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ID0401919500

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 19. Sitzung Bonn, den 14. März 1962 Inhalt: Fragestunde (Drucksache IV/239) Frage des Abg. Lohmar: Sondermarken zum 20. Jahrestag des 20. Juli 1944 Dr. Steinmetz, Staatssekretär . . . 625 B Frage des Abg. Rademacher: Münzfernsprecher auf Bahnsteigen der Bundesbahn Dr. Steinmetz, Staatssekretär 625 B, C, D Rademacher (FDP) 625 C, D Frage des Abg. Rademacher: Briefmarken- und Wechselautomaten der Bundespost Dr. Steinmetz, Staatssekretär . . . 626 A Fragen des Abg. Dr. Dittrich: Stellenzulagen für Beamte des mittleren Dienstes bei der Bundespost Dr. Steinmetz, Staatssekretär . . 626 B Frage des Abg. Keller: Ortstarif im Brief- und Fernsprechverkehr zwischen Bonn und Bad Godesberg Dr. Steinmetz, Staatssekretär . . 626 C, D, 627 A, B, C, D, 628A Keller (FDP) . . . . . . . . . 626 D Büttner (SPD) . . . . . . . . . 626 D Wittrock (SPD) 627 A, B Stiller (CDU/CSU) . . . . . . 627 C Hauffe (SPD) . . . . . . . . 627 C Ritzel (SPD) 627 D, 628 A Frage des Abg. Schmidt (Kempten) : Sonderstempel „Kampf gegen die Malaria" Dr. Steinmetz, Staatssekretär . . 628 A, B Schmidt (Kempten) (FDP) . . . . 628 B Frage des Abg. Blachstein: Versorgung der Gebiete Ostfriesland und Emsland mit Fernsehprogrammen Dr. Steinmetz, Staatssekretär . . 628 B, D Blachstein (SPD) . . . . . . . 628 C, D Frage des Abg. Ritzel: Bezüge des Prof. Dr. Gladenbeck als Geschäftsführer der Gesellschaft Freies Fernsehen von Eckhardt, Staatssekretär . . 628 D 629 B, C Ritzel (SPD) 629 B Dr. Hettlage, Staatssekretär . . 629 C Erler (SPD) 629 C Frage des Abg. Sanger: Äußerung des Bundeskanzlers über eine Konferenz der Außenminister Lahr, Staatssekretär . 629 D, 630 A, B Sänger (SPD) 630 A II Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 19. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. März 1962 Frage des Abg. Schmidt (Kempten) : Verurteilung deutscher Studenten durch ein römisches Schwurgericht Lahr, Staatssekretär . . . 630 B, C. D Schmidt (Kempten) (FDP) . . . 630 B, C Erler (SPD) 630 D Frage des Abg. Keller: Blumenspende bei Beerdigung von Bundesbediensteten Höcherl, Bundesminister . 630 D, 631 A Keller (FDP) 630 D Frage des Abg. Bauer (Würzburg) : Teilnahme von Mitgliedern österreichischer Jugendverbände am Winterlager des „Bundes Heimattreuer Jugend" Höcherl, Bundesminister . . . . 631 A, C Bauer (Würzburg) (SPD) 631 C Frage des Abg. Bading: Auskunftserteilung der Bundesregierung über die Ausführung der Beschlüsse des Bundestages Höcherl, Bundesminister 631 D, 632 A, B, C, D Bading (SPD) • . . . . 631 D, 632 A Dr. Mommer (SPD) 632 A, D Börner (SPD) 632 B Jahn (SPD) 632 B, C Ritzel (SPD) . . . . . . . . 632 C Frage des Abg. Busse: Tätigkeit von Richtern in Umlegungsausschüssen Dr. Strauß, Staatssekretär . . . 632 D, 633 A, B Busse (FDP) 633 A Dr. Ramminger (CDU/CSU) . . . 633 A Frage des Abg. Wittrock: Gesetzentwurf zur Reform des Strafregisters Dr. Strauß, Staatssekretär . 633 B, C, D Wittrock (SPD) 633 B, C Dr. Dittrich (CDU/CSU) . . . . 633 D Frage des Abg. Dr. Brecht: Gesetzentwurf über ein soziales Miet- und Wohnrecht Dr. Strauß, Staatssekretär 633 D, 634 A Dr. Brecht (SPD) . . . . 633 D, 634 A Frage des Abg. Dr. Brecht: Werkwohnungen und freifinanzierte neue Wohnungen bei der Regelung des sozialen Miet- und Wohnrechts Dr. Strauß, Staatssekretär . 634 B, C, D Dr. Brecht (SPD) 634 B Büttner (SPD) 634 C Fragen der Abg. Frau Dr. Diemer-Nicolaus: Zusammenveranlagung von Ehegatten zur Einkommensteuer Dr. Hettlage, Staatssekretär . 635 A, B, C, D Frau Dr. Diemer-Nicolaus (FDP) 635 B, C Frau Meermann (SPD) . . . . . . 635 D Fragen des Abg. Dr. Dollinger: Mangel an Zwei-Pfennig-Münzen Dr. Hettlage, Staatssekretär . . . . 636 A Fragen des Abg. Stiller: Betriebsprüfungen Dr. Hettlage, Staatssekretär . . 636 B, C Stiller (CDU/CSU) 636 C Frage des Abg. Müller (Nordenham) : Beihilfen für Gasölbetriebe Dr. Hettlage, Staatssekretär 636 D, 637 A Müller (Nordenham) (SPD) 636 D, 637 A Frage des Abg. Wendelborn: Zollfreier Treibstoff für den Segelflugsport Dr. Hettlage, Staatssekretär . . . . 637 A Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1962 (Haushaltsgesetz 1962) (Drucksache IV/200) — Fortsetzung der ersten Beratung — Schoettle (SPD) . . . . . . . . 637 C Dr. Vogel (CDU/CSU) 645 C Kreitmeyer (FDP) 652 B Niederalt (CDU/CSU) 654 C Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller (SPD) 658 C Dr. Schmidt (Wuppertal) (CDU/CSU) 662 A Dr. Deist (SPD) . . . . 664 B, 681 D Dr. Dr. h. c. Erhard, Bundesminister 674 A Dr. Dahlgrün (FDP) 678 A Dr. Burgbacher (CDU/CSU) . . . 679 D Hermsdorf ,(SPD) . . . 681 C, 688 A Struve (CDU/CSU) 682 D Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 19. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. März 1962 III Dr. Starke, Bundesminister . . . 683 C Ritzel (SPD) 688 C D. Dr. Gerstenmaier (CDU/CSU) 689 A Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung ,des Wirtschaftsplans des ERP-Sondervermögens für das Rechnungsjahr 1962 (ERP-Wirtschaftsplangesetz 1962) (Drucksache IV/237) — Erste Beratung — Wacher (CDU/CSU) 690 B Zoglmann (FDP) . . . . . . . 690 B Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes (SPD) (Drucksache IV/67) — Erste Beratung — Seuffert (SPD) . . . . . . . . 690 D Dr. Schmidt (Wuppertal) (CDU/CSU) 693 D Freiherr von Kühlmann-Stumm (FDP) 695 A Nächste Sitzung 695 D Anlage 697 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 19. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. März 1962 625 19. Sitzung Bonn, den 14. März 1962 Stenographischer Bericht Beginn: 9.03 Uhr.
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    Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Arendt (Wattenscheid) 15. 3. Dr. Arnold 16. 3. Dr. Aschoff 14. 3. Dr. Atzenroth 23. 3. Dr. Dr. h. c. Baade 13. 4. Berlin 23. 3. Dr. Birrenbach 16. 3. Brand 15. 3. Dr. von Brentano 14. 3. Corterier 15. 3. Cramer 12. 4. Drachsler 15. 3. Dr. Dr. h. c. Dresbach 14. 3. Dr. Eppler 16. 3. Dr. Franz 14. 3. Dr. Furler 16. 3. Gerns 14. 3. Geiger 16. 3. Glombig 16. 3. Frau Herklotz 14. 3. Dr. Hesberg 6. 4. Hoogen 14. 3. Iven (Düren) 14. 3. Frau Jacobi (Marl) 16. 3. Dr. Kohut 20. 3. Kraus 16. 3. Dr. Kreyssig 15. 3. Krüger 31. 3. Kühn (Hildesheim) 16. 3. Leber 15. 3. Lenz (Bremerhaven) 16. 3. Lenze (Attendorn) 15. 3. Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Liehr (Berlin) 16. 3. Dr. Löbe 16. 3. Dr. Löhr 14. 4. Dr. Baron Manteuffel-Szoege 14. 3. Margulies 14. 3. Dr. h. c. Menne (Frankfurt) 16. 3. Dr. Menzel 31. 3. Dr. Miessner 31. 3. Müller (Remscheid) 15. 3. Dr. Müller-Emmert 16. 3. Neumann (Allensbach) 16. 3. Oetzel 7. 4. Dr. h. c. Pferdmenges 23. 3. Pöhler 16. 3. Dr. Reinhard 16. 3. Reitzner 31. 3. Riedel (Frankfurt) 31. 3. Dr. Schneider 26. 3. Schulhoff 14. 3. Seifriz 16. 3. Dr. Sinn 16. 3. Steinhoff 16. 3. Storch 15. 3. Striebeck 23. 3. Strohmayr 14. 3. Verhoeven 16. 3. Frau Dr. h. c. Weber (Essen) 23. 3. Weinkamm 16. 3. Werner 14. 3. Dr. Winter 14. 3. Wullenhaupt 16. 3. b) Urlaubsanträge Schlick 14. 4.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Rudolf Vogel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich meinen Kommentar zu der Rede des Herrn Bundesfinanzministers mit einer erfreulichen Feststellung beginnen. Herr Kollege Schoettle, ich begrüße es sehr, daß Sie sich in Ihrer Rede zu der „gemeinsamen Verantwortung" des Hohen Hauses für diesen Haushalt bekannt haben. Wir haben im Haushaltsausschuß seit 12 Jahren eine Praxis für diese gemeinsame Verantwortung eingeleitet, die, glaube ich, von hohem Nutzen für das gesamte Haus und die staatspolitische Entwicklung der letzten 12 Jahre gewesen ist.
    Ich freue mich, daß auch diese Debatte auf einem sachlich hohen Niveau fortgesetzt werden kann. Gleichzeitig möchte ich allerdings — darin werden Sie sich mir nicht anschließen — dem Herrn Bundesfinanzminister für die entschlossenen Worte danken, die er gestern am Schluß seiner Rede ausgesprochen hat.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Hier darf ich jedoch gleich zu einer gewissen Einschränkung kommen. Bitte fassen Sie, Herr Bundesfinanzminister, das nicht als eine Korrektur auf! Nicht erst am 13. August, sondern bereits durch das furchtbare Ultimatum der Sowjetunion in der Berlin-Frage zwei Jahre vorher war im Grunde genommen die große Zäsur in unserem Verhältnis zum Osten, im Kampf um Berlin eingetreten. Wir hatten bislang geglaubt, diesen Zustand auch militärisch ignorieren zu können. Aber jeder Kenner der Bundeswehr, jeder Haushaltskenner wußte, daß die Aufstellung und Ausrüstung einer Division einen bestimmten Betrag kosten würde, und jeder konnte sich also die Zeit ausrechnen, innerhalb deren bestimmte Summen für die Verteidigung im Bundeshaushalt aufgebracht werden mußten.
    Wenn durch die Verzögerung bei der Aufstellung der Bundeswehr, durch die Überschattung dieses Aufbaus durch eine Hochkonjunktur sondergleichen und durch die ungeheuer schwer zu bewältigende Schaffung der personellen Voraussetzungen für diesen Aufbau erneut Erschwernisse eingetreten waren, so wußte man doch aber, daß diese Verzögerung die Kosten höchstens erhöhen, niemals aber ermäßigen konnte.
    Hier komme ich nun zu einem Vorwurf, den mein verehrter Herr Vorredner gegenüber dem Herrn Bundesfinanzminister erhoben hat, indem er sagte, er bitte ihn, das Ausmaß dieser Erhöhung der Verteidigungslasten nicht zu dramatisieren. Ich muß sagen, ich bedauere es, daß wir es nicht bereits früher getan haben; denn früher wäre besser gewesen.
    Ich habe seit einigen Jahren an dieser Stelle und bei dieser Gelegenheit immer darauf hingewiesen, daß wir seit 1955 durch die Verzögerung unserer Verteidigungsanstrengungen, zu denen wir seit 1955 ja vertraglich verpflichtet waren, mindestens etwa 20 Milliarden DM vor uns hergeschoben haben. Ein außergewöhnlich hoher Betrag! Wenn dieser Betrag, der in den vergangenen Jahren vorwiegend für So-



