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ID0403505700

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    Deutscher Bundestag 35. Sitzung Bonn, den 15. Juni 1962 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung 1443 A Frau Döhring (Stuttgart) (SPD) . . . 1443 B Rasner (CDU/CSU) . . . . . . . 1444 A Dr. Mommer (SPD) . . . . . . . 1444 B Fragestunde (Drucksachen IV/453, IV/462, IV/479) Frage des Abg. Schmitt-Vockenhausen: Mangel an Formularen des neuen Personalausweises Dr. Hölzl, Staatssekretär 1444 D, 1445 B, C Schmitt-Vockenhausen (SPD) . . 1445 A, C Wehner (SPD) . . . . . . . . 1445 B Fragen des Abg. Fritsch: Heiratsabfindung für ehemalige Kriegerwitwen Blank, Bundesminister 1445 D, 1446 A, B, C Fritsch (SPD) . . . . 1445 D, 1446 A, C Gerlach (SPD) . . . . . . . . . 1446 B Frage des Abg. Lohmar: Chinesische Flüchtlinge in Hongkong Blank, Bundesminister . . . . . . 1446 D Frage des Abg. Imle: Anschlußzug an den Trans-Europa-Expreß „Parsifal" Dr. Seiermann, Staatssekretär . . 1447 B, C Dr. Imle (FDP) 1447 B, C Mündlicher Bericht des Vermittlungsausschusses zum Gesetz zur Änderung des Jugendarbeitsschutzgesetzes (Drucksache IV/467) Arndgen (CDU/CSU) 1447 D Entwurf eines Gesetzes zur Verlängerung der Geltungsdauer des Gesetzes über die Sicherstellung von Leistungen auf dem Gebiet der gewerblichen Wirtschaft (Drucksachen IV/421, IV/476) — Zweite und dritte Beratung — Brand (CDU/CSU) 1448 B Entwurf eines Gesetzes zur Durchführung des Artikels 64 Abs. 2 des Saarvertrages (Drucksachen IV/422, IV/475) — Zweite und dritte Beratung — 1448 D Entwurf eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 27. November 1961 mit der Republik Österreich zur Regelung von Schäden der Vertriebenen, Umsiedler und Verfolgten usw. (Finanz- und Ausgleichsvertrag) (Drucksachen IV/392, IV/460) — Zweite und dritte Beratung — 1449 A Große Anfrage der Fraktion der SPD betr. Krankenversicherung, Lohnfortzahlung und Kindergeld (Drucksache IV/215) Dr. Schellenberg (SPD) . 1449 B, 1452 B, 1468 D Rohde (SPD) . . . . . . . . 1449 C Blank, Bundesminister 1451 D Kühn (Hildesheim) (CDU/CSU) . 1460 C Spitzmüller (FDP) . . . . . . 1463 D Geiger (SPD) 1465 C Schmücker (CDU/CSU) 1466 D II Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 35. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. Juni 1962 Entwurf eines Gesetzes über die Erhebung der Abschöpfungen nach Maßgabe der Verordnungen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft über die schrittweise Errichtung gemeinsamer Marktorganisationen für die landwirtschaftlichen Erzeugnisse (Abschöpfungserhebungsgesetz) (CDU/CSU, FDP) (Drucksache IV/ 464) — Erste Beratung —; in Verbindung mit dem Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Zollgesetzes (CDU/CSU, FDP) (Drucksache IV/466) — Erste Beratung —, dein Entwurf eines Gesetzes zur Durchführung der Verordnung Nr. 19 (Getreide) des Rates der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (CDU/CSU, FDP) (Drucksache IV/463) — Erste Beratung —, dem Entwurf eines Gesetzes zur Durchführung der Verordnung Nr. 20 (Schweinefleisch), Nr. 21 (Eier) und Nr. 22 (Geflügelfleisch) des Rates der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft sowie zur Änderung des Gesetzes zur Förderung der deutschen Eier- und Geflügelwirtschaft (CDU/CSU, FDP) (Drucksache IV/465) — Erste Beratung — und dem Antrag betr. Durchführung der Verordnungen über die schrittweise Errichtung gemeinsamer Marktorganisationen (SPD) (Drucksache IV/428) Struve (CDU/CSU) . . . . . . . 1469 D Schwarz, Bundesminister . 1470 B, 1474 C Dr. Mommer (SPD) . . . . . . 1472 B Nächste Sitzung 1475 D Anlagen 1477 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 35. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. Juni 1962 1443 35. Sitzung Bonn, den 15. Juni 1962 Stenographischer Bericht Beginn: 9.03 Uhr
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    Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Adorno 30. 6. Dr. Arndt (Berlin) 15. 6. Dr. Aschoff 15. 6. Dr. Atzenroth 15. 6. Dr. Dr. h. c. Baade 15. 6. Bäumer 15. 6. Berlin 15. 6. Birkelbach 15. 6. Dr. Brecht 30. 6. Brese 15. 6. Brünen 25. 6. Dr. Burgbacher 15. 6. Busch 15. 6. van Delden 15. 6. Deringer 15. 6. Dr. Dittrich 15. 6. Dr. Dörinkel 15. 6. Drachsler 30. 6. Ehnes 15. 6. Eichelbaum 21. 6. Engelbrecht-Greve 16. 6. Dr. Dr. h. c. Friedensburg 15. 6. Dr. Furler 15. 6. Gerns 15. 6. Gscheidle 15. 6. Dr. Gradl 15. 6. Haage (München) 15. 6. Hahn (Bielefeld) 15. 6. Herold 17. 6. Dr. Hesberg 15. 6. Höfler 16. 6. Illerhaus 15. 6. Kalbitzer 15. 6. Dr. Klein (Berlin) 1. 7. Koenen (Lippstadt) 30. 6. Dr. Kopf 15. 6. Kriedemann 15. 6. Kühn (Bonn) 30. 6. Kühn (Köln) 15. 6. Lohmar 21. 6. Matthöfer 30. 6. Mattick 15. 6. Maucher 15. 6. Mauk 15. 6. Dr. h. c. Menne (Frankfurt) 15. 6. Dr. Menzel 30. 6. Müller (Remscheid) 15. 6. Dr. Nissen 15. 6. Oetzel 15. 6. Paul 15. 6. Dr. h. c. Pferdmenges 15. 6. Pöhler 15. 6. Frau Dr. Probst 15. 6. Rademacher 15. 6. Ramms 15. 6. Reitz 15. 6. Richarts 15. 6. Ruland 15. 6. Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Sander 15. 6. Dr. Schäfer 15. 6. Schlick 15. 6. Schmidt (Würgendorf) 15. 6. Schneider (Hamburg) 15. 6. Schultz 15. 6. Schütz 15. 6. Schwabe 15. 6. Seidl (München) 15. 6. Seifriz 15. 6. 'Seither 15. 6. Stiller 16. 6. Storch 15. 6. Frau 'Strobel 15. 6. Strohmayr 15. 6. Unertl 30. 6. Urban 29. 6. Frau Vietje 15. 6. Dr. Vogel 30. 6. Wacher 15. 6. Frau Dr. h. c. Weber (Essen) 15. 6. Dr. Weber (Koblenz) 15. 6. Wilhelm 15. 6. Dr. Zimmermann (München) 15. 6. Anlage 2 Umdruck 124 Änderungsantrag der Abgeordneten Brand, Kurlbaum, Mertes und Genossen zur zweiten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verlängerung der Geltungsdauer des Gesetzes über die Sicherstellung von Leistungen auf dem Gebiet der gewerblichen Wirtschaft (Drucksachen IV/476, IV/421). Der Bundestag wolle beschließen: In Artikel 1 sind die Worte „31. Dezember 1962" zu ersetzen durch die Worte „31. März 1963". Bonn, den 15. Juni 1962 Brand Kurlbaum Mertes Müser Dr. Steinmetz Dr. Althammer Leonhard Stein Lange (Essen) Frau Dr. Rehling Günther Dr. Serres Dr. Conring Junghans Porzner
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Ernst Schellenberg


