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ID0405602800

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 56. Sitzung Bonn, den 24. Januar 1963 Inhalt: Entwurf eines Gesetzes zur Ergänzung des Grundgesetzes (Drucksache IV/891) — Erste Beratung — Höcherl, Bundesminister . 2477 A, 2526 D Hoogen (CDU/CSU) . . . . . . 2491 C Dr. Schäfer (SPD) . . . . . . . 2495 D Dorn (FDP) . . . . . . . . . 2504 C Leber (SPD) . . . . . . . . 2507 A Sänger (SPD) 2516 B Dr. h. c. Güde (CDU/CSU) . . . 2523 D Entwurf eines Gesetzes über den Zivildienst im Verteidigungsfall (Zivildienstgesetz) (Drucksache 1V/450) — Erste Beratung —; in Verbindung mit .dem Entwurf eines Gesetzes zur Ergänzung des Gesetzes über den Bundesgrenzschutz und die Einrichtung von Bundesgrenzschutzbehörden (Drucksache IV/343) — Erste Beratung —; dem Entwurf eines Gesetzes zur Regelung des Aufenthalts .der Zivilbevölkerung im Verteidigungsfall (Aufenthaltsregelungsgesetz) (Drucksache IV/895) — Erste Beratung —; dem Entwurf eines Gesetzes über bauliche Maßnahmen zum Schutz der Zivilbevölkerung (Schutzbaugesetz) (Drucksache IV/ 896) — Erste Beratung —; und dem Entwurf eines Gesetzes über den Selbstschutz der Zivilbevölkerung (Selbstschutzgesetz) (Drucksache IV/897) — Erste Beratung — Schmitt-Vockenhausen (SPD) . . . 2533 C Lünenstraß (SPD) . . . . . . . 2537 B Dr. Even (Düsseldorf) (CDU/CSU) 2539 C Frau Dr. Flitz (Wilhelmshaven) (FDP) 2541 D Busse (FDP) . . . . . . . . 2544 D Frau Renger (SPD) 2546 B Hansing (SPD) 2548 D Dr. Kempfler (CDU/CSU) 2550 D Hübner (CDU/CSU) 2551 D Entwurf eines Gesetzes über die Sicherstellung von Leistungen auf dem Gebiet der gewerblichen Wirtschaft sowie des Geld- und Kapitalverkehrs (Wirtschaftssicherstellungsgesetz) (Drucksache IV/ 892) — Erste Beratung —; in Verbindung mit dem Entwurf eines Gesetzes über die Sicherstellung der Versorgung mit Erzeugnissen der Ernährungs- und Landwirtschaft sowie der Forst- und Holzwirtschaft (Ernährungssicherstellungsgesetz) (Drucksache IV/893) — Erste Beratung —; und dem Entwurf eines Gesetzes zur Sicherstellung des Verkehrs (Verkehrssicherstellungsgesetz) (Drucksache IV/894) — Erste Beratung — Dr. Bieringer (CDU/CSU) . . . 2553 B Lange (Essen) (SPD) 2553 C Dr. Imle (FDP) 2555 D Lemmrich (CDU/CSU) 2556 C Überweisung der Gesetzentwürfe an Ausschüsse 2557 C Wahlen zum Europäischen Parlament und zur Beratenden Versammlung des Europarates 2557 D Nächste Sitzung 2558 C Anlage 2559 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 56. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. Januar 1963 2477 56. Sitzung Bonn, den 24. Januar 1963 Stenographischer Bericht Beginn: 9.02 Uhr.
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    Anlage Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete (r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Fran Albertz 24. 1. Arendt (Wattenscheid) 25.1. Dr. Arndt (Berlin) 24. 1. Dr. Atzenroth 25.1. Dr. Dr. h. c. Baade 25. 1. Bading 5.2. Bauknecht 25. 1. Fürst von Bismarck 25. 1. Dr. Bleiß 25.1. Dr. von Brentano 25. 1. Brese 25. 1. Deringer 24. 1. Dr. Dörinkel 4. 2. Drachsler 25. 1. Dr. Dr. h. c. Dresbach 28.2. Eisenmann 24. 1. Etzel 26. 1. Faller * 25. 1. Figgen 23. 2. Funk (Neuses am Sand) 16. 2. Gewandt 31. 1. Freiherr zu Guttenberg 25. 1. Haage (München) 25. 1. Hahn (Bielefeld) 25. 1. Hammersen 24.1. Harnischfeger 25. 1. Hauffe 28.2. Hellenbrock 26. 1. Holkenbrink 26. 1. Dr. Hoven 25. 1. Illerhaus 24. 1. Kahn-Ackermann 25. 1. Kalbitzer 25. 1. Dr. Kanka 24. 1. Katzer 31. 1. Keller 25. 1. Frau Kipp-Kaule 25. 1. Klinker 25. 1. Koenen (Lippstadt) 25.1. Dr. Kohut 25. 1. Kriedemann* 25. 1. Kühn (Köln) 2.2. Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordneter) beurlaubt bis einschließlich Lemmer 26. 1. Lenz (Bremerhaven) 25. 1. Lücker (München) * 25. 1. Mattick 25. 1. Mauk 25. 1. Frau Dr. Maxsein 25. 1. Dr. Menzel 25. 1. Dr. von Merkatz 4. 2. Dr. Miessner 31. 1. Missbach 25. 1. Dr. Morgenstern 25. 1. Müller (Berlin) 28. 2. Müller (Remscheid) 25. 1. Müller-Hermann 31. 1. Neubauer 17.2. Neumann (Berlin) 25. 1. Ollenhauer 25. 1. Dr.-Ing. Philipp 25. 1. Rademacher 31. 1. Ravens 25. 1. Dr. Reinhard 25. 1. Richarts 26. 1. Dr. Rutschke 31. 1. Sander 25. 1. Schmücker 24. 1. Schneider (Hamburg) 31. 1. Schröder (Osterode) 25. 1. Schütz 25. 1. Dr. Stammberger 3. 2. Dr. Starke 24. 1. Stein 24. 1. Frau Strobel * 25. 1. Struve 25. 1. Dr. Süsterhenn 25. 1. Urban 25. 1. Wacher 25. 1. Dr. Wahl 28. 2. Dr. Zimmer 26. 1. Zühlke 24. 1. b) Urlaubsanträge Dopatka 21.2. Werner 24. 2. *) Für die Teilnahme an Ausschußsitzungen des Europäischen Parlaments
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    Rede von Hermann Höcherl


