler Bevölkerungsschutz heute" belegt. Während der Anteil der Zivilbevölkerung an den 9,8 Millionen Toten des ersten Weltkrieges noch 5% Prozent betrug, war er im zweiten Weltkrieg schon 48% von 52 Millionen. Im Korea-Krieg waren sogar 84% der 9,2 Millionen Toten Zivilisten. Niemand wird sagen können, was geschehen würde, wenn die Weltmächte in eine Auseinandersetzung verwickelt würden. Sie wissen, es gibt verschiedene Theorien über den Ablauf solcher bewaffneter Auseinandersetzungen. Wir wissen nicht, wie ihr Verlauf sein würde. Selbst ein Krieg. mit konventionellen Waffen — und jeder, der die konventionellen Waffen des Jahres 1963 kennt, weiß, daß ihre Feuerkraft ein Vielfaches der des zweiten Weltkrieges darstellt — würde für die Bevölkerung zu ungeheuren Zerstörungen und Verlusten führen. Vor allem gibt es, wenn der Gegner die Zivilbevölkerung treffen will, keinen Schutz, der schnell geschaffen werden kann und der überhaupt in einem vernünftigen Verhältnis zu den finanziellen Möglichkeiten eines Volkes stehen würde.
    Wir sind sehr froh darüber, daß die Entwürfe der Regierung von jenen illusionären Vorstellungen, wie sie landläufig gepflegt worden sind, abgehen und hier keine falschen Meinungen aufkommen lassen über die grausame Wirklichkeit, der wir uns gegenübersehen.
    Ich will davon absehen, noch einmal zu schildern — das ist in diesem Hause schon oft genug geschehen —, welche Wirkungen Atom- und Wasserstoffbomben, geschweige denn, welche Auswirkungen chemische und biologische Kampfmittel hätten. Es gibt eingehende realistische Schilderungen dieser Verheerungen. Sie wissen ja, daß Hiroshima und Nagasaki mit 130 000 Toten und 150 000 Verletzten nur ein Vorspiel dessen waren, was uns erwarten würde. Sie wissen aus Manöverberichten, daß eine einzige auf New York geworfene Atombombe nach vorsichtiger Schätzung etwa 5 Millionen Menschen das Leben nehmen würde und daß ein mittlerer Atombombenschlag gegen die USA etwa 60 Millionen Amerikaner töten könnte.
    Meine Damen und Herren, ich will mich nun nicht mit den militärischen Theorien im einzelnen beschäftigen, weder mit der Theorie der massiven Vergeltung noch mit der der abgestuften Abschreckung. Ich will auch nicht im einzelnen auf die Gründe, die für oder gegen diese Theorien sprechen, eingehen. Ich gehöre zu denen, denen die Auffassung von der begrenzten Abschreckung sehr viel besser begründet erscheint als viele Meinungen, die hier und auch anderwärts im Zusammenhang mit der massiven Vergeltung vorgetragen worden sind. Aber ich
    glaube in dieser Stunde: wenn wir es schaffen wollen, die Menschen unseres Volkes für den zivilen Bevölkerungsschutz zu gewinnen, dann müssen wir versuchen, möglichst viele, ja, möglichst alle für diese Aufgabe zu gewinnen. Ich glaube, daß das nur möglich ist, wenn wir klarmachen, daß ziviler Bevölkerungsschutz nichts anderes ist als Ausdruck echter Humanität, daß er nicht Folge militärischer Überlegungen ist.
    Meine Damen und Herren, der zivile Bevölkerungsschutz ist der großangelegte Versuch, im Falle des Falles zu helfen, wem noch zu helfen ist, zu retten, was zu retten ist, und nicht zuletzt, für einen solchen Tag vorzubereiten, was in unseren Kräften steht, was finanziell möglich ist und was mit einigermaßen Sicherheit auch wirksam werden wird. Wir wissen, daß für den Teil der Bevölkerung, der nicht an den Kampfhandlungen beteiligt ist, auf allen Seiten die gleichen schrecklichen Aussichten bestehen. Es eröffnet sich daher auf diesem Gebiet die Möglichkeit, durch internationale Abmachungen ähnlich den Genfer Konventionen die Grundlage für internationale Vereinbarungen zum Schutze der notleidenden Zivilbevölkerung zu schaffen. Wir sind hier für jede Initiative und für jede Maßnahme dankbar. Ich möchte nur an die Prager Beschlüsse vom Oktober 1961 erinnern. Jeder Fortschritt ist hier von großer Bedeutung für die Zivilbevölkerung.