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Noch ein weiteres, meine Damen und Herren. Man darf nicht so tun und sollte nicht so tun, als ob sich lediglich in der gesetzlichen Krankenversicherung die Ausgaben erhöht hätten; sie haben sich nämlich auch in der privaten Krankenversicherung mit dem sogenannten Pro-Kopf-Betrag von 1954 auf 1960 von 100 % auf 163 % erhöht.

    (Abg. Killat: Also gestiegen trotz Selbstbeteiligung!)

    Die Ursache hierfür liegt u. a. auch in der Entwicklung der Medizin, die bewirkt hat, daß sich wesentliche, beachtenswerte Veränderungen im Altersaufbau und hinsichtlich der Sterblichkeit vollzogen haben. Aber wir alle wissen doch, daß „Länger leben" leider nicht heißt „Länger gesund bleiben".

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Noch ein letztes Wort zu dem, was Herr Kollege Schmücker als Vorsitzender der CDU-Kommission erklärte. Sie haben ausschließlich mit den Nominalausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung operiert; Sie haben 'darüber hinaus sogar so etwas wie eine versicherungstechnische Bilanz für die Zukunft gegeben — für die Rentenversicherung warten wir immer noch auf eine versicherungstechnische Bilanz —, Sie haben eine Vorausberechnung der Krankengeldausgaben für die nächsten Jahre gemacht. Gut! Aber Sie haben lediglich mit den Nominalausgaben operiert. Gerade im Hinblick auf Ihre .großen wirtschaftspolitischen Erfahrungen hätte man doch erwarten dürfen, daß Sie die Entwicklung der Ausgaben der Krankenversicherung auch zu der
    gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, zum Sozialprodukt in Beziehung setzen. Wenn man die Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung seit 1958, also seit vollem Wirksamwerden des ersten Leistungsverbesserungsgesetzes, zum Bruttosozialprodukt in Beziehung setzt, erkennt man, daß sie mit 2,5 % des Bruttosozialproduktes seit dem ersten Leistungsverbesserungsgesetz gleichgeblieben sind.

    (Widerspruch bei der CDU/CSU. — Abg. Ruf: Es wäre traurig, wenn es anders gewesen wäre!)