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir, daß ich mich noch in diese Runde zu der Diskussion über die Notstandsverfassung einfüge und mit Dankbarkeit vermerke — ich darf mich einem Wort des Herrn Kollegen Güde anschließen —, daß alle Diskussionsbeiträge konstruktiver und positiver Natur waren und schon eine ganze Reihe von Anregungen gebracht haben, die in den Ausschüssen verwertet werden können. Ich nehme diese Anregungen und die Art, wie hier diskutiert wird, als eine Vorleistung auf den Verlauf der Ausschußberatungen.
    Nun ist eine Diskussion dann am erfolgreichsten, wenn man gewisse Irrtümer oder gewisse Darstellungen, die nicht unwidersprochen bleiben dürfen, sofort aufklärt. Dann sind sie nützlich. Die Freundschaftlichkeit, alles in Ehren! Aber am allerbesten dient man dem Fortschritt der Arbeit durch sachliche Aufklärung.
    Ich darf gleich mit meinem Freunde Herrn Kollegen Hoogen beginnen. Ich muß ihm zugeben, daß er eine Lücke in unserer Konstruktion gefunden hat: Was geschieht in dem Fall, daß im Rahmen der Entwicklung der Ereignisse möglicherweise der Regierungschef ausfällt und damit die ganze Regierung außer Funktion gesetzt wird? — Das ist richtig. Wir haben diese Sache nicht bedacht und sind dabei, Überlegungen anzustellen. Ich bin der Meinung, wir müssen eine Lösung finden. Allerdings kann sie nicht endgültig sein; denn wenn wir in diesen Zeiten gezwungen sind, irgendwie eine Ersatzwahl durchzuführen, dann müßte sie meines Er-



    Bundesminister Höcherl
    achtens so geschehen, daß sie vorübergehend, für diesen Zeitraum, gilt, daß sie aber in einer ordentlichen Form nachgeholt wird, wenn die zuständigen Organe wieder aktionsfähig sind.
    Die weitere Rüge, die Herr Kollege Hoogen erteilt hat, daß wir den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der Adäquanz der Mittel nicht ausreichend dargestellt haben, ist bereits wiederholt widerlegt worden. Einmal findet der Grundsatz sich in der ganzen Verfassung, er beherrscht das Verwaltungsrecht insgesamt und steht auch noch ausdrücklich in Art. 115 a Abs. 5. Ich bin gern bereit, ihn auch wiederholt hineinzuschreiben. Aber ich bin nicht der Meinung, daß Wiederholungen etwas bekräftigen können, was das ganze Rechtssystem, auf das es hier ankommt, beherrscht.
    Herr Kollege Hoogen, Sie haben eine sehr kühne Erwartung ausgesprochen. Sie haben in einer sehr eleganten Formulierung erklärt, es müßten nun Wege gefunden werden, den Fluchtweg des Parlaments, des großen oder des kleinen, zu verlegen, diesen Fluchtweg, der in der Weimarer Zeit eine große Rolle gespielt hat, im zweiten Teil, aber auch im ersten Teil. Ich bin gern bereit, alles zu unternehmen, um Sie bei dieser Sperre zu unterstützen. Aber mein Glaubensvermögen in solchen Dingen ist nicht ,ganz so groß und mein Optimismus ist auch nicht ganz so groß bezüglich dessen, was wir institutionell erreichen können, um in ernsten Zeiten die Gewissenhaftigkeit und Präsenz usw. zu erreichen, nachdem es in einfachen Zeiten schon so schwierig ist, wo es nur Fragen der Bequemlichkeit sind. Also: Sie gestatten mir, daß meine Hoffnung nicht ganz so weit geht. Aber Sie erhalten jede nur denkbare, mögliche Unterstützung, die Sie haben wollen, gerade in dieser 'Frage.
    Überhaupt bin ich der Meinung, daß man in Institutionen und Gesetzgebungstechnik nicht übermäßige Erwartungen setzen soll. Gehen wir vielmehr von dem Grunddurchschnitt der menschlichen Charakterverfassung — der psychologischen Verfassung — aus und orientieren wir uns daran. Dann ist es genau das, was wir treffen müssen. Wir sind allzumal Sünder, und Böcke und Schafe gibt es überall; wir nehmen uns also gar nicht aus. Aber man soll keine übermäßigen Erwartungen hegen.
    Ich habe sehr viel in schönen und eleganten Formulierungen versteckte Romantik — Verfassungsromantik — gehört. Die Verfassungswirklichkeit entscheidet. Halten wir Maß in den Erwartungen, dann treffen wir das Richtige; Sie wissen schon, was ich meine. Sie denken in Wirklichkeit genauso. Aber diese Tribüne verführt gewissermaßen, große Themen in Wortgirlanden zu behandeln.

    (Zurufe von der SPD. — Abg. Wittrock: Herr Minister, es ist schlecht, wenn der Verfassungsminister hier die Vokabel „Verfassungsromantik" erfindet!)

    — Ich habe sie doch nicht erfunden, Herr Kollege
    Wittrock, sondern ich habe etwas charakterisiert,
    was ich hier habe vortragen hören. Das Recht steht
    mir zu, genau wie es auch Ihnen zusteht, wenn Ihnen etwas nicht gefällt, was ich sage; und davon machen Sie auch reichlich Gebrauch.
    Nun darf ich mich den Ausführungen, dem Hauptreferat, wenn ich so sagen darf, des Herrn Kollegen Schäfer zuwenden, der auch schon bei dem früheren Entwurf des Kollegen Schrader gesprochen hat, welcher auch wieder etwas mitbehandelt worden ist, obwohl er gar nicht zur Debatte steht. Ich bin überzeugt, daß auch der Kollege Schröder in seiner Konzeption von den besten Erwartungen ausgegangen ist. Er ist ein genauso guter Demokrat wie wir alle. Wir sollten nicht zwischen besseren und schlechteren Demokraten differenzieren.

    (Abg. Dr. Schäfer: Das hat niemand getan!) — Ja, gut.

