Rede:
ID0405602200

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    Deutscher Bundestag 56. Sitzung Bonn, den 24. Januar 1963 Inhalt: Entwurf eines Gesetzes zur Ergänzung des Grundgesetzes (Drucksache IV/891) — Erste Beratung — Höcherl, Bundesminister . 2477 A, 2526 D Hoogen (CDU/CSU) . . . . . . 2491 C Dr. Schäfer (SPD) . . . . . . . 2495 D Dorn (FDP) . . . . . . . . . 2504 C Leber (SPD) . . . . . . . . 2507 A Sänger (SPD) 2516 B Dr. h. c. Güde (CDU/CSU) . . . 2523 D Entwurf eines Gesetzes über den Zivildienst im Verteidigungsfall (Zivildienstgesetz) (Drucksache 1V/450) — Erste Beratung —; in Verbindung mit .dem Entwurf eines Gesetzes zur Ergänzung des Gesetzes über den Bundesgrenzschutz und die Einrichtung von Bundesgrenzschutzbehörden (Drucksache IV/343) — Erste Beratung —; dem Entwurf eines Gesetzes zur Regelung des Aufenthalts .der Zivilbevölkerung im Verteidigungsfall (Aufenthaltsregelungsgesetz) (Drucksache IV/895) — Erste Beratung —; dem Entwurf eines Gesetzes über bauliche Maßnahmen zum Schutz der Zivilbevölkerung (Schutzbaugesetz) (Drucksache IV/ 896) — Erste Beratung —; und dem Entwurf eines Gesetzes über den Selbstschutz der Zivilbevölkerung (Selbstschutzgesetz) (Drucksache IV/897) — Erste Beratung — Schmitt-Vockenhausen (SPD) . . . 2533 C Lünenstraß (SPD) . . . . . . . 2537 B Dr. Even (Düsseldorf) (CDU/CSU) 2539 C Frau Dr. Flitz (Wilhelmshaven) (FDP) 2541 D Busse (FDP) . . . . . . . . 2544 D Frau Renger (SPD) 2546 B Hansing (SPD) 2548 D Dr. Kempfler (CDU/CSU) 2550 D Hübner (CDU/CSU) 2551 D Entwurf eines Gesetzes über die Sicherstellung von Leistungen auf dem Gebiet der gewerblichen Wirtschaft sowie des Geld- und Kapitalverkehrs (Wirtschaftssicherstellungsgesetz) (Drucksache IV/ 892) — Erste Beratung —; in Verbindung mit dem Entwurf eines Gesetzes über die Sicherstellung der Versorgung mit Erzeugnissen der Ernährungs- und Landwirtschaft sowie der Forst- und Holzwirtschaft (Ernährungssicherstellungsgesetz) (Drucksache IV/893) — Erste Beratung —; und dem Entwurf eines Gesetzes zur Sicherstellung des Verkehrs (Verkehrssicherstellungsgesetz) (Drucksache IV/894) — Erste Beratung — Dr. Bieringer (CDU/CSU) . . . 2553 B Lange (Essen) (SPD) 2553 C Dr. Imle (FDP) 2555 D Lemmrich (CDU/CSU) 2556 C Überweisung der Gesetzentwürfe an Ausschüsse 2557 C Wahlen zum Europäischen Parlament und zur Beratenden Versammlung des Europarates 2557 D Nächste Sitzung 2558 C Anlage 2559 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 56. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. Januar 1963 2477 56. Sitzung Bonn, den 24. Januar 1963 Stenographischer Bericht Beginn: 9.02 Uhr.
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    Anlage Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete (r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Fran Albertz 24. 1. Arendt (Wattenscheid) 25.1. Dr. Arndt (Berlin) 24. 1. Dr. Atzenroth 25.1. Dr. Dr. h. c. Baade 25. 1. Bading 5.2. Bauknecht 25. 1. Fürst von Bismarck 25. 1. Dr. Bleiß 25.1. Dr. von Brentano 25. 1. Brese 25. 1. Deringer 24. 1. Dr. Dörinkel 4. 2. Drachsler 25. 1. Dr. Dr. h. c. Dresbach 28.2. Eisenmann 24. 1. Etzel 26. 1. Faller * 25. 1. Figgen 23. 2. Funk (Neuses am Sand) 16. 2. Gewandt 31. 1. Freiherr zu Guttenberg 25. 1. Haage (München) 25. 1. Hahn (Bielefeld) 25. 1. Hammersen 24.1. Harnischfeger 25. 1. Hauffe 28.2. Hellenbrock 26. 1. Holkenbrink 26. 1. Dr. Hoven 25. 1. Illerhaus 24. 1. Kahn-Ackermann 25. 1. Kalbitzer 25. 1. Dr. Kanka 24. 1. Katzer 31. 1. Keller 25. 1. Frau Kipp-Kaule 25. 1. Klinker 25. 1. Koenen (Lippstadt) 25.1. Dr. Kohut 25. 1. Kriedemann* 25. 1. Kühn (Köln) 2.2. Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordneter) beurlaubt bis einschließlich Lemmer 26. 1. Lenz (Bremerhaven) 25. 1. Lücker (München) * 25. 1. Mattick 25. 1. Mauk 25. 1. Frau Dr. Maxsein 25. 1. Dr. Menzel 25. 1. Dr. von Merkatz 4. 2. Dr. Miessner 31. 1. Missbach 25. 1. Dr. Morgenstern 25. 1. Müller (Berlin) 28. 2. Müller (Remscheid) 25. 1. Müller-Hermann 31. 1. Neubauer 17.2. Neumann (Berlin) 25. 1. Ollenhauer 25. 1. Dr.-Ing. Philipp 25. 1. Rademacher 31. 1. Ravens 25. 1. Dr. Reinhard 25. 1. Richarts 26. 1. Dr. Rutschke 31. 1. Sander 25. 1. Schmücker 24. 1. Schneider (Hamburg) 31. 1. Schröder (Osterode) 25. 1. Schütz 25. 1. Dr. Stammberger 3. 2. Dr. Starke 24. 1. Stein 24. 1. Frau Strobel * 25. 1. Struve 25. 1. Dr. Süsterhenn 25. 1. Urban 25. 1. Wacher 25. 1. Dr. Wahl 28. 2. Dr. Zimmer 26. 1. Zühlke 24. 1. b) Urlaubsanträge Dopatka 21.2. Werner 24. 2. *) Für die Teilnahme an Ausschußsitzungen des Europäischen Parlaments
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    Rede von Fritz Sänger


