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ID0401919300

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 19. Sitzung Bonn, den 14. März 1962 Inhalt: Fragestunde (Drucksache IV/239) Frage des Abg. Lohmar: Sondermarken zum 20. Jahrestag des 20. Juli 1944 Dr. Steinmetz, Staatssekretär . . . 625 B Frage des Abg. Rademacher: Münzfernsprecher auf Bahnsteigen der Bundesbahn Dr. Steinmetz, Staatssekretär 625 B, C, D Rademacher (FDP) 625 C, D Frage des Abg. Rademacher: Briefmarken- und Wechselautomaten der Bundespost Dr. Steinmetz, Staatssekretär . . . 626 A Fragen des Abg. Dr. Dittrich: Stellenzulagen für Beamte des mittleren Dienstes bei der Bundespost Dr. Steinmetz, Staatssekretär . . 626 B Frage des Abg. Keller: Ortstarif im Brief- und Fernsprechverkehr zwischen Bonn und Bad Godesberg Dr. Steinmetz, Staatssekretär . . 626 C, D, 627 A, B, C, D, 628A Keller (FDP) . . . . . . . . . 626 D Büttner (SPD) . . . . . . . . . 626 D Wittrock (SPD) 627 A, B Stiller (CDU/CSU) . . . . . . 627 C Hauffe (SPD) . . . . . . . . 627 C Ritzel (SPD) 627 D, 628 A Frage des Abg. Schmidt (Kempten) : Sonderstempel „Kampf gegen die Malaria" Dr. Steinmetz, Staatssekretär . . 628 A, B Schmidt (Kempten) (FDP) . . . . 628 B Frage des Abg. Blachstein: Versorgung der Gebiete Ostfriesland und Emsland mit Fernsehprogrammen Dr. Steinmetz, Staatssekretär . . 628 B, D Blachstein (SPD) . . . . . . . 628 C, D Frage des Abg. Ritzel: Bezüge des Prof. Dr. Gladenbeck als Geschäftsführer der Gesellschaft Freies Fernsehen von Eckhardt, Staatssekretär . . 628 D 629 B, C Ritzel (SPD) 629 B Dr. Hettlage, Staatssekretär . . 629 C Erler (SPD) 629 C Frage des Abg. Sanger: Äußerung des Bundeskanzlers über eine Konferenz der Außenminister Lahr, Staatssekretär . 629 D, 630 A, B Sänger (SPD) 630 A II Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 19. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. März 1962 Frage des Abg. Schmidt (Kempten) : Verurteilung deutscher Studenten durch ein römisches Schwurgericht Lahr, Staatssekretär . . . 630 B, C. D Schmidt (Kempten) (FDP) . . . 630 B, C Erler (SPD) 630 D Frage des Abg. Keller: Blumenspende bei Beerdigung von Bundesbediensteten Höcherl, Bundesminister . 630 D, 631 A Keller (FDP) 630 D Frage des Abg. Bauer (Würzburg) : Teilnahme von Mitgliedern österreichischer Jugendverbände am Winterlager des „Bundes Heimattreuer Jugend" Höcherl, Bundesminister . . . . 631 A, C Bauer (Würzburg) (SPD) 631 C Frage des Abg. Bading: Auskunftserteilung der Bundesregierung über die Ausführung der Beschlüsse des Bundestages Höcherl, Bundesminister 631 D, 632 A, B, C, D Bading (SPD) • . . . . 631 D, 632 A Dr. Mommer (SPD) 632 A, D Börner (SPD) 632 B Jahn (SPD) 632 B, C Ritzel (SPD) . . . . . . . . 632 C Frage des Abg. Busse: Tätigkeit von Richtern in Umlegungsausschüssen Dr. Strauß, Staatssekretär . . . 632 D, 633 A, B Busse (FDP) 633 A Dr. Ramminger (CDU/CSU) . . . 633 A Frage des Abg. Wittrock: Gesetzentwurf zur Reform des Strafregisters Dr. Strauß, Staatssekretär . 633 B, C, D Wittrock (SPD) 633 B, C Dr. Dittrich (CDU/CSU) . . . . 633 D Frage des Abg. Dr. Brecht: Gesetzentwurf über ein soziales Miet- und Wohnrecht Dr. Strauß, Staatssekretär 633 D, 634 A Dr. Brecht (SPD) . . . . 633 D, 634 A Frage des Abg. Dr. Brecht: Werkwohnungen und freifinanzierte neue Wohnungen bei der Regelung des sozialen Miet- und Wohnrechts Dr. Strauß, Staatssekretär . 634 B, C, D Dr. Brecht (SPD) 634 B Büttner (SPD) 634 C Fragen der Abg. Frau Dr. Diemer-Nicolaus: Zusammenveranlagung von Ehegatten zur Einkommensteuer Dr. Hettlage, Staatssekretär . 635 A, B, C, D Frau Dr. Diemer-Nicolaus (FDP) 635 B, C Frau Meermann (SPD) . . . . . . 635 D Fragen des Abg. Dr. Dollinger: Mangel an Zwei-Pfennig-Münzen Dr. Hettlage, Staatssekretär . . . . 636 A Fragen des Abg. Stiller: Betriebsprüfungen Dr. Hettlage, Staatssekretär . . 636 B, C Stiller (CDU/CSU) 636 C Frage des Abg. Müller (Nordenham) : Beihilfen für Gasölbetriebe Dr. Hettlage, Staatssekretär 636 D, 637 A Müller (Nordenham) (SPD) 636 D, 637 A Frage des Abg. Wendelborn: Zollfreier Treibstoff für den Segelflugsport Dr. Hettlage, Staatssekretär . . . . 637 A Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1962 (Haushaltsgesetz 1962) (Drucksache IV/200) — Fortsetzung der ersten Beratung — Schoettle (SPD) . . . . . . . . 637 C Dr. Vogel (CDU/CSU) 645 C Kreitmeyer (FDP) 652 B Niederalt (CDU/CSU) 654 C Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller (SPD) 658 C Dr. Schmidt (Wuppertal) (CDU/CSU) 662 A Dr. Deist (SPD) . . . . 664 B, 681 D Dr. Dr. h. c. Erhard, Bundesminister 674 A Dr. Dahlgrün (FDP) 678 A Dr. Burgbacher (CDU/CSU) . . . 679 D Hermsdorf ,(SPD) . . . 681 C, 688 A Struve (CDU/CSU) 682 D Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 19. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. März 1962 III Dr. Starke, Bundesminister . . . 683 C Ritzel (SPD) 688 C D. Dr. Gerstenmaier (CDU/CSU) 689 A Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung ,des Wirtschaftsplans des ERP-Sondervermögens für das Rechnungsjahr 1962 (ERP-Wirtschaftsplangesetz 1962) (Drucksache IV/237) — Erste Beratung — Wacher (CDU/CSU) 690 B Zoglmann (FDP) . . . . . . . 690 B Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes (SPD) (Drucksache IV/67) — Erste Beratung — Seuffert (SPD) . . . . . . . . 690 D Dr. Schmidt (Wuppertal) (CDU/CSU) 693 D Freiherr von Kühlmann-Stumm (FDP) 695 A Nächste Sitzung 695 D Anlage 697 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 19. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. März 1962 625 19. Sitzung Bonn, den 14. März 1962 Stenographischer Bericht Beginn: 9.03 Uhr.
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    Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Arendt (Wattenscheid) 15. 3. Dr. Arnold 16. 3. Dr. Aschoff 14. 3. Dr. Atzenroth 23. 3. Dr. Dr. h. c. Baade 13. 4. Berlin 23. 3. Dr. Birrenbach 16. 3. Brand 15. 3. Dr. von Brentano 14. 3. Corterier 15. 3. Cramer 12. 4. Drachsler 15. 3. Dr. Dr. h. c. Dresbach 14. 3. Dr. Eppler 16. 3. Dr. Franz 14. 3. Dr. Furler 16. 3. Gerns 14. 3. Geiger 16. 3. Glombig 16. 3. Frau Herklotz 14. 3. Dr. Hesberg 6. 4. Hoogen 14. 3. Iven (Düren) 14. 3. Frau Jacobi (Marl) 16. 3. Dr. Kohut 20. 3. Kraus 16. 3. Dr. Kreyssig 15. 3. Krüger 31. 3. Kühn (Hildesheim) 16. 3. Leber 15. 3. Lenz (Bremerhaven) 16. 3. Lenze (Attendorn) 15. 3. Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Liehr (Berlin) 16. 3. Dr. Löbe 16. 3. Dr. Löhr 14. 4. Dr. Baron Manteuffel-Szoege 14. 3. Margulies 14. 3. Dr. h. c. Menne (Frankfurt) 16. 3. Dr. Menzel 31. 3. Dr. Miessner 31. 3. Müller (Remscheid) 15. 3. Dr. Müller-Emmert 16. 3. Neumann (Allensbach) 16. 3. Oetzel 7. 4. Dr. h. c. Pferdmenges 23. 3. Pöhler 16. 3. Dr. Reinhard 16. 3. Reitzner 31. 3. Riedel (Frankfurt) 31. 3. Dr. Schneider 26. 3. Schulhoff 14. 3. Seifriz 16. 3. Dr. Sinn 16. 3. Steinhoff 16. 3. Storch 15. 3. Striebeck 23. 3. Strohmayr 14. 3. Verhoeven 16. 3. Frau Dr. h. c. Weber (Essen) 23. 3. Weinkamm 16. 3. Werner 14. 3. Dr. Winter 14. 3. Wullenhaupt 16. 3. b) Urlaubsanträge Schlick 14. 4.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Erwin Schoettle