    Diese Ausgaben haben lediglich mit der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung Schritt gehalten und sind nicht über die gesamtwirtschaftliche Entwicklung hinaus — das ist doch das Kriterium — gewachsen.
    Ungeachtet dieser Tatsachen hat der Kollege Schmücker als Sprecher des Arbeitskreises der CDU/ CSU eine Verschärfung der Nachuntersuchung gefordert, und aus Ihrem Zwischenruf, Herr Kollege Schmücker, darf ich wohl entnehmen, daß Sie sich zu dieser Forderung bekennen.
    Der Herr Bundesarbeitsminister hat sich zu diesen Sondermaßnahmen nicht geäußert. Das ist eine sehr wichtige Frage, und wir vermissen deshalb eine Äußerung. Ein Schweigen zu diesem gesellschaftspolitischen Bereich, hat, wenn man gleichzeitig Lohnfortzahlung ankündigt, sicher bestimmte taktische Gründe. Im übrigen hat der Herr Bundesarbeitsminister selber in dem früheren Gesetzentwurf — in § 205 — folgendes gefordert:
    Der Versicherte hat die Arbeitsunfähigkeit innerhalb von zwei Tagen dem Beratungsärztlichen Dienst mitzuteilen. Wird diese Mitteilung später gemacht, so ruht der Anspruch auf Krankengeld.
    Damals, beim Krankenversicherungs-Neuregelungsgesetz, hatte der Bundesarbeitsminister eine Verschärfung des vertrauensärztlichen Dienstes vorgeschlagen, obwohl keine Lohnfortzahlung beabsichtigt war.
    Aber auch andere repräsentative Sprecher der CDU/CSU, hochverehrter Herr Kollege Stingl, haben sich erst kürzlich im gleichen Sinne geäußert. Ich möchte deshalb zitieren, und zwar aus dem „Bonner Informationsdienst":
    Insoweit
    — schrieb Herr Kollege Stingl! —
    wird sich auch die Stellung des bisherigen vertrauensärztlichen Dienstes verändern müssen. Er sollte Kenntnis bekommen von jedem Fall, der zur Arbeitsunfähigkeit führt.
    Das bedeutet praktisch eine wesentliche Verschärfung des vertrauensärztlichen Dienstes.

    (Abg. Stingl: Nein! Aber dazu sage ich nachher etwas!)

    — Aber bitte schön, Herr Kollege Stingl! Wenn jeder Fall der Arbeitsunfähigkeit gemeldet werden soll, kann das nur den Sinn haben, daß es zu einer



    Dr. Schellenberg
    Verschärfung des vertrauensärztlichen Dienstes führt.

    (Abg. Stingl: Nein! Mir ist der Arzt lieber als der Schalterbeamte! Das wissen Sie doch!)

    — Herr Kollege Stingl, Sie können sich nachher dazu äußern. Der Sinn der Meldung aller Fälle von Arbeitsunfähigkeit an den vertrauensärztlichen Dienst ist doch nicht nur Verwaltungstätigkeit, sondern er liegt auch darin, daß die Nachuntersuchung intensiviert wird. Ich habe Sie im übrigen nur in Ergänzung zu Herrn Kollegen Schmücker zitiert, und Herr Kollege Schmücker hat das sehr klar und deutlich gesagt.
    Was ist die gesellschaftspolitische Konsequenz? Wenn Sprecher der Regierungsparteien in Zusammenhang mit der Lohnfortzahlung eine Verschärfung des vertrauensärztlichen Dienstes fordern, so richtet sich das wesentlich gegen die Arbeiter.

    (Widerspruch in der Mitte. - Abg. Arndgen: Das ist nicht wahr!)

    — Aber, Herr Kollege Arndgen, melden Sie sich bitte nachher zum Wort und machen Sie nicht derartige Zwischenrufe. Eine solche Bemerkung müssen Sie schon begründen.

    (Abg. Arndgen: Das wird auch geschehen!)

    Das ist eine Unterstellung, und die kann ich Ihnen nicht abnehmen; dazu weiß ich von der Angelegenheit genug.
    Sie verkünden eine Gleichstellung im Krankheitsfall. Das wurde hier soeben auch durch Zwischenrufe betont. Sofern Sie sich nicht anders äußern, bedeuten die erwähnten Stellungnahmen, daß Sie gleichzeitig die Sondermaßnahmen der Nachuntersuchung gegenüber den Arbeitern verschärfen wollen. Das würde bedeuten, laß der eine Pfichtversicherte, weil er Angestellter ist, keiner solchen verschärften Nachuntersuchung unterliegt, aber der andere laut Gesetz sofort dem vertrauensärztlichen Dienst gemeldet werden soll, und zwar nur deshalb, weil er Arbeiter ist.

    (Abg. Arndgen: Das ist wieder eine solche von Ihnen aufgestellte Behauptung, gegen die Sie dann polemisieren! Genau das, was ich vorhin gesagt habe!)

    — Aber, Herr Kollege Arndgen, eis ist doch von CDU-Seite erklärt worden, daß jeder Arbeitsunfähige dem vertrauensärztlichen Dienst gemeldet werden soll. Bitte sagen Sie, wie Sie es regeln wollen!

    (Zuruf rechts: Wir haben jetzt keine Lesung des Gesetzes!)

    — Bedauerlicherweise nicht! Wir hätten sie gern; wir warten nämlich sehr auf eine genaue Stellungnahme.

    (Beifall bei der SPD.)