    Nun zu Ihren Ausführungen! Sie rügen als erstes, das sei doch nicht die ganze Notstandskonzeption. Sie möchten es nun also ganz absolut und vollständig sehen. Sie haben bemängelt, daß über die territoriale Verteidigung, ihre Absichten usw., nichts vorgetragen wurde. Ich bin einverstanden, daß da Beiträge geleistet werden müssen. Aber ich bin auch der Meinung, daß sich das am besten im Ausschuß vortragen läßt. Ich kann mir vorstellen, daß der Herr Verteidigungsminister das nachholen wird.
    Im übrigen haben wir mit neun Gesetzen fast ein Übermaß an Konzeption vorgelegt. Ich kann mich, solange ich die Ehre habe, in diesem Hause zu sein, nicht erinnern, daß sich eine solche Fülle an einem einzigen Bezugspunkt orientiert. Wir machen ja jetzt gemeinsam Pakete. Das ist die moderne Form der Gesetzgebung. Aber immerhin scheint es das reichhaltigste und dickste Paket zu sein und hat damit auch für die Vollständigkeit der Konzeption einiges auszusagen. Ich bin einverstanden, im Ausschuß muß auch die Frage der territorialen Verteidigung, die eine Rolle spielt, mit besprochen werden. Sie eignet sich besser für Ausschußberatungen.
    Nun haben Sie dargestellt, wie sich Ihre Partei schon sehr lange in diesem Gespräch befindet. Ich habe es auch sehr aufmerksam beobachtet. Das fing 1947 an. Aber nicht nur Ihre Partei hat sich damit befaßt, sondern auch die übrigen Gruppen. Überall, wo man hinkommt, findet das Thema großes Interesse, mit Recht, weil es von einschneidender Natur ist.
    Ich kenne Ihre sieben Punkte, auch die Punkte, die Herr Leber vorgetragen hat. Nun, ich habe in meinen Formulierungen ein Übersoll zur Bestätigung dieser sieben Punkte gefunden. Sie haben schon gesagt, einiges Bekannte hätten Sie in unseren Formulierungen gefunden. Ich bin der Meinung, daß es reichlich viel ist. Nach den Besprechungen ist vieles umgeschrieben worden. Aber ich habe nicht nur mit Ihnen gesprochen, sondern z. B. auch mit den Länderinnenministern, unter denen sich auch die Freunde Ihrer Couleur befinden. Ich kann Ihnen sagen — damit verrate ich gar kein Geheim-



    Bundesminister Höcherl
    nis —: bei dem Tatbestand des inneren Notstandes habe ich in dem ersten und entscheidenden Punkt die Anregung eines sehr bekannten und markanten Mitgliedes Ihrer Partei aus dem Innenministerkollegium vertreten — das ist der Tatbestand Nummer eins —, obwohl Sie mit dem inneren Notstand überhaupt nicht zufrieden sind und als Diskussionsgrundlage abgelehnt haben, was Ihr Mitglied, ein bemerkenswerter Freund von Ihnen, ausgedacht hat und was ich übernommen habe.

    (Abg. Dr. Schäfer: Das hindert uns nicht! So objektiv sind wir!)

    — Sie haben es nur nicht gewußt. Wenn Sie es gewußt hätten, hätten Sie es vielleicht nicht gesagt.

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU.)

    Herr Kollege Güde hat das große Problem der Vollmachten und ides Mißbrauchs der Vollmachten dargestellt. Es ist in der Form, wie es gelegentlich versucht worden ist, unlösbar. Alles, wais die Rechtsordnung im Strafrecht und Zivilrecht kennt, ist repressiv. Eine andere Möglichkeit gibt es nicht. Auch wir müssen uns eine solche Lösung suchen. Diese kann nur sein, wie ich es dargestellt habe: Vollmachten auf der einen und Garantien und Kautelen auf der anderen Seite nebeneinander. Eine Gleichzeitigkeit gibt es nicht, wie ich es im Bundesrat zu sagen die Ehre hatte. Man kann einem Hund
    — um den Notstand mit einem Hund zu vergleichen — nicht einen Maulkorb geben, einen Korb darüber stülpen und gleichzeitig von ihm verlangen, daß er das Haus bewacht. Meine Damen und Herren, so etwas an Wachhund gibt es nicht!

    (Heiterkeit. — Abg. Dr. Schäfer: Schönes Bild!)

    — Es ist einer Karikatur entnommen. Ich habe eis nur in Worte geprägt, was mit dem Zeichenstift noch viel besser gelungen ist, weil auch die Persönlichkeiten, die alle die Kautelen angebracht haben, noch dargestellt sind. Die Zeichnung kommt aus Ihrem Lager.
    Über den Rücklauf der Vollmachten und die Wiederherstellung der Freiheiten, auf die zeitweise verzichtet werden muß, zu wachen ist Aufgabe des Parlaments. Die Lösung des automatischen Auslaufens ist eine der Garantien, und zwar deswegen, weil ein Vakuum vor uns ist. Dieses Vakuum muß ausgefüllt werden. Wenn wir nicht einmal in der Lage wären, das Vakuum auszufüllen, hätten wir alle Funktionen freiwillig aufgegeben.
    Es wurden Vorgänge der letzten Monate erwähnt, die Äußerung von der Illegalität. Sie, Herr Leber, konnten sich das nicht verkneifen. Ich darf die Dinge vielleicht etwas klarstellen.
    Es ist so furchtbar schwer, meine Damen und Herren, durch einen Wust von Anfragen und Zusatzfragen durchzufinden. Ich bin wie der Pontius ins Credo gekommen, als ich die Anfragen an den Kollegen Stammberger — mir waren die Unterlagen eine halbe Stunde vorher ausgehändigt worden — beantworten sollte. Ich hatte mich loyalerweise bereit erklärt, auch die Zusatzfragen, z. B. des Kollegen Wittrock, aus fremdem Wissen zu beantworten. So waren die Dinge.

    (Zuruf von der SPD: Das ist das Risiko!)