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich befinde mich in der nicht gerade angenehmen Lage, mich gleich zu Beginn dieser Debatte einer Situation gegenübergestellt zu sehen, die eigentlich nicht der Würde dieses Hauses entspricht;

    (Zustimmung bei der SPD.)

    Denn daß bei einer Debatte über den Bundeshaushalt, der die 'Gesamtheit der Bundesregierung angeht, die Regierungsbank so besetzt ist, wie wir es vor uns sehen, ist eigentlich nicht gerade der Stil, den wir uns wünschen.

    (Beifall bei der SPD.)

    Leider muß man sich mit manchen dieser Stilwidrigkeiten abfinden, weil sie offenbar sehr schwer zu
    ändern sind; aber ich glaube, das Haus sollte sich



    Schoettle
    nicht länger von Fragen aufhalten lassen, die nicht nur Etikettefragen sind.

    (Zuruf von der SPD: Wo ist denn der Bundesfinanzminister?)

    Ich hoffe, der Bundesfinanzminister wird noch im Laufe der Beratung eintreffen. Sein Staatssekretär sitzt ja auf der Regierungsbank; aber es wäre besser, wenn er dieser Debatte von Anfang an beiwohnen würde.
    Nun, meine Damen und Herren, lassen Sie mich endlich beginnen! Der Herr Bundesfinanzminister hat gestern diesem Hause einen Etat vorgelegt, der schon seit geraumer Zeit Gegenstand der öffentlichen Diskussion und noch mehr Gegenstand zahlloser Gespräche und Verhandlungen hinter den Kulissen gewesen ist. Selten in der kurzen Geschichte dieser Bundesrepublik ist ein Haushalt mit so großer Verspätung und unter solchen Krämpfen eingebracht worden. Es ist der Haushalt einer neuen Bundesregierung, die zu ihrem Zustandekommen selbst geraume Zeit gebraucht hat und unter Umständen geboren worden ist, die ja noch in aller Erinnerung sind. 'Es ist zugleich ein Haushalt, der eine entscheidend veränderte finanzpolitische Lage signalisiert.
    Der Herr Bundesminister der Finanzen hat in seiner gestrigen Rede noch ein Übriges getan; er hat die Lage in einer Weise dramatisiert, die nicht ganz den tatsächlichen Gegebenheiten entspricht. Das gilt sowohl für die Konjunktur, die die Grundlage auch der finanzpolitischen Entscheidungen der öffentlichen Hand ist, als auch für die haushaltspolitische Situation; die ist sicher nicht besonders erfreulich, wenn man an vergangene Jahre denkt. Da war es nicht nur leichter, den vom Grundgesetz vorgeschriebenen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen, man konnte auch fast risikolos damit rechnen, daß die Steuereingänge alles in allem schließlich doch ausreichen würden, um nicht nur die Ansätze des ordentlichen Haushalts zu decken, sondern auch den außerordentlichen Haushalt aus laufenden Einnahmen zu finanzieren, ohne daß man von den Anleiheermächtigungen des Haushaltsgesetzes Gebrauch machen mußte.
    Das ist nun offenbar vorüber. Dem Herrn Bundesfinanzminister der vierten Regierung Adenauer ist daraus kaum ein Vorwurf zu machen. Er hat ein Erbe übernommen, und sicher blieb ihm wenig Zeit, tiefgründige Untersuchungen über Einzelheiten des Haushalts anzustellen, dessen Grundlagen wohl schon Monate vor seiner Amtsübernahme gelegt worden sind.
    Was ist nun geschehen, meine Damen und Herren, was die Lage für den Bundeshaushalt so verändert hat, daß tatsächlich ernste Schwierigkeiten für den Haushaltsausgleich entstanden sind? Wo sind die Veränderungen? Gestern ist uns beinahe mit der Haushaltsrede des Herrn Bundesfinanzministers auch der Finanzbericht 1962 auf den Tisch gelegt worden. Ich glaube nicht, daß es einem Mitglied dieses Hauses möglich gewesen sein wird, in den wenigen Stunden dieses, verglichen mit seinen Vorgängern, auch umfangreichere Opus zu lesen, geschweige denn gründlich zu studieren, obwohl es ein gründliches Studium in der Tat wert ist. Denn es enthält eine Fülle von Tatsachen und Feststellungen, die zwar noch längst nicht das darstellen, was wir unter einer volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung verstehen würden, die aber doch immerhin eine Grundlage für die Beurteilung bestimmter Aspekte der Finanzpolitik des Bundes und der öffentlichen Hand in der Bundesrepublik ganz allgemein 'darbieten.
    Da ist vor allem — da einige Statistiken ja schon auf den ersten Blick hängenbleiben — die Feststellung interessant, die wir auf Seite 29 des Finanzberichts nachlesen können, daß der gesamte öffentliche Finanzbedarf trotz des lauten Rufens mancher Leute, die das Gegenteil behaupten, in den Jahren von 1958 bis 1961 im Durchschnitt um 9,9 % zugenommen hat und damit unter dem durchschnittlichen Wachstum des Bruttosozialprodukts lag. Das ist eine interessante Feststellung. Mit 29,3 % des Bruttosozialprodukts ist der Anteil des reinen Finanzbedarfs der öffentlichen Verwaltung seit 1951 fast konstant geblieben. Im Vergleich zum Haushaltsjahr 1958/59 ist er sogar gesunken. Die ewige Klage über die wachsende Gefräßigkeit der öffentlichen Hand muß im Lichte dieser Zahlen, die das Bundesfinanzministerium und seine sachverständigen Mitarbeiter uns liefern, doch etwas anders aussehen, ,als man gemeinhin behauptet.
    Auch die Behauptung, daß wir in der Bundesrepublik die höchste Besteuerung in der westlichen Welt haben, muß in etwa auf die Tatsachen zurückgeführt werden. Ganz abgesehen davon, daß die Steuerlast nicht durchweg gerecht verteilt ist —darüber wird an anderer Stelle noch zu reden sein — und daß unsere Spitzenbelastung unter dem liegt, was anderwärts üblich ist — und das ist eine bescheidene Feststellung —, muß man feststellen: Daß die steuerliche Belastung in den Jahren der Hochkonjunktur absolut gestiegen ist, liegt vor allem an unserem deutschen Steuersystem, das bei wachsendem Sozialprodukt und gleichbleibendem Steuerrecht die Steuereinnahmen überproportional zunehmen läßt. Daraus erklärt sich die Kassenfülle bei der öffentlichen Hand in den vergangenen Jahren weit besser, als etwa aus angeblich überhöhten Steuersätzen. Ich kann diese Überlegung hier nicht weiter vertiefen. Nur soviel noch: Hier scheinen uns Möglichkeiten für die Finanzpolitik zu liegen, die freilich in eine andere Richtung weisen als 'diejenige, die unsere Steuergesetzgebung in den letzten Jahren unter dem Druck lautstarker Interessentengruppen und vor allem in den Wahlzeiten eingeschlagen hat.
    Was ist nun geschehen, so frage ich noch einmal, was die Lage des Bundeshaushalts so verändert hat, daß mit einer beträchtlichen Diskrepanz zwischen Einnahmen und Ausgaben gerechnet werden muß und daß der Ausgleich des Haushalts des Bundes mit den bisher üblichen Mitteln offenbar Schwierigkeiten bereitet? Die Antwort ist einfach. Die Aufgaben und damit die Ausgaben beim Bund haben sich im Verhältnis zu den zwar immer noch wachsenden Einnahmen so gesteigert, daß die Schere