    Wir werden natürlich bei unseren Bemühungen in unserem Volk vielen Menschen begegnen, die aus diesen oder jenen Gründen glauben, abseits stehen zu sollen oder zu müssen. Ich denke dabei an die zahlreichen Angehörigen der mittleren und älteren Generation, die allein schon durch das Heulen der Sirenen verstört und erschreckt werden. Ich denke an die Menschen, die allein durch die Erinnerung an die Bombennächte in schlimmste seelische Konflikte kommen. Ich halte die Motive vieler Menschen für durchaus ehrenwert, die Sorge haben, ob ihre Hilfe beim zivilen Bevölkerungsschutz nicht die Gefahr der Vorbereitung und Möglichkeit eines neuen Krieges vergrößere. Wir nehmen alle diese Argumente ernst. Aber wir glauben, mit all jenen übereinstimmen zu müssen, die, wie die Vereinigung deutscher Wissenschaftler, aus wohlüberlegten Gründen der Auffassung sind, daß wir alle uns der sittlichen Verpflichtung der Hilfe in Notzeiten nicht entziehen können.
    Da niemand etwas Genaues weiß und niemand etwas absolut Richtiges voraussagen kann, da niemand die Entschlüsse und Schritte eines potentiellen Gegners kennt, müssen wir uns nun überlegen: was können wir tun, welches Ziel können wir uns setzen, ohne daß zivile Schutzmaßnahmen zum Wunschdenken werden? Selbst wenn wir aus dieser für alle verbindlichen Sache Maßnahmen einleiten und prüfen, werden sie so umfangreich, so einschneidend im Leben unseres Volkes und im Gefüge unserer Wirtschaft und unserer finanziellen Leistungskraft sein, .daß wir uns sorgfältig überlegen müssen, was wir tun können, was wir tun wollen und was wir tun müssen.
    In der Diskussion über die zivile Notstandsplanung wird leider allzu oft vergessen, was ein ziviler



    Schmitt-Vockenhausen
    Notstand für ein Volk bedeutet und was getan werden muß, um ihm zu begegnen. Denken Sie nur daran: der einzelne muß gewarnt werden. Die Warnung hat nur einen Sinn, wenn man weiß, wie man sich schützt. Der einzelne muß wissen, wo Schutzräume sind. Es sollte Schutzmöglichkeiten am Arbeitsplatz, in der Schule, an öffentlichen Plätzen geben. Das allein genügt nicht. Es muß Schutzgerät vorhanden sein. Es muß Vorsorge für Essen und Trinken getroffen werden. Neben der Lebensmittelbevorratung brauchen wir Kleidung und Decken. Die öffentlichen Versorgungsbetriebe müssen geschützt werden. Die Ausrüstung mit Transistorgeräten ist notwendig. Nicht zuletzt brauchen wir Hilfs-
    und Ausweichkrankenhäuser und Arzneimittelvorräte.
    Alle diese Fragen stehen nicht erst seit heute auf der Tagesordnung, sondern sie stehen seit jenem Tag zur Diskussion, an dem der Bundeskanzler den Alliierten seine Bereitschaft zur Aufstellung von Truppen erklärt hat. Ich will mich hier nicht mit der Frage auseinandersetzen, ob in all diesen Jahren geschehen ist, was hätte geschehen können und was hätte geschehen müssen.
    Eine kurze Zwischenbilanz von dem, was geplant war und dem, was geschehen ist, zeigt, daß wir keinen Grund zur Zufriedenheit haben, Herr Minister. ch will hier nur daran erinnern, daß wir beispielsweise von jenem überörtlichen Luftschutzhilfsdienst, der mit 110 000 Helfern geplant war, im Augenb ick nur etwa 35 000 Helfer haben. Ich könnte hier die Liste noch weiterführen, z. B. .die fehlenden Krankenhäuser erwähnen. Lassen Sie mich zu den Haushaltsmitteln eines sagen: selbst wenn stolze Zahlen im Haushalt stehen, sind die Gelder noch lange nicht ausgegeben. Sie wissen, daß hier die Sparsamkeit Rekorde geschlagen hat und daß von den zahlreichen Mitteln, die bewilligt worden sind, nur verhältnismäßig wenig ausgegeben worden ist. All das will ich hier nur noch einmal in Ihre Erinnerung zurückrufen.