    — Das habe ich übernommen; es ist mir schlecht gedankt worden.
    Ich darf diesen Fall, die Illegalitätsformel, kurz erklären: Als ich diese Bemerkung machte, war ich noch der Meinung, daß die Anforderung von Polizei zu Polizei ergangen sei. Dieser Meinung war ich auf Grund von Äußerungen einer auswärtigen Macht, wie Sie wissen. Diese Auffassung war nicht richtig. Wenn es so gewesen wäre, hätte ich das rechtlich nicht billigen können. Also aus einem Irrtum heraus habe ich diese Äußerung getan, weil ich nicht ganz informiert sein konnte. Ich habe die letzte Information dazu erst am 5. Dezember bekommen, als Herr Bruckner, der den Herrn Bundespräsidenten auf seiner Reise begleitet hatte, zurückkam. Niemand wollte glauben, daß es mir nicht möglich war, all das, was sich in diesen Tagen abgespielt hat, wie mit einem Seismographen aufzuzeichnen und am nächsten Tag auf dem Tisch zu haben.. Ich war in der Zeit nicht einmal in Bonn.
    Das war also die grandiose Geschichte mit der Illegalität. Ich war außerordentlich vorsichtig, weil ich nicht genau wußte, ob das eine oder andere seine Ordnung gemäß den Verwaltungsvorschriften hatte. Aus der Studentenzeit wußte ich noch, daß das Asylrecht und das Auslieferungsrecht mit zu den schwierigsten Gebieten gehören, und weil ich nicht etwas behaupten wollte, was ich nicht genau nachprüfen konnte, habe ich diesen Zweifel geäußert.
    Es gäbe eine einfache Methode, sich zu informieren: das genau zu lesen. Aber es ist umständlich und zeitraubend.

    (Zuruf von der SPD: Hoffentlich wird der Bericht bald veröffentlicht!)

    — Ja, der wird von mir unterschrieben und nächste Woche veröffentlicht.

    (Abg. Dr. Schäfer: Das nehmen wir gern zur Kenntnis: nächste Woche!)

    — Jawohl, und am Freitag werde ich noch die achtzehn Fragen beantworten. Ich hoffe, daß damit dann dieses Kapitel iabgeschlossen sein wird und auch die letzte Neugierde befriedigt ist. Ich muß Sie vielleicht enttäuschen, wenn ich aus diesem „Spiegel"-Bericht nicht einen „Krimi" mache, sondern eine ganz nüchterne juristische Darstellung gebe. Ich hoffe, daß Sie sich die Zeit nehmen und die Mühe machen, das genau zu lesen und synoptische Vergleiche anzustellen. Ich selber bin es leid und müde. Aber immerhin, Pflicht ist Pflicht und Berufsrisiko ist Berufsrisiko.

    (Abg. Dr. Schäfer: Das Berufsrisiko eines Ministers! — Abg. Wittrock: Merkwürdigerweise beantworten Sie solche Fragen immer erst freitags!)

    — Herr Wittrock, ich muß den Verdacht sofort zurückweisen. Ich werde die Fragen beantworten, aber nicht freitags, wo sie nicht mehr in die Presse kämen, sondern ich werde es so machen, daß ich die Ant-



    Bundesminister Höcherl
    worten erst am Montag herausgebe, weil ich mir nicht vorwerfen lassen möchte, daß ich es am Freitag getan habe, wo die Presse von diesen Köstlichkeiten keinen Gebrauch mehr machen könne.

    (Heiterkeit.)

    Also am Freitag nicht, zumal es mir sowieso lästig genug ist.
    Herr Kollege Schäfer, Sie haben sich dann zum Spannungsfall geäußert und die Meinung vertreten, das sei der politische Kernpunkt: Frage des äußeren Notstands. Das ist zweifellos richtig, aber Sie haben eines vergessen: Was die Frage des Spannungsfalles betrifft, so ist uns hier die Möglichkeit eigener Entscheidungen weitgehend entzogen, weil wir in das Sicherheitsnetz der NATO einbezogen sind, in dem diese Fragen praktisch entschieden werden. — Bitte sehr, Herr Kollege Schäfer!


Rede von Dr. Friedrich Schäfer
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Minister, heißt Ihre letzte Äußerung, daß wir keine eigene Entscheidung treffen sollen? Sind Sie der Meinung, daß die Entscheidung an anderer Stelle für uns getroffen wird?

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Hermann Höcherl


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Nein, sondern ich meine, daß dort Vorentscheidungen fallen, denen wir uns wahrscheinlich in Anerkennung der Verträge und der Bindungen, durch die wir mit unseren Alliierten verknüpft sind, durchaus anschließen können, vor allem wenn wir in unseren Möglichkeiten der Führungsmacht weitgehend verpflichtet sein müssen.

    (Abg. Dr. Schäfer: Sie bestätigen und bekräftigen meine Befürchtungen!)

    — Nein, Herr Schäfer! Es gibt gar keinen Zweifel, daß wir Verpflichtungen aus dem NATO-Bereich haben; das wissen Sie!

    (Abg. Dr. Schäfer: Das ist etwas ganz anderes!)

    — Das meine ich und sonst nichts! Das, was Sie aus den geheimen Nachrichten herausgelesen haben, die in der Begründung zitiert sind, betrifft diesen Bereich; Sie haben es vielleicht falsch aufgefaßt. Ich darf deshalb, um Irrtümer auszuschalten, erklären: es ist ja so, daß sich ein richtiger Streit nur an Irrtümern entzünden kann; an Tatsachen kann er sich praktisch nicht entfalten. Da gibt es kaum viele Dissonanzen, aber die Irrtümer, die echten und die unechten, die gesuchten Irrtümer, die geben der Sache erst eine Würze. Das war auch hier vielleicht eine nicht ganz entfernte Ursache.
    Nun zu der berühmten einfachen oder Zweidrittelmehrheit für die Proklamation, zu der Herr Kollege Güde schon ein sehr wesentliches Argument geliefert hat. Es hat in der Weimarer Zeit, auf die mit Recht Bezug genommen wird, bereits Situationen gegeben, in denen das Erfordernis der Zweidrittelmehrheit uns in ernste Schwierigkeiten gebracht hat. Das wissen Sie genau. Das ist das eine. Wir dürfen nicht wieder die Möglichkeit schaffen, daß kleine Minderheiten, vielleicht kumuliert, solche Entscheidungen maßgeblich beeinflussen.
    Und noch eines, das mir noch viel wichtiger erscheint. Wir haben gemeinsam den Art. 59 a beschlossen, der die Ausrufung des Verteidigungsfalles und damit zugleich auch den Wechsel des Oberkommandos vom Verteidigungsminister zum Bundeskanzler betrifft. Da haben wir gemeinsam die einfache Mehrheit vorgesehen. In welch sonderbare Konkurrenz und in welchen Widerspruch zu unseren eigenen früheren Entscheidungen würden wir uns hier bringen! Nach Art. 59 a wird der Verteidigungsfall durch eine Entscheidung mit einfacher Mehrheit ausgelöst. Dieser einfachen Mehrheit haben wir damals zugestimmt; und hier machen wir eine Verfassungsergänzung und verlangen eine Zweidrittelmehrheit. Diesen Widerspruch soll mir jemand erklären!
    Aber das ist für mich nicht einmal das Entscheidende.