    Schoettle
    zwischen Einnahmen und Ausgaben sich beträchtlich öffnen mußte, zumal das Steueraufkommen sich ebenfalls zu ungunsten des Bundes anders verteilte als früher, wie ein Blick auf die Zahlen des Finanzministeriums dartut. Aber dieses Beweises hätten wir gar nicht bedurft; denn die Tatsachen sind ja seit längerem bekannt.
    Der Anteil des Bundes am Steueraufkommen geht, verglichen mit 1953, wo er 56 % betrug, im Steuerjahr 1962 auf 52,5 % zurück, während der Anteil der Länder von 25,4 % im Jahre 1953 auf 32,2 % ansteigt. Da gleichzeitig die Aufgaben des Bundes beträchtlich gewachsen sind, ergibt sich in der Tat die neue haushaltspolitische Lage, die den Herrn Bundesfinanzminister sicher vor eine schwierige Aufgabe stellt. Wenn es richtig ist, daß die Anforderungen der einzelnen Bundesministerien um das Doppelte höher lagen als das, was schließlich nach schwerem Ringen in den Regierungsentwurf einging, dann muß man dem Herrn Bundesfinanzminister eigentlich Kredit dafür einräumen, daß er eine noch stärkere Steigerung abgewehrt hat. Ich bitte das aber nicht in Anführungszeichen zu verstehen.
    Was wir jetzt vor uns haben, ist immer noch ein starkes Stück: eine Steigerung des Haushaltsvolumens um 6,9 Milliarden DM, das sind 14,8 % gegenüber dem Vorjahr.
    Sicher gibt es viele — auch anerkennenswerte — Gründe für diese Steigerung. Es läßt sich nicht leugnen, daß die internationale Lage, wie sie sich nach dem 13. August des vorigen Jahres gestaltet hat, erhöhte Anstrengungen im militärischen Bereich und auf manchen anderen Gebieten notwendig gemacht hat. Die Anstrengungen der Bundesrepublik für die Entwicklungshilfe sind ebenfalls gewachsen, und dafür gibt es gute Gründe. Auch die Hilfe für Berlin müßte gesteigert werden, und wir Sozialdemokraten sind sicher die letzten, die dagegen Einwendungen erheben werden; im Gegenteil, wir wünschten, und wir möchten das mit allem Nachdruck hier zum Ausdruck bringen, daß gerade in diesem Punkt sich nicht eine Denkrichtung durchsetzen kann — die es gibt —, die etwa mit dem Gedanken spielt, daß man erst die Entscheidung über das Schicksal dieser bedrohten Stadt abwarten wolle, ehe man wirksame Maßnahmen zur Sicherung der Lebensfähigkeit dieses vorgeschobenen Postens demokratischer und freiheitlicher Lebensweise trifft.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Es ist auch richtig, daß der Übergang in die zweite Phase des gemeinsamen europäischen Marktes, der durch die schwierigen Verhandlungen in Brüssel um die Jahreswende eingeleitet worden ist, Maßnahmen für unsere einheimische Landwirtschaft notwendig macht, die ihr den Übergang erleichtern, aber auch materielle Anstrengungen des Bundes verursachen.
    Wenn man alle diese Faktoren akzeptiert, dann bleibt der Sprung nach oben doch außerordentlich; und dabei sind — auch das muß hier angemerkt werden — noch einige Belastungen nicht berücksichtigt, die zweifellos auf den Bundeshaushalt zukommen. Ich denke dabei nur an die Reform der Beamtenbesoldung, die anläßlich der Debatte um das Weihnachtsgeld für die Angehörigen des öffentlichen Dienstes in Gestalt einer Novelle zur Besoldungsordnung in Aussicht gestellt worden ist, und daran, daß auch im Bereich der Kriegsopferversorgung einiges wird getan werden müssen, — um nur zwei ,der gravierenden Punkte zu nennen, für die der Entwurf des Haushalts nichts vorsieht. Es wird diesem Hause nicht erspart bleiben, in absehbarer Zeit zu diesen Fragen Stellung zu nehmen und Farbe zu bekennen.
    Aber selbst wenn man davon absieht, so steht schon jetzt die Tatsache fest, daß der Haushalt des Jahres 1962 nicht ausgeglichen werden kann — wie es das Grundgesetz befiehlt—, wenn man nicht zu außerordentlichen Mitteln greift. Der Herr Bundesfinanzminister hat solche außerordentlichen Mittel selbst ins Auge gefaßt. Es ist zu fragen, ob es die richtigen Mittel sind.
    Wir Sozialdemokraten sind bereit, diese Frage sehr ernst und gewissenhaft zu prüfen. Denn obwohl wir auch in der 4. Legislaturperiode des Bundestages in der Opposition stehen — nach Herrn Mende war es ja geradezu das wichtigste Anliegen seiner Partei oder vieleicht ihrer Hintermänner, die Sozialdemokratie von der Regierung fernzuhalten—, fühlen wir keine geringere Verantwortung für eine gesunde Finanzwirtschaft des Bundes als die Träger der Regierungsverantwortung.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der CDU/CSU.)

    Unsere Ansichten über die Rangordnung der öffentlichen Aufgaben werden zwar in manchen Punkten von denen abweichen, 'die die Regierung vertritt und die sie in ihrem Haushaltsgesetzentwurf niedergelegt hat. Aber im Bemühen, mit dem Blick auf 'das Ganze und das allgemeine Interesse die Schwierigkeiten der finanzpolitischen Situation zu meistern, werden wir sicher nicht die Letzten sein.
    Übrigens hat auch der gegenwärtige Herr Bundesfinanzminister selbst gelegentlich durchblicken lassen, daß dieser Haushalt in manchen Punkten nicht seinen Auffassungen entspreche; und das war nicht etwa zu der Zeit, als er mit seiner Partei noch in der Opposition stand, sondern schon während seiner Ministertätigkeit; aber vielleicht waren das Anfangsschwierigkeiten.
    Sicher ist 'die Aufgabe für ihn nicht leicht. Er muß sowieso oft in seiner jetzigen Rolle Dingen abschwören, die er in den glücklichen Tagen vor seinem Eintritt in die Regierung entschieden vertreten hat; ich denke dabei nur an die Kaffee- und Teesteuer.

    (Beifall bei der SPD. — Abg. Niederalt: Die Opposition hat es leichter!)

    — Vielleicht läßt sich das hier feststellen, Herr Kollege Niederalt.
    Herr Dr. Starke hat vor allem die letzten Passagen seiner gestrigen Rede sehr auf Moll gestimmt, und manches von dem, was er an Warnungen aussprach, könnte man durchaus akzeptieren, wenn man nicht unterstellen müßte, daß



    Schoettle
    manche dieser Warnungen nicht im rechten Gleichgewicht zu den Aufgaben stehen, die der öffentliche Haushalt und vor allem der Haushalt des Bundes auch in den nächsten Jahren zu bewältigen haben wird. Die „ungedultige Häufung der Ausgaben", von der der Herr Bundesminister gestern sprach, war schließlich nicht nur Willkür oder Verschwendungssucht des Parlaments, sondern in vielen, vielen Fällen Ergebnis bitterer Notwendigkeiten, während — das muß man hinzufügen — auf der anderen Seite die Träger der Regierungsverantwortung und die Mehrheit dieses Hauses in den Jahren der Hochkonjunktur und vor allem in Zeiten der herannahenden Wahlen entgegen den Warnungen der Opposition steuerpolitische Maßnahmen beschlossen haben, die zwar den Beschenkten Freude bereitet halben, aber den Bundesfinanzen im Hinblick auf die zu lösenden Aufgaben schädlich waren. Mancher dieser unzeitigen Beschlüsse wirkt auch heute noch nach.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Werfen wir nun einen Blick auf die Verteilung der Gewichte in diesem Haushalt, wobei es sich natürlich nur um eine Betrachtung der Größenverhältnisse im großen und ganzen handeln kann. Da fällt uns auf, daß die entscheidende Steigerung beim Verteidigungshaushalt eingetreten ist. Rund 16,5 Milliarden DM entfallen auf die Verteidigungsausgaben und davon 15 Milliarden allein auf die Bundeswehr. Neben diesen 15 Milliarden nimmt sich der Betrag von 800 Millionen für die zivile Verteidigung recht bescheiden aus. Gerade dieses Gebiet ist von der Bundesregierung jahrelang vernachlässigt worden, und auch jetzt will uns scheinen, daß der zivile Bevölkerungsschutz, sowohl was die Planung angeht wie in seiner finanziellen Ausstattung, noch immer in unzulässiger Weise im Schatten steht.