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Kollege Dresbach, finden Sie nicht, daß sich beide Aussprüche möglicherweise aufheben? Im übrigen könnte ich sagen, daß dem Anspruch von Weber andere gegenübergestellt werden können. Aber selbst wenn es so ist, daß die Presse nur an dem schlechtesten ihrer Mitarbeiter gewertet wird, finden Sie das dann gerecht? Weber hat es ja zu einer Zeit gesagt, als die heutige Position der Presse noch nicht erreicht war. Finden Sie nicht, daß wir in dieser heutigen Position, in dieser gemeinsamen Arbeit, wo Regierung und Presse in bezug auf die Notstandsgesetzgebung miteinander für das Wohl des Ganzen ringen sollten, alle einen Anteil daran nehmen sollten, die Position der Presse immer von neuem zu heben, ihr Gewicht immer von neuem bedeutsamer werden zu lassen? Das sollte doch unser gemeinsames Anliegen sein.


Rede von Dr. August Dresbach
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Ich will Sie beruhigen, Herr Sanger. An derselben Stelle spricht er von der außerordentlichen Verantwortlichkeit der Chefredakteure der großen Zeitungen. Daran können wir uns wieder aufrichten.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Fritz Sänger


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Kollege Dresbach — für die anderen Kollegen mag es vielleicht ein kleiner Fingerzeig sein —, wir wissen ja, daß wir die groß-