    (Abg. Dr. Schäfer: Ausschuß!)

    Das ist nur ein Grund. Der entscheidende Grund ist der, daß man Minderheiten unter Umständen, die unter ganz anderen Auspizien entstehen, hier in diesem Hause nicht die Möglichkeit geben soll, vielleicht demokratische Mehrheiten — und die Vertretungen in diesem Hause sind demokratische Mehrheiten — gemeinsam vom Wege der Pflicht abzuhalten.

    (Zuruf von der SPD: Das haben wir gestern gesehen!)

    Mit der Frage .der Verhältnismäßigkeit habe ich mich im Zusammenhang mit den Äußerungen des Herrn Kollegen Hoogen befassen können.
    Sie beanstanden dann den Art. 115 b und meinen, wir könnten die Vollmachten, die in den Buchstaben e und f des Abs. 2 aufgezählt sind, auf die Gesetzgebungszuständigkeit für die Sicherheit beschränken. Ich glaube nicht, daß das möglich ist. Ich darf ein einfaches Beispiel nennen. Nehmen Sie die finanziellen Anforderungen einer Krise und nehmen Sie unser Finanzverfassungsrecht.

    (Abg. Dr. Schäfer: Das ist ja unter e und f besonders aufgeführt!)

    — Das meine ich ja.

    (Abg. Dr. Schäfer: Dann brauchen Sie es ja auch nicht!)

    Sind Sie damit einverstanden, daß wir das ändern?

    (Abg. Dr. Schäfer: In „Sicherheit und Ordnung"!)

    — In „Sicherheit und Ordnung", die Finanzverfassung? — Nein!

    (Abg. Dr. Schäfer: Nein, Abs. 1!) — Abg.

    Dr. Weber [Koblenz]: Ausschuß!)
    — Nein, nein; zu Art. 115 b Abs. 2 haben Sie beanstandet, daß diese ganze Aufzählung gemacht wird, daß wir einfach „Sicherheit und Ordnung" sagen.

    (Abg. Dr. Schäfer: Da haben Sie mich mißverstanden!)




    Bundesminister Höcherl
    — Entschuldigung, ich bin gern bereit, das zur Kenntnis zu nehmen.
    Dann haben Sie beanstandet — eine ganz wesentliche Sache —, daß wir uns nun Beauftragte zulegen wollten, Reichsstatthalter alter Form usw., oder daß wir vielleicht gar der Meinung sein könnten, daß ein sozialdemokratischer Ministerpräsident kein geeigneter Statthalter sein könnte. Daß es ohne eine Beauftragung im ernstesten Falle gehen könnte, werden Sie selbst nicht annehmen, Herr Kollege. Ich glaube, wenn man sich einen sehr schlimmen Fall vorstellt — ein leichter Fall und ein Spannungsfall sind, glaube ich, nicht solche Fälle —, daß die Einsetzung eines solchen Beauftragten notwendig wird und daß die Begründung, die vielleicht mißverstanden worden ist, so ausgelegt werden könnte, als ob hier Parteigesichtspunkte eine Rolle spielten. Meine Damen und Herren, wir sind nicht so mißtrauisch. Ich bitte doch eines zur Kenntnis zu nehmen. Wir machen — Sie haben es selbst erklärt — eine solche Verfassungsänderung nicht für diese und für die nächste Legislaturperiode, sondern das soll dauernder Bestandteil unserer Verfassung bleiben. Wir rechnen ja damit, daß es noch sehr lange dauern wird, bis Sie, meine Damen und Herren, unter Umständen allein oder vielleicht mit uns zu sammen einmal die Regierung übernehmen. Meine Damen und Herren, ich habe die Formulierung so gewählt, daß wir auch bei den sehr zielbewußten Sozialdemokraten keine Gefahr laufen, daß sie diese Rechte mißbrauchen.

    (Heiterkeit und Beifall bei den Regierungsparteien.)

    So habe ich das formuliert.
    Dann haben Sie, Herr Kollege Schäfer, sich noch zu der Insellage geäußert. Da ist Ihnen auch ein kräftiges Mißverständnis unterlaufen. Wenn diese Insellage in Betracht kommt, ist es nicht so, daß nun jede dieser drei Ebenen — wenn ich es einmal so sagen darf — tun und lassen kann, was sie mag, sondern — damit hier keine Irrtümer entstehen — hier gilt das Prinzip der Subsidiarität.
    Auf die Frage des Streiks komme ich nachher bei der kurzen Behandlung des Beitrags von Herrn Kollegen Leber zu sprechen.
    Was die Frage der Polizeistärke und der Polizeireserven betrifft, so darf ich Ihnen meinen Standpunkt mitteilen. Zunächst: Was an Unterstützung und Ausbau der Bereitschaftspolizeien getan werden kann, tut der Innenminister nach Kräften. Daß selbst der sich in Finanznot befindende Bund laufend auch an sehr wohlhabende Länder heute noch Beiträge zur Neuaufstellung von Hundertschaften der Bereitschaftspolizei gibt, können Sie, meine Damen und Herren, aus dem Haushalt herauslesen.

    (Zuruf des Abg. Dr. Schäfer.)