    Solange das alles nicht durch einen eindeutigen Gesetzestext klargestellt ist, müssen wir auf Grund Ihrer Erklärungen daran festhalten, daß Sie Maßnahmen beabsichtigen, die Ausdruck des Mißtrauens gegenüber dem Arbeiter sind.

    (Zurufe von der Mitte.)

    Wenn Sie den vertrauensärztlichen Dienst gegenüber dem Arbeiter verschärfen wollen, so ist das, um den Begriff von Herrn Katzer wiederaufzunehmen, eine Deklassierung des Arbeiters. Darüber kann auch die Ankündigung einer Lohnfortzahlung — ob auf arbeitsrechtlicher oder versicherungsrechtlicher Grundlage, kann ich im einzelnen nicht untersuchen — nicht hinwegtäuschen.
    Auch sonst lassen die Vorstellungen der Bundesregierung ein Mißtrauen — ich muß sogar sagen: ein tiefes Mißtrauen — gegenüber der versicherten Bevölkerung erkennen. Ich möchte in dieser Hinsicht zu dem kommen, was der Herr Bundesarbeitsminister hier nur sehr allgemein durch den Begriff „individueller Beitrag" umrissen hat. Ferner erklärte er im Bulletin:
    Die Verantwortung gegenüber der Krankenversicherung muß gestärkt werden.
    Er fuhr dann fort:
    Dieser Gedanke muß im Mittelpunkt des Reformwerks stehen.

    ( Abg. Memmel: Ist das kein guter Satz?)

    — Ich will Ihnen sagen, was der Herr Bundesarbeitsminister damit gemeint hat; dann können Sie sagen, ob der Satz gut ist oder nicht. Er hat nämlich — ich habe dies früher schon einmal erwähnt und muß es nochmals tun, weil es hiermit im Zusammenhang steht — am 3. Dezember 1961 auf dem CDU-Parteitag des Kreises Wiedenbrück erläutert: In dem Arbeiter muß noch mehr als bisher das Gefühl der Verantwortung entwickelt werden.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Richtig! — Abg. Memmel: Ein sehr guter Satz!)

    Zu diesen Methoden gehört nicht nur die Absicht, den vertrauensärztlichen Dienst zu verschärfen, sondern auch jener Plan des Individualbeitrags.
    Meine Damen und Herren, der Begriff trifft die Sache, um die es geht, nicht. Es handelt sich faktisch um eine indirekte Kostenbeteiligung. Insofern hat sich an der Konzeption des Bundesarbeitsministers gegenüber dem Krankenversicherungs-Neuregelungsgesetz nichts geändert. Die Technik wird geändert. Wenn wir bei dem Beispiel des „Pakets" bleiben wollen, von dem mein Kollege Rohde gesprochen hat, kann man sagen: Die Verpackung hat sich geändert, aber die Konzeption ist die gleiche geblieben.
    Soweit wir zu den bisher leider sehr verschwommenen Bemerkungen über den Individualbeitrag Feststellungen treffen können, ist folgendes dazu zu sagen. Ansatzpunkt für diesen neuen Versuch, auf indirektem Wege zur Kostenbeteiligung zu kommen, ist der Umstand, daß sich im Zusammenhang mit der Lohnfortzahlung der Beitragsanteil des versicherten Arbeiters reduziert. Dieser gleiche Anteil soll aber in Gestalt eines Individualbeitrages erhoben werden, so daß die Gesamtbelastung unverändert bleibt. Der Unterschiedsbetrag, der sich für die 12,7 Millionen Arbeiter im Zusammenhang mit der Lohnfortzahlung ergibt, soll in Gestalt eines Individualbeitrags oder Zusatzbeitrags erhoben werden.



    Dr. Schellenberg
    Zweitens, meine Damen und Herren, habe ich die Frage: Wie soll denn die Sache mit dem Individualbeitrag für die Rentner, für die Angestellten und für die freiwillig Versicherten geregelt werden? Der Bundesarbeitsminister hat sich auch hierzu nicht geäußert. Jeder, der die Zusammenhänge kennt, weiß, daß man ein solches System auch für die anderen Versicherten einführen müßte. Das würde für die Angestellten, für die Rentner, für die freiwillig Versicherten, für die sich keine Umgestaltung bei der Lohnfortzahlung ergibt, ausschließlich eine zusätzliche Belastung bedeuten. Für den größten Teil aller Versicherten — zusammen über 15 Millionen Versicherte — drohen Zusatzbeiträge, ganz abgesehen von dem Verwaltungsproblem, das damit zusammenhängt.
    Ich bezweifle, daß sich diejenigen, die den Individualbeitrag ersonnen haben, klargemacht haben, was das verwaltungsmäßig bedeuten muß. Vielleicht hat sich der Herr Bundesarbeitsminister deshalb so außerordentlich zurückhaltend geäußert. Der Individualbeitrag bedeutet nämlich, daß für 27,8 Millionen Versicherte einzelne Beitragskonten errichtet werden müssen und für jede Beitragszahlung und Lohnfortzahlung eine Buchung dieses Anteils wird erfolgen müssen.

    (Abg. Ruf: Nein!)

