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ID0404222300

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Metadaten
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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 42. Sitzung Bonn, den 24. Oktober 1962 Inhalt: Abg. Even (Köln) — Wahlmann gemäß § 6 Abs. 2 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht 1791 A Zusammenstellung der über- und außerplanmäßigen Haushaltsausgaben für das zweite Vierteljahr des Rechnungsjahres 1962 (Drucksache IV/666) 1791 A Fragestunde (Drucksachen IV/671, IV/672) Frage des Abg. Dr. Kohut: Untersuchungsbericht betr. Staatssekretär Globke Höcherl, Bundesminister 1791 D, 1792 A, B, C Dr. Kohut (FDP) . . . . 1791 D, 1792 A Wittrock (SPD) 1792 A, B Jahn (SPD) 1392 B, C Frage des Abg. Dr. Kohut: Staatssekretär Globke und die Ausarbeitung nationalsozialistischer Gesetze Höcherl, Bundesminister . . . 1792 C, D, 1793 A, B, C, D, 1794 A, B Dr. Kohut (FDP) . . . . . . . . 1792 D Dr. Mommer (SPD) . . . . 1793 A, C Erler (SPD) 1793 A Jahn (SPD) ' 1793 B, C Spies (CDU/CSU) . . . . . . 1793 D Bauer (Würzburg) (SPD) . . . . 1793 D Wittrock (SPD) 1794 A Frage des Abg. Dr. Kohut: Wiedergabe von Äußerungen des Bundeskanzlers in der „Frankfurter Rundschau" Höcherl, Bundesminister . . 1794 B, C, D Dr. Kohut (FDP) 1794 C, D Vizepräsident Dr. Schmid . . . 1794 D Frage der Abg. Frau Dr. Diemer-Nicolaus: Reise- und Umzugsvergütung für Beamtinnen mit eigenem Hausstand Höcherl, Bundesminister . . . 1795 A, B Frau Dr. Diemer-Nicolaus (FDP) . . 1795 A Frage des Abg. Lohmar: Kommission zur Beratung der Bundesregierung in Fragen der politischen Bildung Höcherl, Bundesminister . . . 1795 B, C Lohmar (SPD) 1795 C Frage des Abg. Dröscher: Luftschutzräume in neuen Krankenhäusern Höcherl, Bundesminister 1795 C, D, 1796 A Dröscher (SPD) . . . . . . . . 1795 D Frau Dr. Hubert (SPD) . . 1795 D, 1796 A II Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 42. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Oktober 1962 Frage des Abg. Wittrock: Mißstände bei Teilzahlungskäufen Dr. Stammberger, Bundesminister . . . . 1796 A, B, C Wittrock (SPD) 1796 B, C Frage des Abg. Wittrock: Verwendung von Kugelschreibern bei notariellen Urkunden Dr. Stammberger, Bundesminister . 1796 D 1797 B, C Wittrock (SPD) 1797 B, C Frage der Abg. Frau Dr. Hubert: Ratifizierung der Europäischen Sozialcharta Blank, Bundesminister 1797 C, 1798 A Frau Dr. Hubert (SPD) 1797 D, 1798 A Börner (SPD) . . . . . . . . . 1798 B Frage des Abg. Wegener: Soldaten-Freizeitheim in Augustdorf Strauß, Bundesminister 1798 B, D, 1799 A Wegener (SPD) 1798 C, D Welslau (SPD) . . . . 1798 D, 1799 A Frage des Abg. Bauer (Würzburg) : Flugzeugabstürze bei der Bundeswehr Strauß, Bundesminister . . . 1799 A, B Bauer (Würzburg) (SPD) . . . . 