    — Daß ich nicht alle Anträge über die Hürde gewisser Chefbesprechungen bringe, ist nicht meine Schuld. Wir sind sehr stark am Ausbau dieser Bereitschaftspolizeien interessiert.
    Ich bin auch sehr gern bereit, Herr Kollege Schäfer, in ein Gespräch darüber einzutreten, wie man
    eine Polizeireserve aufstellen kann. Dazu bin ich sehr gern bereit. Aber Sie werden es für richtig halten, wenn ich sage, daß ich den Ländern den Vortritt lassen wollte. Die Innenminister der Länder befassen sich auf ihrer nächsten Konferenz mit dieser Frage. Ich hoffe, daß sie eine solche Anregung einer gemeinsamen gesetzlichen Regelung an den Bund herantragen werden, und ich werde einer derartigen Anregung natürlich sehr gern entsprechen. Aber ich wollte in diesen Dingen nicht vorausgehen, sondern ich glaube, daß man hier den Zuständigkeitsbereich der Länder beachten sollte. Ich bin der Überzeugung, daß die Einsicht der Länder in dieser Frage dazu führen wird, daß eine solche Anregung an den Bund kommt, und das scheint mir der richtige und vernünftige Ablauf zu sein.
    Nun darf ich mich dem Beitrag des Herrn Kollegen Dorn zuwenden, der zunächst mit Entwicklungen in der Weimarer Zeit operiert hat.
    Meine Damen und Herren, Sie wissen, daß der berühmte und so viel geschmähte Art. 48 der Weimarer Verfassung der Weimarer Republik am Anfang überhaupt das Leben ermöglicht hat. Ich bin der Meinung, daß Ebert recht hatte, als er den Art. 48 so kräftig gebrauchte, um diese schwierige, ich möchte sagen, Erstlingszeit der Weimarer Republik zu überwinden.
    Daß die Dinge in der zweiten Phase anders zu beurteilen sind, ist auch vollkommen klar. Aber Sie kennen die Gründe. Es war so, daß die Mehrheiten in der Krisenzeit bei den Extremen waren. Eine parlamentarische Arbeit war gar nicht mehr möglich, weil die beiden Extremen, die Nationalsozialisten und die Kommunisten, die zusammen eine Mehrheit hatten, aber wegen ihrer Widersprüchlichkeit nicht zu einer Regierungsbildung kommen konnten, es verhindert haben, daß ordnungsgemäß regiert werden konnte. Daher ist meines Erachtens diese Anwendung des Art. 48 der Weimarer Verfassung auch insoweit historisch ausreichend entschuldigt.
    Auch der Herr Kollege Dorn meint, die Zweidrittelmehrheit würde die absolute Seligkeit bringen. Nun, ich bitte doch sehr zu beachten, welche Argumente dazu bereits vorgetragen worden sind.
    Ich habe keinen Zweifel, Herr Kollege Dorn, daß es sich, wenn die Streitkräfte im Innern eingesetzt werden, um einen polizeilichen Vorgang handelt und daß der absolute Vorrang, ich möchte sagen, des polizeilichen Beauftragten sichergestellt sein muß. Das habe ich auch in Besprechungen mit den Gewerkschaften der Polizei deutlich genug gemacht.
    Was die Frage der Meinungsfreiheit, der Presse usw. angeht, so komme ich darauf nachher bei der kurzen Würdigung des Beitrags von Herrn Kollegen Sänger zurück und kann mir deswegen an dieser Stelle Ausführungen dazu ersparen.
    Heir Kollege Leber, was Sie im ersten Teil Ihrer Ausführungen gesagt haben, empfinde ich als einen ganz besonders konstruktiven Beitrag, und ich danke Ihnen sehr dafür. Ich stimme fast mit jedem Wort, das Sie gesagt haben, überein. Auch ich bin der Meinung, daß das Staatsbewußtsein und das ge-



    Bundesminister Höcherl
    genseitige Vertrauen der tragende Grund für diese Gesetzgebung sein müssen. Ich möchte annehmen, daß das, was sich bisher in dieser Debatte abgespielt hat, doch ein Zeichen für dieses gegenseitige Vertrauen ist. Was Sie so an Mißtrauensbeispielen angeführt haben, das war mehr, ich möchte sagen, oratorischer Art. So ernst waren diese Dinge gar nicht. Ich bin überhaupt der Meinung, daß die Beziehungen in diesem Hause zwischen den beiden Seiten in Wirklichkeit viel, viel besser sind, als sie nach draußen hin gemacht werden oder als sie sich gelegentlich hier in sehr lauten oder spitzen Darlegungen ergeben. Die Dinge sind viel, viel besser gelaufen, auch in schwierigen Fragen, und ich möchte wissen, warum das hier nicht möglich sein sollte.
    Nun kommen Sie auf meine ,,Erstlings"-Zeit zurück und haben mir den berühmten Fall der AleteMilch vorgehalten. Ich darf Ihnen zunächst bestätigen: ich bin genauso wie Sie mit Kuhmilch aufgezogen worden; wir sind also Milchgenossen, Herr Kollege Leber, oder Milchgeschwister.

    (Heiterkeit. — Abg. Leber: Das habe ich mir gedacht!)

    Nun, dieses Fernsehinterview mit der Alete-Milch hat mir neben Ihren Bemerkungen und auch einigen Pressebemerkungen noch andere Schwierigkeiten eingebracht, und zwar wettbewerbsmäßige Schwierigkeiten. Ich bin zwar ein kinderreicher Familienvater und habe aus diesem Grunde eine oberflächliche Kenntnis bezüglich der Verwendung von Alete-Milch. Aber ich wußte nicht, daß es eine ganze Reihe von Konkurrenzfirmen gibt. Ich habe von der Alete-Fabrik eine Einladung in Gedichtform bekommen und von den Konkurrenzunternehmungen etwas anderes.

    (Heiterkeit.)

    Aber Sie unterliegen einem ganz kräftigen Irrtum, Herr Kollege Leber. Diese Bemerkung ist nicht im Zusammenhang damit gefallen, daß Streiks oder Arbeitskämpfe verboten werden sollten. Es war vielmehr eine Bemerkung zu den auch von Ihnen ausführlich zitierten Notdienstbestimmungen für Arbeitskämpfe.

    (Abg. Leber: Die aber nur im Arbeitskampf vorkommen!)