    Für die Aufklarung der Bevölkerung über richtiges und falsches Verhalten hat die Regierung trotz unseres Drängens auch recht wenig getan. Sie wissen auch, daß Merkblätter wie „Jeder hat eine Chance" die Unsicherheit sicher nicht verringert, sondern vermehrt haben. Wir haben immer wieder den schnelleren Aufbau eines funktionierenden Warnsystems gefordert. Leider wurde auch in dieser Hinsicht zu wenig getan, und der Aufbau der Warnämter geht noch zu schleppend voran. Sie wissen, daß wir uns in jedem Jahr hier über diese Frage unterhalten haben. Wir sind oft genug damit vertröstet worden, daß man noch mehr Erfahrungen sammeln müsse. Es sind fast neun Jahre seit dem ersten großen Antrag in dieser Frage vergangen. Ich brauche es Ihnen nicht zu sagen, das kann man sich selbst ausrechnen: was man in dieser Zeit mit relativ geringen Mitteln hätte tun können, das ist heute viel teurer und schwieriger. Nachdem man die Maßnahmen so lange vor sich hergeschoben hat, nur weil sie nicht populär waren, müssen wir jetzt alle die Rechnung dafür bezahlen. Ich sage das nicht im Sinne einer Klage oder Anklage, ich sage es als
    Feststellung, ich sage es als Hoffnung, daß wir uns einem Abschnitt des zivilen Bevölkerungsschutzes nähern, den wir gemeinsam hier bewältigen sollten. Meine Damen und Herren, wir haben uns immer bemüht, diese Fragen mit Ihnen gemeinsam zu lösen, und ich habe seit Ihrem Amtsantritt, Herr Minister, das Gefühl, daß wir bei unseren Bemühungen auf mehr Bereitschaft als in der Vergangenheit stoßen.
    Daß Sie heute, Herr Minister, vor einer ungleich schwierigeren Situation als in den Zeiten des Juliusturms stehen, ist uns auch klar. Weil Sie nun in vielen Fällen Bundesmittel noch nicht bereitstellen konnten, haben Sie nun hier den Versuch gemacht, die Bürger dafür in um so stärkerem Maße heranzuziehen. Das geht uns vielfach zu weit: Wir wissen aber, daß hier Grenzen gesetzt sind, nicht nur durch das Einkommen, sondern auch dadurch, daß wir bei unseren Bemühungen nicht neue Widerstände heraufbeschwören dürfen, wo wir gerade dabei sind, alte Widerstände bei den Menschen abzubauen und zu beseitigen.
    Vor allem — ich muß das hier leider sagen, Herr Minister — werden die Gemeinden durch diese Gesetze in große Sorge versetzt. Sie wissen, ihre Belastung ist ohnehin groß und ihr finanzieller Bedarf bei weitem nicht gedeckt, und schließlich warten sie ja auch auf die Erfüllung zahlreicher Versprechungen auf finanzielle Hilfe. Herr Kollege Güde, wir haben lange Vertrauen auf diese Versprechungen mit der Finanzreform gehabt, sind aber immer enttäuscht worden. Wenn nun noch hinzu kommt, daß die Städte, die ohnehin Krllege sehr viel gelitten haben, jetzt auch noch erhöhte Aufwendungen für die Kosten des zivilen Bevölkerungsschutzes machen müssen, dann dürfen Sie nicht verkennen, daß die Gemeinden Grund und Recht zur Sorge haben und 'daß sie den Wunsch haben, daß wir uns hier gemeinsam um vernünftige Lösungen bemühen.
    Wenn wir uns nun hier Gedanken über die Gesamtheit der Vorlagen gemacht haben, dann gilt das vor allem für die zahlreichen Wünsche auf Ermächtigungen. Da hat ein Mann der Wirtschaft ganz richtig gesagt: „Wenn ich einen Kredit von einer Million brauche, dann kann ich mir doch nicht zehn Millionen bereitstellen lassen". Sie haben sich in den Gesetzen mit Ermächtigungen vorsorglich gut eingedeckt. Wir werden uns im einzelnen damit beschäftigen müssen. Wir wissen, daß es notwendig ist, Ermächtigungen zu geben; aber wir werden auch immer daran denken, daß dabei Maßhalten gut ist.
