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ID0403507000

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    Deutscher Bundestag 35. Sitzung Bonn, den 15. Juni 1962 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung 1443 A Frau Döhring (Stuttgart) (SPD) . . . 1443 B Rasner (CDU/CSU) . . . . . . . 1444 A Dr. Mommer (SPD) . . . . . . . 1444 B Fragestunde (Drucksachen IV/453, IV/462, IV/479) Frage des Abg. Schmitt-Vockenhausen: Mangel an Formularen des neuen Personalausweises Dr. Hölzl, Staatssekretär 1444 D, 1445 B, C Schmitt-Vockenhausen (SPD) . . 1445 A, C Wehner (SPD) . . . . . . . . 1445 B Fragen des Abg. Fritsch: Heiratsabfindung für ehemalige Kriegerwitwen Blank, Bundesminister 1445 D, 1446 A, B, C Fritsch (SPD) . . . . 1445 D, 1446 A, C Gerlach (SPD) . . . . . . . . . 1446 B Frage des Abg. Lohmar: Chinesische Flüchtlinge in Hongkong Blank, Bundesminister . . . . . . 1446 D Frage des Abg. Imle: Anschlußzug an den Trans-Europa-Expreß „Parsifal" Dr. Seiermann, Staatssekretär . . 1447 B, C Dr. Imle (FDP) 1447 B, C Mündlicher Bericht des Vermittlungsausschusses zum Gesetz zur Änderung des Jugendarbeitsschutzgesetzes (Drucksache IV/467) Arndgen (CDU/CSU) 1447 D Entwurf eines Gesetzes zur Verlängerung der Geltungsdauer des Gesetzes über die Sicherstellung von Leistungen auf dem Gebiet der gewerblichen Wirtschaft (Drucksachen IV/421, IV/476) — Zweite und dritte Beratung — Brand (CDU/CSU) 1448 B Entwurf eines Gesetzes zur Durchführung des Artikels 64 Abs. 2 des Saarvertrages (Drucksachen IV/422, IV/475) — Zweite und dritte Beratung — 1448 D Entwurf eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 27. November 1961 mit der Republik Österreich zur Regelung von Schäden der Vertriebenen, Umsiedler und Verfolgten usw. (Finanz- und Ausgleichsvertrag) (Drucksachen IV/392, IV/460) — Zweite und dritte Beratung — 1449 A Große Anfrage der Fraktion der SPD betr. Krankenversicherung, Lohnfortzahlung und Kindergeld (Drucksache IV/215) Dr. Schellenberg (SPD) . 1449 B, 1452 B, 1468 D Rohde (SPD) . . . . . . . . 1449 C Blank, Bundesminister 1451 D Kühn (Hildesheim) (CDU/CSU) . 1460 C Spitzmüller (FDP) . . . . . . 1463 D Geiger (SPD) 1465 C Schmücker (CDU/CSU) 1466 D II Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 35. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. Juni 1962 Entwurf eines Gesetzes über die Erhebung der Abschöpfungen nach Maßgabe der Verordnungen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft über die schrittweise Errichtung gemeinsamer Marktorganisationen für die landwirtschaftlichen Erzeugnisse (Abschöpfungserhebungsgesetz) (CDU/CSU, FDP) (Drucksache IV/ 464) — Erste Beratung —; in Verbindung mit dem Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Zollgesetzes (CDU/CSU, FDP) (Drucksache IV/466) — Erste Beratung —, dein Entwurf eines Gesetzes zur Durchführung der Verordnung Nr. 19 (Getreide) des Rates der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (CDU/CSU, FDP) (Drucksache IV/463) — Erste Beratung —, dem Entwurf eines Gesetzes zur Durchführung der Verordnung Nr. 20 (Schweinefleisch), Nr. 21 (Eier) und Nr. 22 (Geflügelfleisch) des Rates der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft sowie zur Änderung des Gesetzes zur Förderung der deutschen Eier- und Geflügelwirtschaft (CDU/CSU, FDP) (Drucksache IV/465) — Erste Beratung — und dem Antrag betr. Durchführung der Verordnungen über die schrittweise Errichtung gemeinsamer Marktorganisationen (SPD) (Drucksache IV/428) Struve (CDU/CSU) . . . . . . . 