    (Sehr wahr! bei der SPD. — Abg. Dr. Conring: Was sagt denn Herr Hoegner dazu?)

    Der Verteidigungshaushalt selbst mit seiner außerordentlichen Steigerung von rund 4 Milliarden zeigt zweierlei. Er zeigt erstens, wie sehr wir Sozialdemokraten in früheren Jahren recht hatten mit unseren Voraussagen hinsichtlich der Tendenz der militärischen Lasten, sprunghaft anzuwachsen.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Man hat uns damals gelegentlich etwas höhnisch als schlechte Propheten bezeichnet, aber ich glaube, die Tatsachen geben uns doch recht, und wenn nicht alle Anzeichen trügen, wird auch der Haushalt des nächsten Jahres diese Tendenz bestätigen. Man hört auch jetzt schon Summen nennen, die in diese Richtung deuten.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Zweitens zeigt uns die Höhe des Verteidigungsaufwandes auch, wie wichtig Fortschritte zu einer vereinbarten und kontrollierten, gleichwertigen Abrüstung wären. Wir wissen natürlich auch um die Schwierigkeiten, die auf dem Wege zu einer solchen, der menschlichen Vernunft und den tatsächlichen Interessen aller Völker entsprechenden Lösung zu überwinden sind. Wir meinen aber, daß die deutsche Politik nicht nur einen fairen Anteil an den Verteidigungslasten der westlichen Allianz übernehmen muß, sondern daß sie auch ihren geistigen Beitrag zur Abrüstungsstrategie des Bündnisses zu leisten hätte.

    (Beifall bei der SPD.)

    Dieser Beitrag, meine Damen und Herren, sollte nicht nur in Bedenken gegen Gedanken anderer bestehen; er sollte auch zu positiven deutschen Vorstellungen auf diesem Gebiet führen.

    (Erneuter Beifall bei der SPD.)

    Schließlich möchte ich zu diesem Thema „Verteidigungshaushalt" noch anmerken, daß er angesichts der Gesamtfinanzlage des Bundes nicht wie in den vergangenen Jahren ein Blümchen Rührmichnichtan sein darf. Wir sind der Auffassung, daß der Verteidigungshaushalt genauso sorgfältig wie andere Einzelpläne daraufhin geprüft werden muß, ob nicht auch in ihm Möglichkeiten für Einsparungen und Kürzungen liegen, die einen Beitrag zur Entspannung der Haushaltslage liefern,

    (Beifall bei der SPD)

    ohne die Wirksamkeit unserer Verteidigungsbemühungen zu schmälern.
    Der Bundesfinanzminister hat in seiner Rede, wie das nur natürlich und seit Jahren Übung ist, den Sozialhaushalt des Bundes in eine Parallele zu den Verteidigungslasten gestellt. Man könnte ihm nicht gut darin widersprechen, daß die für soziale Zwecke, wie er sagte, aufgewendeten Leistungen des Bundes in den letzten Jahren erheblich zugenommen haben, sofern man alles das als Sozialleistungen akzeptiert, was die offizielle Terminologie unter diesem Begriff verstanden haben will. Gerade in diesem Punkt, meine Damen und Herren, müssen wir ganz entschieden widersprechen; denn nicht der Sozialhaushalt der Bundesrepublik ist der höchste in der westlichen Welt, wie immer wieder behauptet wird, sondern der Kriegsfolgenhaushalt.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Die angeblichen Soziallasten sind zu einem großen Teil nichts anderes als die Folge zweier Weltkriege, insbesondere des letzten, der für unser Volk neben den unerhörten politischen Belastungen für die Nachkriegszeit auch unerhörte Lasten an Gut und Blut gebracht hat. Wir verstehen eigentlich nicht, warum die Bundesregierung diesen Tatbestand immer wieder dadurch vernebelt, daß sie all das, was an Kriegsfolgelasten in unserem Haushalt seinen Niederschlag findet, in die unzutreffende und irreführende Verpackung „Sozialhaushalt" steckt.

    (Beifall bei der SPD.)

    Auch wenn man der offiziellen Terminologie folgen wollte, ist nur richtig, daß die Leistungen der absoluten Höhe nach angestiegen sind. Ihr verhältnismäßiger Anteil an den gesamten Bundesausgaben ist aber ständig zurückgegangen. Auch das kann man nachlesen, wenn man die Statistiken ins Auge faßt. Er betrug im Jahre 1950 37 %, im Jahre 1957 30,4 %, und in diesem Haushalt 1962 ist er auf rund



    Schoettle
    25 % abgesunken. Das ist erklärlich angesichts des Steigens des Verteidigungshaushalts.
    Da sich die Relationen einfach von Grund auf verändert haben, ergibt sich, auch wenn man die sogenannten Soziallasten auf das Sozialprodukt bezieht, eine fallende Tendenz. Ihr Anteil am Sozialprodukt, und zwar Bund, Länder, Gemeinden und Sozialversicherung zusammengenommen, erreichte im Jahre 1958 mit 14,1 % seinen Höhepunkt. Nach den Mitteilungen des Herrn Bundesfinanzministers in seiner gestrigen Rede beträgt der Anteil jetzt 12,7 %.
    Die gleiche Tendenz zeigen auch die Sozialleistungen des Bundes. Sie haben den Höhepunkt mit 4,9 % des Sozialprodukts im Jahre 1953 erreicht und sind jetzt auf 3,6 % gesunken.
    Demgegenüber — das muß man auch feststellen — sind die Sozialleistungen aus Beiträgen gestiegen, und zwar von 5,7 % des Sozialprodukts im Jahre 1953 auf 8,2 % in diesem Jahr. Es hat also eine Verlagerung der Sozialausgaben stattgefunden von den Leistungen des Bundes zu Lasten der Beitragszahlung.

    (Sehr gut! bei der CDU/CSU.)