1799 B Frage des Abg. Cramer: Bedarf an Fernsprecheinrichtungen Stücklen, Bundesminister . 1799 C, D Cramer (SPD) • 1799 C, D Frage des Abg. Metzger: Verkauf eines Kasernengrundstücks in Darmstadt Lenz, Bundesminister . . 1800 A, B, C, D, 1801 A, B Metzger (SPD)' 1800 B Ritzel (SPD) 1800 C, D Dr. Schäfer (SPD) . . 1800 D, 1801 A, B Schwabe (SPD) 1801 B Frage des Abg. Sänger: Entschädigung an jugoslawische Opfer von medizinischen Versuchen Dr. Hettlage, Staatssekretär . 1801 C, D Sänger (SPD) 1801 D Fragen des Abg. Fritsch: Tragen von Überschnallkoppeln und langen Hosen im Bundesgrenzzolldienst Dr. Hettlage, Staatssekretär 1802 A, B, C, D, 1803 A Fritsch (SPD) 1802 B, C, D Ritzel (SPD) . . . . . . . . 1803 A Fragen des Abg. Hilbert: Entschädigung der sogenannten F.- u. E.-Hiebe Dr. Hettlage, Staatssekretär 1803 A, C, D Hilbert (CDU/CSU) . . . . . 1803 B, C Dröscher (SPD) 1803 D Frage der Abg. Frau Dr. Elsner: Verfälschte italienische Dessertweine Dr. Hettlage, Staatssekretär . . 1804 A Frau Dr. Elsner (SPD) 1804 A Frage des Abg. Seuffert: Kücheneinrichtungen bei Bauzügen der Bundesbahn Dr. Hettlage, Staatssekretär . . 1804 C, D Seuffert (SPD) . . . . . . . 1804 C, D Antrag der Fraktion der SPD betr. Trinkmilch (Drucksache IV/409) 1805 A Bericht des Petitionsausschusses über seine Tätigkeit; verbunden mit der Sammelübersicht 10 des Petitionsausschusses über Anträge zu Petitionen und systematische Ubersicht über vom 17. Oktober 1961 bis 30. September 1962 eingegangene Petitionen (Drucksache IV/653) . . Frau Dr. Flitz (Wilhelmshaven) (FDP) 1805 B Vizepräsident Dr. Schmid . . . . 1808 B Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung des Leistungsrechts der Kindergeldgesetze (Kindergeldverbesserungsgesetz) (SPD) (Drucksache IV/468) — Erste Beratung — Frau Korspeter (SPD) 1808 C Winkelheide (CDU/CSU) . . . 1810 A Killat (SPD) . . . . . . . . . 1811 A Blank, Bundesminister . . . . . 1813 C Dr. Danz (FDP) . . . . . . . 1814 B Dr. Schellenberg (SPD) . 1815 C, 1816 D Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 42. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Oktober 1962 III Antrag der Fraktion der SPD betr. Zweites Neuordnungsgesetz zur Kriegsopferversorgung (Drucksache IV/469 [neu]) Bazille (SPD) 1817 B, 1831 A Frau Dr. Probst (CDU/CSU) 1819 D, 1835 A Dr. Rutschke (FDP) 1820 B Blank, Bundesminister . 1821 A, 1828 B Glombig (SPD) . . . . 1823 B Dr. Schellenberg (SPD) . 1826 C, 1834 A Maucher (CDU/CSU) 1830 A Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Mutterschutzgesetzes (SPD) (Drucksache IV/562) — Erste Beratung — Frau Rudoll (SPD) 1835 B Dr. Jungmann (CDU/CSU) . . . 1837 A Frau Dr. Diemer-Nicolaus (FDP) . 1837 D Dr. Schmidt (Offenbach) (SPD) . . 