1469 D Schwarz, Bundesminister . 1470 B, 1474 C Dr. Mommer (SPD) . . . . . . 1472 B Nächste Sitzung 1475 D Anlagen 1477 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 35. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. Juni 1962 1443 35. Sitzung Bonn, den 15. Juni 1962 Stenographischer Bericht Beginn: 9.03 Uhr
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    Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Adorno 30. 6. Dr. Arndt (Berlin) 15. 6. Dr. Aschoff 15. 6. Dr. Atzenroth 15. 6. Dr. Dr. h. c. Baade 15. 6. Bäumer 15. 6. Berlin 15. 6. Birkelbach 15. 6. Dr. Brecht 30. 6. Brese 15. 6. Brünen 25. 6. Dr. Burgbacher 15. 6. Busch 15. 6. van Delden 15. 6. Deringer 15. 6. Dr. Dittrich 15. 6. Dr. Dörinkel 15. 6. Drachsler 30. 6. Ehnes 15. 6. Eichelbaum 21. 6. Engelbrecht-Greve 16. 6. Dr. Dr. h. c. Friedensburg 15. 6. Dr. Furler 15. 6. Gerns 15. 6. Gscheidle 15. 6. Dr. Gradl 15. 6. Haage (München) 15. 6. Hahn (Bielefeld) 15. 6. Herold 17. 6. Dr. Hesberg 15. 6. Höfler 16. 6. Illerhaus 15. 6. Kalbitzer 15. 6. Dr. Klein (Berlin) 1. 7. Koenen (Lippstadt) 30. 6. Dr. Kopf 15. 6. Kriedemann 15. 6. Kühn (Bonn) 30. 6. Kühn (Köln) 15. 6. Lohmar 21. 6. Matthöfer 30. 6. Mattick 15. 6. Maucher 15. 6. Mauk 15. 6. Dr. h. c. Menne (Frankfurt) 15. 6. Dr. Menzel 30. 6. Müller (Remscheid) 15. 6. Dr. Nissen 15. 6. Oetzel 15. 6. Paul 15. 6. Dr. h. c. Pferdmenges 15. 6. Pöhler 15. 6. Frau Dr. Probst 15. 6. Rademacher 15. 6. Ramms 15. 6. Reitz 15. 6. Richarts 15. 6. Ruland 15. 6. Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Sander 15. 6. Dr. Schäfer 15. 6. Schlick 15. 6. Schmidt (Würgendorf) 15. 6. Schneider (Hamburg) 15. 6. Schultz 15. 6. Schütz 15. 6. Schwabe 15. 6. Seidl (München) 15. 6. Seifriz 15. 6. 'Seither 15. 6. Stiller 16. 6. Storch 15. 6. Frau 'Strobel 15. 6. Strohmayr 15. 6. Unertl 30. 6. Urban 29. 6. Frau Vietje 15. 6. Dr. Vogel 30. 6. Wacher 15. 6. Frau Dr. h. c. Weber (Essen) 15. 6. Dr. Weber (Koblenz) 15. 6. Wilhelm 15. 6. Dr. Zimmermann (München) 15. 6. Anlage 2 Umdruck 124 Änderungsantrag der Abgeordneten Brand, Kurlbaum, Mertes und Genossen zur zweiten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verlängerung der Geltungsdauer des Gesetzes über die Sicherstellung von Leistungen auf dem Gebiet der gewerblichen Wirtschaft (Drucksachen IV/476, IV/421). Der Bundestag wolle beschließen: In Artikel 1 sind die Worte „31. Dezember 1962" zu ersetzen durch die Worte „31. März 1963". Bonn, den 15. Juni 1962 Brand Kurlbaum Mertes Müser Dr. Steinmetz Dr. Althammer Leonhard Stein Lange (Essen) Frau Dr. Rehling Günther Dr. Serres Dr. Conring Junghans Porzner
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    Rede von Friedrich Kühn