    — Herr Kollege Ruf, vielleicht sagen Sie uns einmal Ihr Patentrezept. Ich würde es gern einmal kennenlernen.
    Bisher haben die Sachverständigen das Problem nicht lösen können. Alle Sachverständigen, mit denen man in „Geheimbesprechungen" dies und jenes erörterte, erklärten, der Individualbeitrag müsse dazu führen, daß etwa eine halbe Milliarde Beitragsbuchungen erforderlich sind, wobei auch die Fluktuation auf dem Arbeitsmarkt zu berücksichtigen ist. Aber das ist nur die eine Seite der Sache. Die andere Seite sind die Leistungsbuchungen. Darüber haben wir Unterlagen aus dem Entwurf des Krankenversicherungs-Neuregelungsgesetzes. Anhand deren können wir ermessen, welche Leistungsbuchungen, für die die Kostenbeteiligung zu verrechnen ist, zu erwarten sind. Dies würden zirka weitere rund eine halbe Milliarde Leistungsbuchungen sein. Insgesamt wären also, Beitrags- und Leistungsbuchungen zusammen, rund eine Milliarde Buchungen erforderlich. Am Ende des Jahres müßte dann wohl ein Abschluß und eine Verrechnung mit über 27 Millionen Versicherten erfolgen.
    Ich muß in diesem Zusammenhang noch einmal Herrn Kollegen Schmücker ansprechen, der sich zu dieser Sache geäußert hat und der Repräsentant derjenigen ist, die das wollen, worüber der Herr Bundesarbeitsminister geschwiegen hat. — Alle Sachverständigen haben in den „Geheimbesprechungen" gegenüber den Vertretern des Bundesarbeitsministers erklärt, der Individualbeitrag würde — weil man bei den 2000 Kassen die Großbuchungsanlagen leider nicht einsetzen kann — etwa 20- bis 25 000 Angestellte zusätzlich erfordern. Von „Geheimbesprechungen" spreche ich übrigens deshalb, weil das Ministerium gesagt hat,
    es müßte strengstes Stillschweigen gewahrt werden. Na ja, „strengstes Stillschweigen" herrschte auch über die Beratungen in den fünf verschiedenen Ausschüssen, die Sie von der CDU gebildet haben, und dennoch hat die Presse vielfältig darüber berichtet, und auch einzelne von Ihnen haben darüber gesprochen.

    (Abg. Stingl: Da geht es uns allen gleich!)

    — Ich bin leider auf Kombinationen angewiesen. Ich wäre froher, wenn der Herr Bundesarbeitsminister sich präzise geäußert hätte. Dann hätten wir uns konkreter auseinandersetzen können.

    (Beifall bei der SPD.)

    Die Sachverständigen also haben die Vertreter des Bundesarbeitsministers darauf hingewiesen, welchen Verwaltungsaufwand die Neuregelung bedeuten würde. Demgegenüber wurde von den Vertretern des Bundesarbeitsministers erklärt: Aber die Politiker wollen aus politischen Gründen den Individualbeitrag! — Herr Kollege Schmücker, das kommt sehr nahe dem Wort, das Sie einmal in einer Kindergelddebatte gebraucht haben.

    (Abg. Schmücker: Und das Ihre Kollegen im Ausschuß — allerdings nicht so gut formuliert — bei jeder „passenden" Gelegenheit gebrauchen!)

    — Für die neuen Kollegen darf ich erklären, um welche Äußerung es sich handelt: „Wir lassen uns durch den größeren Sachverstand nicht von unserer politischen Linie abbringen." Der Herr Bundesarbeitsminister hat sich — insofern stehen Sie gar nicht allein, Herr Kollege Schmücker — in anderem Zusammenhang, nämlich beim Krankenversicherungs-Neuregelungsgesetz, in ähnlicher Weise geäußert. Er erklärte: „Wenn man eine Stärkung der Selbstverantwortung für ein hohes Ziel hält, muß man grundsätzlich auch einen höheren Verwaltungsaufwand in Kauf nehmen." — Herr Kollege Stingl, Sie nicken zustimmend; dann muß ich auch Ihre Ausführungen zitieren. Sie haben kürzlich nämlich sehr prägnant gesagt: „Wer das Verantwortungsbewußtsein stärken will, muß den Kassen bürokratische Mehrarbeit zumuten."

    (Abg. Stingl: Das ist noch immer meine Meinung! — Weitere Zurufe von der CDU/ CSU.)

    — Meine Damen und Herren, da sind wir sehr unterschiedlicher Auffassung.

    (Abg. Schmücker: Endlich mal wieder Unterschiede! — Heiterkeit.)

    Sie scheinen übersehen zu haben, daß schon gegenwärtig nach der Sozialbilanz für alle Bereiche der sozialen Sicherung 2,462 Milliarden DM Verwaltungsaufwendungen entstehen. Wir sind der Auffassung, daß dieser enorm hohe Verwaltungsaufwand im sozialen Bereich für alle, die Verantwortung tragen, Anlaß zu der Überlegung sein sollte, wie man die Dinge vereinfachen kann.

    (Beifall bei der SPD — Abg. Stingl: Die Einheitsversicherung ist am Ende nicht billiger! — Zuruf des Abg. Ruf.)




    Dr. Schellenberg
    und daß man nicht Vorschläge ersinnen sollte, durch die die soziale Sicherung weiter kompliziert und verteuert wird. Das liegt weder im Interesse der sozialen Sicherung im allgemeinen noch der Menschen, um die es geht.