1840 A Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundesbesoldungsgesetzes (Drucksache IV/625) — Erste Beratung —; in Verbindung mit dem Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 75 GG) (Drucksache IV/633) — Erste Beratung — und dem Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundesbesoldungsgesetzes (Abg. Dr. Miessner, Brück, Dorn, Wagner, Ertl, Hübner, Mertes, Dr. Bieringer u. Gen. (Drucksache IV/673) — Erste Beratung — Präsident D. Dr. Gerstenmaier . . 1829 D 1841 C Höcherl, Bundesminister 1841 C Brück (CDU/CSU) 1844 D Gscheidle (SPD) . . . . . . . 1847 A Dr. Miessner (FDP) 1853 A Dr. Anders, Staatssekretär 1854 A, 1861 B Dorn (FDP) 1855 B Dr. Kübler (SPD) 1856 B Wagner (CDU/CSU) 1857 B Wittrock (SPD) . . . . . . . 1859 A Dr. Süsterhenn (CDU/CSU) . . . 1859 C Schmitt-Vockenhausen (SPD) . . 1861 A Nächste Sitzung 1861 D Anlage 1863 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 42. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Oktober 1962 1791 42. Sitzung Bonn, den 24. Oktober 1962 Stenographischer Bericht Beginn: 9.03 Uhr
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    Berichtigungen Es ist zu lesen: 36. Sitzung Seite 1557 A Zeile 12 statt „eingefügten" : eingeführten; 38. Sitzung Seite 1592 A Zeile 10 von unten statt „Abtransport" : Antransport; 40. Sitzung Seite ,1710 A Zeile 8 von unten statt „ ,Anderswoher' ist nicht so ganz" : Wann die Bundestierärzteord-; Seite 1740 C Zeile 17 statt „gebracht werden kann mit dem, was Sie" : zu Chruschtschows Koexistenz zu bringen. Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Frau Albertz 3. 11. Arendt (Wattenscheid) 27. 10. Dr. Arndt (Berlin) 26. 10. Dr. Barzel 26. 10. Bauer (Wasserburg) 26. 10. Bergmann 26. 10. Blumenfeld 26. 10. von Bodelschwingh 26. 10. Dr. Burgbacher 24. 10. Even (Köln) 24. 10. Figgen 26. 10. Dr. Dr. h. c. Friedensburg 28. 11. Dr. Furler 24. 10. Geiger 26. 10. Dr. Gradl 26. 10. Haage (München) 26. 10. Dr. Harm (Hamburg) 1. 11. Katzer 24. 10. Koenen (Lippstadt) 27. 10. Dr. Kreyssig 24. 10. Kriedemann 26. 10. Kühn (Bonn) 31. 12. Kuntscher 31. 10. Leber 26. 1,0. Lermer 26. 10. Dr. Löbe 24. 10. Dr. Löhr 24. 10. Lücker (München) 25. 10. Majonica 26. 10. Dr. Mälzig 26. 10. Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Mauk 26. 10. Memmel 26. 10. Dr. h. c. Menne (Frankfurt) 24. 10. Michels 26. 10. Mick 24. 10. Müller (Remscheid) 27. 10. Oetzel 31.10. Ollenhauer 26. 10. Rademacher 31. 10. Ramms 24. 10. Ravens 24. 10. Richarts 24. 10. Schulhoff 24. 10. Stein 24. 10. Storch 26. 10. Frau Strobel 25. 10. Wacher 26. 10. Dr. Wahl 15. 11. Wehking 3. 11. Wehner 24. 10. Werner 27. 10. Wittmer-Eigenbrodt 31. 10. b) Urlaubsanträge Auge 19. 11. Frau Berger-Heise 5. 11. Blachstein 5. 11. Dr. Bucher 5. 11. Dr. Dehler 5. 11. Dr. Deist 6. 11. Deringer 5. 11. Kalbitzer 5. 11. Dr. Kopf 5. 11. Kühn (Köln) 5. 11.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Helmut Bazille


