Rede:
ID0401921300

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Metadaten
  • sort_by_alphaVokabular
    Vokabeln: 11
    1. Herr: 1
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    11. Deist?: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 19. Sitzung Bonn, den 14. März 1962 Inhalt: Fragestunde (Drucksache IV/239) Frage des Abg. Lohmar: Sondermarken zum 20. Jahrestag des 20. Juli 1944 Dr. Steinmetz, Staatssekretär . . . 625 B Frage des Abg. Rademacher: Münzfernsprecher auf Bahnsteigen der Bundesbahn Dr. Steinmetz, Staatssekretär 625 B, C, D Rademacher (FDP) 625 C, D Frage des Abg. Rademacher: Briefmarken- und Wechselautomaten der Bundespost Dr. Steinmetz, Staatssekretär . . . 626 A Fragen des Abg. Dr. Dittrich: Stellenzulagen für Beamte des mittleren Dienstes bei der Bundespost Dr. Steinmetz, Staatssekretär . . 626 B Frage des Abg. Keller: Ortstarif im Brief- und Fernsprechverkehr zwischen Bonn und Bad Godesberg Dr. Steinmetz, Staatssekretär . . 626 C, D, 627 A, B, C, D, 628A Keller (FDP) . . . . . . . . . 626 D Büttner (SPD) . . . . . . . . . 626 D Wittrock (SPD) 627 A, B Stiller (CDU/CSU) . . . . . . 627 C Hauffe (SPD) . . . . . . . . 627 C Ritzel (SPD) 627 D, 628 A Frage des Abg. Schmidt (Kempten) : Sonderstempel „Kampf gegen die Malaria" Dr. Steinmetz, Staatssekretär . . 628 A, B Schmidt (Kempten) (FDP) . . . . 628 B Frage des Abg. Blachstein: Versorgung der Gebiete Ostfriesland und Emsland mit Fernsehprogrammen Dr. Steinmetz, Staatssekretär . . 628 B, D Blachstein (SPD) . . . . . . . 628 C, D Frage des Abg. Ritzel: Bezüge des Prof. Dr. Gladenbeck als Geschäftsführer der Gesellschaft Freies Fernsehen von Eckhardt, Staatssekretär . . 628 D 629 B, C Ritzel (SPD) 629 B Dr. Hettlage, Staatssekretär . . 629 C Erler (SPD) 629 C Frage des Abg. Sanger: Äußerung des Bundeskanzlers über eine Konferenz der Außenminister Lahr, Staatssekretär . 629 D, 630 A, B Sänger (SPD) 630 A II Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 19. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. März 1962 Frage des Abg. Schmidt (Kempten) : Verurteilung deutscher Studenten durch ein römisches Schwurgericht Lahr, Staatssekretär . . . 630 B, C. D Schmidt (Kempten) (FDP) . . . 630 B, C Erler (SPD) 630 D Frage des Abg. Keller: Blumenspende bei Beerdigung von Bundesbediensteten Höcherl, Bundesminister . 630 D, 631 A Keller (FDP) 630 D Frage des Abg. Bauer (Würzburg) : Teilnahme von Mitgliedern österreichischer Jugendverbände am Winterlager des „Bundes Heimattreuer Jugend" Höcherl, Bundesminister . . . . 631 A, C Bauer (Würzburg) (SPD) 631 C Frage des Abg. Bading: Auskunftserteilung der Bundesregierung über die Ausführung der Beschlüsse des Bundestages Höcherl, Bundesminister 631 D, 632 A, B, C, D Bading (SPD) • . . . . 631 D, 632 A Dr. Mommer (SPD) 632 A, D Börner (SPD) 632 B Jahn (SPD) 632 B, C Ritzel (SPD) . . . . . . . . 632 C Frage des Abg. Busse: Tätigkeit von Richtern in Umlegungsausschüssen Dr. Strauß, Staatssekretär . . . 632 D, 633 A, B Busse (FDP) 633 A Dr. Ramminger (CDU/CSU) . . . 633 A Frage des Abg. Wittrock: Gesetzentwurf zur Reform des Strafregisters Dr. Strauß, Staatssekretär . 633 B, C, D Wittrock (SPD) 633 B, C Dr. Dittrich (CDU/CSU) . . . . 633 D Frage des Abg. Dr. Brecht: Gesetzentwurf über ein soziales Miet- und Wohnrecht Dr. Strauß, Staatssekretär 633 D, 634 A Dr. Brecht (SPD) . . . . 633 D, 634 A Frage des Abg. Dr. Brecht: Werkwohnungen und freifinanzierte neue Wohnungen bei der Regelung des sozialen Miet- und Wohnrechts Dr. Strauß, Staatssekretär . 634 B, C, D Dr. Brecht (SPD) 634 B Büttner (SPD) 634 C Fragen der Abg. Frau Dr. Diemer-Nicolaus: Zusammenveranlagung von Ehegatten zur Einkommensteuer Dr. Hettlage, Staatssekretär . 