    (Beifall bei der SPD.)

    Meine Damen und Herren, deshalb sind ihre Vorstellungen über den Individualbeitrag noch unausgegoren. Das ist wohl auch der Grund, weshalb sich der Bundesarbeitsminister so sehr allgemein geäußert und in keiner Weise präzise Stellung genommen hat.

    (Abg. Ruf: Warten Sie doch die Einbringung des Gesetzes ab!)

    — Wir haben Verständnis für Sie, Herr Kollege Ruf. Sie standen unter dem Druck unserer großen Anfrage,

    (Widerspruch und Lachen bei der CDU/CSU)

    Sie mußten sich endlich einmal stellen und hatten deshalb nicht ausreichend Zeit, sich die Sache hinsichtlich der Durchführbarkeit gründlich genug zu überlegen.

    (Zurufe von der CDU/CSU.)

    — So, Sie wollen gründlich überlegen? Dann wird noch einige Zeit vergehen, bis etwas auch nur verwaltungstechnisch Praktikables vorgelegt wird; das sage ich heute schon.

    (Abg. Schmücker: Reden Sie in der Zwischenzeit!)

    — Aber, Herr Kollege Schmücker, wir haben doch wohl eigene Gesetzentwürfe vorgelegt, andere werden noch folgen; darauf können Sie sich verlassen!

    (Abg. Ruf: Von uns abgeschrieben!)

    Noch einige Bemerkungen zu der Frage des Individualbeitrages. Bisher wurde im Zusammenhang mit der Kostenbeteiligung erklärt, ihr Sinn sei, Bagatellefälle zu vermeiden. Was ergibt sich aber aus dem System, das Sie hier erwägen?

    (Zuruf von der Mitte: Weil es gar nicht stimmt!)

    Bei diesem System muß es so sein, daß selbst bei mehreren Bagatellfällen die indirekte Kostenbeteiligung geringer ist als bei nur einem einzigen schweren Krankheitsfall. Bei der Größenordnung nämlich, um die es sich handelt bei einem Durchschnittseinkommen von 500 DM, stehen immerhin entweder 60 DM oder 120 DM Kostenbeteiligung auf dem Spiele, je nachdem, ob der Satz von 1 % oder 2 % für den Individualbeitrag genommen wird. Bei einer ernsthaften Erkrankung ergibt sich somit insgesamt eine empfindliche Belastung der Familie, nämlich mit 60 oder 120 DM bei einem Einkommen von 500 DM monatlich.

    (Abg. Stingl: Die nehmen Sie dafür durch Beitragserhöhungen jeder Familie, auch der nicht kranken Familie, längst ab bei Ihrem System!)

    — Welche Beitragserhöhungen haben wir beschlossen, Herr Kollege Stingl?

    (Abg. Stingl: Bei dem System, das Sie befürworten, steigen die Beiträge ständig, und sie belasten die Familie um so mehr!)

    — Aber, Herr Kollege Stingl, wir wollen doch die Lohnfortzahlung im Krankheitsfalle ohne Sonderbeitrag. Wo steigen da die Beiträge? Da werden sie gesenkt, während Sie eine indirekte Kostenbeteiligung einführen wollen.

    (Zuruf von der FDP.)

    — Ich habe Ihre Bemerkung nicht verstanden. (Erneuter Zuruf von der FDP.)



Rede von Dr. Carlo Schmid
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Meine Damen und Herren, wir wollen keine Zwiegespräche führen. Zwischenrufe ja, Zwischenfragen gern, aber nicht Zwiegespräche.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Ernst Schellenberg


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Ich habe Ihnen gesagt

    (Zuruf von der SPD: Sie brauchen auf die Zurufe nicht einzugehen! — Unruhe.)

    — Ich danke Ihnen sehr, meine Damen und Herren, aber ich wäre wirklich verbunden, wenn der Kollege, der eine Zwischenfrage stellen will, sich ans Mikrofon begeben würde. Ich will Ihnen gerne Rede und Antwort stehen. Ich kann aber eine Frage nur beantworten, wenn ich sie verstehe.
    Möglicherweise werden Sie sagen, Sie würden auf den Familienstand Rücksicht nehmen: Aber wie Sie die Dinge auch gestalten, bei einem Individualbeitrag muß derjenige, der verheiratet ist, muß der ältere Mensch belastet werden. Für ihn ist die Wahrscheinlichkeit viel größer als für den Alleinstehenden, daß der Individualbeitrag, daß jene 60 oder 120 Mark ausgeschöpft werden. Sie können Ausnahmen machen, natürlich, aber dann werden Sie das System immer mehr komplizieren.
    Meine Damen und Herren, ich mache Sie schon heute — das für Ihre Überlegungen in der Sommerpause — darauf aufmerksam, daß das, was Sie hier beabsichtigen, mit dem Grundsatz der Versicherungsgerechtigkeit in keiner Weise vereinbar ist; denn die Kostenbeteiligung ist um so höher, je höhere Beiträge der einzelne zahlt.

    (Abg. Stingl: Weil er ein höheres Einkommen hat!)