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn jemand in der Bundesrepublik Deutschland das Recht hat, das erste Jahr der 4. Wahlperiode des Deutschen Bundestages als ein verlorenes Jahr zu empfinden, dann sind es die deutschen Kriegsopfer. Obgleich alle Parteien vor den Wahlen zu diesem 4. Deutschen Bundestag erklärt hatten, daß sie bereit seien, vordringlich die begonnene Neuordnung der Kriegsopferversorgung im 4. Deutschen Bundestag fortzusetzen, war es lediglich die sozialdemokratische Fraktion, die dieses Wort eingelöst und verschiedene Initiativen ergriffen hat.
    Eine dieser Initiativen fand ihren Niederschlag in der Drucksache IV/469. Ich habe die Ehre, diesen Antrag zu begründen. Durch ihn sollte die Bundesregierung ersucht werden, den Entwurf eines Zweiten Neuordnungsgesetzes zur Kriegsopferversorgung bis zum 30. September vorzulegen. Nun, Siewerden verstehen, daß meine Fraktion erbittert und ungehalten darüber ist, daß unser Antrag erst heute auf der Tagesordnung des Hauses steht, nachdem der Termin, der dem Anliegen der Frakttion entspricht, in der Zwischenzeit bereits um mehrere Wochen überschritten ist und damit überhaupt keine Möglichkeit mehr besteht, ihn einzuhalten. Dabei hat meine Fraktion diesen Entwurf so rechtzeitig vor den Sommerferien eingebracht, daß durchaus eine Möglichkeit bestanden hätte, ihn zu beraten.
    Es ist in diesem Zusammenhang interessant, darauf hinzuweisen, daß Herr Kollege Arndgen bereits in der dritten Sitzung des Kriegsopferausschusses am 21. Februar 1962 in Gegenwart der Herren Bundesminister der Finanzen und für Arbeit und Sozialordnung einen Entschließungsantrag der Koalition vorgelegt hat, durch den die Bundesregierung ersucht werden sollte, Vorschläge für die Weiterentwicklung des Rechts der Kriegsopferversorgung auszuarbeiten und den gesetzgebenden Körperschaften zuzuleiten.
    In der Weiterverfolgung dieses Entschließungsantrags wurde dann in der Sitzung des Ausschusses am 20. Juni einstimmig der Beschluß gefaßt, daß die Bundesregierung gebeten werden solle, so bald als möglich den Entwurf eines Zweiten Neuordungsgesetzes in der Kriegsopferversorgung vorzulegen. Am 13. Juni, wie gesagt, hatte die sozialdemokratische Fraktion diese Vorlage eingebracht. Völlig überraschend und im krassen Widerspruch zum Verhalten ihrer Vertreter im Ausschuß haben die Koalitionsfraktionen es dann abgelehnt, sie noch vor den Ferien auf die Tagesordnung zu nehmen und termingerecht zu verabschieden.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Da kann man nur noch mit Adolf Müllner fragen:
    Erkläret mir, Graf Oerindur,
    diesen Zwiespalt der Natur.
    Und es ist kein Zufall, daß dieses vom Volksmund übernommene und abgewandelte Zitat dem Schicksalsdrama „Die Schuld" entstammt; denn durch dieses makabre Spiel mit dem Schicksal von Millionen beginnen in der Tat Regierung und Regierungskoalition Schuld auf sich zu laden.
    Es wurde in der Regierungserklärung, die der Bildung dieser Koalitionsregierung folgte, seinerzeit schon nur mit einigen wenigen Sätzen der Kriegsopferversorgung gedacht. Damals enthielt die Ankündigung u. a. die Feststellung, daß die Heilbehandlung verbessert und den fortschreitenden Erkenntnissen der Medizin angepaßt werden soll. Nun, nach mehr als einem Jahr sind solchen Ankündigungen keinerlei Taten gefolgt.
    Ich will nur wenige Beispiele anführen, die sichtbar machen, welcher Versäumnisse sich die Bundesregierung auf diesem Gebiet schuldig gemacht hat. So sind drei Jahre nach dem Iller-Unglück die bedauernswerten Eltern der damals tragisch ums Leben gekommenen Bundeswehrsoldaten noch immer