    Dr. Vogel
    zialausgaben verwandt worden ist, jetzt, 1962, infolge der Warnungszeichen des sowjetischen Ultimatums und auch infolge des Druckes unserer Verbündeten von uns gefordert wird, ist es, glaube ich, höchste Zeit, daß wir uns hier auch voll und ganz zu dieser Notwendigkeit bekennen.
    Ich sage das deswegen ausdrücklich, weil es anscheinend noch nicht ganz in das Bewußtsein einiger auch prominenter Zeitgenossen eingegangen ist, wie wir aus bestimmten Fernsehsendungen entnehmen können und wie ich es auch aus der Bemerkung von Herrn Knoeringen entnehmen mußte, das neunte Schuljahr in Bayern sei wichtiger als die Verlängerung der Dienstpflicht. Offensichtlich ist man sich also noch nicht überall dessen bewußt, daß wir uns hier in einer solchen Zäsur befinden und daß wir bestimmte Konsequenzen daraus zu ziehen haben.
    Meine sehr verehrten Damen und Herren, auch wenn der Bundesfinanzminister logischerweise in seiner Rede die Verteidigungsausgaben für die Bundeswehr mit den erhöhten Ausgaben für Berlin zusammengezogen und von einem Gesamtmehrbedarf von 8,1 Milliarden DM 4,4 Milliarden DM, d. h. 55 %, dafür angesetzt hat, darf keinesfalls übersehen werden, daß sich die rein militärischen Aufwendungen auf nur 3,8 Milliarden DM belaufen, denen zivile Mehranforderungen in Höhe von 4,2 Milliarden DM gegenüberstehen. Das heißt, daß infolge der zum Teil gesetzlich festgelegten Automatik des Haushalts selbst in diesem Stadium einer unbestreitbar außergewöhnlichen Bedrohung und Zwangslage der Nation die zivilen Mehranforderungen den militärischen mindestens gleichkommen, sie zum Teil sogar noch übertreffen.
    Sofort erhebt sich auch hier die Frage, ob diese Automatik auch in den kommenden Jahren mit noch größeren militärischen Anforderungen unbegrenzt volkswirtschaftlich zu verkraften sein wird. Mit anderen Worten: Können wir hier im Bundeshaushalt, der praktisch eine finanzielle Willenserklärung des Volkes darstellt, an den massiven Bedrohungen unserer staatlichen und nationalen Existenz vorbei-leben oder nicht? Können wir in unserem geteilten Deutschland, nach zwei grausigen Katastrophen der beiden verlorenen Weltkriege und zwei darauffolgenden Inflationen einen Bleichhohen Lebensstandard auf die Dauer neben unseren Verteidigungsausgaben aufrechterhalten oder nicht? Das ist, glaube ich, die volkswirtschaftliche und Haushaltskernfrage, die sich hier vor uns auftut.
    Nun, meine sehr verehrten Damen und Herren, die Mehrheit des Haushaltsausschusses kann für sich in Anspruch nehmen, bereits vor Weihnachten noch vor der Einbringung dieses Haushalts sich entschlossen gegen eine neue Ausgabenflut zur Wehr gesetzt zu haben. Mein verehrter Vorredner hat hier einiges zur Verteidigung der damals von seiner Fraktion gestellten Mehrausgabenanträge angeführt. Wir stehen auf dem Standpunkt, daß, wenn wir hier von seiten des Bundestages damals Ihren Anträgen gefolgt wären, es heute noch weitaus schwieriger sein würde, das Loch im Defizit zu dekken, als es ohnehin der Fall ist.

    (Zustimmung bei den Regierungsparteien. — Abg. Wehner: Den Herrn Schäffer von damals zitieren!)

    — Es wäre mir ein besonderes Vergnügen, Herr Kollege Wehner, gerade hier Herrn Kollegen Schäffer zu zitieren. Ich habe nie ein Hehl daraus gemacht, daß ich seine Politik der Rückstellungen damals, für diese Zeit, für richtig gehalten habe. Ich habe sie vor diesem Hause auch immer verteidigt.

    (Sehr gut! in der Mitte.)

    Aber ich möchte noch eines sagen: Wenn Sie von seiten der Opposition jetzt noch einen Schritt weiter gehen und sagen, auch die auf 800 Millionen gesteigerte Summe für den zivilen Bevölkerungsschutz sei noch bei weitem nicht ausreichend, dann darf ich doch darauf hinweisen, daß nach den vorsichtigen Berechnungen der Ressorts — des Bundesinnenministeriums zusammen mit dem Wohnungsbauministerium — sich die Minimalsumme allein für Luftschutzbauten auf rund 40 Milliarden DM belaufen würde, daß aber die weitergehenden Forderungen sich auf ungefähr 70 bis 80 Millarden belaufen.
    Die Frage ist die: Glauben Sie ernstlich, daß wir, um ein Wort des Bundesfinanzministers aufzugreifen, wirklich alles in einem Atemzuge und alles zu gleicher Zeit schaffen können? Wir sind der Überzeugung, daß das volkswirtschaftlich eben nicht verkraftbar ist.

    (Abg. Dr. Schäfer: Also gar nicht!)

