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ID0403016300

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 30. Sitzung Bonn, den 16. Mai 1962 Inhalt: Nachruf auf den Abg. Reitzner 1245 A Abg. D. Hahn (Heidelberg) tritt in den Bundestag ein 1245 B Begrüßung einer Parlamentarierdelegation aus Uruguay 1257 A Erweiterung der Tagesordnung 1245 C Fragestunde (Drucksachen IV/ 388, IV/ 399) Frage des Abg. Peiter: Prüfung ärztliche Verordnungen Blank, Bundesminister 1246 A Peiter (SPD) 1246 C Frage des Abg. Fritsch: Ansprüche aus Lebens- und Rentenversicherungen Dr. Strauß, Staatssekretär . . . 1246 D Fritsch (SPD) 1246 D Frage des Abg. Dr. Mommer: Kraftfahrzeugsteuer Dr. Hettlage, Staatssekretär 1247 A, 1248 A Dr. Schäfer (SPD) 1247 B Ritzel (SPD) . . . . . . . . 1247 D Frage des Abg. Dr. Atzenroth: Belastung aus dem Spar-Prämiengesetz 1248 A Frage des Abg. Seuffert: Auflegung von Bundesanleihen Dr. Hettlage, Staatssekretär . . . 1248 A Seuffert (SPD) 1248 B Frage des Abg. Dr. Imle: Einfuhr von Baufertigteilen Dr. Westrick, Staatssekretär . . . 1248 B Frage des Abg. Opitz: Wandergewerbescheine und Stadterlaubnisscheine Dr. Westrick, Staatssekretär . . 1248 D Opitz (FDP) 1249 A Frage des Abg. Ertl: Absatz landwirtschaftlicher Veredelungsprodukte aus USA Dr. Hüttebräuker, Staatssekretär . 1249 B Frage des Abg. Schmitt-Vockenhausen: „Dienst für die öffentliche Meinung" Stücklen, Bundesminister . 1249 D, 1250 A Schmitt-Vockenhausen (SPD) . . . 1250 A Frage des Abg. Dr. Imle: Untersagung der Errichtung von Fertigbauten Dr. Ernst, Staatssekretär . . . . . 1250 B Dr. Imle (FDP) 1250 C II Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 30. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 16. Mai 1962 Frage des Abg. Dr. Kohut: Annahme von Geschenken durch Bundesminister Höcherl, Bundesminister . 1251 A, B, C, D, 1252 A Dr. Kohut (FDP) 1251 B Dr. Schäfer (SPD) 1251 C Jahn (SPD) 1251 D, 1252 A Brück (CDU/CSU) 1252 A Frage des Abg. Dr. Kohut: Vereinfachung der Verwaltung beim Bundesministerium des Innern Höcherl, Bundesminister 1252 A, 1253 C, D Dr. Kohut (FDP) . . . . . . . 1253 B, C Schmitt-Vockenhausen (SPD) . . . 1253 D Frage des Abg. Dr. Hamm (Kaiserslautern) : Vorräte zur Sicherstellung der ärztlichen Versorgung im Katastrophenfall Höcherl, Bundesminister 1253 D Frage des Abg. Höhmann (HessischLichtenau) : Verlegung des Zonengrenzüberganges Herleshausen-Wartha Höcherl, Bundesminister . . 1254 B, C, D Höhmann (Hessisch-Lichtenau) (SPD) 1254 C Frage des Abg. Berberich: Gelände für militärische Anlagen Strauß, Bundesminister 1254 D Frage des Abg. Riegel (Göppingen) : Tiefflüge von Düsenjägern über dem Kindererholungsheim Nordalb Strauß, Bundesminister . 1255 A, B, C, D, 1256 A, B Riegel (Göppingen) (SPD) . . . . 1255 B Wittrock (SPD) . . . . . . . 1255 C Ritzel (SPD) 1256 A Frage des Abg. Dröscher: Artillerie-Scharfschießen bei Baumholder Strauß, Bundesminister . 1256 B, D, 1257 A Dröscher (SPD) . . . . 1256 C, 1257 A Fragen des Abg. Weigl: Bau der Garnisonen in Kemnath und Tirschenreuth Strauß, Bundesminister . . . . . 1257 B Frage des Abg. Lohmar: Bericht des Wehrbeauftragten Strauß, Bundesminister 1257 C Frage des Abg. Dr. Imle: Deckung der Lebensmittelversorgung der Truppe Strauß, Bundesminister 1257 C, D, 1258 A Dr. Imle (FDP) . . . . 1257 D, 1258 A Große Anfrage der Fraktion der SPD betr. Maßnahmen der Bundesregierung auf dem Gebiet der Energie- und Kohlewirtschaft (Drucksache IV/ 297) Arendt (Wattenscheid) (SPD) . . . 1258 B, 1297 A Dr. Dr. h. c. Erhard, Bundesminister 1266 B, 1281 C Dr. Burgbacher (CDU/CSU) 1270 B, 1298 B Dr. Deist ,(SPD) . . . . 1273 D, 1289 C Dr. Aschoff (FDP) . . . . . . 1284 B Blumenfeld (CDU/CSU) 1286 D Dr. Dr. h. c. Friedensburg (CDU/CSU) 1292 A Scheppmann (CDU/CSU) 1293 D Memmel (CDU/CSU) 1296 A Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Soldatengesetzes (CDU/CSU, FDP) (Drucksache IV/ 115); Berichte des Haushaltsausschusses und des Verteidigungsausschusses (Drucksachen IV/ 387, IV/ 244) — Zweite und dritte Beratung —Dr. Morgenstern (SPD) 1298 C Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Wehrsoldgesetzes (Drucksachen IV/ 216, IV/ 248); Berichte des Haushaltsausschusses und des Verteidigungsausschusses (Drucksachen IV/ 285, IV/ 335) — Zweite und dritte Beratung — Cramer (SPD) 1299 A, 1302 B Rommerskirchen (CDU/CSU) . . . 1300 C Dr. Mommer (SPD) 1303 A Nächste Sitzung 1304 C Anlagen 1305 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 30. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 16. Mai 1962 1245 30. Sitzung Bonn, den 16. Mai 1962 Stenographischer Bericht Beginn: 15.03 Uhr