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Kollege Schellenberg, das ist genau wieder eine der Fragen, die erörtert werden müssen, wenn uns die Neuregelung der gesetzlichen Krankenversicherung vorliegt, aber nicht heute.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Sie haben doch nach den Grundsätzen gefragt und
    erklärt, Sie wollten keine Einzelheiten erfahren.
    Also lassen Sie uns bei den Grundsätzen bleiben!

    (Abg. Schmitt-Vockenhausen: Fehlanzeige! — Abg. Erler: Die Grundsätze sind bei den Landtagswahlkämpfen einfacher zu vertreten! — Abg. Ruf: Wer soll das bezahlen?)

    Die Bundesregierung hat weiter erklärt, sie halte an dem Ziel einer Stärkung der Verantwortung aller Beteiligten in der Krankenversicherung fest. Wir begrüßen diese Antwort auf Ihre Anfrage sehr. Sie haben gemeint, damit sei im Grunde genommen ein erhebliches Mißtrauen der Bundesregierung gegenüber dem Verhalten der Versicherten zum Ausdruck gebracht worden. Dazu darf ich sagen, daß es sich ja nicht allein um die Arbeiterkrankenversicherung, also nicht allein um die Arbeiter handelt. Eine solche Auslegung ist diesem Satz, wie er hier steht, einfach nicht zu entnehmen.
    Ich darf Sie auch hier wieder auf die Schrift von Herrn Dr. Auerbach aufmerksam machen. Auch Herr Dr. Auerbach hat die Frage der Selbstbeteiligung durchaus erwogen. Er kommt lediglich zu dem Schluß, daß sie deswegen nicht vertretbar sei, weil sie aus sozialpolitischen Erwägungen sehr niedrig sein müsse und daher den bewußten Mißbrauch nicht verhindern könnte.
    Meine Damen und Herren, wir haben nie davon gesprochen, daß wir die Frage eines Individualbeitrages in irgendeiner Form deswegen diskutierten, weil wir hofften, dadurch den Mißbrauch auszuschließen. Uns geht es vielmehr darum, dem Versicherten wieder deutlich zu machen, daß der ganze Vorgang auch ein rechenhafter Vorgang ist, den er nur erkennen kann, wenn er die Dinge auch tatsächlich überblicken kann. In diesem Zusammenhang vom Mißbrauch zu reden, ist also Ihrer Seite (zur SPD) vorbehalten geblieben. Wir haben davon nicht gesprochen.
    Ich glaube, es ist notwendig, das hier einmal zu unterstreichen, weil draußen in der Öffentlichkeit immer wieder der Eindruck erweckt werden soll, wir wollten den Versicherten in einer nicht vertretbaren Weise belasten, woran von uns überhaupt nicht gedacht ist. Unser Ziel ist, wie gesagt — ich habe es eingangs schon gesagt —, den Rechenzusammenhang deutlich zu machen, die Belastung für den einzelnen nach Möglichkeit zu verringern und damit zu einem zusätzlichen frei verfügbaren Betrag aus den jetzt für die Versicherungsbeiträge in Anspruch genommenen Beträgen zu kommen.
    Zur Frage der Lohnfortzahlung lassen Sie mich mit aller Deutlichkeit sagen: in unserer Fraktion wird unter der Regelung der Lohnfortzahlung allein die arbeitsrechtliche Lösung verstanden.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Lassen Sie mich weiter auch sagen, daß ich nicht recht verstehe, warum Sie glauben, nun dagegen polemisieren zu müssen, daß wir Vorstufen eingeschaltet haben, um zu diesem Ziel zu kommen. Von unseren Rednern ist nie der Eindruck erweckt worden — der Kollege Horn hat bei der Einbringung des letzten Gesetzes deutlich darauf hingewiesen —, als hielten wir diese Regelung für eine ideale und eine endgültige Regelung. Im Gegenteil, wir haben deutlich gemacht: wir sehen diese Vorschläge, die wir unterbreitet haben, wir sehen diese Gesetze, die dann angenommen worden sind, als Zwischenstufen auf dem Wege zu einer endgültigen Regelung an, wie wir sie jetzt planen.
    Dabei handelt es sich nach unserer Auffassung nicht primär und hauptsächlich um ein materielles Problem, sondern es handelt sich darum, daß wir endlich die Konsequenz aus der Änderung des Status des Arbeiters ziehen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Wir wollen, daß der Arbeiter seinem Status als ein mitbestimmender Wirtschaftsbürger gemäß auch hier die entsprechenden Rechte und die entsprechenden Ansprüche bekommt.

    (Erneuter Beifall bei der CDU/CSU.)

    Wir können aber nicht verhehlen, meine Damen und Herren, daß damit — alle diese Fragen sind sehr komplex; das ging doch auch eindeutig aus den Ausführungen des Kollegen Schellenberg hervor — natürlich Probleme in der Wirtschaft entstehen. Die Wirtschaft ist nicht ein einheitlich gestaltetes Gebilde, sondern hier ist sowohl hinsichtlich der Betriebsgröße wie hinsichtlich der Zahl der Beschäftigten wie hinsichtlich der Lohnintensität vieles zu berücksichtigen. Hier werden wir sicherlich nach Wegen suchen müssen. Wir sind der Überzeugung, daß wir dazu gute Vorlagen von der Regierung an die Hand bekommen und daß die Schwierigkeiten, die Sie befürchten und die von manchen befürchtet werden, ausgeräumt werden können.