    In diesem Zusammenhang noch ein Wort an den Herrn Bundesfinanzminister persönlich. Er ist neu in diesem Geschäft, und gerade die Schlußsätze seiner Rede drücken genau das aus, was sich in den vergangenen zwölf Jahren im Haushaltsausschuß zu einer Tradition gefestigt hat. Die Koalition im Haushaltsausschuß arbeitet naturgemäß sehr eng mit dem jeweiligen Bundesfinanzminister zusammen. Sie erwartet von ihm ein hohes Maß von Härte und von Festigkeit gegenüber den unvermeidlichen Anforderungen von seiten seiner eigenen Kollegen und auch von Gruppen dieses Hohen Hauses. Wir haben, glaube ich, in der Vergangenheit bewiesen, daß wir uns, wenn der Finanzminister fest bleibt. nicht von ihm in dieser Tugend übertreffen lassen. Wir bitten aber auch unsere eigenen Freunde innerhalb der Koalition, uns jetzt in dieser finanziell so wesentlich schwieriger gewordenen Periode zu helfen und zu unterstützen.

    (Beifall 'bei der FDP.)

    Ich zögere nicht, zu unterstreichen, daß wir mit der Opposition gemeinsam eine 'Reihe von staatspolitisch wichtigen Aufgaben hier zu lösen haben, und ich hoffe, daß dieses Klima, das wir im Haushaltsausschuß geschaffen haben, uns auch in der Zukunft erhalten bleiben wird.
    Nun auch noch ein Wort meinerseits zum Finanzbericht 1962, der uns in einem gewachsenen Volumen leider erst vor genau 48 Stunden vorgelegt worden ist. Selbst zwei Nächte haben nicht ausgereicht, Herr Bundesfinanzminister, um auch nur die wichtigsten Passagen dieses ganz ausgezeichneten Werks für uns hier und für diese Haushaltsdebatte einigermaßen nutzbar zu machen.
    Zum erstenmal wird sich nun der Haushaltsausschuß in diesem Jahr nach der Verabschiedung des Haushalts seiner schwierigsten Aufgabe unterziehen müssen — sofern ihm dieses Hohe Haus durch



    Dr. Vogel
    das Haushaltsgesetz die Vollmacht dazu erteilt —, der Aufgabe nämlich, die Personalanforderungen der Bundesbehörden zu prüfen und zu verabschieden, nachdem wir den Haushalt als solchen verabschiedet haben. Mein Freund Niederalt wird nach mir dazu Ausführungen machen.
    Nun aber zu den Kernfragen, die dieser Haushalt naturgemäß aufwirft! Sichert der Haushalt als Willenserklärung der Bundesregierung die Existenz des deutschen Volkes oder nicht? Ist er gemäß der Verfassung ausbalanciert oder ist er nicht ausbalanciert? Hier erheben sich sofort eine Reihe von Fragen.
    Zu der ersten Frage, der des Länderbeitrags in der Höhe von einer Milliarde, wird, glaube ich, mein Freund Niederalt Ausführungen machen, so daß ich es mir hier erspare, darauf einzugehen.
    Auf die zweite Frage, die Frage einer stärkeren Inanspruchnahme des Kapitalmarkts, ist mein verehrter Vorredner bereits eingegangen. Daß es in der Vergangenheit der Eingang der Steuermittel möglich gemacht hat, den Haushalt ohne eine Inanspruchnahme des Kapitalmarkts zu vollziehen, halte ich für einen schönen Glückszufall, den wir keinesfalls zu bedauern brauchen. Ich habe niemals ein Verdienst darin gesehen, Schulden zu machen. Ich glaube, auch keine Körperschaft des öffentlichen Rechts, erst recht nicht der Bund, sollte ein Verdienst darin sehen, Schulden anzuhäufen, solange sie sich vermeiden lassen.
    Wenn wir in diesem Haushaltsjahr dazu übergehen müssen, den Kapitalmarkt in Anspruch zu nehmen, so möchte ich dabei gleich vor einem Vorgang warnen. Es ist, soviel ich gehört habe, geplant, den Kapitalmarkt selbst nur mit einer Milliarde und darüber hinaus den mittelfristigen und vielleicht auch den kurzfristigen Geldmarkt mit einer weiteren Milliarde in Anspruch zu nehmen. Wenn man die Gewißheit hätte, daß uns das folgende Finanzjahr 1963 vor leichtere Deckungsaufgaben stellen würde als das Jahr 1962, könnte man hier vielleicht sogar ein Auge zudrücken, so schwer einem dies verfassungsrechtlich fiele. Wenn man aber mit Sicherheit weiß, daß das Jahr 1963 wesentlich schwierigere Haushaltsfragen stellen wird als das Haushaltsjahr 1962, dann, glaube ich, sollte man von einer Deckung durch kurzfristige Geldaufnahmen auf dem Geldmarkt absehen und versuchen, das mit anderen Mitteln zu erreichen. Wir haben noch eine ganze Reihe von anderen Möglichkeiten an der Hand. Ich komme gleich im einzelnen auf sie zu sprechen.
    Eine dritte Frage, die wir in diesem Zusammenhang erörtern müssen, ist die, ob sich die Steuererwartungen und damit die Konjunkturerwartungen im Laufe dieses Jahres 1962 erfüllen werden oder nicht. In den voraufgegangenen zwei Jahren war die Fortdauer der Hochkonjunktur beinahe zu einer Selbstverständlichkeit geworden. Die Frage erhebt sich, ob sie das heute noch in dem gleichen Maße ist, wie sie das in der ersten Hälfte des Jahres 1961 war. Ich glaube, diese Frage wird von entscheidender Bedeutung sein, wenn man höhere Steuereinnahmen, als sie bis jetzt veranschlagt sind, in den Haushalt einsetzen will. Wenn man gemäß den Ländererwartungen vielleicht einen Betrag von 300 Millionen DM an höheren Steuereinnahmen einsetzt, so ist dagegen wohl schwerlich etwas einzuwenden. Ein solcher Betrag bleibt bei der Riesensumme von annähernd 54 Milliarden ohnehin von nicht ausschlaggebender Bedeutung.
    Aber bleiben wir zunächst einmal bei der Konjunktur und den Erwartungen, die wir in sie setzen dürfen oder auch nicht in sie setzen dürfen. Der Arbeitskräftemangel hält beinahe unverändert stark an. Wir haben jetzt schon, obwohl die Frostperiode noch nicht abgeklungen ist, über eine halbe Million offener Stellen, die nicht zu besetzen sind, eine ungewöhnliche Angelegenheit nach dem Rückgang der Auftragsbestände in der zweiten Hälfte des Jahres 1962! Die Arbeitskraft ist nach wie vor teuer geblieben. Die Effektivlöhne sind nach wie vor zum Teil sogar höher als die Tariflöhne.
    Die übermäßige Baukonjunktur, die voraussichtlich noch das ganze Jahr 1962 anhalten wird, droht das Bild der Gesamtkonjunktur des Jahres 1962 zu verzerren. Ich möchte ausdrücklich auf diesen Umstand aufmerksam machen. Wir können die Gesamtkonjunktur unserer Wirtschaft nicht allein nach der Baukonjunktur beurteilen. Die Stagnation in der Textilindustrie, die Stagnation bei der Kohle, das Absinken der Stahl- und Eisenproduktion und das erhebliche Nachlassen der Auftragsbestände bei der Investionsgüterindustrie dürfen von uns nicht außer acht gelassen werden.
    Es erhebt sich sofort die Frage, die ich unlängst auch in einer Veröffentlichung des Wirtschaftswissenschaftlichen Instituts der Gewerkschaften sah: Kann man durch eine Steigerung des Konsums der Konjunktur nachhelfen oder nicht? Es handelt sich dabei um einen Vorgang, den wir bereits in anderen Ländern beobachten konnten. Ich bin der Auffassung — und ich glaube, meine Freunde teilen sie —, daß nichts gefährlicher wäre, als durch ein zu großes Vorausschnellen der Löhne vor dem Volkseinkommen, durch eine gewaltsame Aufpulverung des Konsums eine neue Konjunkturbewegung zu provozieren. Wir haben das Beispiel in England und in den Vereinigten Staaten vor uns. Beide Länder bemühen sich heute — nach dem totalen Schwinden der Devisen in England und nach dem sehr erheblichen Abnehmen der Goldbestände in den Vereinigten Staaten —, Fehler der Vergangenheit rückgängig zu machen. Die Frage erhebt sich: Wollen ausgerechnet wir in der Bundesrepublik uns anschicken, die klar erkannten Fehler einer solchen Wirtschaftspolitik heute nachzuahmen?