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    Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete (r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Dr. Achenbach * 18.5. Altmaier * 18.5. Bauer (Würzburg) * 18.5. Berkhan * 18.5. Biegler 17. 5. Biermann 16.5. Fürst von Bismarck * 18.5. Blachstein * 18. 5. Dr. Bleiß 18.5. Dr. h. c. Brauer 18.5. Brese 22.5. Burckardt 18.5. Döring (Düsseldorf) * 18.5. Dr. Dörinkel 16.5. Drachsler 26.5. Dürr 16.5. Eichelbaum 18.5. Eschmann 18.5. Felder 18.5. Frau Dr. Flitz (Wilhelmshaven) * 18.5. Dr. Furler * 18.5. Geiger 18.5. Gerns * 18.5. Gewandt 4. 6. Dr. Gleissner 18.5. Glombig 11.6. Gscheidle 18.5. Hammersen 18.5. Heiland 18.5. Frau Herklotz 17.5. Dr. Hesberg 31.5. Hesemann 16.5. Höfler * 18. 5. Frau Dr. Hubert * 18.5. Jacobs 31.5. Frau Kalinke 18.5. Dr. Klein (Berlin) 1. 7. Klein (Saarbrücken) 18.5. Dr. Kliesing (Honnef) * 18.5. Koenen (Lippstadt) 9. 6. Dr. Kopf * 18.5. Kraus 18.5. Kriedemann 18. 5. Frau Dr. Kuchtner 31.5. Kühn (Bonn) 18.5. Kühn (Köln) 16.5. Lenze (Attendorn) * 18.5. Lermer * 18.5. Lücker (München) 18.5. Margulies 16. 5. Mauk 18.5. Frau Dr. Maxein * 18.5. Frau Meermann 25.5. Dr. Menzel 31.5. Metzger 18.5. Dr. Meyer (Frankfurt) * 18.5. Neubauer 18. 5. Abgeordnete (r) beurlaubt bis einschließlich Neumann (Allensbach) 11.6. Oetzel 25.5. Paul * 18.5. Pöhler 16.5. Rasner 26.5. Frau Dr. Rehling * 18.5. Frau Renger * 18.5. Richarts 18.5. Schlick 26.5. Dr. Schmid (Frankfurt) * 18.5. Schmücker 16.5. Dr. Schneider (Saarbrücken) 12. 6. Schoettle 18.5. Frau Schroeder (Detmold) 16.5. Schultz 18.5. Schütz * 18.5. Seidl (München) * 18.5. Dr. Serres * 18.5. Dr. Siemer 9. 6. Dr. Stecker 16. 5. Dr. Steinmetz 18.5. Frau Strobel 18.5. Dr. Süsterhenn 16.5. Wächter 16.5. Dr. Wahl * 18.5. Frau Dr. h. c. Weber (Essen) 26.5. Wehner 16.5. Wendelborn 18.5. Wienand * 18. 5. Dr. Zimmer * 18.5. b) Urlaubsanträge Adorno 30. 6. Dr. Brecht 15. 6. Dr. Höchst 25.5. Ruland 31.5. Steinhoff 11.6. *) Zur Teilnahme an der Tagung der Beratenden Versammlung des Europarates Anlage 2 Entschließung des Bundesrates zum Haushaltsgesetz 1962 Der Bundesrat erwartet, daß das gesamte Heizölsteueraufkommen entsprechend der Bestimmung des Art. 4 des Mineralölsteueränderungsgesetzes vom 26. 4. 1960 (BGBl. I S. 241) für energiepolitische Zwecke, insbesondere für Maßnahmen zur Anpassung des Steinkohlenbergbaues an die veränderte Lage auf dem Energiemarkt, verwendet wird und nach Möglichkeit auch revierfernen Gebieten zugute kommt. Begründung: Das Heizölsteueraufkommen ist im Haushaltsjahr 1962 mit 340 Millionen DM veranschlagt. Nur ein Teil dieser Mittel ist im Haushaltsplan für zweckentsprechende Ausgaben ausgebracht. Es ist nicht 1306 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 30. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 16. Mai 1962 vertretbar, daß der weitere Teil für andere als energiepolitische Zwecke verwendet wird. Besonders zwingt die derzeitige Lage im Steinkohlenbergbau zu noch stärkerer Rationalisierung; hierfür müssen rechtzeitig die notwendigen Mittel bereitstehen. Anlage 3 Umdruck 98 Antrag der Fraktion der SPD zur Großen Anfrage der SPD — Drucksache IV/ 297 — betr. Maßnahmen der Bundesregierung auf dem Gebiet der Energie- und Kohlewirtschaft Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird ersucht, dem Bundestag alsbald die Gesetzentwürfe und sonstigen Vorlagen zuzuleiten, die erforderlich sind, um 1. dem westdeutschen Steinkohlenbergbau . eine Fördermenge zu sichern, die allen wirtschaftlich arbeitenden Zechenbetrieben eine volle Ausnutzung ihrer Förderkapazität gewährleistet und den Bergarbeitern eine gleichmäßige und gesicherte Beschäftigungsmöglichkeit garantiert; 2. die größtmögliche Wirtschaftlichkeit des Steinkohlebergbaus durch Austausch von Grubenfeldern und sinnvolle Rationalisierung der Förderung zu erreichen; 3. den Bau von Zechenkraftwerken und die Errichtung von Block- und Fernheizwerken insbesondere durch Gewährung von zinsgünstigen Krediten zu fördern; 4. den Bergbau von solchen finanziellen Lasten zu befreien, die durch die Regression des Bergbaus verursacht werden; 5. der Bundesregierung — insbesondere im Hinblick auf die Lasten, die Verbraucher und Steuerzahler aufbringen — die wirtschaftspolitischen Mittel zur Verfügung zu stellen, die notwendig sind, um zu sichern, daß die Entwicklung der Energiewirtschaft den volkswirtschaftlichen Gesamtinteressen entspricht. Bonn, den 15. Mai 1962 Ollenhauer und Fraktion Anlage 4 Umdruck 99 Antrag der Fraktion der SPD zur Großen Anfrage der Fraktion der SPD — Drucksache IV/ 212 — betr. Auswirkungen des Bundesbaugesetzes und sonstiger Maßnahmen der Bundesregierung auf die Baulandpreise Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird ersucht, bis spätestens 1. Oktober 1962 dem Bundestag einen Gesetzentwurf vorzulegen, der eine Wertzuwachsabgabe auf die Spekulationsgewinne aus Bauboden einführt oder durch den auf andere Weise Spekulationsgewinne abgeschöpft werden, die aus einer Steigerung der Bodenwerte und der Bodenpreise entstanden sind. Bonn, den 16. Mai 1962 Ollenhauer und Fraktion Anlage 5 Umdruck 100 (neu) Änderungsantrag der Fraktion der SPD zur zweiten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Wehrsoldgesetzes (Drucksachen IV/ 216, IV/ 248, IV/ 335). 