    Sänger
    artige Leistung des Chefredakteurs und die noch besseren Möglichkeiten in einer vernünftigen Redaktion haben, die, wenn sie eine wirkliche Gemeinschaft darstellt, ihn leicht ersetzen kann, daß es immer besser ist, eine Gemeinschaft der Redaktion zu haben, die sich selber, in eigener Verantwortung, führt und damit schon in einer kleinen Zelle die Praxis demokratischer Wirklichkeit zeigt.
    Dieser Kollege hatte sicher recht, wenn er meinte, die Presse werde nicht ernst genommen und dieser Teil der Presse — vielleicht, Herr Kollege Dresbach, haben Sie das auf dem Wege zum Mikrophon nicht gehört —, der heute so groß und gewichtig daherschreitet, konnte dieses Gewicht nur gewinnen, weil ein anderer, sehr viel größerer Teil der Presse die entscheidende Aufgabe der energischen Recherche, der beharrlichen Suche nach der Wahrheit, der überwiegend nichtkonformistischen Haltung nicht in dem Umfang erfüllt hat.
    Lassen Sie uns darüber keine weiteren Betrachtungen anstellen, sondern finden wir uns wieder in der Gewißheit, daß viele heute nicht unberechtigt Furcht haben, oppositionelle Meinungen zu äußern, viele deshalb Furcht haben, weil sie zum Staatsfeind verdammt werden könnten, und sich gar nicht einmal schämen, aus solchen Gründen vorsichtiger zu schreiben. Für den Staat, für seine Ordnung und für unsere Entwicklung ist das freie Wort der Presse von entscheidender Bedeutung, auch und gerade in der Notzeit.
    Dieser Kollege, den ich zitierte, schrieb in diesen Tagen:
    Mit der Zeit wuchsen Kanzlerjournalisten heran, eine winzige Minorität, die herangeholt wird, wenn Adenauer das Bedürfnis verspürt, dem Volk aufs Maul zu schauen oder etwas über Bonner Kabalen zu hören.
    Es liegt mir ferne, hiermit eine Polemik beginnen zu wollen. Es liegt mir nur daran, mit dieser sicher auf die Spitze getriebenen Formulierung deutlich zu machen, daß eine verantwortungsbewußte Regierung mit der Presse ständigen Kontakt halten, ständig Vertrauen wahren muß und nicht, wie ich sagte, manipulieren, eine Auswahl treffen kann, wie erst jetzt geschehen. Man muß vielmehr mit allen Journalisten, auch mit denen, die nicht immer zu unserer Freude arbeiten,

    (Abg. Dr. Dr. h. c. Dresbach: Wie früher August Stein!)

    Fühlung halten. — Es ist die Kraft der Demokratie, Herr Dresbach, daß nicht alle einer Meinung sind, und es wäre der Schade der Demokratie, wenn alle auf der gleichen Linie schrieben und gehorsam wären.

    (Beifall bei der SPD und vereinzelt in der Mitte.)

    Ich möchte auf unsere Wirklichkeit hinweisen, auf das Verhältnis von Presse und Regierung zueinander, das nicht belastet bleiben darf. Ich möchte es deshalb tun, weil ich meine, daß vor allem im Notstand das Miteinander möglich und nötig sein
    sollte. Es ist die Aufgabe der Publizisten, zwischen dem Staat und seinen Interessen, also dem Staatsschutzprinzip, auf der einen Seite und den Ansprüchen der Öffentlichkeit auf der anderen Seite aus gleichen zu helfen, zu vermitteln und eine eigene Position einzunehmen. Nicht jede Entscheidung der Journalisten wird eine kluge oder, wenn Sie so wollen, eine richtige Entscheidung sein. Aber wir alle sind doch auch weit entfernt davon, zu meinen, daß jede Entscheidung der Behörden oder auch gar der Gerichte ein kluge, nützliche oder richtige Entscheidung sei. Wir müssen weg von diesem Primat der Wahrheit, die aus dem Amt kommt, und auch weg von dem Primat der unbedingten Information im Falle der äußeren Not. Wir können da einen Weg finden.
    Der Deutsche Presserat hat im Dezember vergangenen Jahres in einer Entschließung ein sehr hartes Wort gesagt. Ich darf, wenn der Herr Präsident es erlaubt, einen kurzen Passus daraus vorlesen:
    Aus den vorgeschlagenen Bestimmungen (dieser Gesetze) wird ersichtlich, daß man die Presse primär als eine lästige, gefährliche, des Vertrauens nicht würdige Einrichtung betrachtet, gegen die im Falle der äußeren oder inneren Gefahr, sogar schon im Katastrophenzustand weitestgehende gesetzgeberische und verwaltungsmäßige Beschränkungsmöglichkeiten geschaffen werden sollen.
    Das ist ein hartes Wort des Presserates. Aber er hat diese Entschließung einstimmig gefaßt, und die wenigsten der ehrenwerten Mitglieder dieses Gremiums, in ihrem Amt erfahrene Männer, die — zumeist seit vielen Jahren — im öffentlichen Leben bewährt sind, würden bereit sein, säßen sie hier, in meinen Reihen mit Platz zu nehmen. Und dennoch haben sie diese Auffassung wohlüberlegt geäußert und schriftlich niedergelegt. Es muß doch etwas dran sein an der gemeinsamen Auffassung derer, die sich da betroffen fühlen, und es müßte etwas geschehen, damit sie nicht noch weiter in die Verängstigung oder in die Drangsal, in die Einsamkeit oder in die Opposition zu der Regierung getrieben werden, die ihrer im Notfall besonders bedarf. Sie alle verkennen nicht, daß bei äußerer Gefahr — wie es in der Entschließung auch heißt — „eine gewisse Beschränkung der Informationsfreiheit aus Sicherheitsgründen" erforderlich werden kann, der „Informationsfreiheit" und nicht der Meinungsfreiheit; „aus Sicherheitsgründen" und aus keinen anderen Gründen sei „eine gewisse Beschränkung" zulässig. Aber weder Exekutive noch Legislative sollte, um einen Akt der Vernunft zu begehen, durch eine Beschneidung der Rechte, die in Art. 5 des Grundgesetzes gegeben sind, einen Akt der Selbstverstümmelung begehen und ein Siechtum der Demokratie herbeiführen. Wir müssen doch heraus aus der Gängelung oder aus den Gleisen, die zur Gängelung führen, die zur Zensur, zur Weisung und zum Befehl führen.
    Ich glaube, daß wir da in den Vorgängen, die während und nach der Kubakrise — und das sei das letzte Beispiel — zu verzeichnen waren, vieles lernen können. Als die Kubakrise ausbrach, hat der