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Man kann eben meiner Überzeugung nach nur dann mehr verdienen und mehr Steuern einnehmen, wenn man auf der anderen Seite mehr arbeitet und mehr produziert. Das ist eine Binsenwahrheit. Aber ich glaube, es ist notwendig, sie auch hier einmal zu wiederholen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Daß die Bundesregierung heute, was die Zahl der Arbeitsstunden betrifft, trotz zweier verlorener



    Dr. Vogel
    Kriege nicht mehr an der Spitze der Industrievölker Europas marschiert, sondern hinter benachbarten konkurrierenden Völkern, wird wohl heute von niemandem mehr bestritten. Ich kann also nur das eine unterstreichen, was der Herr Bundesfinanzminister, wenn auch in dramatisierter Form, dem Hause zugerufen hat: daß letzten Endes die deutsche Konkurrenzfähigkeit auf dem Weltmarkt auch für die Haushaltsgestaltung der kommenden Jahre entscheidend sei.
    Wir haben einige freundliche Lichtblicke zu verzeichnen. Die Spartätigkeit hat sich im Januar und im Februar 1962 wieder ganz beachtlich erhöht. Der Kapitalmarkt 1961 erwies sich als ungewöhnlich ergiebig, vor allen Dingen was die Rentenwerte betrifft. Das Sinken der Aktienkurse hat dazu geführt, daß sich heute die Sparer in weitaus größerem Maße dem Rentenmarkt, aber leider auch dem Grundstücksmarkt zugewandt haben, als das früher der Fall war. Hier liegt ein entscheidender Grund dafür, daß wir bei den Bausparkassen eine weitere, eigentlich kaum voraussehbare Konjunktur zu verzeichnen haben. Wir werden sehr bald sehen, wohin z. B. die Überhitzung der Baukonjunktur führen wird. Es wird entscheidend davon abhängen — das haben wir im Haushaltsausschuß auch bei der Behandlung der Folgen der Flutkatastrophe ausgesprochen —, ob es möglich sein wird, hinreichend viele Baufirmen und hinreichend viele Arbeitskräfte an die bedrohten Punkte der Nordseeküste zu bringen, und ob wir hinreichend viele Menschen und Firmen bereitstellen können, um die Dämme vor dem Anprall einer neuen Hochflut zu schützen. Das wird eine sehr entscheidende Frage innerhalb der kommenden Sommermonate werden.
    Um auf die Schätzungen des Bundesfinanzministers zurückzukommen: Ich glaube auch, daß erhöhte Steuereinnahmen bei der Lohnsteuer ziemlich sicher sein werden. Bei der Umsatzsteuer wird das gleiche in beschränkterem Umfange eintreten. Bei der Einkommensteuer scheint mir das schon fraglicher zu sein. Die Gewinne der Industrie sind im zweiten Halbjahr 1961 bereits unbestreitbar zurückgegangen. Die Aufwertung der D-Mark hat als Konjunkdämpfungsmaßnahme weithin sichtbarer gewirkt, als man es ursprünglich geglaubt hat. Der Bundeswirtschaftsminister hat es damals hier vor dem Hause gesagt. Ich glaube, er hat mit seiner Prophezeiung recht behalten. Die Statistik beweist heute, in welch einschneidendem Maße seitdem auch eine Dämpfung der überspannten Konjunktur eingetreten ist.
    Aber nicht umsonst hat der Herr Bundesfinanzminister generell so ausführlich über die steuerlichen Auswirkungen bzw. die Voraussetzungen des Hineinwachsens in die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft gesprochen. Hier liegt in der Tat einer der entscheidendsten Vorgänge der kommenden Jahre vor uns, und ich glaube, wir werden gut daran tun, 'die jetzt in der Ausarbeitung befindlichen Empfehlungen, die bereits stattgehabten Beratungen zwischen den Finanzministern der EWG rechtzeitig und umfassend in die kommenden Steuerumbauten und -verschiebungen mit einzukalkulieren. Darüber, daß sich in der Zukunft, vor allen Dingen auch im Jahre 1962, nicht um Steuersenkungen generell handeln kann, sondern um Steuerumbauten, sind wir uns angesichts dieses Haushalts wohl alle im klaren.
    Lassen Sie sich mich hier etwas zu dem sehr schwierigen Problem der vollkommenen Gerechtigkeit bei der Streichung von Ausgaben sagen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn Verzichte gefordert werden, sollten sie auf alle Ressorts und auf alle Wünsche, 'die hier vorgebracht werden, ausgedehnt werden. Wir wollen versuchen, im Haushaltsausschuß — und wir sollten das auch für die 2. und 3. Lesung, die ja bereits in drei Wochen stattfinden werden, vornehmen — so gerecht wie möglich zu verfahren. Eine vollkommene Gerechtigkeit werden wir niemals erreichen können. Es werden immer Wünsche offenbleiben, und es werden am Ende einer solchen Beratung immer Beschwerden da sein.
    Selbst wenn es gelingt, von seiten der Länder 1 Milliarde DM zu erhalten — ich sage das ausdrücklich mit einem „Wenn", denn auch der Beschluß des ,Bundesrates ist ja noch kein Kassenvollzug; ich werde froh sein, wenn am Ende des Haushaltsjahres die Bundeskasse den Eingang dieser 1 Milliarde DM gemeldet haben wird —,

    (Abg. Dr. Conring: Sehr gut!)

    selbst wenn das eintreffen sollte, würde es immer noch eine offene Frage bleiben, wie 'die weiteren 740 Millionen DM des Defizits gedeckt werden.
    Man kann natürlich—ich habe davon gesprochen — die Steuereinnahmen um vielleicht 200 bis 300 Millionen DM höher ansetzen; das ist durchaus vertretbar. Man kann den Kapitalmarkt etwas mehr in Anspruch nehmen; wenn man von 1,8 Milliarden DM auf 2 Milliarden DM ginge, wäre das, glaube ich, kein Schade, es wäre vertretbar. Man kann bei einem 54-Milliarden-Haushalt den Haushalt so vollziehen, daß auch durch den Vollzug erhebliche Einsparungen eintreten.
    Darf ich hier eine Bemerkung zu den Resten machen, die der Haushaltsvollzug 'das Jahres 1961 ergeben hat. Es ist für uns nicht uninteressant, daß es — und hier gebührt dem Bundesverteidigungsministerium ein hohes Lob — gelungen ist, das sehr drohende Gespenst der Reste gerade beim Verteidigungshaushalt in relativ kurzer Zeit zu bannen, und daß heute die zivilen Reste ein wesentlich größeres Problem darstellen als die militärischen Reste.
    Immerhin bliebe dann noch die Notwendigkeit erhöhter Streichungen. Hier komme ich nun auf das Problem der 12%igen Generalkürzung. Herr Kollege Schoettle, Sie dürfen sicher sein, daß wir — wir haben das ja im Haushaltsausschuß bereits praktiziert — auch bei den jetzt legalen Beratungen, vor denen wir stehen — was wir bis jetzt gemacht haben, waren ja im Grunde genommen illegale Vorgriffe, aber von heute ab werden wir in der Lage sein, Beschlüsse zu fassen —, das tun werden, was wir bei den Vorbereitungen in Aussicht genommen haben; das war ja immerhin schon eine Umgruppierung im Haushaltsausschuß, wie sie in diesem Umfange in den letzten zwölf Jahren noch niemals statt-



    Dr. Vogel
    gefunden hat. Aber ich möchte hier die Erwartung aussprechen, daß, wenn wir uns auf diesem schwierigen Felde in Zukunft weiter gemeinsam bewegen, Sie auch mehr Verständnis als bis jetzt aufbringen werden, wenn wir so starke Kürzungen anbringen müssen, wie wir sie bei der Bundesbahn — mit 280 Millionen DM — gegen Ihren Widerstand bei der SPD durchgesetzt haben. Wenn man sich überlegt, daß die Bundesbahn auch dann noch 100 Millionen DM, ganz abgesehen von der Bundesgarantie für eine 500-Millionen-Anleihe, mehr haben will als im Jahre 1961, dann scheint uns eine solche Kürzung durchaus vertretbar zu sein.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Bei den bisherigen, Vorberatungen, die wir jetzt legalisieren werden, haben wir bereits annähernd 500 Millionen DM einsparen können. Das heißt, der größte Betrag der Kürzungen, die durch die globale Kürzung von 12 °/o erreicht werden sollten, konnte bereits durchgesetzt werden.
    Zum erstenmal wird der Haushaltsausschuß auch beim restlichen Ausgleich vor Notwendigkeiten stehen, die in den letzten 12 Jahren noch niemals gegeben waren. Bis jetzt beschränkte sich die Rolle des Haushaltsausschusses im Grunde genommen leider auf die Rolle des Chors in der griechischen klassischen Tragödie, d. h. der Haushaltsausschuß beweinte sehr oft den Gang der Ereignisse, ohne ihn ändern zu können. Ich verhehle keineswegs die Schwierigkeiten, die wir in der Zukunft im Haushaltsausschuß zu meistern haben werden. Härten werden völlig unvermeidlich sein, ja, wir werden sogar manche Tabus angreifen müssen. Je mehr aber der Zwang zur Einsparung und zur Kürzung schon im Jahre 1962 durch den Haushaltsausschuß sichtbar gemacht werden wird, desto leichter wird es dem Bundesfinanzminister und der Bundesregierung fallen, ihren ebenso mutigen wie ausgezeichneten Beschluß durchzuhalten, für das kommende Haushaltsjahr 1963 in den einzelnen Ressorts dafür Sorge zu tragen, daß die Ansätze für 1962 nicht überschritten werden.
    Der Bundesfinanzminister hat am Schluß seiner Rede den listenreichen Dulder Odysseus zitiert, der an seine Gefährten vor der Durchfahrt durch Scylla und Charybdis einige Worte der Ermutigung richtete. Wir Mitglieder des Haushaltsausschusses sind gern bereit, dem Herrn Bundesfinanzminister hilfreich unter die Arme zu greifen, indem wir ihn an den Mast der Sparsamkeit anbinden werden.