1. Artikel I erhält folgende Fassung: ,Artikel I Das Gesetz über die Geld- und Sachbezüge und die Heilfürsorge der Soldaten, die auf Grund der Wehrpflicht Wehrdienst leisten (Wehrsoldgesetz — WSG) in der Fassung vom 22. August 1961 (Bundesgesetzbl. I S. 1611) wird wie folgt geändert: 1. Die Anlage I (Wehrsoldtabelle) zu § 2 Abs. 1 Satz 1 erhält folgende Fassung: Wehrsold Wehrsoldgruppe WehrDienstgrad Soldtagessatz DM 1 Grenadier 2,50 2 Gefreiter, Obergefreiter, Hauptgefreiter 3,10 3 Unteroffizier, Stabsunteroffizier 3,50 4 Feldwebel, Oberfeldwebel 3,75 5 Stabsfeldwebel, Leutnant 4,40 6 Oberstabsfeldwebel, Oberleutnant 5, 7 Hauptmann 6,25 8 Major, Stabsarzt, Stabsingenieur 7,50 9 Oberstleutnant, Oberstabsarzt, Oberfeldarzt 8,75 10 Oberst, Oberstarzt 10, 11 General 12,50 2. § 8 Abs. 2 und 3 erhält folgende Fassung: „(2) Das Entlassungsgeld beträgt nach sechsmonatigem Wehrdienst 45 Deutsche Mark zwölfmonatigem Wehrdienst 180 Deutsche Mark Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 30. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 16. Mai 1962 1307 achtzehnmonatigem Wehrdienst für den Grenadier 360 Deutsche Mark für den Gefreiten und Obergefreiten 420 Deutsche Mark für den Unteroffizier 480 Deutsche Mark. (3) Haben Familienangehörige des Soldadaten allgemeine Leistungen nach § 5 des Unterhaltssicherungsgesetzes erhalten, beträgt das Entlassungsgeld nach sechsmonatigem Wehrdienst 75 Deutsche Mark zwölfmonatigem Wehrdienst 240 Deutsche Mark achtzehnmonatigem Wehrdienst für den Grenadier 480 Deutsche Mark für den Gefreiten und Obergefreiten 540 Deutsche Mark für den Unteroffizier 600 Deutsche Mark." 2. In Artikel II wird in § 2 in Absatz 1 und 2 die Zahl „150" durch die Zahl „240", die Zahl „200" durch die Zahl „300" und die Zahl „250" durch die Zahl „360" ersetzt. Bonn, den 16. Mai 1962 Ollenhauer und Fraktion Anlage 6 Umdruck 101 (neu) Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, FDP zur Großen Anfrage der SPD betr. Maßnahmen der Bundesregierung auf dem Gebiet der Energie- und Kohlewirtschaft (Drucksache IV/ 297). Der Bundestag wolle beschließen: 1. Der Deutsche Bundestag teilt die Auffassung der Bundesregierung bezüglich der dargelegten bisherigen energiepolitischen Maßnahmen und ihrer vorgesehenen Fortsetzung. 2. Die Bundesregierung hat in ihrer Erklärung die Vornahme von Konsultationen mit der Mineralölindustrie in Aussicht gestellt. Maßgebend hierbei ist die richtige Erkenntnis, daß angesichts der bevorstehenden Erweiterung der Raffineriekapazitäten, des damit erwarteten Aufkommens an Heizöl in der Bundesrepublik sowie der Notwendigkeit der Anpassung der Energieträger an die Strukturveränderung eine Investitionsabstimmung unerläßlich ist, die gewährleistet, daß die inländische Heizölerzeugung dem Bedarf angepaßt wird, der sich bei Berücksichtigung des Nachfragezuwachses ergibt und daher die Steinkohlenförderung möglichst in ihrer heutigen Größenordnung unter Ausnutzung optimaler Förderbedingungen ermöglicht. Wenn diese Investitionsabstimmung nicht zu den beabsichtigten Ergebnissen führt, hält es der Bundestag für erforderlich, daß die Bundesregierung in Betracht zieht, von der Ermächtigung nach § 10 des Außenwirtschaftsgesetzes Gebrauch zu machen. 3. Der Deutsche Bundestag erwartet die unverzügliche Vorlage des angekündigten Gesetzentwurfs zur Rationalisierung im Steinkohlenbergbau, um den Steinkohlenbergbau der Strukturänderung anzupassen und gleichzeitig seine vom Bundestag erwarteten und notwendigen eigenen weiteren Maßnahmen zu fördern, die seine Wettbewerbslage verbessern. Dabei sind hierfür notwendige Mittel aus dem Aufkommen an Heizölsteuer entsprechend der energiepolitischen Zielsetzung zu verwenden. 4. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf, über die unterschiedlichen Entwicklungstendenzen in der Renten- und Unfallversicherung, über das Aufkommen und die Leistungen dieser Versicherungsträger zu berichten und dabei im Hinblick auf den beabsichtigten Beitritt Großbritanniens zu den Europäischen Gemeinschaften die besonderen Belastungen des deutschen Bergbaus im Rahmen der Sozialversicherung darzulegen. Bonn, den 16. Mai 1962 Dr. Dollinger und Fraktion Dr. Mende und Fraktion
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    Rede von Dr. Heinrich Deist