635 A, B, C, D Frau Dr. Diemer-Nicolaus (FDP) 635 B, C Frau Meermann (SPD) . . . . . . 635 D Fragen des Abg. Dr. Dollinger: Mangel an Zwei-Pfennig-Münzen Dr. Hettlage, Staatssekretär . . . . 636 A Fragen des Abg. Stiller: Betriebsprüfungen Dr. Hettlage, Staatssekretär . . 636 B, C Stiller (CDU/CSU) 636 C Frage des Abg. Müller (Nordenham) : Beihilfen für Gasölbetriebe Dr. Hettlage, Staatssekretär 636 D, 637 A Müller (Nordenham) (SPD) 636 D, 637 A Frage des Abg. Wendelborn: Zollfreier Treibstoff für den Segelflugsport Dr. Hettlage, Staatssekretär . . . . 637 A Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1962 (Haushaltsgesetz 1962) (Drucksache IV/200) — Fortsetzung der ersten Beratung — Schoettle (SPD) . . . . . . . . 637 C Dr. Vogel (CDU/CSU) 645 C Kreitmeyer (FDP) 652 B Niederalt (CDU/CSU) 654 C Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller (SPD) 658 C Dr. Schmidt (Wuppertal) (CDU/CSU) 662 A Dr. Deist (SPD) . . . . 664 B, 681 D Dr. Dr. h. c. Erhard, Bundesminister 674 A Dr. Dahlgrün (FDP) 678 A Dr. Burgbacher (CDU/CSU) . . . 679 D Hermsdorf ,(SPD) . . . 681 C, 688 A Struve (CDU/CSU) 682 D Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 19. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. März 1962 III Dr. Starke, Bundesminister . . . 683 C Ritzel (SPD) 688 C D. Dr. Gerstenmaier (CDU/CSU) 689 A Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung ,des Wirtschaftsplans des ERP-Sondervermögens für das Rechnungsjahr 1962 (ERP-Wirtschaftsplangesetz 1962) (Drucksache IV/237) — Erste Beratung — Wacher (CDU/CSU) 690 B Zoglmann (FDP) . . . . . . . 690 B Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes (SPD) (Drucksache IV/67) — Erste Beratung — Seuffert (SPD) . . . . . . . . 690 D Dr. Schmidt (Wuppertal) (CDU/CSU) 693 D Freiherr von Kühlmann-Stumm (FDP) 695 A Nächste Sitzung 695 D Anlage 697 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 19. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. März 1962 625 19. Sitzung Bonn, den 14. März 1962 Stenographischer Bericht Beginn: 9.03 Uhr.
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    Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Arendt (Wattenscheid) 15. 3. Dr. Arnold 16. 3. Dr. Aschoff 14. 3. Dr. Atzenroth 23. 3. Dr. Dr. h. c. Baade 13. 4. Berlin 23. 3. Dr. Birrenbach 16. 3. Brand 15. 3. Dr. von Brentano 14. 3. Corterier 15. 3. Cramer 12. 4. Drachsler 15. 3. Dr. Dr. h. c. Dresbach 14. 3. Dr. Eppler 16. 3. Dr. Franz 14. 3. Dr. Furler 16. 3. Gerns 14. 3. Geiger 16. 3. Glombig 16. 3. Frau Herklotz 14. 3. Dr. Hesberg 6. 4. Hoogen 14. 3. Iven (Düren) 14. 3. Frau Jacobi (Marl) 16. 3. Dr. Kohut 20. 3. Kraus 16. 3. Dr. Kreyssig 15. 3. Krüger 31. 3. Kühn (Hildesheim) 16. 3. Leber 15. 3. Lenz (Bremerhaven) 16. 3. Lenze (Attendorn) 15. 3. Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Liehr (Berlin) 16. 3. Dr. Löbe 16. 3. Dr. Löhr 14. 4. Dr. Baron Manteuffel-Szoege 14. 3. Margulies 14. 3. Dr. h. c. Menne (Frankfurt) 16. 3. Dr. Menzel 31. 3. Dr. Miessner 31. 3. Müller (Remscheid) 15. 3. Dr. Müller-Emmert 16. 3. Neumann (Allensbach) 16. 3. Oetzel 7. 4. Dr. h. c. Pferdmenges 23. 3. Pöhler 16. 3. Dr. Reinhard 16. 3. Reitzner 31. 3. Riedel (Frankfurt) 31. 3. Dr. Schneider 26. 3. Schulhoff 14. 3. Seifriz 16. 3. Dr. Sinn 16. 3. Steinhoff 16. 3. Storch 15. 3. Striebeck 23. 3. Strohmayr 14. 3. Verhoeven 16. 3. Frau Dr. h. c. Weber (Essen) 23. 3. Weinkamm 16. 3. Werner 14. 3. Dr. Winter 14. 3. Wullenhaupt 16. 3. b) Urlaubsanträge Schlick 14. 4.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Ludwig Erhard