    Sänger
    Präsident der Vereinigten Staaten, Herr Kennedy, durch den Pressechef des Weißen Hauses, die Pressechefs ides Justizministeriums und des Verteidigungsministeriums die leitenden Männer der nordamerikanischen Agenturen und der freien Sendegesellschaften um sich versammelt. Sie haben eine Liste von 12 Kategorien von Nachrichten und militärischen Informationen erarbeitet und empfohlen, sich daran zu halten und über diese Themen nicht zu berichten. Im Zweifel stand die Pressestelle des Verteidigungsministeriums „in beratender Eigenschaft" zur Verfügung. Das ging gut! Aber dann wurde einer übermütig. Bemerkenswerterweise — oder vielleicht auch nicht — war es der Pressechef des Verteidigungsministeriums. Er schrieb, als die Kubakrise vorbei war: „In der Art der Welt, in der wir leben, wird die Erzeugung von Nachrichten durch Maßnahmen der Regierung zu einer Waffe in einer angespannten Situation." Er lobte also sich und die „Erzeugung von Nachrichten durch Maßnahmen der Regierung". Er überging dabei, daß die Presse sich freiwillig untergeordnet hatte, und das forderte nun die heftigste Kritik der amerikanischen Presse heraus. „Washington Star" schrieb:
    Mister Sylvester hat vielleicht eine mögliche Folge dieser seiner „Methoden" übersehen. Das ist, daß er und seine Vorgesetzten von jetzt an verdächtig sind. Sie haben nach unserer Ansicht rücksichtslos und gedankenlos ein Vertrauen, das wir gegeben haben, verspielt, ein Vertrauen, das in unserem Lande die Regel und nicht die Ausnahme war. Was diese heute von jetzt an als Quellen der Unterrichtung von sich geben, kann vielleicht wahr sein; aber man wird diese Wahrheit immer mit Vorsicht aufnehmen.
    Hier ist Glaubwürdigkeit verspielt worden, und sie ist schwerer zurückzugewinnen als irgend etwas anderes. Viele amerikanische Stimmen lauteten ähnlich; ich will sie Ihnen nun nicht mehr zumuten. Aber das Ergebnis dieser Lehren auch aus der Kubakrise war in den Vereinigten Staaten, daß man beim Präsidenten ein Beratungsgremium eingesetzt hat. Es soll Empfehlungen für die Presse und für die Regierung aussprechen. Es soll der Regierung nämlich sagen, daß es gewisse Geheimhaltungsanordnungen oder Auffassungen gibt, die unzweckmäßig sind. Man schlägt vor: die Mitglieder dieses Gremiums sollen Geheimnisträger sein, sie sollen nicht von der Regierung, sondern von ihren Arbeitgebern bezahlt werden, sie sollen unverfolgbar sein und ein offenes Gespräch führen, und sie sollen unnötige Vorschriften über Geheimhaltung unterbinden.
    Auch unser Entwurf nimmt in seiner Begründung
    — nicht im Gesetzestext — zu einem Beratungsgremium, zu einer Selbstkontrolle, Stellung. Aber es heißt dann in dieser Begründung, daß die Einschränkungen des Gesetzes — wörtlich —
    daher praktisch nur dann in Betracht kommen, wenn es nicht zur Einrichtung einer ausreichenden Selbstkontrolle kommt
    — wer bestimmt, welche Kontrolle ausreichend ist? —
    oder wenn diese ganz oder teilweise versagt