    Niemand wird uns bestreiten, daß wir für sozialen Ausgleich sind; aber wir meinen, daß man in der Sozialversicherung das Prinzip der Gerechtigkeit nicht auf den Kopf stellen sollte.

    (Zustimmung bei der SPD.)

    Ich gehe nicht auf all das ein, was wir gegen die indirekte Kostenbeteiligung, unter dem Gesichtspunkt der Gesundheitspolitik zu sagen haben. Das haben wir beim Krankenversicherungsneuregelungsgesetz gesagt. Das bleibt unsere Auffassung. Nur ein letztes Wort hierzu. Wir waren sehr erstaunt, daß der Herr Bundesarbeitsminister zwar vom Indivi-



    Dr. Schellenberg
    dualbeitrag spricht, aber zu entscheidenden Tatbeständen nichts sagt, nämlich z. B. dazu, ob der Beitrag 1 oder 2 % betragen soll. Das bedeutet, ob eine Milliarde oder zwei Milliarden an indirekter Kostenbeteiligung erhoben werden sollen. Er hat auch nichts darüber gesagt, ob die Kostenbeteiligung bei ärztlicher Behandlung 10, 20 oder, wie es neuerdings heißt, sogar 25 % der Arztkosten betragen soll.

    (Zuruf von der Mitte: Woher weißt du?)

    Dazu hat sich der Herr Bundesarbeitsminister nicht geäußert. Man könnte denken, daß das mit dem 8. Juli in Verbindung steht.

    (Lebhafte Rufe bei der CDU/CSU: Ah! Ah! —Abg. Ruf: Damit hängt doch die Große Anfrage zusammen!)

    Zur Lohnfortzahlung hat der Minister sich deutlicher geäußert. Aber über diese Seite seiner Pläne hat er geschwiegen.
    Ich komme jetzt zu dem Problem der Sicherung der Familie. Hinsichtlich der Sicherung der Familie im allgemeinen und der Gewährung von Kindergeld im besonderen hat der Herr Minister — ich freue mich sehr, daß Herr Minister Wuermeling an den Beratungen teilnimmt —, der die Familienpolitik in der Bundesregierung zu repräsentieren hat, sich in sehr massiven Angriffen gegen die Politik der Regierung, der er angehört, gewandt.

    (Vorsitz: Vizepräsident Schoettle.)

    Ich möchte einige Worte und Bemerkungen zitieren. In dem Artikel in der „Sozialen Ordnung" sprach er in bezug auf die Familienpolitik von „an die Wand gespielt", „was hier geplant ist, wäre ein tödlicher Schlag gegen den notwendigen Ausbau der Kinderleistung", er schrieb von einem „Offenbarungseid Familienpolitik". Darüber hinaus hat der Herr Familienminister — merkwürdigerweise, muß ich sagen — ein internationales Forum, nämlich die Konferenz der europäischen Familienminister, benutzt, um darzulegen und darlegen zu lassen, daß die Kindergeldregelung in der Bundesrepublik die schlechteste Europas ist.
    Im Hinblick auf diese Feststellungen des Bundesfamilienministers muß ich darauf hinweisen, daß zu gleicher Zeit ein anderer Minister, nämlich der Sonderminister Dr. Krone, erklärte: An der Familienpolitik kann man erkennen, ob eine Politik sozialistisch, liberal oder christlich begründet ist. Meine Damen und Herren, in Anbetracht der Ausführungen des Familienministers, der es eigentlich am besten beurteilen sollte, muß gesagt werden, daß es nicht angebracht ist, für eine Politik Attribute wie „christlich" zu verwenden; denn diese Politik ist eine sehr schlechte Politik, eine sehr schlechte Familienpolitik, die die Mehrheit nach Aussage ihres Familienministers betrieben hat.

    (Beifall bei der SPD.)

    Daran ändert sich nichts dadurch, daß Sie jetzt unter dem Druck unserer Großen Anfrage organisatorische, finanzielle Änderungen des Kindergeldrechts und auch Leistungsverbesserungen ankündigen.
    Sie haben es heute zu Beginn der Sitzung mit einer geschäftsordnungsmäßigen Maßnahme abgelehnt, unseren Gesetzentwurf zur Anpassung der Kindergeldleistungen an die wirtschaftliche Entwicklung in erster Lesung zu beraten. Dieser Gesetzentwurf steht in unmittelbarem Zusammenhang mit den weiteren Maßnahmen auf dem Gebiet des Kindergeldrechts. Wenn wir jetzt nicht darüber sprechen können, weil Sie es ablehnen, meine Damen und Herren, dann sprechen wir darüber, wenn wir die erste Lesung des Gesetzes vornehmen. Das hat für uns einen Vorteil. Wir kommen nämlich nicht in die zeitliche Bedrängnis wie am heutigen Freitag. Wir werden im Zusammenhang mit der ersten Lesung dieses Gesetzes die Fragen des Kindergeldrechtes in der Bundesrepublik behandeln und unsere Konzeption darlegen. Darauf können Sie sich verlassen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Sie haben noch einen Vorteil vergessen: Sie werden auch noch vor dem 8. Juli damit ankommen!)