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte mich zunächst für mich und für die Bundesregierung gegen den Vorwurf verwahren, wir betrieben eine bewußte Irreführung in unserer Politik und unterrichteten die Menschen mit falschen Zahlen. Das ist bestimmt nicht der Fall. Jede Zahl, die ich Ihnen jetzt und auch nachher nennen werde, ist erhärtet; sie ist auch nicht von mir errechnet.

    (Abg. Dr. Deist: Ich habe nicht von falschen Zahlen gesprochen!)

    Herr Kollege Deist sagte, es müßte eigentlich selbstverständlich sein, daß auch die Arbeitnehmer an dem Fortschritt der Wirtschaft, der höheren Produktivität und der steigenden Leistungskraft teilhaben. Das ist eine bare Selbstverständlichkeit. Folgende Ziffern beleuchten das noch ein weiteres Mal: Das Sozialprodukt pro Erwerbstätigen hat in der Zeit von 1960 auf 1961 realiter um 3,5 % zugenommen. Die Arbeitszeitverkürzung hat 1 1/2 % betraggen. Der Zuwachs an Beschäftigten ist durch die Arbeitszeitverkürzung praktisch aufgelöst worden. Die Bruttolöhne und -gehälter haben sich nach der Gesamtsumme im Jahr 1960/61 um 12,7 % erhöht, bezogen auf die einzelnen. Erwerbstätigen in abhängiger Stellung um 10,1 %. Demgegenüber sind die Bruttoeinkommen der Unternehmen in dem gleichen Zeitraum von 1960 auf 1961 um 4,7 % gestiegen, nach Steuerabzug netto um 0,8 %. Die nichtentnommenen Gewinne sind um 18 % zurückgegangen.
    Angesichts dieser Situation und dieser Entwicklung kann man wirklich nicht sagen, daß wir den Arbeitnehmer nicht vollwertig an dem Fortschritt, der höheren Produktivität und der steigenden Leistungsergiebigkeit haben teilnehmen lassen.