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Nein; im Gegenteil! Ich habe gesagt: Alle diese Maßnahmen könnten wir als nützlich empfinden, wenn sie wirklich zu einer Lösung der Probleme dies Kohlenbergbaus führten. Nur ist das bisher nicht der Fall gewesen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Welche führen denn zur Lösung?)

    Die Leidtragenden sind weiter die Arbeitnehmer. Wenn in den Jahren 1'958/59 mehr als 6 Millionen Feierschichten verfahren worden sind, ohne daß das Kohleproblem gelöst worden ist, dann ist auch das zumindest eine bittere Angelegenheit. Und wenn Sie nicht nur wissen, daß in den Jahren 1957 bis 1962 150 000 Bergarbeiter den Bergbau verlassen haben, sondern auch wissen, daß 30 % von ihnen jüngere Arbeitskräfte sind und daß infolgedessen die Überalterung im Bergbau sehr bedenklich ist, dann ist auch das ein bitteres Ergebnis der Energiewirtschaftspolitik der letzten Jahre. Und wenn wir sehen, welche Sorgen die Gemeinden haben, wie der Arbeitsmarkt belastet wurde, wie die Struktur des Ruhrgebiets beeinträchtigt wird durch diese willkürliche und unplanmäßige Entwicklung, dann müssen wir sagen: auch das kommunale Gemeinschaftsleben ist einer der Leidtragenden dieser Entwicklung.
    Schließlich: Verlierer ist der Bergbau als Ganzes, und zwar hinsichtlich seiner Alterszusammensetzung. Lassen Sie mich dazu noch ein paar Worte sagen. Der Rückgang der Belegschaften in den Jahren 1957 bis 1961 betrug rund 25 %. Aber von den Lehrlingen von 14 bis 20 Jahren, von den jungen, für die Zukunft des Bergbaus wichtigen Arbeitskräften sind 60 % abgewandert, von denen zwischen 14 und 30 Jahren 40 %.
    Sehen Sie, Herr Bundeswirtschaftsminister, das ist die Kehrseite der Steigerung der Leistungsfähigkeit des Kohlebergbaus. Das ist eine traurige Bilanz von sechs Jahren. Und wir sollten uns wirklich ernsthaft überlegen, ob wir uns mit solchen punktuellen Maßnahmen begnügen können, wie das bisher geschehen ist und wie das nach den heutigen Darlegungen des Herrn Bundeswirtschaftsministers auch für die Zukunft vorgesehen ist.
    Meine Damen und Herren, vor welcher Situation stehen wir? Das Gutachten hat uns einige bemerkenswerte Tatsachen vermittelt, die einen ungefähren Anhaltspunkt geben, was hier geschehen könnte.
    Zunächst einmal: Wir wissen, daß der Anteil der Kohle an der Energieversorgung rückläufig ist, daß es sich hier um eine weltweite Bewegung handelt und daß es eine unaufhaltsame Bewegung ist. Ich glaube, wir wissen auch — ich möchte das jedenfalls für meine Freunde hier unterstreichen —, daß Mineralöl und Heizöl ein moderner Energiestoff ist, daß diese Entwicklung im Ganzen eine fortschrittliche Entwicklung ist. Niemand sollte sich anheischig machen, diese Entwicklung zu verhindern. Ich



    Dr. Deist
    möchte darüber hinaus sagen: Für viele revierferne Gebiete, sei es Süddeutschland, sei es Schleswig-Holstein, seien es andere Gebiete, ist das Heizöl eine Möglichkeit, ihre heute über dem Durchschnitt liegenden Energiekosten auf ein normales Maß her-abzubringen. — Das scheint mir die erste Feststellung zu sein, die Ausgangspunkt einer gesunden Energiepolitik sein muß.
    Eine zweite Feststellung des Gutachtens besagt, daß wir langfristig mit einem Zuwachs des Primärenergiebedarfs um 2,8 % pro Jahr rechnen könnten. Das sind, in Steinkohle umgerechnet, zur Zeit 6 bis 7 Millionen t pro Jahr. Ich möchte sagen, die Rechnung ist vorsichtig. In den Jahren 1955 bis 1961 — mit Höhen und Tälern — betrug der Zuwachs im Durchschnitt etwa 7 Millionen t jährlich.
    Drittens ist in den letzten Jahren, seitdem sich der Heizölverbrauch stark ausdehnte, der Heizölverbrauch um etwa 5 Millionen t Steinkohleneinheiten je Jahr gestiegen. Daraus ergibt sich zunächst einmal eine Konsequenz. Wenn der Primärenergiebedarf um etwa 7 Millionen t wächst und der Anstieg der Heizölproduktion — jedenfalls in den letzten drei Jahren — etwa 5 Millionen t Steinkohleneinheiten betrug, so handelt es sich hier um einen Prozeß, der durchaus regulierbar ist. Und die Bundesregierung müßte sich anstrengen, ihn in gesunde Formen zu bringen. Das ist das erste.
    Ich möchte dann aber noch etwas zum Sicherheitsproblem sagen, weil ich meine, daß dieses Problem vielfach unter falschen Gesichtspunkten behandelt wird und, wenn ich nicht irre, auch heute behandelt worden ist.
    Im Energiewirtschaftsgesetz steht eine gute Richtschnur für die Energiewirtschaftspolitik: daß es nämlich ihre Aufgabe sei, die Energieversorgung so sicher und so billig wie möglich zu gestalten. Niemand sage: Das verträgt sich nicht miteinander. Viele Dinge vertragen sich im Extrem auf dieser Erde nicht, und in der Politik sind wir immer darauf angewiesen, eine optimale Lösung zu finden.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

    Wir müssen daher Sicherheit und Preisgünstigkeit in ein gesundes Verhältnis zueinander bringen.
    Ich meine aber, daß diejenigen, die bei ihren Überlegungen über die Sicherheit der Versorgung mit der Möglichkeit eines langfristigen Zusammenbruchs der Mineralölwirtschaft rechnen, den Tatsachen nicht gerecht werden. Die Mineralölquellen sind in der Welt so weit gestreut, daß Ereignisse, die eine langfristige Unterbrechung herbeiführen, wahrscheinlich auch Energiegrundlagen wie das Ruhr- gebiet nicht unbeeinflußt lassen würden.
    Etwas anderes ist die politische Instabilität der Staaten, in denen Erdöl gebohrt wird — von Kuweit bis Venezuela —, die — und das ist, glaube ich, ein wichtiger Gesichtspunkt für Sicherheitsüberlegungen — zu zeitweiligen Unterbrechungen führen kann, wie sie z. B. bei der Suezkanal-Affäre eingetreten sind, zu zeitweiligen Unterbrechungen in den traditionellen Lieferwegen. Und dann kommt es darauf an, ob wir Reserven haben, um eine solche zeitweilige Unterbrechung aufzufangen. Das können ' Arbeitsreserven sein — wenn nämlich normalerweise nur fünf Tage gearbeitet wird und in Ernstfällen ein sechster Tag eingeschaltet werden kann —, das können auch Kapazitätsreserven sein.
    Aber — und hier schlägt das Sicherheitsargument durch — diese Reserven haben nur dann eine Bedeutung, wenn der Anteil der Kohle an der gesamten Energieversorgung wirklich noch ein ernsthaftes, nennenswertes Ausmaß hat. Wenn der Kohleanteil nur klein ist, spielen die Reserven keine Rolle mehr. Das ist ein Gesichtspunkt, dem wir bezüglich der Sicherheit der Kohle Rechnung tragen müßten.

    (Zuruf des Abg. Dr. Burgbacher.)