    Bazille
    ohne Versorgung, ohne Versorgung deshalb, weil die umstrittene Voraussetzung der Ernährereigenschaft noch immer im Bundesversorgungsgesetz verankert ist. Oder: auf dem Gebiete der Erkennung und Erfassung der Spätschäden, die sich in der Folge jahrelanger Kriegsgefangenschaft eingestellt haben, hat der Verband der Heimkehrer durch einen ärztlichen Beirat und durch nahezu 2000 ehrenamtliche Helfer zunächst einmal Feststellungen darüber treffen müssen, welche kausalen Verflechtungen zwischen den außergewöhnlichen Belastungen in der Gefangenschaft und späteren Gesundheitsstörungen bestehen. Die Arbeiten dieses Verbandes, der sich damit sehr verdient gemacht hat, haben internationale Anerkennung gefunden. Die Bundesregierung selbst hat bis jetzt keinen nennenswerten Beitrag geleistet, um diese Probleme wissenschaftlich zu klären, obgleich entsprechende Forderungen der Heimkehrer schon jahrelang bestehen.
    Um noch ein anderes Gebiet aus der Kriegsopferversorgung aufzugreifen, möchte ich das Problem des Phantomschmerzes der Amputierten nennen. Der Kriegsopfer-Ausschuß war erst vor wenigen Tagen in Berlin und hat dort Gelegenheit gehabt, das Landesversorgungsamt zu besichtigen. Dort wurde bei der Besichtigung einer Gehschule gesagt, daß rund 50 % derjenigen, die die Gehschule in Anspruch nehmen, unter Phantomschmerzen leiden. Es ist wissenschaftliche noch keineswegs einwandfrei geklärt, wo der Phantomschmerz, die Geißel der Amputierten, seinen Sitz hat, welches seine letzten Ursachen sind. Auch hier ist es die Bundesregierung den Kriegsopfern schuldig geblieben, eine entsprechende Forschung in die Wege zu leiten.
    Ich will diese Dinge, soweit sie die Heilbehandlung betreffen, nicht vertiefen. Aber es scheint mir notwendig, darauf hinzuweisen, daß diejenigen gesetzlichen Leistungen, die der Herr Bundesminister für Arbeit so besonders ins Herz geschlossen hat, nämlich die Ausgleichsrenten — die ja nur diejenigen Kriegsbeschädigten und Kriegshinterbliebenen bekommen können, die über besonders niedrige Einkommen aller Art verfügen —, in der Praxis das Ergebnis einer Dynamisierung nach unten haben. Das heißt, wer als Kriegsopfer Empfänger der Ausgleichsrente ist, ist vom sozialen Fortschritt ausgeschlossen; denn jede Leistungserhöhung, die entweder eintritt, weil sich Lohnbezüge verbessern oder weil sich gesetzliche Rentenbezüge verändern, führt automatisch zu einer Absenkung der Ausgleichsrente des Betreffenden in der Kriegsopfersorgung, so daß er stets in der Gesamtheit dessen, was ihm zum Lebensunterhalt zur Verfügung steht, auf dem gleichen Stande festgehalten wird.
    Das wäre schon dann ein bedauerlicher Tatbestand, wenn dadurch die Kriegsopfer lediglich von der Teilhabe an der noch immer vorhandenen Fortentwicklung des Sozialprodukts ausgeschlossen wären. Aber es wird in seiner sozialen Ungerechtigkeit geradezu unerträglich, wenn man weiß, daß ja in der gleichen Zeit, in der sich das Sozialprodukt fortentwickelt hat, auch die Preise gestiegen sind, so daß die Einfrierung des Einkommens für diese Menschen eben nicht nur den Verzicht auf die Teilhabe am sozialen Fortschritt bedeutet, sondern eine fortschreitende Minderung ihrer Möglichkeiten, innerhalb dieser staatlichen Ordnung so zu leben, wie das allen übrigen Staatsbürgern vergönnt ist. Hier hat die Bundesregierung einem Prozeß tatenlos zugesehen, der die Kriegsopfer berechtigt, sich innerhalb der gesellschaftlichen Ordnung der Bundesrepublik als Stiefkinder der Nation zu fühlen.
    Alle diese Zusammenhänge sind mindestens den Sachverständigen der Koalition durchaus bekannt; denn es wurde bei den verschiedensten Tagungen von Kriegsopferverbänden und Vorsprachen von Bevollmächtigten dieser Organisationen beteuert, daß man diese Fragen selbstverständlich im Auge habe. Ja, es ging sogar so weit, daß die Sprecher der Koalitionsfraktionen seinerzeit in der Aussprache über die zweite Regierungserklärung, die Bundeskanzler Adenauer nach den Ferien hier abgab, festgestellt haben, daß es bedauerlich sei, daß sich der Kanzler nicht über die Frage der Kriegsopferversorgung geäußert habe. — Ja nun, meine Damen und Herren, mit dem Bedauern darüber, daß die Regierung nichts tut, ist den Kriegsopfern nicht geholfen.
    Die Kriegsopfer erwarten, daß nun in der Gesetzgebung diesen Ankündigungen, die ja sehr weit zurückreichen, zurückreichen bis in die Zeit der Wahlen zu diesem 4. Deutschen Bundestag, nun irgendwelche Taten folgen. Wie sieht es nun aber mit diesen Taten aus? Der Ausschuß berät seit Monaten eine Vorlage der sozialdemokratischen Fraktion, mit der wenigstens die Grundrenten in bescheidenem Umfang den gestiegenen Lebenshaltungskosten angepaßt werden sollten. Aus Anlaß dieser Beratungen hatte die Koalition geglaubt, es sei notwendig, die Bundesregierung zu bitten, baldmöglichst mit ihrem Entwurf eines Zweiten Neuordnungsgesetzes in Erscheinung zu treten. Es kam zu einem einstimmigen Beschluß des Ausschusses.
    Was tat nun der Herr Bundesminister für Arbeit, als ich ihm im Namen des Auschusses diesen Beschluß zur Kenntnis brachte? Er wandte sich an 'den Herrn Präsidenten des Bundestages mit einem Schreiben vom 2. Juli, das ich mit Genehmigung des Herrn Präsidenten im Wortlaut zitieren darf. Er schreibt:
    Sehr geehrter Herr Präsident!
    Als. Anlage übersende ich Ihnen .die Ablichtung eines Schreibens, das mir vom Vorsitzenden des Ausschusses für Kriegsopfer- und Heimkehrerfragen, Herrn Abgeordneten Bazille, zugegangen ist. Im Hinblick auf § 60 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages und Ihre Ausführungen in der 164. Sitzung des 3. Deutschen Bundestages am 28. Juni 1961 wäre ich Ihnen sehr dankbar, wenn Sie die gefaßten Beschlüsse des Ausschusses auf ihre Rechtswirksamkeit hin überprüfen und mir Ihre Entscheidung mitteilen würden.
    So also der Bundesminister für Arbeit im Verkehr mit den Damen und Herren seiner eigenen Fraktion, die die Auffassung dieser Fraktion — so muß man wenigstens annehmen — im Ausschuß vertreten;