    — Ja, wir nehmen an, daß nicht durch Einsprüche und Mehrheitsbeschlüsse eine ordnungsgemäße Beratung von Anträgen der Fraktionen im Plenum verhindert wird. Das hängt weder mit dem 1. Juli noch mit dem 8. Juli zusammen. Wir haben die Gesetzesvorlage eingebracht und bestehen darauf, daß sie in angemessener Zeit auch im Hinblick auf die Dringlichkeit des Problems hier behandelt werde.
    Nun zum Schluß. Meine Damen und Herren, der Bundesarbeitsminister hat geantwortet. 20 Wochen hat die Bundesregierung zu dieser bescheidenen Antwort benötigt, zur Beantwortung einer Großen Anfrage, für die nach der Geschäftsordnung zwei Wochen vorgesehen sind. Der Minister hat in Dortmund die Einigkeit der Koalition betont. Sie werden sich aber in den Regierungsparteien nicht der Illusion hingeben, daß Sie mit der spärlichen Antwort, die heute gegeben wurde, in den sozialpolitischen Fragen bereits über den Berg sind. Die Probleme werden erst beginnen, wenn Sie genötigt sind, Ihre Vorstellungen in die Form eines Gesetzentwurfs zu bringen. Dann wird klar werden, was arbeitsechtliche Regelung oder was versicherungsrechtliche Regelung heißt. Dann wird entschieden werden müssen, was Ausgleich für Klein- und Mittelbetriebe bedeutet. Dann wird der vertrauensärtzliche Dienst geregelt werden, und dann wird entschieden werden müssen: eine Milliarde oder zwei Milliarden Individualbeitrag. Oder über die Fragen, was Sie wirklich für eine Beseitigung der wirtschaftlichen Nachteile der Familien tun wollen. Sie haben großartig von einem „Sozialpaket" gesprochen. Mein Kollege Rohde hat vorhin die Frage gestellt: „Na, ist es nicht vielleicht nur ein Päckchen?" Meine Damen und Herren, es ist nur ein sehr bescheidenes Päckchen,

    (Abg. Ruf: Das ist eine Kiste, will ich Ihnen sagen!)

    über dessen Inhalt man nach der Antwort des Ministers nur wenig sagen kann.
    Wir haben in der Großen Anfrage keineswegs alle entscheidenden sozialpolitischen Probleme angesprochen. —

    (Zurufe von dier CDU/CSU.)




    Dr. Schellenberg
    — Im Zusammenhang mit unserer Großen Anfrage haben Sie doch den Begriff „Sozialpaket" geprägt und so getan, als ob damit die Sozialpolitik erschöpft wäre. Nein, meine Damen und Herren, es gibt noch einige andere Dinge, denen Sie sich stellen müssen, z. B. die Frage des Urlaubs: da wurde interessanterweise die Entschließung in Dortmund geändert. Da steht die Frage der Neuordnung ,des Kriegsopferrechts an; wir haben unseren Antrag vorgelegt, da werden Sie sich stellen müssen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Alles zu gegebener Zeit!)

    In 14 Tagen werden Wir Ihre Stellungnahme zur Berufsausbildungsförderung kennenlernen, womit nach unserem Willen eine neue Phase der Sozialpolitik eingeleitet werden soll. Bei allen diesen Fragen wird sich zeigen, ob die Worte von ,der Einigkeit in der Sozialpolitik, von der der Herr Minister in Dortmund gesprochen hat, Bestand habe. Nach dem, was wir bisher wissen, werden sogar hinsichtlich der zeitlichen Rangordnung sehr unterschiedliche Auffassungen vertreten. Auf dem einen Parteitag wurde so beschlossen, auf dem anderen Parteitag — Herr Kollege Rohde sagte es bereits — wurde das Gegenteil beschlossen. Wir sind sehr gespannt darauf, zu erleben, wer seine Parteitagsbeschlüsse aufgibt — die eine Partei oder die andere Regierungspartei oder vielleicht beide.
    Meine Damen und Herren! Ungeachtet der Meinungsverschiedenheiten werden wir — das darf ich im Namen meiner Fraktion sagen — selbstverständlich alles tun, um jede Bemühung um den Ausbau des sozialen Rechtsstaates zu unterstützen. Aber wir werden erbitterten Widerstand leisten, wenn Sie in dieser oder jener Hinsicht gefährliche Experimente in der Sozialpolitik der Bundesrepublik unternehmen sollten.

    (Abg. Ruf: Keine Angst! — Abg. Dr. Stoltenberg: Sie sind doch sonst so für Experimente, Herr Schellenberg!)

    Daß ein Betrag von 2 Milliarden DM indirekter Kostenbeteiligung ein bedenkliches Experiment mit der Gesundheit unseres Volkes ist, meine Damen und Herren, darüber sollten keine Meinungsverschiedenheiten bestehen.

    (Beifall bei der SPD.)

    Meine Damen und Herren, wir beginnen mit wichtigen Problemen der Sozialpolitik erst jetzt für diese Legislaturperiode;

    (Oh-Rufe von der CDU/CSU)

    leider! Wir hätten schon im Februar eine Konzeption von Ihnen haben können. In jeder Hinsicht werden wir dahin wirken, daß die Sozialpolitik mit der wirtschaftlichen und technischen Entwicklung Schritt hält und daß sie dazu beiträgt, den Erfordernissen unserer Zeit besser zu entsprechen als bisher.

    (Beifall bei der SPD.)