    — Ich weiß, Herr Burgbacher, wir stimmen nicht in allem, aber doch in vielen Fragen der Energiepolitik überein. Ich wünschte, das wäre mit Ihrer ganzen Fraktion so!
    Meine Damen und Herren, ein dritter Gesichtspunkt in der Frage der Sicherheit der Versorgung ist 'die Markt- und Machtstellung der Anbieter. Das ist eine Sache, die sehr selten behandelt wird und die auch von den Gutachtern nicht behandelt worden ist. Ich konzediere: wahrscheinlich lag das auch nicht im Rahmen ihres Auftrages. Aber es ist nun einmal so, daß die großen internationalen Ölkonzerne auch heute noch im wesentlichen den Mineralölmarkt beherrschen. Der Einflußbereich der Ölkonzerne reicht von der Erdölförderung über große Tankerflotten zu den Ölpipelines und über die Raffinerien bis zum Verbraucher über das Tankstellennetz. Das ist eine gewaltige Machtstellung, die sie haben, eine gewaltige Finanzkraft! Sie haben nicht nur Marktmacht, sondern sie haben — ich meine, das merken wir in Deutschland sehr — auf Grund ihrer wirtschaftlichen Machtstellung auch ein ganz Teil wirtschaftlichen und politischen Einfluß.
    Aber es kommt ein weiterer Punkt hinzu. Nicht nur die Ölkonzerne treten auf der Seite des Erdöls als Marktmacht auf, sondern seit einiger Zeit haben wir ein Kartell der Erdöl produzierenden Länder in der OPEC. Diese Länder haben sich zusammengeschlossen, weil sie ein Interesse an hohen Abgaben der Erdöl fördernden Firmen haben. Hier haben wir also ein gleiches Interesse dieser Länder bei möglichst hohen Preisen hohe Royalties für ihr Erdöl zu erzielen. Unter diesen Umständen kommt es entscheidend darauf an, daß die Verbraucherländer dieser marktbeherrschenden Macht Mineralöl nicht einseitig ausgeliefert sind. Vielmehr muß man einer solchen einseitigen Marktbeherrschung vorbeugen, indem man eine gesunde, ausreichende, eigene Energiewirtschaftgrundlage schafft.
    Wenn wir im Jahre 1975 140 Millionen t Steinkohle hätten, dann wären das immer noch 40 % des gesamten Primärenergiebedarfs. Das wäre also eine wichtige Größe, die als konkurrierende Größe eine Rolle spielen könnte.
    Das Gutachten hat weiterhin errechnet, daß die Aussichten für das Jahr 1975 auch wettbewerbsmäßig nicht als ausgesprochen tragisch zu betrachten sind. Das Gutachten kommt bei Annahme einer normalen Lohnsteigerung auf der heutigen Preisbasis — davon



    Dr. Deist
    wird man ausgehen müssen, weil sich ja auch die übrigen Preise ändern — zu dem Ergebnis, daß sich der Preis bis 1975 von 60 DM — heute — auf etwa 70 DM erhöhen würde, wenn die erforderlichen Umstellungsmaßnahmen — Flurbereinigungen und dergleichen mehr — vorgenommen werden.
    Lassen Sie mich dazu eines sagen, meine Damen und Herren. Ich bin der Überzeugung — ich möchte das heute nicht des breiteren ausführen —, daß das Gutachten die Möglichkeiten des Fortschritts im deutschen Kohlebergbau unterschätzt hat. Es hat nämlich für amerikanischen Kohlebergbau revolutionäre Veränderungen in der Förder- und Abbautechnik mit einkalkuliert, während es bei uns nur mit weiterer Mechanisierung und Zusammenlegung im bisher erkennbaren Rahmen rechnet. Ich weiß nicht, ob die Gutachter meinen, den deutschen Bergassessoren sei nicht nur in den letzten Jahren nichts eingefallen, sondern ihnen werde auch in Zukunft nichts einfallen. Ich möchte mich dieser Auffassung nicht anschließen. Man muß in solchen Perioden mit einkalkulieren, daß bei uns ebenso wie in den USA und wie in anderen Industriezweigen auch umwälzende technische Veränderungen durchgeführt werden.
    Unter allen diesen Gesichtspunkten, meine ich, kann man für das Jahr 1975 durchaus annehmen, daß eine Kohlemenge von etwa 140 Millionen t, wenn sie einigermaßen rentabel gefördert werden kann, ein anzustrebendes Ziel sein müßte.

    (Zurufe von der CDU/CSU.)

    Wenn das so ist und wenn Schwierigkeiten, insbesondere aus der Entwicklung der Mineralölwirtschaft, drohen, dann darf die Regierung nicht sagen: Wir weigern uns, ein Ziel unserer Energiepolitik anzugeben; wir rechnen damit, daß es im freien Markt — den die Bundesregierung dauernd durch Maßnahmen beeinflußt — wohl bei 140 Millionen t bleiben wird; aber die Entscheidung liegt bei den Unternehmern. Sonst würde die Bundesregierung ja die Entscheidung für die Förderung im Jahre 1975 übernehmen.
    Meine Damen und Herren, ich bin der Auffassung, es ist Aufgabe der Bundesregierung, diese Entscheidung zu fällen; denn außer ihr kann diese Entscheidung niemand anders fällen. Diese Entscheidung ist wichtig,

    (Zustimmung bei der SPD)

    sie ist wichtig für die Unternehmungen selbst.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Was heißt das praktisch?)

    — Moment, lassen Sie mich mal erst zu Ende reden! — Diese Entscheidung ist wichtig für die Investitionspolitik der Unternehmungen. Wie sollen diese denn auf lange Sicht, für 10, 20 Jahre investieren, wenn sie nicht wissen, ob es das Ziel der Wirtschaftspolitik der Bundesregierung ist, diese Förderung von 140 Millionen t zu halten?
    Das ist auch wichtig für die Arbeitnehmerschaft. Sie werden keine gesunde Altersgliederung in der Arbeitnehmerschaft mehr bekommen, wenn nicht Klarheit darüber besteht, welches der Weg des Kohlebergbaus sein wird.
    Meine Damen und Herren, schließlich hängt von I einer solchen Entscheidung die Struktur des Ruhrgebietes und seiner Gemeinden ab. Auch sie müssen wissen, wohin der Weg geht; von einer solchen Entscheidung hängt ihr Straßenbauprogramm, hängt ihr Wohnungsbauprogramm, hängt ihre Industriesiedlung ab. Davon hängt ungeheuer viel für diese Kommunen ab.
    Die Bundesregierung ergreift dauernd Maßnahmen. Wir sind der Auffassung, daß sie sagen muß: Wir steuern diese 140 Millionen t an. An eine Absatzgarantie, etwa in Form der Schaffung einer Vorratsstelle, in der die Bundesregierung überfällige Kohle aufnimmt, denkt kein Mensch. Aber durch die Heizölsteuer und durch Ölkontingente — ich werde nachher noch einige andere Dinge nennen — greift die Bundesregierung ja ein und steuert den Absatz. Es ist von entscheidender Bedeutung, daß sich die Bundesregierung stark dafür macht, daß dieser Absatz von 140 Millionen t in den nächsten Jahren gesichert wird. Aber das muß die Bundesregierung sagen; sie muß dazu sagen: Wir werden zumindest dem Bundestag die erforderlichen Mittel vorschlagen. Das ist ein angesteuertes Ziel, das ist keine Absatzgarantie. Das bedeutet nicht, 'daß ses Programm, auch wenn der Himmel einstürzt, mit Gewalt durchgeführt wird. Aber das ist das erklärte Ziel 'der Wirtschaftspolitik, für das alle wirtschaftspolitischen Mittel eingesetzt werden. Wenn ein solches Ziel feststeht, wenn die Bundesregierung sich verpflichtet, es zu verfolgen, kann man viele, viele Maßnahmen akzeptieren, die man ablehnen muß, wenn sie ins Blaue hinein gemacht werden und eine solche Zielvorstellung nicht gegeben wird.