    Ich will über die wirtschaftspolitischen Vorstellungen, die in diesen Gesetzen zum Ausdruck kommen, nichts sagen. Aber mir hat ein uns nicht wohl gesinnter Mann gesagt: „Das hätte unser Verband nicht einmal von der SPD angenommen, was da alles an Vorstellungen entwickelt ist." Ich würde empfehlen, daß wir uns sehr eingehend damit beschäftigen. Stellen Sie sich einmal vor: Sie können sogar die Elektrifizierung der Bundesbahn mit dem Verkehrssicherungsgesetz durch Verwaltungsakt rückgängig machen! Ich will damit sagen: man muß sich



    Schmitt-Vockenhausen
    mit diesen Ermächtigungen sehr sorgfältig beschäftigen. Hier ist eine solche Fülle von Ermächtigungen vorgesehen, daß kein Parlament mit gutem Gewissen seine Zustimmung geben kann.
    Wir werden uns später noch mit den Einzelgesetzen beschäftigen, mein Kollege Lünenstraß mit dem Zivildienstgesetz und dem Bundesgrenzschutzgesetz, die verehrte Frau Kollegin Renger mit dem Schutzbaugesetz, der Herr Kollege Hansing mit dem Aufenthaltsregelungsgesetz und dem Selbstschutzgesetz.
    Bei allem guten Willen, Herr Minister, den Sie hier gehabt haben, läßt sich nicht verheimlichen: Ihre Entwürfe sind nicht zur vollen Reife gediehen. Ich muß das anfügen, weil ich damit klarmachen will: wir müssen diese Entwürfe sehr sorgfältig prüfen. Wir bemängeln, wie Sie ja auch wissen, daß es noch an der notwendigen Gesamtkonzeption und Gesamtplanung fehlt. Aber das wissen wir gemeinsam. Wir werden uns darum bemühen. Es ist ja so: die eigentlichen Impulse, das endlich einmal voranzutreiben, kamen immer gewissermaßen von der Außenpolitik. Da war der 13. August, da war die Kuba-Krise, und dann mußte das plötzlich hier schnell über die Hürden.
    Meine Damen und Herren, wir wollen uns bemühen, klare Zeitpläne in Ihre Vorstellungen hineinzubringen. Wir müssen dabei bedenken, daß auch die technische Entwicklung schnell vorangeht. Vieles ist in kurzer Zeit überholt. Schließlich wird auch die Bereitschaft der Menschen, mitzuarbeiten, davon abhängen, daß sie eine übergeordnete Gesamtsicht spüren. Erst dann sind sie bereit, ihren Teil an Opfern zu bringen, wenn sie das hier sehen. Schließlich müssen die Opfer auch im Rahmen der Gesamtplanung vertretbar und sinnvoll sein.
    Vor allem müssen wir dafür sorgen — wir haben das auch im Ausschuß schon besprochen —, daß Spekulationsüberlegungen bei den zahlreichen Maßnahmen ausgeschaltet werden, wenn die Planung in Gang kommt. Die Spuren des Koblenzer Beschaffungsamtes sollten uns schrecken, und wir sollten daraus einiges lernen. Herr Minister, ich hoffe, daß auch Ihr Haus einiges aus den eigenen unvollkommenen Planungen gelernt hat. Der Bundesrechnungshof hat die Kritik der Opposition der vergangenen Jahre in diesen Tagen noch einmal bestätigt. Da ist einiges getan worden, was wir immer bemängelt haben: Man kann doch auch nicht Hals über Kopf etwas tun, nur um etwas zu tun, sondern man muß das schon so einrichten, daß nicht der Steuerzahler letztlich der Leidtragende ist und der Staat große Verluste erleidet.
    Ich gestehe auch, daß ich manches in den Entwürfen vermisse, was in anderen Ländern mit Erfolg durchgeführt und entwickelt worden ist. Ich denke da z. B. an die Frage der Erkennungsmarken. Sicher weiß ich, daß es für viele Menschen erschreckend ist, wenn man überhaupt an diese Frage geht. Aber ich glaube, daß sie nicht nur für den zivilen Bevölkerungsschutz, sondern auch bei Verkehrsunfällen gute Dienste leisten kann. Wir sollten das prüfen.
    Ich denke an die Frage der Ausnutzung von Transistorgeräten. Wir wissen, daß wir mit dem
    Ausfall des elektrischen Stroms rechnen müssen. I Vorbereitungen auf diesem Gebiet sind unumgänglich.