    (Sehr ,richtig! bei der CDU/CSU.)

    Es gibt noch eine andere Zahl, die Sie, wie ich glaube, in den letzten Tagen selbst verwendet haben. Sie besagt, daß wir die Schallmauer der 60 % jetzt durchbrochen haben; —d. h. vom Volkseinkommen entfallen 62,3 % auf Löhne und Gehälter.
    Ich spreche diese Dinge an, weil wir nicht nur an das Heute zu denken haben, aber nicht ,etwa, weil wir glaubten, es sei bei uns alles zum besten geordnet und es gebe nichts mehr zu korrigieren. Nein, wie oft habe ich von dieser Stelle aus gesagt: in diesem turbulenten, dynamischen und expansiven Geschehen seit dem Zusammenbruch und seit dem Wirken der Bundesregierung konnte keine göttliche Gerechtigkeit obwalten. Das Gesellschaftsbild, das mir vorschwebt, hat zweifellos eine etwas andere Struktur als die Gegenwart. Aber das schöne und gute Ziel kann man ganz bestimmt nicht einfach dadurch erreichen, daß man die Nominaleinkommen nach Belieben erhöht. Da muß ich schon sagen: warum begnügen wir uns dann mit 10 %; 20 % wären noch besser?!

    (Abg. Dr. Deist: Wer verlangt denn das?!)

    — Sie haben behauptet, daß der Arbeitnehmer, gemessen an dem Einkommen der übrigen, zu kurz kommt. Ich habe Ihnen, Herr Deist, gesagt: die Investitionen sind leider nicht mehr so strahlend, wie Sie das vorhin angeführt haben. Es ist zwar von 1960 auf 1961 noch ein Zugang zu verzeichnen. Sie meinen, wir hätten eine so schlechte Statistik. Tatsächlich ist aber bei den EWG-Ländern jetzt unser deutscher Konjunkturtest eingeführt worden.
    Wir sind z. B. auch das einzige Land, das vorausschauend eine Statistik über den Auftragseingang führt, und darüber will ich jetzt berichten: Der Auftragseingang in der Investitionsgüterindustrie ist von Oktober 1961 his Januar 1962 — die Februarzahlen habe ich leider noch nicht, aber der Trend setzt sich sicher fort — gegenüber dem Vorjahr jeweils von minus 1,6 % dm Oktober 1961 von Monat zu Monat mehr auf im Januar minus 6,6 % gesunken, soweit Investitionsbestellungen aus dem Inland in Frage kommen. Bei den Investitionsbestellungen aus dem Ausland sind die Verhältnisse noch ungünstiger. Da ist der Rückgang, bezogen auf die jeweils gleichen Vorjahrsmonate, von minus 5,7 % im Oktober auf minus 14,3 % im Januar angestiegen.
    Wenn ich überhaupt das ganze Bild der Wettbewerbslage im übernationalen Raum betrachte, dann haben wir, so muß ich sagen, keinen Grund zu jubilieren. Ich bin der letzte, der den Teufel an die Wand malen wollte. Das würde gar nicht zu meinem Temperament passen. Aber nehmen Sie es mir ab, daß es die Vorsorge ist und die Vorausschau — Sie rügen immer, daß sie nicht vorhanden seien —, die mich hier ernste Töne sagen lassen. Z. B. haben innerhalb der EWG-Länder alle anderen EWG-Staaten ihren Absatz in die übrigen Räume des EWG-Marktes mehr steigern können, als es die Bundesdespublik umgekehrt vermocht hat. Das scheint auch nicht ein Zufall zu sein.
    Wenn ich in diesem Jahr bei Reisen nach den Vereinigten Staaten und Großbritannien und in der Schweiz unmittelbar frontal angesprochen wurde: „Vor dem deutschen Wettbewerb haben wir keine Angst mehr; ihr tut ja alles, um ihn selber zu zerstören", dann ist das ganz gewiß von außen her gesehen, und so mag auch etwas Zweckhaftes mitspielen. Aber nehmen Sie z. B. die Fertigwareneinfuhr! Sie ist besonders symptomatisch, weil hier unmittelbare Vergleichsmöglichkeiten von Land zu Land gegeben sind. Die Fertigwareneinfuhr steigt von Monat zu Monat, d. h. der Anteil der Fertigwaren an der Gesamteinfuhr ist steigend.