    Bazille
    denn es kann ja niemand glauben, daß etwa die Vertreter dieser Fraktion in den Ausschüssen ohne Verbindung mit ihrer Fraktion dort politisch agieren.
    War schon diese Anfrage des Ministers äußerst merkwürdig, dann war noch merkwürdiger, was geschah, nachdem der Präsident, übrigens völlig zu Recht, festgestellt hatte, daß ein Ausschuß kein Initiativrecht hat. Das wußte ,der Ausschuß seinerzeit, als er diesen Beschluß faßte. Er hat ja die Bundesregierung auch nicht ersucht, wie es das Plenum des Bundestages mit Rechtswirksamkeit tun könnte, sondern er hat lediglich gebeten, hat also lediglich eine Willensbekundung abgegeben, daß die Regierung schnellstmöglich das Gesetz vorlegen möge.
    Der Herr Bundesarbeitsminister hat sich geweigert, sich überhaupt zu äußern, weil er der Meinung war, ,daß der Ausschuß seine Kompetenz überschritten habe. Nun, Herr Bundesminister für Arbeit, hier ging es nicht um die Kompetenz des Ausschusses, sondern hier geht es um das Schicksal der deutschen Kriegsopfer.

    (Abg. Müller [Berlin] : Sie brauchen die ganze Sache nicht gleich zu dramatisieren! — Zuruf von der SPD: Für Sie ist ,das nicht dramatisch, für andere schon!)