    (Beifall und Heiterkeit in der Mitte.)

    Wir möchten ihm allerdings empfehlen, ungleich Odysseus für sich und seine Haushaltsabteilung rechtzeitig eine Ladung Ohropax zu beschaffen, damit sie den Sirenengesängen der benachbarten Ressorts im kommenden Jahre mutig widerstehen können.

    (Erneute Heiterkeit und Beifall. — Zuruf des Abg. Dr. Schäfer.)

    — Ich hoffe, Herr Kollege Dr. Schäfer, man wird dann nicht auf das allzu leichte Mittel der überplanmäßigen bzw. außerplanmäßigen Ausgaben ausweichen.
    Wir täuschen uns wohl nicht, wenn wir heute in den breitesten Schichten unseres Volkes ein spürbares Erschrecken vor diesen gewaltig gesteigerten Haushaltsausgaben verspüren. Die Furcht vor einer Inflation in einer Generation, die zwei Inflationen erleben mußte, hat dazu beigetragen, daß das Erschrecken vor diesen Mehrausgaben in Höhe von 8 Milliarden heute ungewöhnlich groß ist. Auch wenn es manchmal den Anschein hat, daß bei der jüngeren Generation die Tugend der Sparsamkeit an Ansehen eingebüßt hatte, scheint mir die moralische Kraft der Sparsamkeit als solcher bei der Generation, die sich der zwei Inflationen noch erinnert, ungebrochen zu sein, und auf die sollten wir in diesem Jahre und in den kommenden Jahren vertrauen.
    Der Haushaltsausschuß hat die Hauptmühe und die Hauptplage jedesmal damit, sich mit den Wünschen der Ressorts in bezug auf die Vermehrung der Stellen auseinanderzusetzen. Damit wird sich mein Freund Niederalt nachher mit der bei ihm gewohnten Gründlichkeit befassen. Wir können nur durch eine minutiöse Prüfung der einzelnen Titel des Haushalts die allzu üppig wuchernden Schößlinge beschneiden. Aber manchmal haben wir den Eindruck, daß selbst die Axt in der Hand des Haushaltsausschusses nicht mehr stark genug ist, allzu knorrig gewordene Bäume zu fällen, die in der Zwischenzeit munter herangewachsen sind.
    Wenn die jetzigen ersten Drangsale bei der Dekkung des Defizits zu einer Selbstbesinnung auch in diesem Hohen Hause führen würden, wäre schon sehr viel gewonnen, und der Haushaltsausschuß würde sicherlich — nun lassen Sie mich eine besondere Bitte aussprechen — die erste Empfehlung eines Fachausschusses in bezug auf eine einschneidende Kürzung des Haushalts mit besonderer Freude begrüßen.

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Wehner: Sie meinten wohl: außer dem Verteidigungsausschuß?!)

    — Herr Kollege Wehner, nehmen Sie doch bitte einmal die Protokolle der vergangenen Jahre gerade bei der Behandlung des Verteidigungshaushalts zur Hand. Nicht Sie und Ihre Fraktion, Herr Kollege Wehner, haben damals die Anträge auf Kürzung von Generalsstellen gestellt, sondern wir haben sie gestellt, und wir haben damals an einem Vormittag 25 Generalsstellen gestrichen. Wir haben auch die Zerstörer zurückgestellt und einige andere vernünftige Dinge gemacht. Wir nehmen das für uns in Anspruch, obwohl uns das wahrscheinlich schwerer fällt als Ihnen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Bei aller Sparsamkeit wird niemand so töricht sein, die Augen vor einigen Notwendigkeiten zu verschließen, die die Nation als solche angehen.
    Hier ist von meinem verehrten Herrn Vorredner ein Doppelproblem in einem Zuge angesprochen worden: das Problem der Verteidigungs- und Sozialausgaben. Erlauben Sie mir, daß auch ich zugleich zu beiden Problemen einiges ausführe. We-



    Dr. Vogel
    der die CDU noch ich persönlich stehen in dem Geruch, daß wir in der Vergangenheit die Notwendigkeit der deutschen Verteidigung jemals auch nur im geringsten bestritten haben. Wir haben sie stets voll bejaht. Aber wir haben uns auch — was ich soeben gesagt habe — damals gegen eine allzu schnelle Personalvermehrung, gerade bei den hohen Stellen, mit Erfolg gewandt.
    Ich darf Ihre Aufmerksamkeit jetzt auf ein Problem lenken, das für uns langsam am Horizont heraufzieht und das in der Zukunft unsere und auch die Aufmerksamkeit der Bundesregierung in einem ganz anderen Maße beanspruchen wird als bisher. Wir haben jetzt schon 6,3 Milliarden DM laufende Kosten innerhalb des Bundesverteidigungshaushalts. Im kommenden Haushaltsjahr werden es 8,3 Milliarden sein. Mehr als die Hälfte und in den kommenden Jahren noch mehr als die Hälfte des Verteidigungshaushalts werden zur Befriedigung der Sach- und Geschäftsbedürfnisse der Truppe, zur Deckung der Pensionslasten, für die Verpflegung, die Bekleidung usw. in Anspruch genommen werden. Das bedeutet, daß es automatisch zu einer Einengung derjenigen Dinge kommen wird, die tatsächlich die Kampfkraft der Truppe mit ausmachen. In einer Beziehung sind wir uns mit Ihnen wohl völlig einig: eine Bundeswehr, die nicht die modernste Ausrüstung dieser Welt hat, erfüllt nicht ihren Zweck, nämlich der Verteidigung unseres Volkes zu dienen.

    (Zuruf von der SPD: Sie meinen doch atomare Waffen!)

    4 Wir sind in der Vergangenheit dafür eingetreten und werden auch in der Zukunft dafür eintreten — das möchte ich in aller Klarheit sagen —, daß die Bundeswehr in ihrer Ausrüstung hinter keiner anderen Wehr der Welt zurückstehen darf, wenn sie jemals, was Gott verhüten möge, in den Kampf ziehen muß.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Hier besteht die Tendenz — diesen Vorwurf kann ich Ihnen, meine Herren von der Opposition leider nicht ersparen —, die laufenden Kosten weiter zu erhöhen. Ich spreche dieses Problem hier einmal in aller Deutlichkeit an: Der Bundeswehr droht die Gefahr, in ihrem laufenden Haushalt, ganz zu schweigen von den jetzt schon sehr stark anwachsenden Pensionslasten, so teuer 2u werden, daß die für ihre Kampfkraft, für die modernste Ausrüstung, für die Munition usw. notwendigen zusätzlichen Ausgaben volkswirtschaftlich nur sehr schwer verkraftet werden können. Die Bundeswehr ist einzig und allein dafür geschaffen und dafür da, unser Volk im Ernstfall Seite an Seite mit unseren Verbündeten zu verteidigen. Sie kann niemals Selbstzweck sein. Das Hohe Haus wird der Bundeswehr und sich selbst den besten Dienst erweisen, wenn es vieles von dem überprüft, was es zum Teil selbst geschaffen hat, wenn es die Wehrmachtsbürokratie mit verkleinern hilft, wenn es dafür sorgt, daß die laufenden Kosten geringer werden und dafür der Apparat, die Bundeswehr insgesamt schlagkräftiger wird. Dann wird die 'Bundeswehr
    auch die hohen Kosten rechtfertigen, die sie verursacht.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Mein verehrter Herr Vorredner hat darauf hingewiesen, daß die Baulandkosten angeblich von seiten der Bundeswehr erheblich erhöht worden seien. Auf unser Betreiben im Haushaltsausschuß hin ist diesem Vorwurf sofort nachgegangen und eine gewisse Untersuchung durchgeführt worden. Ich möchte doch annehmen, daß die Ausführungen, die wir von seiten des Bundesverteidigungsministeriums gerade zu diesem Punkt gehört haben, diesen Vorwurf weitgehend entkräftet haben.

    (Sehr richtig! in der Mitte. — Zuruf von der SPD: Keineswegs, Herr Kollege!)