    (Abg. Dr. Deist: Das haben wir gewollt!)

    — Das haben wir gewollt, um den Wettbewerb zu beleben. Aber wir müssen schließlich sehen, daß wir unsere Wettbewerbsfähigkeit, unsere Leistungskraft aufrechterhalten.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Wir sind immer weniger allein in der Welt. Der Gemeinsame Markt ist mitten in Deutschland. Das spüren wir sehr deutlich. Sie sagen, wir haben nichts getan; — na, wir haben, um die Konjunktur zu bremsen und Preiserhöhungen zu verhindern, in zweimaligen Aktionen, ohne nach einer Gegen-



    Bundeswirtschaftsminister Dr. Dr. h. c. Erhard
    leistung zu fragen, die Zölle auf dem gewerblichen Sektor um insgesamt 45 % gesenkt.
    Wir haben im vorigen Jahr im März die Währungsaufwertung durchgeführt. Es ist ganz interessant, zu sehen, wie die Reaktion auf diese Währungsaufwertung gewesen ist. Die Gewerkschaften haben gesagt: „Das geht uns überhaupt nichts an, das braucht uns nicht zu interessieren", — immerhin eine bemerkenswerte Aussage. Aber auch die Unternehmer haben sich merkwürdig verhalten. Die einen haben gesagt: „Der deutsche Export wird damit vernichtet". — Na, er ist nicht vernichtet worden, er ist etwas schwieriger geworden. Die anderen haben gesagt: „Die Gewinne, die da anfallen, werden sich schon die Unternehmer teilen." Die Tatsache ist die, daß unsere Einfuhrgüter seit dem Zeitpunkt der Währungsaufwertung eine Preissenkung um 5 % erfahren haben und daß damit zweifellos ein sehr erheblicher Druck auf das deutsche Preisniveau ausgeübt wurde. Natürlich hat sich das auch in Gewinnminderungen ausgewirkt. Sie selber haben das anerkannt, aber diese Entwicklung stößt natürlich an Grenzen. Wenn die Investitionstätigkeit erlahmt, aus welchen Gründen auch immer, dann müßte jeder, meine ich, jede Partei und jeder Stand und jede Gruppe, darum besorgt sein, daß daraus kein Unheil erwächst, und sollte anerkennen, daß derjenige verantwortungsbewußt handelt, der zur rechten Zeit mahnt.
    Es ist auch nicht so, daß wir nur die Arbeitnehmer ansprechen. Sie haben den letzten Lagebericht des Bundeswirtschaftsministeriums zitiert. Hätten Sie den vorletzten hergenommen, hätten Sie darin eine bewegte Klage über eine zu hohe Selbstfinanzierungsquote in der Wirtschaft gelesen.

    (Abg. Dr. Deist: O nein! Einerseits — andererseits heißt es dort zur Selbstfinanzierung!)

    Dann sagen Sie, daß Mängel unserer Ordnung vorhanden sind. Ja, es gibt Mängel, nämlich einmal den Gruppenegoismus, der in Deutschland üppige Blüten treibt und der dazu noch die Wirkung hat, daß das, was der einzelne Mensch, das Individuum, fühlt und wünscht, was an Hoffnungen und Sorgen lebendig ist, gar nichts mehr mit dem zu tun hat, was als kollektiver Wille der Gruppen in die Welt hinaustönt.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Das ist einer der Mängel unserer Ordnung, daß hier
    das demokratische Spiel nicht richtig funktioniert.

    (Abg. Dr. Deist: Sehr richtig!)