    Das wirkt sich negativ nicht nur für die beschäftigten Arbeiter und Angestellten aus, sondern auch für die lohnintensiven Betriebe, die ja in einem höheren Umfang zu den Soziallasten herangezogen werden als andere.
    Zu dem größeren Brocken im neuen Bundeshaushalt gehört auch die Entwicklungshilfe in ihren verschiedenen Formen und Spielarten. Wenn man alles zusammennimmt, stehen da runde 5 Milliarden, d. h. nahezu 10 % des Haushaltsvolumens, zu Buche, und dazu eine neues Ministerium, das man angesichts des großen Umfangs und der Kompliziertheit der Aufgabe eigentlich begrüßen muß, was wir keineswegs für alle Neuschöpfungen dieser vierten Regierung Adenauer sagen wollen. Das Ministerium ist neu und seine Aufgabe im großen und ganzen auch. Es sind viele Erfahrungen zu sammeln, und es ist vielleicht auch manches Lehrgeld zu zahlen. Wir Sozialdemokraten wünschen, daß dieses Ministerium voll arbeitsfähig wird. Daß es dazu die nötigen Arbeitskräfte in ausreichendem Umfang braucht, bejahen wir. Aber die personelle Ausstattung dieses neuen Ministeriums ist nur die eine Seite des Problems.
    Die andere ist, wie uns scheint, eine klare Ordnung der Zuständigkeiten, die Reibungen und Überschneidungen nach Möglichkeit verhindert. Aufgaben, die bisher mindestens bei sieben Ressorts verteilt waren, müssen auf das Entwicklungsministerium übergehen. Auswärtiges Amt und Wirtschaftsministerium werden entsprechende Abteilungen und Referate an das neue Ministerium abzugeben haben, so daß im ganzen nicht eine weitere Aufblähung des Apparats zustande kommt, sondern eine wirklich konzentrierte und koordinierte Arbeit. Wenn das nicht geschähe, würde das bisherige Nebeneinander bestehen bleiben und die dringend notwendige Konzentration und Koordinierung unserer Entwicklungspolitik nicht erreicht werden.
    Wir verkennen nicht, daß auch bei einer Zusammenfassung der Arbeiten und der Verantwortlichkeiten in dem neuen Ministerium eine Koordinierung mit anderen Ministerien notwendig ist. Das Auswärtige Amt wird auch weiterhin die außenpolitischen Aspekte der Entwicklungshilfe bearbeiten, und das Bundeswirtschaftsministerium wird auch künftig prüfen müssen, ob die Entwicklungspolitik mit den wirtschaftlichen und finanziellen Möglichkeiten der deutschen Wirtschaft übereinstimmt. Dafür aber stehen diesen beiden Ressorts auch nach Abgabe ihrer Referate oder Abteilungen für die Entwicklungspolitik ausreichende Kräfte zur Verfügung.
    Noch eine Anmerkung zu diesem Thema. Wir Sozialdemokraten glauben, daß die Verwendung aller Etatpositionen, die die Entwicklungshilfe betreffen, vom Bundestag sehr genau nachgeprüft werden muß.

    (Beifall bei der SPD.)

    Noch am Anfang des Monats Februar war die Bundesregierung nicht imstande, die einzelnen Positionen des Etats auf diesem Gebiete klar darzustellen und zu erläutern. 'Mit Recht sind deshalb im Parlament und in der Öffentlichkeit Befürchtungen aufgetaucht, daß die Finanzierung der Entwicklungshilfe bis jetzt nicht ausreichend auf ihre Zweckmäßigkeit und Notwendigkeit hin geprüft worden sei. Wir schlagen deshalb vor, daß alle diese Etatstitel mit einem qualifizierten Sperrvermerk versehen werden, dessen Aufhebung nur im Einverständnis mit dem Haushaltsausschuß und dem Ausschuß far Entwicklungshilfe erfolgen dürfte.
    Es geht uns dabei keineswegs um die Verzögerung von Planungen und Leistungen, sondern ausschließlich um die zweckmäßige und wirksame Verwendung von Steuermitteln. Die Entwicklungshilfe der Bundesrepublik ist in der deutschen Öffentlichkeit und im Bewußtsein der Menschen in der Bundesrepublik nicht unumstritten, wie wir alle wissen. Vorhandenes oder entstehendes Mißtrauen kann aber abgewehrt und bekämpft werden, wenn Regierung und Parlament die Vergabe der großen Summen, um die es sich hier handelt, so öffentlich vornehmen, daß der Staatsbürger weiß, was mit seinem Gelde geschieht.
    Da wir gerade bei neuen Ministerien sind, die sich aus den langandauernden Verhandlungen um die Neubildung der Bundesregierung ergeben haben, noch eine andere Bemerkung! Die Ausgestaltung des neugeschaffenen Bundesministeriums für Gesundheitswesen erweckt den Eindruck, daß es sich hier wirklich nur um ein Ministerium handelt, mit dem man den Wünschen der Damen in der CDU nach einer Frau im Kabinett entgegenkommen wollte.

    (Sehr wahr! bei der SPD.)

    Nichts spricht dafür, meine Damen und Herren, daß man wirklich die Notwendigkeit erkannt hätte, den Fragen der Gesundheitspolitik auch vom Bund aus mehr Beachtung und Nachdruck zu verleihen als bisher.

    (Abg. Dr. Conring: Woher wissen Sie das?)




    Schoettle
    Damit, daß aus anderen Bundesministerien einige Gruppen herausgenommen und mit der bisherigen Gesundheitsabteilung des Innenministeriums vereinigt worden sind, ist noch keine tragfähige Grundlage für ein Gesundheitsministerium geschaffen. Wenn die so überaus wichtigen Aufgaben der Reinhaltung des Wassers und der Luft sowie der Lärmbekämpfung wirklich in der erforderlichen Weise durchgeführt werden sollen und wenn der Erlaß der Rechtsverordnungen, die durch Lebensmittelgesetz und Arzneimittelgesetz notwendig geworden sind, sich nicht noch weiter unerträglich verzögern soll, dann wird der Bundestag dafür Sorge tragen müssen, daß dieses Ministerium wirklich arbeitsfähig gemacht wird.

    (Beifall bei der SPD.)

    Meine Damen und Herren, auch der Haushalt des Ernährungsministeriums hat durch die Aufstockung des Grünen Plans eine beträchtliche Erhöhung erfahren. Wir wollen dagegen nicht argumentieren, obwohl die Zweckbestimmungen des Grünen Plans nicht in allen Punkten unserer Auffassung entsprechen. Es wäre aber nach unserer Meinung zweckmäßig und dringend erwünscht, den Grünen Plan mit dem Haushalt besser zu koordinieren. In diesem Jahr ist es lediglich dem Umstand, daß der Bundeshaushalt so spät im Parlament vorgelegt wird, zu verdanken, daß der Grüne Plan noch reibungslos eingeordnet werden konnte. Es sollte aber überlegt werden, ob für den normalen Ablauf der Haushaltsgesetzgebung — den wir hoffentlich doch noch einmal erreichen werden — der Termin für die Vorlage des Grünen Berichts an den Bundestag nicht vorverlegt werden könnte.
    Die Alternative dazu wäre ein wirklicher Nachtragshaushalt. Das wäre übrigens eine Methode, die sich auch sonst empfehlen würde. Aber wir kennen die Abneigung der Bundesregierung gegen Nachtragshaushalte, eine Abneigung, die wahrscheinlich ihre entscheidende Ursache in dem schwerfälligen Gang unserer Gesetzgebung hat, von dem auch die Haushaltsgesetzgebung betroffen ist. Auf jeden Fall: Koordinierung mit dem Haushalt wäre hier am Platze, und sie scheint uns auch möglich, wenn man sich anstrengt.
    Vielleicht darf ich hier eine Bemerkung machen, die etwas gewagt ist: überhaupt würde sich eine Abstimmung mancher Teile unserer Gesetzgebung mit dem Haushaltsgesetz und seiner Verabschiedung durchaus empfehlen! Ich sage das, obwohl mir bewußt ist, daß ich damit ein heißes Eisen berühre. Ich spreche hier zunächst einmal nur für mich selber. Ich spreche es offen aus, daß die bisherige Praxis der Verabschiedung von Haushaltsgesetzen und — völlig ohne Zusammenhang damit — finanziell wirksamen Gesetzen von häufig nicht geringem Gewicht eine wirklich konsequente und geplante Finanzpolitik außerordentlich erschwert hat.

    (Beifall auf allen Seiten.)

    Gerade angesichts der angespannten Finanzlage wird es immer schwieriger werden, die materiellen Ergebnisse solcher Gesetze dem laufenden Haushalt zu unterschieben. Hier wird ein scharfes Nachdenken und auch eine gewisse Eigendisziplin des Parlaments nötig sein.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Ich weiß nicht, in welchem Tempo wir dieses von
    mir für notwendig erachtete Ziel erreichen werden.
    In diesem Zusammenhang noch eine Frage, die zu stellen ich mir eigentlich abgeschworen hatte: Wie steht es mit der Reform unseres Haushaltsrechts?

    (Abg. Niederalt: Ausgezeichnet!)

    Wir haben so oft gehört, daß daran gearbeitet wird; aber das ist auch alles, was wir gehört haben. Im Finanzbericht des Jahres 1962, der uns in den letzten Tagen in die Fächer gelegt worden ist, finden wir nicht mehr als drei Seiten über ausländische Reformversuche. Ich meine, Wohltätigkeit beginnt auch hier zu Hause, und wir sollten endlich einmal damit anfangen, uns selber wohlzutun, indem wir wirklich in allem Ernst an die Reform unseres Haushaltsrechts gehen; diese Angelegenheit muß etwas ernsthafter betrieben werden als bisher. Unsere alte gute Reichshaushaltsordnung hat es wirklich nötig, einmal auf etwas jüngere Beine gestellt zu werden.