    Dieses Spiel, einerseits im Ausschuß eine Regierungsvorlage zu forcieren und andererseits im Plenum einen Antrag abzulehnen, der von 'der Regierung die Vorlage dieses Gesetzentwurfes verlangt, ist nicht nur höchst unerfreulich, sondern, ich möchte sogar sagen, des Hohen Hauses unwürdig. Man kann nicht im Ausschuß eine Haltung einehmen, die im krassen Widerspruch zu 'dem steht, was man nachher im Plenum beschließt. Eine solche Arbeitsweise ist schlechterdings mit den Pflichten des Parlaments unvereinbar.
    Ich habe schon darauf 'hingewiesen, daß wir ursprünglich beantragt hatten, die Bundesregierung möge den Entwurf eines Zweiten Neuordnungsgesetzes in der Kriegsopferversorgung dem Hohen Hause bis zum 30. September vorlegen. Dieser Termin ist 'gegenstandslos, 'weil der 30. September verstrichen ist rund durch das Verhalten der Mehrheit des Hauses der Antrag nicht beraten worden ist. Wir hatten nun zu überlegen, welches neue Datum wir dem Hause vorschlagen 'sollen. Dabei mußten wir prüfen, was die Bundesregierung selbst hierzu gesagt hat. Und nun darf ich — wieder mit Genehmigung des Herrn Präsidenten — zitieren, was der Herr Bundesminister für Arbeit am 21. Februar 19,62 im Ausschuß auf eine Frage meines Kollegen Bals erklärte: „Im Arbeitsministerium weiß man zu jeder Zeit, was man 'auf diesem Gebiet will." Es ist also anzunehmen, daß der Bundesminister für Arbeit einen entsprechenden Entwurf durchaus schon, wie man so sagt, „in der Schublade hat" und daß es offenbar lediglich noch ran der Uneinigkeit im Koalitionsausschuß hängt, wenn es bis jetzt nicht zu einer Vorlage gekommen ist. In den letzten Tagen war in der Presse zu lesen und im Rundfunk zu hören, 'daß sich der Koalitionsausschuß mit der Frage befassen werde, ob und was für die Kriegsopfer ,geschehen solle. Nach Idem letzten Stand von heute morgen war es so, daß offenbar immer noch keine Einigung erzielt wurde. Vielleicht hören wir jetzt dazu mehr. Jedenfalls, der Bundesminister für Arbeit ist seinen Auskünften nach, die er bereits vor rund einem halben Jahr gegeben hat, durchaus in der Lage, jederzeit einen Entwurf vorzulegen. Wir glauben deshalb, die Bundesregierung nicht zu überfordern, wenn wir das Datum in unserem Antrag dahin ändern, daß es heißt: „bis zum 30. November".
    Nach all dem, was draußen in ,der Öffentlichkeit von Vertretern ,der Koalition und auch hier im Hause aus Anlaß .der Aussprache über die Regierungserklärung von Herrn Dr. Mende und von Herrn Dr. von Brentano zur Kriegsopferversorgung gesagt worden ist, möchten wir annehmen, die Auffassung des Bundestages gehe dahin, daß noch in diesem Jahr dem Hohen Hause von der Bundesregierung eine Vorlage unterbreitet werden soll und daß die erhöhten Leistungen in der Kriegsopferversorgung mit Wirkung vom 1. Januar 1963 in Kraft gesetzt werden sollten.
    Meine Damen und Herren, der Antrag, der Ihnen vorliegt und den ich in der Weise geändert habe, daß der Termin der 30. November sein soll, gibt Ihnen Gelegenheit, unter Beweis zu stellen, ob Sie für die Kriegsopfer endlich die versprochene und längst fällige Anpassung ihrer Leistungen tatsächlich vornehmen wollen oder nicht.

    (Beifall bei ,der SPD.)



Rede von Dr. Richard Jaeger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Probst.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Maria Probst