    Kühn (Hildesheim)

    Im Gegensatz zu Herrn Professor Schellenberg möchte ich allerdings sagen, daß es sich nach unserer Auffassung nicht nur um das Problem kleine und große Betriebe handelt. Vielmehr gibt es auch innerhalb der Industrie durchaus unterschiedlich strukturierte Zweige, auf deren besondere Belange bei dieser Regelung entsprechend Rücksicht genommen werden muß.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

    In dem letzten Punkt Ihrer Großen Anfrage haben Sie sich nach der Neuregelung des Kindergeldes erkundigt. Der Herr Bundesarbeitminister hat gesagt, daß die Bundesregierung einen Gesetzentwurf vorlegen wird, der die Finanzierung der gesamten Kindergeldzahlung aus allgemeinen Haushaltsmitteln des Bundes, die Erhöhung der Einkommensgrenze beim Zweitkindergeld und Leistungsverbesserungen vorsieht. Meine Damen und Herren, damit ist Ihre Frage eigentlich völlig beantwortet.
    Auch das, was der Herr Bundesfamilienminister gelegentlich an Besorgnissen ausgesprochen hat, ist durch diese Antwort gegenstandslos geworden. Es ist ja deutlich geworden, daß nicht nur an eine technische Veränderung gedacht ist; im Zuge der technischen Änderung sollen auch jene Verbesserungen durchgeführt werden, die durch die Änderung erst möglich werden.
    Aber lassen Sie mich eines doch noch sagen. Die bisherigen Kindergeldgesetze sind gar nicht so schlecht, wie sie immer gemacht worden sind.

    (Abg. Horn: Sehr richtig! — Abg. Dr. Schellenberg: Fragen Sie Herrn Wuermeling, was der dazu sagt!)

    — Ich glaube, daß in der Beurteilung zwischen dem Herrn Minister Wuermeling und mir und der Fraktion keine unterschiedliche Meinung besteht.

    (Abg. Killat: Seit wann das?)

    Wir können wohl außerordentlich dankbar sein, daß wir all die Jahre hindurch seit der Verabschiedung des ersten Kindergeldgesetzes die Leistungen gewähren konnten. Sonst hätten wir noch in der Diskussion über die Möglichkeiten der Gestaltung des Kindergeldes gestanden.

    (Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Geiger: Na! Na!)

    Ich möchte von dieser Stelle aus im Namen der Fraktion auch ein Wort des Dankes an die Kindergeldausgleichskassen und die Kindergeldkassen insgesamt sagen. Sie haben in diesen Jahren eine vorzügliche ArbeIt geleistet. Wir sind ihnen zu Dank verpflichtet, daß sie diese Arbeit in so vorbildlicher Weise geleistet haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU. — Zurufe von der SPD.)

    Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Schluß noch eines sagen. Herr Kollege Rohde hat zu Eingang seiner Begründungsriede darauf hingewiesen, diese Große Anfrage sei aus der Sache heraus notwendig gewesen.

    (Zuruf von der SPD: So ist eis!)

    Wir sind der Meinung, sie war es nicht, und zwar aus folgendem Grund. Es ist gesagt worden, man hätte die Gesetzentwürfe schon lange haben können. Sehen wir uns doch zunächst einmal die Arbeitssituation im Sozialpolitischen Ausschuß an!

    (Abg. Rohde: Ich habe mich auf die dürftige Regierungserklärung vom November bezogen!)

    — Sie haben gesagt, die Große Anfrage sei aus der Sache heraus jetzt notwendig gewesen, Herr Kollege Rohde.

    (Abg. Rohde: Eben!)

    Man sollte der Regierung auch so viel Vertrauen entgegenbringen, daß sie zunächst einmal — wir haben es hier in der Diskussion eigentlich in allen Reden deutlich gemacht — die Erörterungen über eine so komplexe Frage wie die wirkliche Weitergestaltung einer echten Sozialreform ausreifen läßt und dann mit Vorschlägen kommt, die sachlich und gut überlegt sind und die wir hier diskutieren können.
    Es ist wohl keine gute Sache, wenn wir immer wieder aus ganz anderen Gründen mit Anfragen kommen. Die Gründe scheinen mir in einer Bemerkung deutlich geworden zu sein, die sowohl bei einer früheren Behandlung als auch heute von Herrn Professor Schellenberg gemacht worden ist. Er hat darauf hingewiesen, daß in Nordrhein-Westfalen ein Wahltermin bevorsteht.