    (Beifall bei der SPD.)

    Ehe ich mich den Problemen des Haushaltsausgleichs zuwende, zu denen vieles zu sagen ist, möchte ich noch einige Anmerkungen zu Einzelheiten machen, die ihrer zahlenmäßigen Größe nach nicht allzu gewichtig sind, die aber von einer gewissen politischen Bedeutung sind.
    Da ist einmal die Art, wie die Bundesregierung in diesem Haushalt mit ihrem Versprechen umgeht, die Erfordernisse des sogenannten Goldenen Plans der Deutschen Olympischen Gesellschaft in die Tat umzusetzen. Gewiß, der Bundesfinanzminister hat gestern gesagt, daß man das eine lassen müsse, um das Wichtigere tun zu können. Das ist eine schöne Maxime. Ich möchte aber sagen, es gibt doch wohl neben den Sicherheitsanstrengungen, die auch unzulänglich wären, wenn sie sich nur auf das Militärische beschränkten, nichts Wichtigeres als die Gesundheit unseres Volkes.

    (Beifall bei der SPD.)

    Im Bereich des Sports und der Körperpflege heißt das für den Bundeshaushalt nicht viel mehr, als daß seine Leistungen in diesem Jahr nicht auf 30 Millionen DM zurückgesetzt werden sollten; sie müßten eigentlich auf die ursprünglich vorgesehenen 40 Millionen DM erhöht werden. Der Bund bliebe auch dann noch hinter den mehrfach gegebenen Zusagen zurück. Er bliebe auch hinter dem zurück, was die Länder tun, die im Schnitt bereits 80 % ihrer Zusagen erreicht haben, ganz zu schweigen von den Gemeinden, die zum Teil noch über dem Länderdurchschnitt liegen.
    Eine andere Kleinigkeit — wie man vielleicht sagen wird; ich betrachte sie als eine nicht unbedeutende Sache — möchte ich hier ebenfalls zur Sprache bringen. Sie gehört sicher in den Bereich der Organisationsgewalt der Bundesregierung, auf die man sich bei solchen Gelegenheiten zurückzieht. Aber die Wirkungen des Vorgangs, von dem ich sprechen will, gehen weit darüber hinaus und be-



    Schoettle
    rühren ernste volkswirtschaftliche Probleme. Die Bundesregierung hat es für richtig gehalten, die Pause zwischen dem Auseinandergehen des 3. Bundestages und dem Zusammentritt des 4. Bundestages dazu zu benutzen, die Bauabteilung für Militärbauten vom Schatzministerium weg ins Verteidigungsministerium zu verlegen.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Aus diesem Hause sind gegen eine solche Entwicklung immer wieder Bedenken erhoben worden, die sich auf betrübliche Erfahrungen mit militärischen Bauabteilungen stützen konnten, bei denen die Verwirklichung der Bauabsichten um jeden Preis alle anderen Gesichtspunkte in den Hintergrund drängte. Genau das erleben wir jetzt mit der Bauabteilung beim Bundesverteidigungsministerium. Die Wirkung auf Bodenpreise und Baukosten in den betroffenen Gebieten ist bereits in verheerender Weise eingetreten.

    (Sehr wahr! bei der SPD.)

    Wir möchten in aller Form unseren Widerspruch gegen diese Maßnahme hier zum Ausdruck bringen. Die Bundesregierung wird sich nicht daran kehren; die Folgen wird sie allerdings zu verantworten haben.
    Nachdem ich einige kleine Dinge behandelt habe, möchte ich zu dem zentralen Problem des Haushaltsausgleichs kommen. Um die Frage, wie dieser Haushalt ausgeglichen werden soll, hat sich eine lebhafte Debatte entwickelt, an der auch die Öffentlichkeit mit Recht großen Anteil genommen hat. Dabei sind nicht nur finanzwirtschaftliche, sondern auch staats- und verfassungsrechtliche Fragen aufgetaucht, die keineswegs am Rande der Betrachtung liegen bleiben dürfen.
    Gehen wir zunächst einmal von den nüchternen Zahlen aus; der Herr 'Bundesfinanzminister hat gestern eine Reihe davon genannt. Ich kann mich darauf beschränken, von den Zahlen, die der Bundesfinanzminister seinem Ausgleichsvorschlag zugrunde legte, noch einmal die wichtigsten zu nennen. Sie sind in der bisherigen Diskussion nicht wesentlich verändert worden, können also auch hier als Grundlage akzeptiert wenden.
    Bei einem Ausgabevolumen von 54,7 Milliarden DM, über dessen Verteilung auf den ordentlichen und den außerordentlichen Haushalt noch ein Wort zu sagen sein wird, ist eine Deckungslücke — auf „deutsch" : ein Defizit — von rund 2,9 Milliarden DM festgestellt worden. Für die Bewältigung dieses Ausgabenüberschusses hat der Bundesfinanzminister einige Maßnahmen vorgeschlagen, die noch Gegenstand der Diskussion sind.
    Als erste nenne ich die Einstellung einer Minderausgabe von 560 Millionen DM. Wir finden sie in Ordnung. Denn die Summe ist bereits im Rechnungsjahr 1961 zu Lasten Ides Haushaltsjahres 1962 gezahlt worden, kann also aus allen Überlegungen ausscheiden.
    Die zweite Maßnahme, die der Herr Bundesfinanzminister vorgeschlagen hat, war 'die zwölfprozentige Kürzung aller nicht 'auf Rechtsverpflichtungen beruhenden Ausgaben der zivilen Ressorts — so heißt es in den Erklärungen dazu — mit 260 Millionen DM. Dazu ist zu sagen: eine solche brutale Maßnahme ist in jeder Hinsicht bedenklich. Würde sie wirklich angewandt, wäre das Budgetrecht des Parlaments in unerträglicher Weise ausgehöhlt. Denn jeder einzelne Ressortminister und seine Bürokraten hätten es dann in der Hand, Haushaltsansätze, die das Parlament beschlossen hat, so zu manipulieren, daß der Wille des Parlaments schließlich auf den Nullpunkt reduziert werden könnte. Deshalb hat dieser Vorschlag des Bundesfinanzministers mit Recht Widerspruch gefunden
    Der Haushaltsausschuß dieses Hohen Hauses selber, der sich mit Rücksicht auf die Zeitbedrängnis schon vor der offiziellen Überweisung des Etatentwurfs an die Arbeit gemacht hat, hat den bis jetzt, soweit ich sehe, erfolgreichen Versuch gemacht, jene Stellen ausfindig zu machen, an denen aus dem einen oder anderen guten Grund so gekürzt werden kann, daß der Betrag, den der Bundesfinanzminister durch das Fallbeil der 12 % herausholen wollte, zumindest erreicht werden kann. Ich sage: zumindest erreicht werden kann. Ich kann die Frage nicht ganz unterdrücken, meine Damen und Herren, ob dieser Effekt nicht schon in den Beratungen des Entwurfs auf der interministeriellen Ebene hätte erreicht werden können.
    Sehr richtig! bei der SPD.)
    Der groß aufgemachten Sparkommission der Koalition bedurfte es dazu bestimmt nicht. Man muß leider vermuten, daß sich die Tätigkeit dieser Kommission — das ist allerdings nur ein kleiner Seitenhieb — auf andere Gebiete konzentrieren wird, die sozialpolitisch bedenklich sein dürften.
    Notabene: die Beschränkung der geplanten zwölfprozentigen Kürzung auf die zivilen Ressorts wäre etwas, was wir auf keinen Fall hätten hinnehmen können. In dieser Hinsicht könnte auch der Verteidigungshaushalt nicht als tabu betrachtet werden. Es scheint, daß diese von mir vertretene Auffassung auch in den Kreisen der Koalition Boden gewonnen hat. Ich hoffe, daß sich in der Haushaltsberatung dieser Standpunkt durchsetzt.

    (Abg. Dr. Conring: Das werden Sie sehen!)