    — Wir sind anderer Ansicht. Wir haben doch zumindest das eine festgestellt: daß in keinem Fall von seiten des Bundesverteidigungsministeriums den durchführenden Stellen der Bundesvermögensverwaltung Anweisungen gegeben worden sind, überhohe Preise zu zahlen. Das ist der entscheidende Punkt gewesen.
    Ist es verwegen, wenn man in diesem Zusammenhang auch ein anderes Tabu angreift, das bis jetzt eigentlich unseren erlauchten Sachkennern auf diesem Gebiete, den Sozialexperten, vorbehalten blieb, die mit den Statistikern wahrscheinlich besser umgehen können, als es ein armer Sachverständiger des Haushalts zu tun vermag? Dem Hohen Hause oder vielleicht nur dem zuständigen Ausschuß sind inzwischen wohl einige Zahlen über die voraussichtliche Zahl der Pflichtversicherten in den kommenden Jahren bei der Arbeiterrentenversicherung und bei der Angestelltenversicherung mitgeteilt worden. Danach wird bei der Arbeiterrentenversicherung 1973 eine fast mit der von 1960 gleichbleibende Zahl an Pflichtversicherten vorhanden sein, — umgekehrt werden aber statt einer Zahl von 4,8 Millionen Rentnern wie 1960 6,1 Millionen Rentenempfänger dem gegenüberstehen. Bei der Angestelltenversicherung wird 1978 die Zahl von 5,8 Millionen Versicherten einer Zahl von rund 2,3 Millionen Rentnern gegenüberstehen. 5,8 Millionen zu 2,3 Millionen! Das heißt: Gegenüber 1960 wird sich die Zahl der Rentner von 28 auf 40 % vermehrt haben. Das sind neue Tatbestände, die man rechtzeitig ins Auge fassen sollte. Ich möchte darauf hinweisen, daß die moderne Sozialversicherung ihren Ursprung inmitten einer Industriegesellschaft fand, die damals eine gewaltige Bevölkerungsvermehrung erlebte, und daß man sich damals einem ganz anderen Wachstum und einem ganz anderen Altersaufbau gegenübersah, als sie heute vorhanden sind. Ich gebe einmal zu erwägen, ob es nicht klug wäre, jetzt schon rechtzeitig Überlegungen anzustellen, ob wir hier nicht neue Wege beschreiten und neue Ideen verwirklichen sollten. Da wir uns beim Haushalt schließlich mit Milliardenzahlen an Zuschüssen zu beschäftigen haben, darf man es wohl .einmal wagen, auf diese Entwicklungen hinzuweisen.
    Ob wir uns auch z. B. — um hier andere Probleme anzuschneiden — an dem phantastischen neuen



    Dr. Vogel
    Traum der Menschheit finanziell beteiligen sollten, mit den anderen Völkern Flüge zum Mond und zu den Planeten zu entwickeln, ob das gerade eine Existenzfrage des deutschen Volkes in den nächsten Jahren sein wird, wage ich bescheiden zu bezweifeln, auch wenn wir schon ganz beachtliche Ansätze in unserem Haushalt vorliegen haben.
    Nun komme ich auf einen Vorwurf zu sprechen, den mein verehrter Herr Vorredner gegenüber dem neugeschaffenen Gesundheitsministerium erhoben hat. Wenn wir nun einmal 10 bis 15 % mehr Fahrzeuge auf den Straßen und vor allen Dingen in unseren Städten haben, wenn durch den Siegeszug der modernen chemischen Industrie leider auch der Wasservorrat in Deutschland immer stärker in Mitleidenschaft gezogen wird und wenn mit der wachsenden Industrialisierung die Luft auch nicht gerade reiner wird, dann in der Tat scheinen uns ganz andere Anstrengungen zur Reinhaltung von Luft und Wasser und zur Förderung der allgemeinen Volksgesundheit notwendig zu sein, als es bis jetzt der Fall ist. Ich sehe in der Person der Bundesgesundheitsministerin nicht allein eine Verneigung vor dem weiblichen Element innerhalb meiner Fraktion und des Hohen Hauses schlechthin, sondern die Errichtung dieses Ministeriums entspricht der Notwendigkeit, diesen Problemen jetzt mehr Aufmerksamkeit zuzuwenden, als das in der Vergangenheit der Fall war. Wir werden uns im Haushaltsausschuß noch damit zu befassen haben, ob die Probleme allein mit Personalvermehrungen angegangen werden können oder ob hier nicht andere Ansätze notwendiger sein werden. Ich denke an höhere Sachverständigentitel und ich denke auch an mehr Mittel für die notwendige Volksaufklärung, die auf diesem Gebiet bitter Not tut. Das könnte man auf der anderen Seite durch bloße Stellenvermehrungen nicht schaffen. Vielleicht wird es gerade in diesem 'Bereich auch bei den Ländern mehr darauf ankommen, daß bereits geschaffene Gesetze in der Zukunft mehr beachtet und rigoroser durchgeführt werden, als das in der Vergangenheit der Fall war.
    Nun möchte ich noch einige Detailprobleme anreißen. Eines dieser Probleme hat auch meinen verehrten Vorredner sehr stark beschäftigt: die Entwicklungshilfe. Hier ist ein neues Ministerium entstanden. Ich weiß allerdings nicht, verehrter Herr Kollege Schoettle, wie Sie bei der Entwicklungshilfe auf einen Betrag von 5 Milliarden DM gekommen sind. Ich sehe eigentlich nur 2,5 Milliarden DM.
    Aus dem ERP-Fonds erhält die Entwicklungshilfe eine zusätzliche Leistung von 220 Millionen DM. Als eines der Mitglieder dieses Hauses, die sich in den vergangenen Jahren immer ganz besonders stark für die Entwicklungshilfe eingesetzt haben, glaube ich in diesem Jahr der Flutkatastrophe und der besonderen Bedrohung Berlins anregen zu dürfen, daß wir in der Zukunft darin übereinstimmen sollten, 'die 220 Millionen DM aus .dem ERP-Fonds nicht der Entwicklungshilfe zuzuführen, sondern sie mit heranzuziehen zur Bewältigung der Schäden, die die furchtbare Flutkatastrophe an der Nordseeküste hervorgerufen hat, und damit auch den Berlinern — da stimme ich völlig mit Ihnen überein —, bevor überhaupt weitere Schäden eintreten, rechtzeitig unter die Arme zu greifen, damit ihre Wirtschaft sich entsprechend weiterentwickeln kann. Mir scheint es notwendig zu sein — ich glaube, daß wir dafür auch das erforderliche Verständnis bei den Entwicklungsländern selber finden werden —, inmitten einer derartigen eigenen Zwangslage auch daran zu denken, die gröbsten Schäden mit Hilfe dieses Feuerwehrfonds — so haben wir den ERP-Fonds doch immer genannt — zu beseitigen.
    Darf ich vielleicht, wenn ich jetzt auf die Entwicklungshilfe im besonderen zu sprechen komme, eine ein wenig ketzerische Meinung zum Ausdruck bringen. Ich bin nicht so sicher, ob die Freude, die wir bei der Übergabe eines Schecks oder bei der Leistung einer Unterschrift unter ein Kreditabkommen erregen, auch dann noch anhalten wird, wenn es darum geht, die Zinsen einzutreiben bzw. auf die Amortisation zu drängen. Ich möchte annehmen, daß unter Umständen die Freundschaft sehr schnell getrübt werden kann, wenn von der anderen Seite Verpflichtungen erfüllt werden müssen, auf die wir leider nicht verzichten können. Lassen Sie mich deshalb einmal meiner Überzeugung Ausdruck geben, die ich schon bei der Eröffnung der Deutschen Stiftung für Entwicklungsländer vor zwei Jahren in Berlin-Tegel deutlich unterstrichen habe: Es kann nach meinem Dafürhalten nicht die Hauptaufgabe des deutschen Volkes sein, nur durch finanzielle Beiträge den Entwicklungsländern zu helfen. Für uns wird in Zukunft die Hilfe bei der Ausbildung das Entscheidende sein

    (Beifall bei der CDU/CSU und bei der SPD.)