    (Abg. Dr. Schellenberg: Unsere Anfrage stammt vom Januar!)

    - Aber, meine Damen und Herren, Sie haben es ja gesagt und nicht wir. Ich kann es mir nicht andens vorstellen: niemand sucht jemanden hinter dem Ofen, wenn 'er nicht selbst dahintersitzt. Wir sollten die Dinge doch so sehen, wie sie wirklich sind.
    Wir sind selbstverständlich davon überzeugt, daß die Sozialreform nicht am Ende ist, sondern daß sie weitergehen muß. Wenn wir wirklich wohlüberlegte und gut durchdachte Vorlagen auf den Tisch des Hauses bekommen,

    (Abg. Killat: Dann denken Sie noch eine Weile!)

    können wir uns darüber unterhalten, wie die Einzelheiten gestaltet werden sollen. Daß wir aber über die Einzelheiten heute und hier 'schon reden, dazu bietet die Behandlung dieser Großen Anfrage keinen Anlaß.

    (Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der FDP.)



Rede von Erwin Schoettle
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Abgeordnete Spitzmüller.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Kurt Spitzmüller


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Es gibt in allen Fraktionen sicherlich Abgeordnete, die gern gewissen Wunschvorstellungen nachhängen. Wir haben heute auch erlebt, daß uns Herr Kollege Rohde von diesem Podium gesagt hat, welcher Wunschvorstellung er nachhängt, nämlich der, die in den Satz



    Spitzmüller
    einmündet: „Wenn es überhaupt in den nächsten Jahren sozialpolitische Fortschritte geben wird, dann ist das der SPD zu verdanken".

    (Abg. Ruf: Da kann man nur lachen!)

    Das ist allerdings wirklich ein Wunschdenken.
    Wie sehen die Fakten der letzten Monate aus? Kaum wurde bekannt, daß die Sozialpolitiker der FDP und der CDU/CSU sich zusammengesetzt hatten, um über die Fragen der Lohnfortzahlung und der Krankengeld-Neuregelung zu sprechen, da hatten wir die Große Anfrage der SPD; offensichtlich war sie neugierig oder befürchtete, zu kurz zu kommen.

    (Abg. Rohde: Das ist aber eine naive Ausdeutung unserer parlamentarischen Initiative!)

    — Herr Kollege Rhode, dann muß ich Sie weiter darauf hinweisen: kaum war bekanntgeworden, daß CDU/CSU und FDP einen Unterausschuß gebildet hatten, der sich bemühte, eine große Linie hinsichtlich der Härten festzustellen, die bei einer Novellierung des Rentengesetzes anstehen, da erlebten wir, daß die SPD eine kleine Novelle zum Rentenneuregelungsgesetz mit einem einzigen sehr wichtigen Sachgebiet einbrachte.
    Kaum stand am Mittwochmorgen in den Zeitungen — also muß es schon mindestens am Montag, aber spätestens Dienstag durchgesickert sein —, daß auch in der Kindergeldgesetzgebung irgend etwas sich im Sachlichen — im sozialen Teil — ändern würde, schon hatten wir es mit einem Antrag der SPD zu tun.

    (Zurufe von der SPD.)

    Ich möchte Ihnen nun nicht zu nahe treten, aber ich habe gestern abend etwas Reizendes gehört, an das ich heute morgen hier ein bißchen erinnert wurde. Da sagte ein Mann zu mir: „SPD 62 — die beste CDU, die es je gab".

    (Heiterkeit bei den Regierungsparteien und Beifall bei der FDP. — Abg. Dr. Deist: Es gibt noch andere Sprüche! — Abg. Stingl: Wo bleiben da Sie, Herr Spitzmüller?)