    — wer bestimmt, wann sie ganz oder teilweise versagt? —
    oder wirkungslos bleibt.
    Der Herr Minister sagte heute dazu, es müsse der Regierung vorbehalten sein, in einem solchen Falle zu bestimmen. Ich kann nur mit dem Herrn Kollegen von der FDP sagen: dann wäre die Regierung auch in einem solchen Falle Richter in eigener Sache. Diese Art von Selbstkontrolle reicht nicht, und es reicht auch nicht, sie in der Begründung zu erwähnen, nicht aber im Gesetz. Sie muß institutionalisiert werden, sie muß im Gesetz stehen. Sonst erleben wir bei der ersten Auseinandersetzung den Streit.
    Wenn aber Selbstkontrolle — wie sähe das in der Praxis aus? Die Zeit ist zu weit fortgeschritten, als daß ich Ihnen das einmal in der Ausführlichkeit darstellen könnte, die notwendig wäre. Wenn ich mich an den Umbruchtisch einer Zeitung oder in die Redaktion der Rundfunk-Nachrichtenabteilung oder des Fernsehens zurückversetzt fühle, — dort dann die Selbstkontrolle in der Einzelheit einschalten zu wollen ist eine Unmöglichkeit. Darüber muß im Ausschuß gesprochen werden.
    Ganz richtig hat der Pressechef des amerikanischen Verteidigungsministeriums gesagt, daß die Schwierigkeit in allen Fällen immer nur in der Tatsache liegt, daß die Journalisten in der Eile, im entscheidenden Moment, nicht die Möglichkeit haben, genau zu wissen, daß sie sich in diesem aktuellen Fall so oder so verhalten sollen. Deshalb sollten wir — wir kämpfen ja seit 1960 oder, genauer, 1959 darum, in ein solches Gespräch zu kommen; ich sagte es hier schon einmal, und ich bin auch immer dankbar für die Hilfe, die uns Herr Dr. Güde damals im Deutschen Presserat geleistet hat — in einem solchen Gespräch überlegen, zu einer gemeinsamen Arbeit zu kommen, die auch praktiziert werden kann.
    Wir haben erlebt, daß Fachleute nicht in der Lage waren, uns verbindlich zu sagen, welche Nachricht gefährlich oder nicht gefährlich ist. Herr Kollege Dresbach, vielleicht läßt Ihre Erinnerung Sie nicht im Stich: wir haben etliche Male in der Redaktion unserer Zeitung von den zuständigen Stellen freigegebene Nachrichten aus eigener Verantwortung nicht in die Zeitung genommen, weil es uns so um des Ganzen willen zweckmäßiger erschien. Es gibt umgekehrte Fälle. Es gibt den umgekehrten Fall — es gab ihn sogar in unseren Tagen in der Bundesrepublik —, daß die im Ausland veröffentlichte Informationen im Inland nicht gern gesehen wurden. Man konnte sie ja nicht sperren. Das zerstört das Vertrauen, wenn der Leser in einer ausländischen Zeitung liest oder im ausländischen Rundfunk hört, was ihn interessiert und angeht, wenn aber seine eigene Zeitung es ihm verschweigt. Herr Minister Höcherl, lassen Sie sich da von Ihren Fachleuten nicht in die Irre führen als einfacher Zeitungsleser. Auch Ihnen geht es nicht anders, als daß Sie erschrocken, erstaunt, böse und ärgerlich sind, wenn Sie morgens, falls Sie im Notstand den vielleicht verbotenen Rundfunk einschalten, daraus hören,