    Lassen Sie mich hier auch noch einmal die Frage des Warnsystems anschneiden. Sie wissen, daß in den Vereinigten Staaten ein vereinfachtes Warnsystem besteht. Bei mehreren Warnsignalen besteht bei kurzen Warnzeiten zu große Gefahr der Verwechslung und damit entsetzlicher Irrtümer. Wir sollten uns auch dieser Frage, die zunächst in Ihre Zuständigkeit gehört, doch noch einmal bei den weiteren Gesprächen im Ausschuß zuwenden,
    Ich will mich nun hier nicht über die Fragen der Organisation verbreitern. Sie ist historisch gewachsen, und das spricht nicht immer dafür, daß sie sinnvoll ist. Wir wissen das alle. Wir wollen uns daher bemühen, eine klare Verwaltungsorganisation zu schaffen. Der Luftschutzhilfsdienst muß in ein vernünftiges Verhältnis zum Katastropheneinsatz kommen. Wir brauchen noch bessere Abgrenzungen zwischen Selbstschutz und Luftschutz. Ich bin der Meinung, daß alles, was über den unmittelbaren Bereich des einzelnen hinausgeht, von ihnen nicht mehr als Selbstschutz angesehen wird, so daß wir hier noch Vorstellungen entwickeln müssen.
    Meine Damen und Herren, große und schwere Aufgaben sind es, die wir mit der Beratung dieser Gesetzentwürfe vor uns haben. Niemand gibt sich in diesem Hohen Hause Illusionen 'darüber hin, daß, wenn jeder eine Chance haben soll, sie nur darin liegen kann, daß kein Krieg entsteht.
    Wir wollen nun versuchen, mit allen Sachverständigen, mit den Ministerien — was nicht heißt, daß dort keine Sachverständigen sind — diese Fragen vertrauensvoll zu lösen.
    Herr Minister, lassen Sie mich hier ein Wort sagen: Ich bin nicht sehr begeistert — ich habe es Ihnen auch schon gesagt —, daß ausgerechnet der Leiter Ihrer Zivilschutzabteilung zu dem Zeitpunkt, da hier die Vorarbeit für diese Gesetzgebung in die Wege geleitet ist, weggeht. Wenn auch Frau Schwarzhaupt wegen der Koalitionsschwierigkeiten 14 Monate keinen Staatssekretär finden wollte oder konnte, ist es natürlich ein ungünstiger Zeitpunkt, wenn Sie ausgerechnet dann, wenn die Gesetze hier zur ersten Lesung anstehen, diesen Herrn dorthin abgeben müssen.

    (Abg. Dr. Schäfer: Aber wenn er Staatssekretär wird!!!)

    — Ich habe selbstverständlich nichts gegen das Fortkommen des einzelnen, ich beglückwüsche den Herrn dazu.
    Wir wollen versuchen, gemeinsam mit den kommunalen Spitzenverbänden, den Gewerkschaften und der Wirtschaft das zu tun, was in unseren Kräften steht. Wir können nicht genug Anregung und Hilfe von draußen bekommen. Der Sachverstand zahlreicher Wissenschaftler und aller interessierten Kreise, auch der Praktiker, kann uns hier nur helfen. In diesem Fall hat niemand von den Theoretikern des Ministeriums, das wissen Sie, den Sachverstand für sich gepachtet. Wir brauchen den Rat aller.



    Schmitt-Vockenhausen
    Lassen Sie mich noch eines sagen. In den Vereinigten Staaten wird in öffentlichen Diskussionen immer wieder auf die Gefahr hingewiesen, daß allzu perfektionistische Maßnahmen beim zivilen Bevölkerungsschutz die Grundstruktur unserer demokratischen Gesellschaftsordnung ändern können. Man muß diese Gefahren erkennen, um ihnen begegnen zu können. Wir müssen auch die Leistungskraft und die Leistungsfähigkeit der Wirtschaft in Rechnung stellen. Wir müssen die Utopie auf diesem Gebiet vermeiden, den Fatalismus überwinden und einen Weg suchen, von dem wir hoffen, daß ihn zu gehen vielleicht in einigen Jahren für die Menschheit überflüssig sein wird.
    Ich bin mit der Denkschrift, von der ich schon einmal gesprochen habe, die von den Professoren Hahn, Heisenberg und Weizsäcker unterzeichnet ist, der Ansicht, daß jede noch so geringe Chance, Menschenleben zu retten, uns allen die Pflicht auferlegt, diese Möglichkeiten wahrzunehmen. Parlament und Regierung haben die Pflicht, sie aufzuzeigen und voranzugehen.
    Meine Damen und Herren, die SPD-Bundestagsfraktion wird bei den Beratungen der Gesetze für die zivile Notstandsplanung entsprechend den Entschließungen ihrer Parteikörperschaften mitarbeiten und versuchen, das Beste zum Wohle der Menschen unseres Volkes zu tun.

    (Beifall bei der SPD und Abgeordneten der FDP.)