    (Beifall bei der SPD.)

    Das ist besonders für die Jahre 1965 bis 1970 wichtig. Wir haben heute, wie ich schon sagte, in den Rohölraffinerien eine Durchsatzkapazität von 40 Millionen t. Man rechnet für das Jahr 1975 mit 100 Millionen t. Aber in den nächsten drei Jahren tritt bereits eine Steigerung um 40 bis 45 Millionen t ein.
    Außerdem kommt auf uns das Ferngas zu, insbesondere auch der Gasanfall in den Raffinerien, der ebenfalls verkraftet werden muß. Darum bedauere ich, daß die Bundesregierung nichts dazu gesagt hat, wie sie sich die Entwicklung auf dem Gebiet des Ferngases vorstellt, welche Maßnahmen sie zu ergreifen trachtet, um ein rationelles Ferngasnetz in Deutschland zu sichern, damit nicht noch in weiterem Umfange als bisher über dieselbe Strecke zwei miteinander konkurrierende Ferngasleitungen laufen, wie das in Kürze zwischen Mannheim und Karlsruhe der Fall sein wird.
    Das sind die Dinge, die in erster Linie geregelt werden müssen. Es geht dabei um das Problem der Investitionspolitik. Ich habe bereits in der Sitzung des Bundestages vom November 1959 auf die Gefahr überstürzter Investitionen in der Mineralölwirtschaft hingewiesen. Ich habe damals gefragt, ob die Bundesregierung wirklich glaubt, das so hinnehmen zu können. Wir wissen jetzt, welche Bedeutung diese Investitionen in der Mineralölwirt-



    Dr. Deist
    schaft haben und welches riesige Angebot dadurch in den nächsten Jahren auf den Markt kommen wird. Aber der Herr Bundeswirtschaftsminister hat im November 1959 erklärt, die Bundesregierung habe keine Einwendungen gegen die Investitionen der Mineralölwirtschaft zu erheben. Ich bin mir bewußt, daß es sich hier um ein ernstes Problem handelt. Es betrifft nicht nur die Raffinerien, sondern auch den Wettlauf um die Pipelines und den beginnenden Wettlauf um die Erdgasfernleitungen.
    Die Bundesregierung muß sich darüber klar sein, daß sie hier mit einer einfachen Konsultation nicht auskommt; der CDU/CSU ist das offenbar bewußt. Denn nachdem sie die Frage der Konsultation sehr breit in einem. ersten Absatz behandelt hat, heißt es in Abs. 2: wenn das nicht reicht, wird das Außenwirtschaftsgesetz herangezogen; das heißt: Lizenzierung und praktisch Kontingentierung. Das ist immer der Weg, den die Mehrheit dieses Hauses geht. Sie ist nicht bereit, rechtzeitige Maßnahmen zu treffen, und ist dann nachher zu harten dirigistischen Maßnahmen gezwungen. So kam der Kohlezoll, und so sind Sie auf die Idee eines Baustopps verfallen. So werden wir im Hinblick auf den Verzicht auf eine vernünftige Investitionssteuerung möglicherweise sehr schnell zu einer Lizenzierung der Erdöleinfuhr oder 'gar zu einer Einfuhrkontingentierung kommen.
    Sie +sollten sich wirklich überlegen, ob es nicht seinen Grund hat, wenn andere Länder, z. B. Frankreich, Italien und die Schweiz, Investitionen in dieser großen Industrie von einer Genehmigung abhängig machen. Sie sollten sich überlegen, ob nicht das Instrumentarium der Montanunion, das gegenüber dem Kohlebergbau angewandt wird, verfeinert auch auf die Mineralölwirtschaft angewandt werden könnte. Wir sollten uns darüber klar sein: ohne wirksamen Einfluß auf die Investitionspolitik der Mineralölwirtschaft sind diese Dinge nicht in Iden Griff zu bekommen. Darum meine ich, daß hier ernsthaftere Schritte unternommen werden sollten, statt ein nichtssagendes Versprechen abzugeben, Konsultationen mit den 'betreffenden Industriegruppen vorzunehmen. Ich meine auch, daß Sie im Anschluß an das 'hier vorgelegte Gutachten eine ernsthafte Untersuchung über die 'Struktur des Energiemarktes, insbesondere auch des Mineralölmarktes und des Gasmarktes, anstellen sollten, damit wir endlich einmal erfahren, was auf diesen Gebieten eigentlich gespielt wird. Das muß der Staatsbürger in einem demokratischen Staat wissen, zumal jedem bewußt ist, welche entscheidende Rolle mächtige, marktbeherrschende Unternehmungen spielen. Hier sollte man nicht allzuviel Angst vor großen Tieren halben. Das ist das erste wichtige Problem: die Investitionssteuerung und die Monopolkontrolle im Bereich der Mineralölwirtschaft und der Ferngaswirtschaft.
    Ich möchte meine Ausführungen nicht abschließen, ohne eine zweite Frage zu behandeln, die von entscheidender Bedeutung ist, nämlich: eine sinnvolle Umstellung und Rationalisierung des Kohlebergbaus herbeizuführen. Wir wissen, daß nach dem Gutachten mit einer gewissen Steigerung der Kosten in den nächsten Jahren zu rechnen ist, und wir wissen, daß diese Berechnungen erhebliche Maßnahmen zur Rationalisierung unterstellen. Wenn wir dem Staatsbürger, dem Verbraucher und dem Steuerzahler Lasten zugunsten dieser Energierohstoffgrundlage Kohle zumuten, dann müssen wir alles tun, um die Kosten so niedrig wie möglich und damit die Lasten für die Verbraucher ebenfalls so niedrig wie nur möglich zu halten. Dazu gehört insbesondere die Umstellung von Betrieben und Schachtanlagen, die unrentabel arbeiten, auf rentable Schachtanlagen. Dazu ist einiges notwendig. Dazu gehört nämlich — in dem Gutachten ist es deutlich gesagt — eine Felderbereinigung. Die augenblickliche Besitzzersplitterung im Ruhrbergbau verhindert jede vernünftige Zusammenlegung. Und da hilft auch Ihr Rationalisierungsverband nicht viel. Hier müssen Überlegungen angestellt werden, ob nicht auch gesetzliche Änderungen durchgeführt werden müßten, um die notwendige Felderbereinigung herbeizuführen.
    Es geht aber nicht nur um die Felderbereinigung und die Rationalisierung. Der Umstellungsprozeß wirft auch zahlreiche Arbeitsprobleme auf. Es ist ja nicht damit getan, daß plötzlich Arbeiter freigesetzt werden und sich dann andere Betriebe — ob die Arbeiter dafür geeignet sind oder nicht — in der Vollbeschäftigung mit wer weiß welchen Angeboten an sie wenden und sie irgendwo hinholen. Auch hier muß man eine vernünftige Umsetzung einleiten.
    Ein Drittes gehört zu diesem gewaltigen Umstellungsprozeß: das sind die Folgen für die Gemeinden, deren wirtschaftliche und soziale Grundlage ernsthaft berührt wird.
    Ich sage alles das, um klarzumachen, daß man sich schon dazu durchringen muß, diesen Umstellungsprozeß, der ein weitschichtiger, vielfältig wirksamer Prozeß ist, langfristig und planmäßig durchzuführen. Die Voraussetzungen für einen solchen langfristigen organischen Umstellungsprozeß im Kohlebergbau müssen gefunden werden. Dazu gehört die Erkenntnis, daß hier entscheidende öffentliche und gesamtwirtschaftliche Interessen auf dem Spiel stehen.
    Wir haben feststellen müssen, daß die planlosen und willkürlichen Eingriffe in die Energiewirtschaft in der Vergangenheit zu verhältnismäßig plötzlichen, planlosen und willkürlichen Stillegungen geführt haben. Darum müssen wir die Voraussetzungen dafür schaffen, daß ein langfristiger planmäßiger Prozeß durchgeführt werden kann. Das ist ohne Ordnung und Planung im Kohlebergbau nicht möglich.
    Zu diesem genannten Fragenkomplex gehört schließlich ein weiteres Kapitel, nämlich die Frage der Forschung, der Entwicklung sowie der Verstromung der Kohle, die der Herr Kollege Burgbacher behandelt hat. Es gehört weiter dazu, daß man die Kosten der Stillegung, nämlich die Kosten für Wasserhaltung und dergleichen mehr sowie die dabei anfallenden zusätzlichen Sozialkosten nicht einfach den bestehenden Betrieben zulasten kann. Die öffentliche Hand muß sich vielmehr bereit finden, diese Kosten der Regression des Kohlebergbaus zu übernehmen.