    — Ja, gut. Ich habe mich bei den Besprechungen mit den Gewerkschaften ausdrücklich mit der Frage des Streiks befaßt. Das ist die für die Gewerkschaften entscheidende Frage. Wir waren der Meinung, daß der Streik gemäß der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu definieren ist, und da ist er nach Methode und Zielsetzung einwandfrei definiert.
    Nun gibt es eine entscheidende Frage, die sich jede Regierung stellen muß. Sie haben sie in Ihrem Bereich gelöst, und zwar durch die §§ 6 und 7 der Kampfbestimmungen, die für alle Gewerkschaften gemeinsam gültig sind. Das war die Frage, die abgehandelt worden ist und die ich in Unkenntnis, ich möchte fast sagen, der Marktsituation bei der Kindermilch an dem Beispiel Alete-Milch abgehandelt habe, als ich der Meinung war, das sei die einzige Herstellerin von .Kindermilch, unabhängig von 'den Bezugsquellen ausländischer Art; das hat etwas für
    sich. Aber immerhin, ich nehme einmal an, daß wäre die einzige Fabrik für Kindermilch und wäre damit lebenswichtig. Das könnte man nicht bestreiten. Aber ich hätte vielleicht ein besseres Beispiel wählen können.
    Sie werden mit mir einiggehen, daß die Unberührtheit des Arbeitskampfes von diesen Bestimmungen die Ergänzung finden muß in den Notdienstbestimmungen, die Sie sich freiwillig gegeben haben.

    (Zuruf des Abg. Leber.)

    — Ja, ja, das war das Beispiel, das ganz aus dem Zusammenhang herausgerissen mir als Stolpern bei den ersten Gehversuchen als Innenminister vorgeworfen worden ist. Das Beispiel war vielleicht schlecht gewählt, aber sachlich sind wir uns einig.
    Ich sage Ihnen eines: Ich bin der vollen, ernsten inneren Überzeugung, daß die Gewerkschaften eine sehr wichtige Funktion haben, und ich achte ihre Tätigkeit und zolle ihr Respekt. Ich bin der Meinung, daß wir alle zusammen ein gutes Verhältnis zu den Gewerkschaften haben und uns bemühen müssen, es zu verbessern, wo es nur geht. Das gilt nicht nur für die Gewerkschaften, es gilt genauso für die anderen Einrichtungen und beruflichen Zusammenschlüsse. Das möchte ich hier ausdrücklich erklären, und dabei bleibt es.
    Genauso bleibt es dabei — und das ist hier ausdrücklich niedergelegt —, daß der Arbeitskampf in der rechtlich zugelassenen Form selbst im äußeren Verteidigungsnotstand durch die Bestimmung 'des Art. 9 Abs. 3 des Grundgesetzes absolut geschützt ist, obwohl ich das für blasse Theorie halte. Warum halte ich das für blasse Theorie? — Weil ich weiß, daß die Arbeitnehmer in einer solchen Gefahr etwas anderes zu denken haben und etwas anderes tun, daß sie sich nämlich mit ihrer ganzen Kraft dafür einsetzen, daß wir diese Dinge bereinigen 'können. So ist die Wirklichkeit.
    Aber die deutsche Leidenschaft für theoretische Untersuchungen wird sich hier in vielen und langen Ausschußsitzungen niederschlagen, wie sie auch gelegentlich jetzt in der Debatte schon zum Ausdruck gekommen ist. Nehmen wir die Dinge etwas praktischer, dann wird es viel, viel weniger Probleme geben. Ich habe in meiner Einführungsrede absichtlich den Weg gewählt, einmal nur Beispiele hinzustellen, weil wir Tatbestände in gegebenen Situationen lösen müssen. Das ist unsere Aufgabe. Wir haben nicht rechts- und auch nicht verfassungstheoretische Untersuchungen anzustellen und auch nicht die Literatur zu vermehren, wir müssen vielmehr Entscheidungen treffen und praktische Lösungen finden.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Wenn wir das versuchen, werden wir uns wahrscheinlich sehr rasch einig werden.

    (Abg. Dr. Schäfer: Wenn wir uns demnach einig sind, kann man es doch auch hineinschreiben!)

    — Ich habe gar nichts dagegen. Meines Erachtens
    steht es schon drin. Aber es gibt eine Regel für die



    Bundesminister Höcherl
    Gesetzgebungstechnik, besonders bei der Verfassungsgesetzgebung: äußerste Ökonomie!

    (Abg. Dr. Schäfer: Jawohl!)

    — Jawohl. Wenn ich schon sage, ein Verbot, Artikel 9 Abs. 3 einzuschränken, selbst bei äußerem Notstand, kann jeder, der von den Sachen etwas versteht, — —

    (Zuruf ides Abg. Dr. Schäfer)

    — Aber wenn Sie es absolut noch einmal haben wollen, noch einmal unterstrichen haben wollen, dann sollen Sie das auch noch bekommen: von mir aus Gürtel und Hosenträger!

    (Heiterkeit.)

    Nun zu dem Angriff, der gegen Herrn Schäffer geführt worden ist. Herr Kollege Leber, ich möchte der Meinung sein, über den demokratischen Ruf unseres Freundes Schäffer kann es gar keinen Zweifel geben. Ich glaube, Herr Kollege Güde hat die Sache schon richtiggestellt. Ich habe nur einen mündlichen Bericht über diese Veranstaltung bekommen. Sie ist, glaube ich, nicht übermäßig glücklich verlaufen.
    Nun darf ich Ihnen noch eines sagen, meine Herren: Es ist furchtbar schwer. Viele von uns haben die Zeit erlebt, Sie und ich. Vergegenwärtigen Sie sich die Situation der damaligen Zeit: Eine jahrelange Massenarbeitslosigkeit ging zu Ende, und dann sofort die ideale und richtige Beurteilung revolutionärer Vorgänge zu finden, — das Recht zum politischen Irrtum, meine Damen und Herren!

    (Abg. Leber: Er soll ihn eingestehen! Darum geht's!)

    — Wenn ich es andeuten müßte, ohne es mit einer freundschaftlichen Ausdeutung zu versuchen, möchte ich so sagen, daß er unter den gleichen Erkenntnismöglichkeiten, die ihm damals zur Verfügung standen, wieder so handeln würde. Aber nachdem es eine Wiederholung im Leben nicht gibt, muß man die Fehler so nehmen, wie sie sind.

    (Zurufe von der SPD.)

    — Ja, andere sehr bedeutende Leute, sehr große Leute im In- und Ausland, über unsere Grenzen hinaus und innerhalb unserer Grenzen haben sich damals geirrt, meine Damen und Herren, und wir nützen uns alle nicht, wenn wir fortgesetzt Irrtümer als Schuld ausgeben. Es ist nicht immer so. Der fortgesetzte Irrtum kann zur Schuld werden, wenn die Erkenntnismöglichkeit da war. Sie war aber nicht in allen Zeiten und Phasen gegeben.