    — Wir bleiben immer schön in der Mitte.
    Nun zu dem, Herr Kollege Schellenberg, was Sie gesagt haben! Mit gewohnter Brillanz und Sachkenntnis sind Sie ganz in die Einzelheiten der schwierigen Materie eingestiegen und Sie haben damit eigentlich schon eine Frage beantwortet, die ich Ihnen gern gestellt hätte. Ich stelle mir einmal vor, es wäre so gekommen, wie es der Herr Kollege Ollenhauer einmal angedeutet hat. Er sagte — so war die Meinung des Herrn Kollegen Ollenhauer, der ich mich nicht anzuschließen brauche, aber er hat es immerhin ausgeführt —: Wenn in der Bundesrepublik Deutschland die Demokratie funktionieren würde, dann hätten die bisher in Opposition stehenden Parteien sich nach dem Wahlergebnis des September 1961 zur Regierungsbildung zusammengefunden. Nehmen wir einmal an, diese Vorstellung des Kollegen Ollenhauer hätte sich realisieren lassen. Es spricht doch einiges dafür, daß Sie, Herr Kollege Schellenberg, dann auf dem Platz des Herrn Kollegen Blank sitzen würden. Ich kann mir vorstellen, daß die Opposition dann ähnliche Große Anfragen starten würde. Ich könnte mir vorstellen, daß auch ein Arbeitsminister Schellenberg — oder ein Arbeitsminister der Sozialdemokratischen Partei — auf solche Anfragen hin nicht gackern würde, bevor das Ei wirklich gelegt ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU und bei der FDP. — Abg. Dr. Schellenberg: Herr Spitzmüller, Sie kriegen die feste Zusage von mir: keine 20 Wochen brauchen Sie auf eine Antwort zu warten, sondern zwei Wochen! Bitte, nehmen Sie es zur Kenntnis! — Zurufe von der Mitte und rechts. — Unruhe.)

    — Herr Kollege Schellenberg, ich sage Ihnen: Ihr Vortrag war für uns sehr instruktiv; denn er hat genau auf einige Punkte hingewiesen, bei denen wir tatsächlich noch Übersetzungsschwierigkeiten — bei der Übersetzung von der Idee in die Praxis — sehen. Warum soll man das nicht zugeben? Aber, Herr Kollege Schellenberg, im Grunde genommen war es auch heute wieder das, was ich am 22. Februar schon gesagt habe, nämlich ein Konditionstraining für die erste Lesung eines noch nicht vorliegenden Gesetzes.

    (Zustimmung bei den Regierungsparteien.)

    Herr Kollege Schellenberg und meine Damen und Herren von der SPD, ich kann mir vorstellen, daß Sie mit dem, was der Herr Bundesarbeitsminister gesagt hat, nicht vollkommen zufrieden sind und daß Sie gern mehr gewußt hätten und daß Sie lieber in die Details gestiegen wären. Das ging aus Ihren Ausführungen und aus einigen Zwischenfragen hervor. Aber, Herr Kollege Schellenberg, Sie haben bei der letzten Debatte ja selber gesagt, Sie wollten keine Einzelheiten wissen, sondern Sie wollten nur die Grundsätze haben. Hier muß ich nun feststellen: der Herr Arbeitsminister Blank hat — in Übereinstimmung mit den Koalitionsparteien — Ihre Anfrage, welche Pläne, Vorstellungen und Grundsätze die Regierung habe, beantwortet. Wenn durch den Inhalt der Regierungsaussage das Oppositionspulver vielleicht da oder dort für bestimmte Termine in Nordrhein-Westfalen naß wurde, so kann uns das nicht stören. Ich darf aber darauf hinweisen, daß die Regierung und die Regierungsparteien eine Lösung anstreben, die den veränderten Verhältnissen im Arbeitsleben Rechnung trägt und auf die Erhaltung einer gesunden Wirtschaftsstruktur achtet. Der Hinweis des Ministers, daß die angeführten Gesetze in einem engen Zusammenhang stehen und gleichzeitig eingebracht werden, unterstreicht deutlich den Willen der Regierungsparteien, Probleme, die so eng zusammenhängen, gemeinsam anzupacken und gemeinsam zu lösen.
    Der Wille und die Zusicherung des Herrn Bundesarbeitsministers, daß durch die Verwirklichung der verfolgten Prinzipien keine weitere Belastung des Lohnes erfolgen dürfe, ermöglicht nicht nur unsere Mitarbeit, sondern auch unsere Zustimmung bei diesem schwierigen und komplexen Problemkreis.
    Eine weitere fühlbare Erhöhung der lohnbezogenen Abgaben würde nämlich Gefahren nach zwei