    Es kommt noch etwas dazu, und ich glaube, dessen sollten wir auch eingedenk sein, das ist unsere deutsche Hybris. Wenn man einmal vom Ausland auf Deutschland hereinblickt und viel mit Ausländern spricht, stellt man folgendes fest. Wir sind einst bewundert worden, was wir im Aufbau seitens aller Schichten, Stände und Berufe geleistet haben. Aber anders beurteilt man jetzt unsere Sucht, auf allen Gebieten Rekorde schlagen zu wollen; ich nenne hier nur die Steigerung der Einkommen, die Überschätzung der möglichen Gewinne und was es auf diesem Felde mehr gibt. Auch die Arbeitszeitverkürzung gehört dazu, die man von anderer Seite aus teils sogar gerne sieht, weil sich dadurch ein Konkurrent selber schädigt. Das trägt aber alles nicht dazu bei, uns in der Welt Ansehen zu verschaffen. Man hört jetzt schon wieder solche Stimmen: Die Deutschen können doch nicht maßhalten; sie können es nicht ertragen, wenn es ihnen gut geht. Das müssen wir uns auch einmal merken. Aus der deutschen Geschichte wissen wir, daß wir nicht immer nur durch einen Anstoß von außen her gescheitert sind; nein, wir sind oft auch an unserer eigenen Hybris gescheitert und haben darunter Schaden gelitten.

    (Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Mattick: „Die ich rief, die Geister, werd ich nun nicht los!")

    — Na, ich hoffe, das ist keine Klage wegen des raschen Aufstiegs der deutschen Volkswirtschaft. Herr Kollege Deist hat zwar gesagt, daß wir nach dem Ende der Hitler-Herrschaft 12 Jahre CDU-Regierung gehabt hätten. Ich glaube, das deutsche Volk weiß das zu schätzen, denn diese CDU-Regierung hat ihm immerhin einiges gebracht.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Sie haben dann von der mangelnden Berücksichtigung der Interessen der Arbeitnehmer gesprochen. Eines ist hier ganz interessant. Ich entsinne mich ganz deutlich — ich weiß nicht, ob Sie, Herr Deist, es selber gewesen sind —, daß vor der Bundestagswahl von seiten Ihrer Partei gesagt worden ist, so, wie der Fortschritt der Produktivität sei, könne man damit rechnen, daß in 15 Jahren eine Verdoppelung des Einkommens gerade der breiten Massen eintreten werde. Wenn wir die jetzige Lohnzuwachsquote von 10 % nehmen und nach der Zinseszinsrechnung vorgehen — was man bekanntlich tun muß —, dann ergibt sich in zehn Jahren eine Steigerung — wenn Sie von heute als 100 % ausgehen — um 159 % auf 259 %, und in 15 Jahren, die Sie für die Verdoppelung vorgesehen haben, würde bereits eine Vervierfachung eingetreten sein. Seinerzeit waren Sie ja der Meinung, daß die SPD den Sieg erringen würde. Man kann daraus nur schließen, daß Sie der Meinung waren, bei einer SPD-Regierung würden sich die Arbeitnehmer mit einem geringeren Lohnzuwachs begnügen als bei einer CDU-Regierung.

    (Beifall in der Mitte. — Abg. SchmittVockenhausen: Billige Wahlrede! — Weitere Zurufe von der SPD.)



Rede von Dr. Richard Jaeger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Deist?

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Heinrich Deist


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Bundeswirtschaftsminister, ist Ihnen bewußt, daß Sie diesen Teil des Hannoverschen Appells nicht ganz zutreffend zitiert haben? Ist Ihnen nicht bewußt, daß wir nicht gesagt haben: Wir versprechen euch, sondern daß wir gesagt haben: Es ist möglich — das hat sogar die Vergangenheit gezeigt —, diese Entwicklung zu haben, und



    Dr. Deist
    hier ergibt sich eine große Chance, durch gerechte Verteilung allen Menschen die Möglichkeit zur freien Entfaltung zu geben? Das war der Sinn dieses Absatzes.