    — Ich hoffe sehr, Herr Kollege Conring, daß ich das erlebe; das wäre eine durchaus erwünschte Bereicherung meiner parlamentarischen Erfahrung.

    (Beifall bei der SPD.)

    Bleibt der dritte entscheidende Punkt, der Länderbeitrag zum Bundeshaushalt, den der Herr Bundesfinanzminister auf 1,74 Milliarden DM errechnet hat. Der Betrag ist identisch mit der Summe, die sich ergibt, wenn alle anderen vom Finanzminister vorgesehenen Ausgleichsmaßnahmen eingestellt sind, aber nicht dazu ausreichen die Lücke zu schließen. Arithmetisch sieht sich das Ganze tadellos an. Nur hat der Herr Bundesfinanzminister — das ist unsere Meinung —, ehe er diesen Betrag in seine Rechnung einstellte, nicht wirklich mit den Ländern verhandelt. Er hat seinen Entwurf einfach dem Bundesrat im regulären Gesetzgebungsgang zugeleitet. Erst dann kam die Diskussion in der Sache in Gang. Das



    Schoettle
    hat der Sache sicher nicht genützt. Wir halten dieses Verfahren nicht für gerade zweckmäßig im Hinblick auf den gewünschten Erfolg.
    Bei den Auseinandersetzungen im Bundesrat, die in Wirklichkeit eine Auseinandersetzung mit den Länderfinanzministern waren, hat sich gezeigt, welche Problematik in dem Ausgleichsvorschlag des Herr Bundesfinanzministers tatsächlich steckte. Die Länderfinanzminister machten ihrerseits über den Bundesrat eigene Deckungsvorschläge, deren Einzelheiten — bis auf zwei — hier nicht weiter interessieren, weil sie ziemlich aus der Diskussion verschwunden sind.
    Ein Vorschlag des Bundesrates, der die Einnahmeseite betrifft, könnte nach unserer, der Sozialdemokraten Meinung akzeptiert werden. Es handelt sich um die Steuerschätzungen. Der Bundesrat vertrat die Ansicht, daß der Bundeshaushalt bei der Steuererwartung von den gleichen Annahmen ausgehen sollte, wie sie die Länder ihren Haushalten für 1962 zugrunde gelegt haben — das ist vielleicht nicht ganz ungerechtfertigt —, wenn der Bund von den Ländern einen Beitrag zum Ausgleich seines eigenen Haushalts verlangt.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Da auch für den Bundeshaushalt in den Veranlagungen für 1960 und 1961 noch gewisse Reserven stecken, sollte man diesen Vorschlag des Bundesrates akzeptieren. Das würde eine Höherschätzung der Steuereinnahmen um zirka 290 Millionen DM bedeuten und die Deckungslücke um diesen Betrag verkürzen.
    Der weitaus bedenklichste Teil des bundesrätlichen Ausgleichsvorschlags war das Angebot, die beiden wichtigen Kulturtitel des Bundeshaushalts, die Wissenschaftsförderung — Wissenschaftsrat — und die Studentenförderung — Honnefer Modell — im Gesamtbetrag von 458 Millionen DM zu übernehmen. Zuerst sollten sowohl die Titel wie die Summen aus dem Haushalt des Bundes herausgenommen werden, also Aufgaben und Ausgaben von den Ländern übernommen werden. Zu einem späteren Zeitpunkt des Gesprächs ging man dann auf die bloße Übernahme der Kosten zurück, — zunächst, möchte ich hinzufügen, denn ich glaube die Hintergedanken einigermaßen zu kennen.
    In diesem Vorschlag steckt ein ernstes staats-
    und verfassungsrechtliches Problem. Einmal: über die Wissenschaftsförderung haben Bund und Länder in klarer Erkenntnis, daß es sich hier um eine gesamtstaatliche Aufgabe handelt, bindende Abkommen getroffen. Ähnliches gilt für die Studentenförderung nach dem Honnefer Modell. Wäre man den Vorschlägen des Bundesrats — sprich der Länder — gefolgt, wäre man ein gutes Stück hinter den bereits erreichten und bewährten Zustand zurückgefallen. Das darf unter keinen Umständen sein.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der FDP.)

    Hinter diesem Vorschlag des Bundesrates tauchte aber etwas anderes auf, nämlich die bei verschiedenen Länderchefs klar erkennbare Neigung, unter
    Berufung auf das Karlsruher Urteil im Fernsehprozeß die Kulturhoheit der Länder so extensiv zu interpretieren, daß der Bund aus jedem kulturpolitischen Engagement verdrängt wird. Die Flurbereinigung auf diesem Gebiet ist gewiß notwendig, und sie wäre vielleicht schon weiter gediehen, wenn die Bundesregierung ihrerseits bereits den angekündigten Katalog zur Abgrenzung der Aufgaben vorgelegt hätte.
    Unabhängig davon zeigt die Diskussion, die sich an diesem Punkt entwickelt hat, Tendenzen, die bis zur Schaffung neuer Institutionen für die Bewältigung überregionaler, ja gesamtstaatlicher Aufgaben durch Staatsverträge der Länder geht. Wir möchten vor solcher Entwicklung rechtzeitig und nachdrücklich gewarnt haben.

    (Abg. Niederalt: Das habe ich aus Anlaß des Karlsruher Urteils schon vor einem Jahr gemacht!)

    — Dann befinde ich mich ja in guter Gesellschaft, Herr Niederalt.
    Ich sage noch einmal, wir möchten vor dieser Entwicklung rechtzeitig und nachdrücklich warnen. Ihre Advokaten berufen sich — zu Unrecht, wie wir glauben — auf die föderalistische Grundstruktur unserer Bundesrepublik. Was sie erreichen würden — heute auf dem Gebiet der Kulturpolitik, morgen in anderen Bereichen —, wäre eine entscheidende Veränderung der Verfassungswirklichkeit, sehr zum Schaden des Gesamtstaates und seiner Bevölkerung.

    (Abg. Etzel: Sehr richtig!)

    Nun aber zurück zum Problem des Ausgleichs! Wir Sozialdemokraten sind der Ansicht, daß infolge der Verschiebung der Aufgaben und der daraus sich ergebenden Ausgabenotwendigkeiten eine Lage entstanden ist, die man bei Art. 106 Abs. 4 des Grundgesetzes ins Auge gefaßt hat, als man die Revision der Anteile von Bund und Ländern an der Einkommen- und Körperschaftsteuer ermöglichen wollte. Der Bund kann nachweisen — dieser Überzeugung sind wir —, daß sich seine Lage entscheidend geändert hat. Will er jetzt, aus noch zu überlegenden Gründen, die Revisionsklausel nicht in Anspruch nehmen, dann sollte er wenigstens auf der Grundlage des Prozentschlüssels für die Steuerverteilung bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer eine Leistung der Länder in etwa der Höhe von 2 bis 3 % des Aufkommens der Einkommen- und Körperschaftsteuer im Wege der Vereinbarung erstreben. Ob das staatsrechtlich möglich ist, muß untersucht werden. Aber ich glaube, eine Vereinbarung dieser Art ist jetzt eher möglich als die Schaffung eines Gesetzes, das notwendig ist, um die Bestimmung des Art. 106 Abs. 4 zu realisieren, und ließe sich wahrscheinlich mit einem geringeren Zeitaufwand ermöglichen. Offenkundig sind die Länder auch bereits so weit, daß sie mindestens mit einem Betrage in einer Höhe von 1 Milliarde DM einspringen würden. Man wird sich also in der Sache wahrscheinlich gar nicht sehr zusammenzuraufen brauchen. Man würde dabei aber einen Betrag erreichen, der den Deckungsbedarf des Bundeshaushaltes befriedigen würde, wobei hinzuzufügen ist — auch das will ich nicht unterlassen —,