    (Abg. Leber: Im Alter muß sie aber doch langsam kommen!)

    — Ich will Altersfragen nicht behandeln, Herr Leber.
    Ich weiß gar nicht, Herr Leber, was Sie gegen das Zivildienstgesetz haben. Ich habe auch versucht, die Tatbestände vorzuweisen, die wir im Zivildienstgesetz lösen müssen. Was haben Sie eigentlich dagegen? Sie haben nur gesagt, daß es Ihnen nicht gefällt.

    (Abg. Leber: Im Ausschuß!)

    — Es wäre mir lieber gewesen, wenn Sie eingehend begründet hätten, was ihnen nicht gefällt.
    Sie sagen, wir wollen aus den Arbeitsämtern Zwingburgen machen.

    (Abg. Leber: Das sind sie früher gewesen!)

    — Nein, nein, die Arbeitsämter, die von Ihnen belegt waren. Das sind doch nicht unsere, da haben wir gar nichts zu reden. Da sind Sie mit Ihrer Personalpolitik längst drin. Da kann doch deswegen gar nichts passieren,

    (große Heiterkeit)

    wie Sie überhaupt die kleine Personalpolitik viel
    besser beherrschen als wir. Das ist ja unsere Crux.

    (Erneute große Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU. — Zuruf von der SPD: Es wäre schön, wenn das wahr wäre!)

    — Das ist wahr. Ich kann es nur immer bewundern bei Ihnen, meine Damen und Herren. Wir machen verzweifelte Anstrengungen, Ihnen das nachzumachen, aber es gelingt kaum.

    (Heiterkeit und Zurufe.)

    — Das scheint die einzige Chance zu sein, einmal hier auf der Regierungsbank zu sitzen. Vorhin habe ich jemand gehört, der gesagt hat, ein Sozialdemokrat müßte einmal Innenminister sein. Meine Damen und Herren, dieser Stuhl ist gespickt mit Nägeln. Das ist etwas für einen indischen Jogi. Drängen Sie sich nicht auf diesen Stuhl!

    (Große Heiterkeit und Zurufe von der SPD. — Zuruf links: Sie fühlen sich aber ganz wohl darauf!)

    — Ich bin nie verwöhnt worden in meinem Leben, auch jetzt nicht.

    (Erneute Heiterkeit. — Abg. Dr. Schäfer: Daß das das Ergebnis unserer Indienreise ist, hätte ich nie gedacht!)

    — Auch eine süße Frucht.
    Nun, Herr Kollege Sänger, die Frage der Pressefreiheit und der Einschränkung des Artikels 5! Ich glaube, wir theoretisieren viel zu stark. In England ist hierfür eine sehr schöne Form gefunden worden, diese Anlaufstelle, die ich nicht nur für diesen Zweck, sondern auch für andere sehr gern bei uns haben möchte und die ich auch einrichten werde. Das Haus müßte mir die Möglichkeit dazu geben; es wird ein Gesetz dazu erlassen werden müssen. Ich werde ein Experiment versuchen, meine Damen und Herren. Ich werde die Presse — und heute ist nicht die Presse allein anzusprechen, sondern auch der Rundfunk und das Fernsehen — bei der Gesetzgebungsvorbereitungsarbeit beteiligen, damit sie auch einmal die andere Seite sehen und sich nicht nur in „konstruktiver Kritik" zu ergehen brauchen.
    Nun gibt es in England, Herr Kollege Sänger, auch noch etwas anderes. Da gab es und gibt es sehr massive strafrechtliche Sanktionen. Das ist der zweite Teil dieser Dinge. Ohne Sanktionen, nur mit gutem Willen und nur mit Vertrauen, meine



    Bundesminister Höcherl
    Damen und Herren, kann man eine Welt nicht regieren. Die Dinge sind etwas anders. Sie wissen genau, wie sie sind. Ihr Kollege hat immer wieder versucht, zwischen Presse und Presse zu unterscheiden. Ich halte nichts davon, jetzt zu klassifizieren. Aber wir müssen wohl auch hier eine Lösung finden.
    In Schweden mußten während des Weltkrieges zum Schutz der Neutralität sogar Experimente unternommen werden, die in die Meinungsfreiheit gegen den Willen der schwedischen Bevölkerung und der schwedischen Regierung eingriffen, weil der Krieg ungeheuer gefährlich an den schwedischen Grenzen brandete. So war es. Ich weiß nicht, ob Sie wissen, was verboten werden mußte, weil gerade unsere damalige Regierung einen unerhörten Druck auf dieses Land ausübte, so daß die schwedische Regierung gegen den eigenen Willen und gegen die geschlossene Meinung des schwedischen Volkes, nur um keine größeren Gefahren entstehen zu lassen, so weit gehen mußte, Presseveröffentlichungen, die in der Sache berechtigt und notwendig gewesen wären, hintanzuhalten. So waren die Dinge.
    In der Schweiz — Schweden und die Schweiz, beides Länder, die die Schrecken des Krieges innerhalb ihrer eigenen Grenzen nicht erfahren haben, die es also etwas leichter hatten als alle anderen Länder — gab es ein Pressebuch, wenn ich einmal so sagen darf. Herr Dr. Frey hat es aufgeführt. Die Schweizer haben eine sehr zielbewußte Verwaltung in normalen Zeiten, erst recht in diesen Zeiten. Ich bin durchaus bereit, dieses schweizerische Pressebuch sofort als Gesetzesvorschlag zu übernehmen. Es ist nicht ganz so liebenswürdig, wie Sie es dargestellt haben.
    Meine Damen und Herren, damit wäre ich in der Würdigung der Beiträge zu Ende.
    Ich darf zum Schluß noch folgendes sagen: Wir sollten die Partie nicht so spielen, daß wir sie von Opposition zu Regierung und Regierungskoalition spielen, sondern wir müssen sie mit einem ganz anderen Grundgedanken spielen. Wir alle sind die Beauftragten des Volkes, und wir sind die Treuhänder der Sicherheit des Volkes. Wir müßten eigentlich einen Wettbewerb veranstalten, wer mehr an Sicherheit bieten kann, Sie oder wir.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)