    Was wir in Gestalt einer Ausbildung von Facharbeitern, Meistern, Wissenschaftlern, vor allen Dingen auch Agrarhelfern, Verwaltungsbeamten in diesen Ländern investieren werden, und die Schulen, die wir dort neu errichten werden, das alles wird auf die Dauer ganz andere Frucht tragen als zeitweilig gegebene Kredite oder ein großer Geldhinfluß nach diesen Gebieten, dessen Kontrolle auch in der Zukunft wegen der hohen Empfindlichkeit dieser Völker immer ein überaus schwieriges Problem bleiben wird. Ich glaube, daß die Verlagerung der Ausbildung in diese Länder hinein — ich sage das ausdrücklich im Hinblick auf die Überfüllung unserer Hochschulen — eine der wesentlichsten Aufgaben in der Zukunft sein wird. Wir sollten dafür Sorge tragen, daß auch inmitten einer Hochkonjunktur den Kräften innerhalb unseres Volkes, die heute noch das notwendige Maß an Idealismus für eine solche Aufgabe aufbringen, die Möglichkeit gegeben ist, sich bei uns für eine solche Lehraufgabe im Ausland ausbilden zu lassen. Das wird ganz andere Frucht tragen als manche monumentalen Industriewerke, die wir dort draußen mit unseren Krediten errichten.
    Die jüngste Entwicklung der Industrie in der ganzen Welt erweist eindeutig den Vorrang des Ausbildungsstands eines Volkes vor seinen natürlichen Rohstoffquellen. Sehen wir uns z. B. die Schweiz an! Sie ist ein geradezu schlagendes Beispiel dafür, daß es auf den technischen und wissenschaftlichen Ausbildungsstand eines Volkes entscheidender als dar-



    Dr. Vogel
    auf ankommt, wieviel Erdöl, wieviel Erz und wieviel Kohle in dem betreffenden Land verfügbar ist.
    Ich bin bereits auf das Resteproblem zu sprechen gekommen, und ich möchte jetzt zum Schluß kommen; denn da wir beabsichtigen, hier anderthalb volle Tage zu diskutieren, sollten wir die einzelnen Reden nicht zu lang halten.
    So schwierig die Finanzprobleme in der Zukunft auch sein mögen, im Haushaltsjahr 1962 sind sie lösbar. Der Herr Bundesfinanzminister hat hier im wesentlichen einige Grundzüge seines Lösungsvorschlags aufgezeigt. Wir werden innerhalb der nächsten drei Wochen diese Vorschläge im Haushaltsausschuß beraten, und ich glaube, wir werden eine vernünftige Lösung finden. Diese Lösung kann allerdings nur dann durchgesetzt werden, wenn sich dieses Hohe Haus zu den notwendigen Entschlüssen aufrafft. Wir sind überzeugt, daß ein Wille, der entschlossen sichtbar wird, durch einen ausbalancierten Haushalt die Währung stabil zu halten und damit den sichersten Baustein für einen weiteren stetigen Aufbau unseres Volkes beizutragen, auch von unserem ganzen Volk begrüßt werden wird.
    Wir werden bis zur zweiten und dritten Lesung nur relativ wenig Zeit haben, in die Details der Probleme einzusteigen; denn die dritte Lesung werden wir bereits in vier Wochen haben. Noch nie ist dem zweiten Durchgang des Haushalts vor dem Bundesrat eine solche Bedeutung zugekommen wie in diesem Jahr. Wir vertrauen indessen auf eine entschlossene Führung der Bundesregierung durch den Herrn Bundeskanzler, der sich voll und ganz hinter ) die hier vorgetragenen Grundsätze der Finanzpolitik des Herrn Bundesfinanzministers gestellt hat.
    Lassen Sie mich schließen mit einem alten lateinischen Grundsatz, einem römischen Grundsatz, der, glaube ich, in den kommenden Wochen, vielleicht im Jahre 1962 noch mehr Gültigkeit haben wird als heute: Ducunt fata volentem, nolentem trahunt. Das Schicksal führt den Wollenden, und es zieht den, der nicht will.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)



Rede von Dr. Eugen Gerstenmaier
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Kreitmeyer.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Reinhold Kreitmeyer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Wenn ich für die Fraktion der Freien Demokraten hier gleich zu Beginn erklären darf, daß der Haushalt im Gegensatz zu allen seinen Vorgängern unter dem Zeichen einer reichlich veränderten Lage steht, dann, sehr verehrter Herr Kollege Schoettle, glauben wir eben doch, daß der Herr Bundesfinanzminister in puncto Ausgaben nicht überdramatisiert hat. Denn es ist nun einmal unvermeidlich, festzustellen, daß diese jäh steigenden Ausgaben eben doch durch den 13. August verursacht sind. Wir stimmen durchaus dem Kollegen Vogel darin zu, daß man auf die Ausgaben vielleicht schon etwas früher hätte achten sollen und sie hätte zügeln sollen.
    Aber wir sind auf der anderen Seite nicht etwa der Meinung, daß man den 13. August für alles verantwortlich machen kann; denn erstmals stehen wir gleichzeitig auch vor einem Rückgang der Einnahmen, der durch eine Verringerung des Wachstums des Sozialprodukts bedingt -ist. Wir müssen daher dem Herrn Bundesfinanzminister alle Unterstützung leihen, die erforderlich ist, um diesen schwierigen — um nicht zu sagen: zweifelhaft gedeckten — Haushalt in Ordnung zu halten.
    Der entscheidende Umstand besteht doch darin, daß der Bund seine finanzielle Souveränität erstmalig verloren hat und von der wohlwollenden Hilfe der Länder abhängig ist. Tröstlich bei dieser Situation ist nur, daß der Ebbe in der Bundeskasse eine beachtliche Flut von Einnahmen auf der Länderebene gegenübersteht. Ein Landesfinanzminister würde sich hier sicherlich etwas zurückhaltender ausdrücken!
    Insgesamt gesehen aber müssen wir feststellen, daß das Verlagern der Juliustürme von der Bundesebene — mit Umwegen über das Ausland — auf Länderebene nur erneut die Konstruktionsfehler in unserem Staate offenbart und nachdrücklich eine Korrektur erheischt, damit Bund, Länder und Gemeinden unter gleichen Bedingungen lebensfähig erhalten werden.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Wenn wir freien Demokraten jetzt wiederum Regierungsverantwortung übernommen haben, dann nicht zuletzt deshalb, weil wir das bewährte freiheitliche Wirtschaftssystem, dem wir vor mehr als 14 Jahren mit zum Durchbruch verholfen haben, nicht zerstören lassen wollen und nicht die vielen selbständigen Existenzen opfern wollen, die durch ihren Beitrag unseren Aufstieg mit ermöglicht haben. Die veränderte Situation führt zu der Forderung, daß man allen Teilen der Bevölkerung die Wahrheit nicht verheimlichen und den Mut besitzen sollte, die notwendigen Konsequenzen zu ziehen. Der Bundesfinanzminister hat diese Bedingung gestern vorbildlich erfüllt.
    So schwierig die Situation auch sein mag, so muß man ihr doch die hoffnungsvolle Tatsache entgegenstellen, daß gerade die schweren Prüfungen, die unser Volk in den letzten Wochen in den verschiedensten Landesteilen durchleben mußte, eine unerwartete Bereitschaft und Einsatzfreudigkeit beim Auftreten von Gefahren offenbart haben und daß wir uns von dieser Seite keine Sorge im Hinblick auf eine schwere Zukunft zu machen brauchen.
    Nun einige Sätze zu der Ausgabenseite! Beim Haushalt der Landesverteidigung, der in Verbindung mit den Verteidigungslasten und dem zivilen Bevölkerungsschutz eine Steigerung um 5,5 Milliarden DM erfährt, möchte ich nur die Forderung nach einer grundsätzlichen Überprüfung unserer Wehrpolitik stellen und auch dies nur im Hinblick darauf, daß bei allen unseren Bundesgenossen eine Überprüfung dieser Fragen in vollem Gange ist.
    Einer nicht minder kritischen Überprüfung bedarf das Gebiet des zivilen Bevölkerungsschutzes. Jüngste Aufrufe lassen darauf schließen, daß man ihm endlich die Bedeutung einräumt, die er haben muß. Vier Jahre lang haben meine politischen Freunde und ich vergeblich die Herausgabe eines