    Spitzmüller
    Seiten heraufbeschwören. Ein weiterer Entzug von erarbeitetem Lohn würde eine weitere Einengung der Verfügungsmittel der Arbeitnehmer bedeuten und damit dem Ziel einer Stärkung der Eigentumsbildung und Selbstvorsorge entgegenstehen. Wir Freien Demokraten wollen — und da sind wir mit der CDU, soweit ich feststellen kann, einig — nicht eine immer größere Abhängigkeit des Arbeitnehmers von sozialen Institutionen, sondern eine Stärkung seiner Eigenverantwortlichkeit, die aber Utopie bleibt, wenn immer größere Anteile des Lohnes dem einzelnen zwangsweise entzogen werden.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU. — Abg. Ruf: . . . „sozialisiert" werden!)

    Die zweite Gefahr läge in der negativen Beeinflussung unserer Wirtschaftsstruktur, weil eine immer stärkere Belastung der Wirtschaft eine große Anzahl kleiner und mittlerer Unternehmen zur Aufgabe ihrer Selbständigkeit zwingen würde oder zu Subventionsempfängern werden ließe. Gute Sozialpolitik ist für uns Freie Demokraten immer integraler Bestandteil der Wirtschaftspolitik. Wo nämlich die Wirtschaft überfordert wird, leidet die Sozialpolitik Not, weil diese nur von der wirtschaftlichen Leistungskraft leben kann. Man kann nicht dem einen dadurch helfen, daß man den anderen in den Augen vieler zum Subventionsempfänger macht. Deshalb begrüßen wir es dankbar, daß die Regierung nicht den Wunsch und den Willen hat, diese Ausgleichsfunktion mit Hilfe von Steuern, von Staatsmitteln vorzunehmen.
    Wir Freien Demokraten sind der Meinung, daß das von Herrn Minister Blank vorgetragene Konzept eine Gemeinschaftsarbeit von Regierung und Regierungsparteien ist. Damit komme ich noch einmal zu Ihnen, meine Damen und Herren von der SPD. Wenn Sie mit dem, was wir so andeutungsweise vorhaben, mit unseren Grundsätzen nicht einverstanden sind, so muß ich sagen: es wäre ein vorzügliches Zeichen einer guten Opposition, wenn sie, anstatt an dieser oder jener Stelle herumzumäkeln, anstatt in Details eines noch nicht vorliegenden Gesetzentwurfs einzusteigen, ein eigenes in sich geschlossenes Konzept zu diesem Problemkreis vorlegte. Sicherlich wäre es für viele draußen im Lande ein hoffnungsvolles Zeichen, wenn nach langer Zeit wieder einmal eine echte Alternative zwischen Regierung und Opposition sichtbar würde.

    (Zustimmung rechts und in der Mitte.)

    Unsere Absicht ist es — da kann ich Ihnen durchaus zustimmen, Herr Kollege Schellenberg —, in Zusammenarbeit mit der Regierung dafür einzustehen und dafür zu sorgen, daß die Regierung mit einem soliden Entwurf an die Öffentlichkeit tritt, bei dem wir auch in der Lage sind, den Preis zu nennen. Gesetzesramsch ist schädlich und untergräbt das Ansehen des Parlaments sowie den Glauben an das Funktionieren der Demokratie.
    Ihrem Drängen, meine Damen und Herren von der SPD, zur Eile, muß ich entgegenhalten: die Materien der Gesetzentwürfe, die Sie in Ihrer Großen Anfrage angeschnitten haben, sind für die gesellschaftspolitische und wirtschaftspolitische Entwicklung in der Bundesrepublik so entscheidend, daß
    man hier nicht von heute auf morgen vorgehen kann. Dazu braucht man Zeit. Ich darf Sie an Edison erinnern, der Hunderte von Patenten sein eigen nannte und der einmal gesagt hat: 5 % sind Inspirationen, 95 % sind Transmission, also Übersetzungen in die Wirklichkeit. Wir sind bei dieser Übersetzung in die Wirklichkeit in den Parteien, in den Fraktionen der Regierung zusammen; wir stecken schon fest in der Materie. Die Idee, meine Damen und Herren von der SPD, kennen Sie nun. Zur Übertragung in Gesetzesform und in verwaltungstechnische Durchführbarkeit wird man Regierung und Parlament das erforderliche Zeitmaß zugestehen müssen. Man sollte diese Arbeit nicht, ich möchte sagen, durch eine etwas feminine Neugierde stören.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU.)