    Dr. Deist
    Ein solcher umfangreicher Prozeß, der ein ganzes Kompendium verschiedenster Maßnahmen nötig macht, braucht auch entsprechende institutionelle Einrichtungen. Sie haben die Gründung eines Rationalisierungsverbandes vorgeschlagen. Wir meinen, daß der Rationalisierungsverband als Versorgungskasse für die Inhaber unrentabler wirtschaftlicher Unternehmungen keine sehr zweckmäßige Einrichtung ist. Aber wir sind durchaus der Meinung, daß er Vorschläge für die Umstellung des Kohlebergbaus und die notwendige Einführung einer Selbstverwaltung des Kohlebergbaus machen könnte.

    (Abg. Dr. Burgbacher: Kommt ja!)

    Wenn wir das tun, gehört zur Wahrung der öffentlichen Interessen eine entsprechende öffentliche Kontrolle gegenüber einem solchen Selbstverwaltungsorgan. Sie müßten sich darüber klar werden, meine Damen und Herren, daß man einen solchen Prozeß — unter Umständen mit erheblichen öffentlichen Mitteln — nur durchführen und überhaupt rechtfertigen kann, wenn man die notwendige öffentliche Kontrolle sichert, damit die öffentlichen gesamtwirtschaftlichen Interessen auch gewahrt bleiben. Dafür gibt es in der Welt die verschiedensten Methoden. Wir müssen uns nur klar darüber sein, daß wir auf eine solche öffentliche Kontrolle nicht verzichten können, wenn wir uns nicht dem Vorwurf aussetzen wollen, daß wir sinnlos in rein privatwirtschaftlichem Interesse erhebliche öffentliche Mittel vergeuden und damit auch noch Schwierigkeiten für die übrige Wirtschaft und das Gemeinschaftsleben herbeiführen.
    Ich habe das ausgeführt, um klarzumachen, daß es sich nicht um die einzelnen Mittel und Maßnahmen handelt, über die wir uns streiten könnten. Es handelt sich vielmehr darum, daß man nicht einige wenige nebeneinandergestellte punktuelle Maßnahmen ergreifen darf, sondern ein geschlossenes Programm in Angriff nehmen muß, das unter Umständen auch die Einleitung gesetzlicher und organisatorischer Maßnahmen erfordert, um solch einen gewaltigen Prozeß erfolgreich abwickeln zu können.
    Niemand denkt im Ernst daran, daß das Problem der Energiewirtschaft völlig liberal gelöst werden könnte, indem freie Importe billigster Anbieter zugelassen werden. Niemand sollte sich aber auch der Illusion hingeben, daß man auf die Dauer mit einem harten Protektionismus der Kohle durchkommen kann, ja, daß er überhaupt wünschbar wäre. Wir brauchen das, was jeder moderne demokratische Staat braucht: ein Stück Ordnung und ein Stück Planung in einem solchen wichtigen Bereich der Grundstoffindustrie. Das einzige, was nicht möglich ist, ist, daß man den Energiemarkt weiterhin dem Verdrängungskampf mächtiger, miteinander konkurrierender Interessengruppen mit all den schweren Folgen für die Bergarbeiter, die Verbraucher, die gesunden Bergbauunternehmen und das Gemeinschaftsleben in den Städten und Gemeinden dieser Länder überläßt.
    Herr Bundeswirtschaftsminister, ich fürchte, daß Sie dabei etwas über Ihren Schatten springen müssen. Aber ich möchte Ihnen empfehlen, sich zu Gemute zu führen, was der frühere Herr Bundesfinanzminister Etzel einmal auf dem Frankfurter Wirtschaftstag der CDU im Jahre 1961 gesagt hat. Er hat nämlich gesagt:
    Mit unserem Ordnungsbild der sozialen Marktwirtschaft haben wir uns ... in einen klaren Gegensatz zur freien Wirtschaft alter liberalistischer Prägung gestellt. ... Die Societas und damit der Staat haben sich um die Wirtschaft zu kümmern. Wir bejahen das Interventionsrecht und die Interventionspflicht des Staates gegenüber dem Ablauf der Wirtschaft. Nur dadurch läßt sich die Gesamtordnung, die wir erstreben, vor Verfälschungen bewahren.
    Meine Damen und Herren, daran sollten wir uns halten. Auch Sie sollten den Mut haben, aus solchen Bekenntnissen die Konsequenzen zu ziehen. Mit den Vorschlägen der Bundesregierung sind keine angemessenen Konsequenzen aus unserer heutigen Lage gezogen worden.