    Sänger
    was Sie viel lieber in Ihrer Zeitung gelesen hätten. Es ist der Wunsch, daß wir alle redlich miteinander versuchen, durch diese Gesetzentwürfe und insbesondere durch diesen Gesetzentwurf nicht in ein Zwielicht der Prinzipien zu kommen und nicht in eine Differenzierung in der Praxis.
    Aus der Selbstveranwortung der Presse können wir hier wahrscheinlich Nützliches schaffen. Ein vernünftiges Verhältnis zwischen Staat und Presse wird keinen totalen Frieden schaffen. Die Presse kontrolliert den Staat; das ist ihre Pflicht. Sie kontrolliert uns; das ist ihre Pflicht und uns nicht immer sehr angenehm, aber sie erfüllt damit eine Aufgabe. Diese Kontrollfunktion soll und muß erhalten bleiben. Die Gesetzentwürfe müssen das deutlich zum Inhalt haben, und es soll kein Schritt zur demokratischen Wirklichkeit und Praxis versäumt werden. Wenn wir durch diese Gesetzentwürfe glaubwürdig bleiben wollen, wenn wir unsere innere Ordnung erhalten wollen, müssen wir darauf dringen, daß sie jeden einzelnen möglichen Fall zu regeln versuchen, nicht den Sonderfall, sondern den Grundsatzfall.
    Wie wenig begründet im übrigen Sondermaßnahmen gegen die Presse bei innerem Notstand sind, sollte aus der Tatsache hervorgegangen sein, daß der Herr Minister vorhin die Konstruktion suchen mußte, ein innerer Notstand entstünde möglicherweise aus den militärischen Interessen einer fremden Macht. Ich möchte mich gegenüber möglichen Gefahren von außen nicht verschließen, aber ich möchte nicht, daß wir beliebig eine Puppe tanzen lassen, was sehr gefährlich nach der einen wie nach der anderen Seite werden könnte. Wenn innerer Notstand da ist, dann hat der Kampf der Geister begonnen, und gerade dann sollte die Presse in Information und Meinungsäußerung ganz frei und ungebunden helfen, daß sich die Demokratie und der Geist des Rechtes in diesem Lande durchsetzen.
    Ich komme zum Schluß. Die Arbeit im Ausschuß wird beträchtlich sein müssen. In Art. 115b Abs. 2 Buchstabe a) des Entwurfs steht, daß die Grundrechte aus Art. 5 des Grundgesetzes „über das sonst zulässige Maß hinaus" beschränkt werden können. Wir kennen schon heute nicht zuverlässig das „sonst zulässige Maß", und eigentlich hat erst die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in einem gewissen Umfang Richtlinien gegeben. Im Falle des Notstandes soll das Grundrecht nach Art. 5 aber noch über das sonst zulässige Maß hinaus eingeschränkt werden. Das muß genauer gesagt werden. Sondergesetze? Wofür? Auch für den Einzelfall? Es wird nicht einmal von „nötigen" Maßnahmen gesprochen, und ich glaube, daß auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht verpflichtend in diesem Gesetz steht.
    Praktisch könnte die Regierung im äußeren Notfall Nachrichten verbieten und Nachrichten anordnen, Meinungen verbieten und Meinungen anordnen, amtliche Aussagen in den Textteil bringen — die auch im Inseratenteil erscheinen können! —, Zeitungen verbieten und ihnen das Papier entziehen. Sie könnte Zensur anordnen. Freilich, das wäre ein Antasten des Grundrechts in seinem Wesensgehalt, und wir können das Grundgesetz ja nicht ändern, sondern nur ergänzen.
    Nicht nur die Bundesregierung soll diese Rechte, die im Entwurf vorgesehen sind, haben, auch die Länder und möglicherweise untere Instanzen. Die Folge wäre eine allgemeine Rechtsungleichheit, Rechtsunterschiedlichkeit und Rechtlosigkeit. Das Notstandsgesetz, das wir gemeinsam erarbeiten wollen, muß so beschaffen sein, daß es keiner Regierung und zu keiner Zeit eine Chance bietet, mit seiner Hilfe und unter seinem Schutz Ziele zu erreichen, die anzustreben in normaler Zeit das Risiko des Regierungssturzes herbeiführen würde. Für die Praxis muß es brauchbar sein, für die demokratische Praxis und die freiheitliche Ordnung, die gewahrt werden muß. Es muß klare Regelungen treffen und genaue Abgrenzungen vornehmen. Es soll Verzicht leisten auf die Beschneidung von Grundrechten; denn es geht auch ohne diese Beschneidung, und es soll herkömmlich, unkompliziert und ohne Anweisungen zu geben der Presse eine freie Arbeit ermöglichen. Es darf kein Zwielicht über diesem Gesetz sein und auch nicht über der voraussehbaren Wirklichkeit, die dieses Gesetz schafft. Es muß Klarheit herrschen über Artikel 5 und seine Effektivität — oder: Hände weg von diesem Artikel 5!
    Für uns Sozialdemokraten gilt, daß Wortlaut und Geist des Grundgesetzes maßgebend bleiben. Dort ist unübersehbar und eindeutig die Grenze gezogen, die auch diesen Notstandsgesetzen gezogen bleiben muß. Diesen Geist des Grundgesetzes wollen wir uns nicht durchlöchern lassen.

    (Beifall bed der SPD und 'vereinzelt in der Mitte.)