    Kreitmeyer
    Weißbuches hierüber gefordert. Es ist sicherlich nicht leicht, zu entscheiden, welche unter den vielen kostspieligen Möglichkeiten und Methoden des Schutzes die zweckmäßigste ist. Aber wir sollten uns doch alle auf eine gemeinsame Mindestformel des Feuerschutzes, des Trümmerschutzes und des Schutzes vor radioaktivem Ausfall einigen können.
    Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang ebenso, wie dies alle meine Vorredner getan haben, die Ausgaben im mittelbaren und unmittelbaren Kampf um die Erhaltung der Freiheit und Lebensfähigkeit Berlins behandeln. Wenn eine große verbündete Nation und wenn unsere Bundesgenossen uns immer wieder versichern, daß sie die Sache der Freiheit Berlins zu der ihren machen, dann können wir unter keinen Umständen mit unseren Anstrengungen in irgendeinem Punkte hinter unseren Freunden zurückstehen. Dieser Kampf um Berlin bedarf einer pausenlosen Führung und Nährung, nicht zuletzt durch eine weitere und intensivere Öffentlichkeitsarbeit. Ich verzeichne mit besonderer Freude, sehr verehrter Herr Kollege Schoettle, daß Sie in der gleichen Weise, vielleicht sogar noch drastischer als ich von dem „vorgeschobenen Posten Berlin" gesprochen haben.
    Der Bundesfinanzminister hat in den Schlußworten seiner Rede seiner festen Überzeugung Ausdruck verliehen, daß wir in gemeinsamer Anstrengung in .der Lage sein werden, die Schwierigkeiten zu meistern. Dazu bedarf es aber eines gemeinsamen Willens in diesem Hause, zu dem ich alle Fraktionen aufrufe. Die Arbeit der Fraktionen im Haushaltsausschuß zeigt hoffnungsvollste Ansätze.
    In der Lage, in der sich unser Volk befindet, dürfen wir den Haushalt 1962 nicht allein sehen. Diesen Haushalt hat der Bundesfinanzminister erst in einem späteren Stadium übernommen. Sein Ziel wird es sein, mit dem Haushalt 1963 eine Finanzpolitik einzuleiten, die uns in ,die Lage versetzen wird, alles für ,die äußere Sicherheit unseres Volkes zu tun, zugleich aber die dringend notwendig werdenden Reformwerke im Innern 'zu bewältigen, eine gesunde, wirtschaftliche Entwicklung zu sichern und die Stabilität der Währung zu erhalten. Bei jeder Forderung, die in diesem Hohen Hause in den nächsten Jahren erhoben wird, sollte an morgen und übermorgen gedacht werden.
    Zum Sozialhaushalt möchte ich bei dieser Gelegenheit nur so viel bemerken, daß es dank der Marktwirtschaft gelungen ist, in der deutschen Nachkriegsgeschichte in kurzer Zeit ,die größte Not zu beseitigen. Wir sind — entgegen allen anders lautenden Vermutungen — bereit, in der Sozialpolitik die längst fälligen Reformen in Angriff zu nehmen, um das System der sozialen Sicherheit abzurunden. Bei langsamer steigenden Steuereinnahmen und schwächerem Wachstum des Sozialprodukts müssen jedoch die erforderlichen Schritte mit Bedacht vorgenommen werden. Es ist stets zu überprüfen, welche Weiterungen sich aus einem zu vollziehenden Schritt ergeben.
    Wir sind der Bundesregierung zu Dank verpflichtet, daß sie bei den Brüsseler Verhandlungen über die Einleitung einer gemeinsamen Agrarpolitik in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft die nach dem Vertrage bestmögliche Ausgangsposition für die 'deutsche Landwirtschaft erreicht hat. Wäre es zu diesem Ergebnis nicht gekommen, so hätte für uns die Gefahr bestanden, daß der deutschen Landwirtschaft unabsehbare Mittel hätten zugeführt werden müssen, ohne daß sie damit bis zum Ablauf der Übergangszeit auf dem europäischen Markt konkurrenzfähig geworden wäre. Die jetzt im Bundeshaushalt trotz 'der großen Schwierigkeiten für den Haushaltsausgleich eingesetzten beträchtlichen Mittel werden angesichts der in Brüssel geschaffenen Ausgangsposition die deutsche Landwirtschaft in den nächsten Jahren in die Lage versetzen, sich für die Zeit nach dem Ablauf der Übergangsfrist wirksam vorzubereiten.
    Es werden noch weitere Forderungen auf den verschiedensten Gebieten auf ,das Hohe Haus zukommen. Allen diesen Forderungen muß man entgegenhalten, daß man sich solcher Wünsche enthalten muß, solange noch keinerlei zusätzliche Mittel für die Opfer und Schäden der Flutkatastrophe und die Stärkung Berlins eingeplant sind. Erlauben Sie mir, daß ich die — allerdings nur von Ihnen persönlich, wie ich wohl sagen darf, gemachte — Bemerkung aufgreife, sehr verehrter Herr Kollege Schoettle. Es muß doch in Zukunft gelingen, wenn dazu der Wille des ganzen Hauses vorhanden ist, zu verhindern, daß unser Haushalt von der Ausgabenseite her durch zusätzliche gesetzliche Ausgaben während des Haushaltsjahres wieder durcheinandergebracht wird.
    Zur Einnahmeseite sei nur bemerkt, daß die angekündigte nochmalige Überprüfung der Steuerschätzungen auch den letzten Zweifler innerhalb und außerhalb des Hohen Hauses überzeugen müßte, daß der Bundesfinanzminister bereit ist, his an die äußerste Grenze des nur irgendwie Vertretbaren zu gehen. Trotzdem wäre es angesichts der vorhandenen Reserven von 4 1/2 Milliarden DM, die sich außerordentlich unterschiedlich auf die Länder verteilen, ein Unding, zur Deckung des Bundesbedarfs neue Steuern zu erheben.
    Der Bundesfinanzminister bemüht sich um eine gerechtere Gestaltung der Einkommen- und Lohnsteuertarife. Er hat damit nur einmal mehr bewiesen, daß er wirklich das letzte Bollwerk des Steuerzahlers ist. Der Deutsche Bundestag sollte ihn in dieser Rolle stärken, wo es immer möglich ist. Auch hier wird sich der Wille zu einer gemeinsamen Anstrengung unter Beweis stellen lassen. Wer durch kurzfristige Ausgabenanträge die Verwirklichung der von der deutschen Öffentlichkeit so einmütig begrüßten Ankündigung des Bundesfinanzministers gefährdet, wird dafür Rechenschaft ablegen müssen.
    Aber auch der Bund muß bereit sein, seinerseits mit gutem Beispiel voranzugehen. Er tut es einmal, indem er sich in beträchtlichem Umfang an den Kapitalmarkt wendet. Trotz hoher Devisenüberschüsse sind wir nun einmal keine reichen Leute und verfügen über keine Reserven, sondern leben praktisch nur von der Hand in den Mund und stehen zugleich in der folgenschwersten Auseinandersetzung unserer Geschichte.



    Kreitmeyer
    Der eingeschlagene Weg, für das Jahr 1962 ohne gesetzliche Grundlage um eine Unterstützung durch die Länder zu bitten, war der einzig mögliche, um schnell zum Ziel zu kommen. Hier sind wir eben anderer Meinung, als es soeben von der Opposition dargetan wurde. Für die kommenden Jahre allerdings reicht es nicht mehr aus, diesen Weg zu gehen, und es ist auch nicht zumutbar, den Bund zum Dauerbittsteller zu machen.
    Zur Finanzverfassung möchte ich an dieser Stelle jetzt nur bemerken, daß sie mehr als überfällig ist. Sie muß nun endlich so gestaltet werden, daß der dritten Säule in unserem. Staate, den Gemeinden, nicht nur die vermeintliche, sondern eine tatsächliche Selbständigkeit gegeben wird. Da der Mensch gewöhnt ist, sich selbst und seine Umwelt von seiner unmittelbaren Umgebung, seiner Häuslichkeit, seiner Heimatgemeinde — sei sie städtisch oder ländlich — her zu begreifen, wird es bei dieser Finanzverfassung darauf ankommen, ihm die Möglichkeit gerade zur Mitarbeit an der Gestaltung dieser kleineren Welt zu eröffnen. Das heißt, die kommunale Selbstverwaltung darf nicht nur auf dem Papier stehen, sondern es muß die echte Chance vorhanden sein, Demokratie von unten her zu praktizieren. Diese Forderung steht und fällt mit der finanziellen Selbständigkeit unserer Gemeinden.
    Andererseits muß aber auch von Bund, Ländern und Gemeinden verlangt werden, daß sie ihre eigene Apparatur in Ordnung halten und, soweit das nur irgend möglich ist, rationalisieren. Es ist ) selbstverständlich, daß bei dieser Aufgabe die Parlamente selbst die entscheidendste Hilfestellung zu geben haben. Auch im Gesetzemachen ist eine Zurückhaltung geboten. Die Aufblähung des Apparates muß auch von dieser Seite her eingedämmt werden.
    Dieser Haushalt verdient unsere besondere Aufmerksamkeit als ein finanzpolitisches Ereignis in der jungen Geschichte der Bundesrepublik. Was der Bundesfinanzminister aus Zeitmangel nicht mehr durchführen konnte, haben sich die Mitglieder des Haushaltsausschusses zur zusätzlichen Aufgabe gemacht. Sie sind bemüht, die zahlreichen 12 %igen Kürzungen bei den Einzelpositionen durch wenige größere Streichungen zu ersetzen. Dieses Unterfangen wird sicherlich nicht ohne Tadel für sie abgehen. Aber sie fühlen sich in dieser Aufgabe völlig solidarisch mit dem Bundesfinanzminister als letztem Bollwerk des Steuerzahlers. Die Mitglieder des Haushaltsausschusses betrachten den Titel „Streichorchester", wie es schon mehrfach betont wurde, nicht als negative Wertung. Denn nur so ist überhaupt noch ein Haushaltsausgleich zu erreichen, und wir wissen, daß die Gefahren beim nächsten Haushalt mindestens gleich groß, wenn nicht größer sind.
    Der Bundesfinanzminister hat darauf hingewiesen, daß nicht nur die Auswirkung der Lohn- und Preisspirale und sonstiger dynamischer Regelungen der Währung gefährlich werden kann, sondern entscheidend auch die Ausdehnung der öffentlichen Haushalte. Wir fordern Tarifpartner und Wirtschaft zum Maßhalten auf. Wir müssen bereit sein, das, was wir anderen empfehlen, auch selbst zu tun. Auch wir müssen maßhalten und sparen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)