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir begrüßen es, daß die sozialdemokratische Fraktion in dem vorliegenden Antrag Drucksache IV/469 die Bundesregierung auffordert, alsbald den Entwurf eines Zweiten Neuordnungsgesetzes zur Kriegsopferversorgung vorzulegen. Die Zielsetzung, daß die Bundesregierung initiativ werden solle, entspricht ganz dem, was Herr Kollege Arndgen im Ausschuß für Kriegsopfer- und Heimkehrerfragen schon vor einiger Zeit angeregt hat.
    Es hat in diesem Hause immer Übereinstimmung darüber bestanden, daß die Vorlage eines Gesetzentwurfs durch die Bundesregierung einer Initiative aus den Reihen dieses Hauses schon deshalb vorzuziehen ist, weil damit gleichzeitig die Stellungnahme des Bundesrates dem Hohen Hause bekannt wird. Ein Zusammenwirken der drei Gremien — Bundesregierung, Bundesrat und Bundestag — stellt zweifellos die optimale Form der Gesetzgebungsvorgänge dar. Der Bundestagsausschuß für Kriegsopfer- und Heimkehrerfragen hat sich in seiner letzten Sitzung vor den Parlamentsferien einmütig für eine alsbaldige Initiative der Bundesregierung ausgesprochen.
    Meine politischen Freunde und ich sind der Auffassung, daß eine gerechte Anpassung der Kriegsopferversorgung an das veränderte Wirtschafts- und Sozialgefüge keinen Aufschub duldet. Ich möchte deutlich sagen: die Kriegsopferversorgung hat mit dem sogenannten Sozialpaket nichts zu tun, weder



    Frau Dr. Probst
    zeitlich noch inhaltlich. Die Fraktion der CDU/CSU ist aber der Meinung, daß der Bundesregierung und dem Bundesrat die Frist bleiben muß, die allein schon notwendig ist, um den technischen Ablauf der Gesetzgebungsinitiative zu ermöglichen. Die Fraktion der CDU/CSU beantragt daher ebenfalls, im Antrag Drucksache IV/469 das Datum „30. September" in das Datum „30. November" zu ändern.

    (Beifall bei der SPD und der FDP.)

    Die Fraktion der CDU/CSU erwartet, daß die Vorlage der Bundesregierung die Erfahrungen berücksichtigt, die sich aus der Durchführung des Ersten Neuordnungsgesetzes und insbesondere der Rechtsverordnungen ergeben. Die CDU/CSU-Fraktion erwartet, daß die Vorlage den Rechtsanspruch der Kriegsopfer stärkt und dabei ihrem Leistungwillen Rechnung trägt. Die Relation der Leistungen innerhalb des Gesetzes muß verbessert, das Verhältnis der Kriegsopferversorgung zu den übrigen Sozialgesetzen gerecht abgestimmt werden. Die Kriegsopfer haben Anspruch auf den ihnen zustehenden Anteil an den Erhöhungen der Leistungen der Sozialversicherung. Den Kriegsbeschädigten ist ein ausreichender Berufsschadenausgleich zu gewähren, der individueller zu gestalten ist. Die orthopädische Versorgung muß modernisiert werden. Die Schwerbeschädigtenzulage und die Pflegezulage bedürfen einer Individualisierung und einer Anpassung. Die CDU/CSU-Fraktion ist überzeugt, daß der Ausweitung und Verbesserung der Witwenversorgung Vorrang gebührt. Der Ausgleich für Einkommensverlust der vaterlos gewordenen Familie ist individueller zu gestalten und losgelöst von der Ausgleichsrente zu gewähren. Die Elternversorgung bedarf einer Weiterentwicklung, insbesondere im Hinblick auf die Ernährereigenschaft, die Freibeträge und die Höhe der Rente insbesondere für die Eltern, die ihre einzigen, letzten oder alle Kinder verloren haben.
    Die CDU/CSU-Fraktion behält sich vor, im Ausschuß entsprechende Anträge zu stellen.

    (Lachen bei der SPD.)

    — Meine Damen und Herrn, ich kann dieses Lachen nicht begreifen. Ich glaube, das ist der normale Vorgang. Wir haben unsere Grundgedanken der Bundesregierung unterbreitet,

    (Zurufe von der SPD: Viel zu spät!)

    und darüber hinaus behalten wir uns mit Ihnen zusammen das parlamentarische Recht vor, im Ausschuß Anträge zu stellen.
    Die CDU/CSU-Fraktion stimmt dem Antrag Drucksache IV/469 mit der Maßgabe der Änderung des Datums in den 30. November dieses Jahres zu.

    (Allseitiger Beifall.)