    (Beifall bei der SPD.)



Rede von Dr. Richard Jaeger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Wirtschaft.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Ludwig Erhard


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Dr. Deist meinte am Schluß seiner Ausführungen, ich müßte über meinen eigenen Schatten hinwegspringen. Ich bin mir bewußt, daß Kohle nicht wie Damenstrümpfe oder Schnupftabak verkauft werden kann, sondern daß hier andere Gesetze gelten. Alles, was ich heute ausgeführt habe, alles, was wir für die Kohle schon an Maßnahmen eingeleitet und durchgeführt haben, ist ein Beweis dafür, daß von einer starren Dogmatik meinerseits überhaupt nicht die Rede sein kann. Ich glaube aber, Sie werden sich etwas schwerer tun, über Ihre früheren Aussagen hinwegzuspringen, die Sie in bezug auf die Entwicklung der Kohle gemacht haben.
    Ich hatte an sich gar nicht die Absicht, mich in Zitaten zu ergehen, aber nachdem die Debatte von Ihnen damit eingeleitet wurde, ist es ganz reizvoll, darauf einzugehen. Hier wurde wieder einmal, und zwar nicht von der Wissenschaft — über das Gutachten der Institute wird sicher noch Herr Kollege Friedensburg sprechen —, sondern von der Wirtschaftspolitik gefordert, sie sollte womöglich bis zum Jahre 1975 voraussagen, wie sich die Kohle, wie sich das Öl wie sich das Erdgas und wie sich die Atomkraft entwickeln wird, und müßte heute schon ganz fest und konkret festlegen, womöglich noch in Zahlen ausdrücken, was da kommen wird. — Entschuldigen Sie, Herr Dr. Deist, so oft möchte ich mich nicht blamieren, wie Sie das mit Voraussagen über die Kohle getan haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU. — Zuruf von der SPD: Bei Ihnen reicht’s! — Weitere Zurufe von der SPD.)

    In der Kohledebatte am 29. November 1956 heißt es:
    Wenn auf Jahre hinaus eine echte Unterversorgung erkennbar wird, dann sollte man die



    Bundeswirtschaftsminister Dr. Dr. h. c. Erhard vorhandene Menge (Kohle) ohne Rücksicht auf die bestehenden kapitalmäßigen Bindungen
    wenigstens einigermaßen gerecht verteilen.

    (Abg. Dr. Deist: Na und?)

    Am 19. August 1957 heißt es bei Herrn Dr. Deist:
    Die Pläne, innerhalb von 20 Jahren zusätzlich 40 Millionen t heimischer Steinkohle zu fördern, sind nur durchzuführen, wenn 10 bis 15 moderne Schachtanlagen auf grüner Wiese errichtet werden... .

    (Lachen in der Mitte.)

    Sind Sie der Meinung, daß die Voraussage richtig war, angesichts des schon erkennbaren Vordringens des Heizöls in aller Welt und der sich anbahnenden Strukturveränderungen noch neue Kapazitäten von 40 Millionen neben den schon bestehenden zu erschließen?
    Die Sache geht noch weiter. Es heißt am 5. November 1957 von seiten der Opposition:
    Die Kanzlererklärung ... kann von uns nicht als ein ausreichender Beitrag angesehen werden; denn sie enthält nichts darüber, wie die drohende Energielücke geschlossen werden soll.
    Zum Kohlenzoll heißt es — wieder frei nach Herrn Dr. Deist —:
    Dieser Kohlenzoll bringt unsere ganzen Außenhandelsbeziehungen in Unordnung und kostet uns einen ungeheuren Vertrauensverlust in der übrigen Welt. Außerdem ruinieren Sie völlig den inneren Kohlenmarkt, der bereits jetzt durch die Ankündigung des Kohlenzolls total durcheinandergeraten ist.

    (Hört! Hört! in der Mitte.)

    Soweit die Zitate. Es tut mir leid, daß ich diese Zitate bringen mußte.

    (Abg. Dr. Deist: Ich habe die richtigen da!)

    Aber ich wollte nur deutlich machen, daß bei einem so ungeheuer dynamischen Geschehen, wie wir es erleben, Voraussagen keinen Wert haben. Bitte erinnern Sie sich daran, was 1956, 1957 und danach geschehen ist. Alle Berechnungen, die gewiß mit großer Sorgfalt von der Hohen Behörde u. a. angestellt worden sind, hat die lebendige Wirklichkeit einfach vom Tisch gefegt. Ich glaube, das Beste, was man für die Kohle tun kann, ist, ihr die ehrliche Versicherung zu geben — und das habe ich genauso getan wie Sie auch —: Wir wollen unsere Wirtschaftspolitik im ganzen so orientieren, daß sie bei eigenen Anstrengungen ihren Absatz mit 140 Millionen t wird behaupten können. Wenn sowohl die Unternehmer wie die Gewerkschaften das vor drei Jahren schon gesagt hätten — tatsächlich haben wir es ja praktiziert: 141 Millionen, 142 Millionen, 143 Millionen t und dazu noch 71/2 Millionen t Kohle von der Halde —, dann wären wahrscheinlich nicht mehr so viele Bergleute abgewandert, die ja wesentlich deshalb abgewandert sind, weil sie
    durch das dauernde Bangemachen das Vertrauen 1 verloren haben.

    (Beifall bei der CDU/ CSU .—Abg. Dr. Deist: Wer macht denn bange?! — Weitere Zurufe von der SPD.)