    Schoettle
    daß der tatsächliche Deckungsbedarf noch keineswegs feststeht. Er kann erst durch das Ergebnis der Beratungen im Ausschuß ermittelt werden.
    Schließlich bleibt noch die Frage offen, ob der Bundeshaushalt in der vorliegenden Fassung wirklich alle Möglichkeiten z. B. auch der Kreditbeschaffung ausgeschöpft hat. Hier haben wir Sozialdemokraten ja die bescheidene Genugtuung, daß die Bundesrepublik endlich einen ernsten Anfang macht mit dem Bemühen, vermögenswirksame Investitionen durch die Inanspruchnahme des Kapitalmarktes zu finanzieren. Es war ein Kredo, das ich bei jeder Haushaltsberatung vorgebracht habe, daß der Bundesfinanzminister seine Ansprüche an den Kapitalmarkt zu Unrecht hinter andere Bedürfnisse zurückstellt. Wir sind nicht überzeugt, daß der ordentliche Haushalt nach dem Entwurf die Übertragung wichtiger Investitionsvorhaben in den außerordentlichen Haushalt mit voller Konsequenz durchgeführt hat. Nach unserer Auffassung ist es falsch, Aufgaben, die über viele Jahre hinaus wirksam werden und für eine ganze Generation Bedeutung haben, aus laufenden Einnahmen weniger Haushaltsjahre zu finanzieren. Die bisherige Scheu der Bundesregierung, für solche Ausgaben den Kapitalmarkt in Anspruch zu nehmen, war schon lange nicht mehr durch die Rücksichtnahme auf private Kreditwünsche gerechtfertigt. Sie ist es heute erst recht nicht, und wir sind keineswegs davon überzeugt, daß der Kapitalmarkt nicht für die Investitionsabsichten des Bundes ergiebiger ist, als das die Bundesregierung und der Präsident der Bundesbank wahrhaben wollen. Hier bietet sich nach unserer Auffassung noch ein zusätzliches Mittel zum Ausgleich des Bundeshaushalts an, wenn man den Mut hat, über den Schatten einer überholten Kreditpolitik des Bundes zu springen,

    (Beifall bei der SPD)

    zumal da der Bund im wesentlichen ohne Verschuldung ist, während die Länder und vor allem die Gemeinden in hohem Maße verschuldet sind.
    In diesem Zusammenhang muß ich noch einmal auf den Länderbeitrag zurückkommen. Wir sind der Auffassung, daß die Inanspruchnahme der Länder für den Haushaltsausgleich unter keinen Umständen die ebenso notwendige Finanzreform stören oder gar unmöglich machen dürfte. Dazu und zu einigen anderen Fragen, die gewisse Aspekte des Bundeshaushalts betreffen, werden meine Freunde Dr. Möller und Dr. Deist im Laufe dieser ersten Beratung noch sprechen.
    Ich möchte für meine politischen Freunde zum Schluß folgendes sagen: Wir werden mit allem Ernst an der Gestaltung des Bundeshaushalts 1962 mitarbeiten. Unsere sachlichen Entscheidungen werden bestimmt sein durch die Einsicht in die Notwendigkeiten. Unsere politische Entscheidung kann letzten Endes aber nur bestimmt werden durch unser Urteil über die Politik der Regierung und ihrer einzelnen Repräsentanten, denen Vertrauen zu schenken wir bis auf weiteres keinen Grund haben.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD.)



Rede von Dr. Eugen Gerstenmaier
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Vogel.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Rudolf Vogel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich meinen Kommentar zu der Rede des Herrn Bundesfinanzministers mit einer erfreulichen Feststellung beginnen. Herr Kollege Schoettle, ich begrüße es sehr, daß Sie sich in Ihrer Rede zu der „gemeinsamen Verantwortung" des Hohen Hauses für diesen Haushalt bekannt haben. Wir haben im Haushaltsausschuß seit 12 Jahren eine Praxis für diese gemeinsame Verantwortung eingeleitet, die, glaube ich, von hohem Nutzen für das gesamte Haus und die staatspolitische Entwicklung der letzten 12 Jahre gewesen ist.
    Ich freue mich, daß auch diese Debatte auf einem sachlich hohen Niveau fortgesetzt werden kann. Gleichzeitig möchte ich allerdings — darin werden Sie sich mir nicht anschließen — dem Herrn Bundesfinanzminister für die entschlossenen Worte danken, die er gestern am Schluß seiner Rede ausgesprochen hat.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Hier darf ich jedoch gleich zu einer gewissen Einschränkung kommen. Bitte fassen Sie, Herr Bundesfinanzminister, das nicht als eine Korrektur auf! Nicht erst am 13. August, sondern bereits durch das furchtbare Ultimatum der Sowjetunion in der Berlin-Frage zwei Jahre vorher war im Grunde genommen die große Zäsur in unserem Verhältnis zum Osten, im Kampf um Berlin eingetreten. Wir hatten bislang geglaubt, diesen Zustand auch militärisch ignorieren zu können. Aber jeder Kenner der Bundeswehr, jeder Haushaltskenner wußte, daß die Aufstellung und Ausrüstung einer Division einen bestimmten Betrag kosten würde, und jeder konnte sich also die Zeit ausrechnen, innerhalb deren bestimmte Summen für die Verteidigung im Bundeshaushalt aufgebracht werden mußten.
    Wenn durch die Verzögerung bei der Aufstellung der Bundeswehr, durch die Überschattung dieses Aufbaus durch eine Hochkonjunktur sondergleichen und durch die ungeheuer schwer zu bewältigende Schaffung der personellen Voraussetzungen für diesen Aufbau erneut Erschwernisse eingetreten waren, so wußte man doch aber, daß diese Verzögerung die Kosten höchstens erhöhen, niemals aber ermäßigen konnte.
    Hier komme ich nun zu einem Vorwurf, den mein verehrter Herr Vorredner gegenüber dem Herrn Bundesfinanzminister erhoben hat, indem er sagte, er bitte ihn, das Ausmaß dieser Erhöhung der Verteidigungslasten nicht zu dramatisieren. Ich muß sagen, ich bedauere es, daß wir es nicht bereits früher getan haben; denn früher wäre besser gewesen.
    Ich habe seit einigen Jahren an dieser Stelle und bei dieser Gelegenheit immer darauf hingewiesen, daß wir seit 1955 durch die Verzögerung unserer Verteidigungsanstrengungen, zu denen wir seit 1955 ja vertraglich verpflichtet waren, mindestens etwa 20 Milliarden DM vor uns hergeschoben haben. Ein außergewöhnlich hoher Betrag! Wenn dieser Betrag, der in den vergangenen Jahren vorwiegend für So-



    Dr. Vogel
    zialausgaben verwandt worden ist, jetzt, 1962, infolge der Warnungszeichen des sowjetischen Ultimatums und auch infolge des Druckes unserer Verbündeten von uns gefordert wird, ist es, glaube ich, höchste Zeit, daß wir uns hier auch voll und ganz zu dieser Notwendigkeit bekennen.
    Ich sage das deswegen ausdrücklich, weil es anscheinend noch nicht ganz in das Bewußtsein einiger auch prominenter Zeitgenossen eingegangen ist, wie wir aus bestimmten Fernsehsendungen entnehmen können und wie ich es auch aus der Bemerkung von Herrn Knoeringen entnehmen mußte, das neunte Schuljahr in Bayern sei wichtiger als die Verlängerung der Dienstpflicht. Offensichtlich ist man sich also noch nicht überall dessen bewußt, daß wir uns hier in einer solchen Zäsur befinden und daß wir bestimmte Konsequenzen daraus zu ziehen haben.
    Meine sehr verehrten Damen und Herren, auch wenn der Bundesfinanzminister logischerweise in seiner Rede die Verteidigungsausgaben für die Bundeswehr mit den erhöhten Ausgaben für Berlin zusammengezogen und von einem Gesamtmehrbedarf von 8,1 Milliarden DM 4,4 Milliarden DM, d. h. 55 %, dafür angesetzt hat, darf keinesfalls übersehen werden, daß sich die rein militärischen Aufwendungen auf nur 3,8 Milliarden DM belaufen, denen zivile Mehranforderungen in Höhe von 4,2 Milliarden DM gegenüberstehen. Das heißt, daß infolge der zum Teil gesetzlich festgelegten Automatik des Haushalts selbst in diesem Stadium einer unbestreitbar außergewöhnlichen Bedrohung und Zwangslage der Nation die zivilen Mehranforderungen den militärischen mindestens gleichkommen, sie zum Teil sogar noch übertreffen.
    Sofort erhebt sich auch hier die Frage, ob diese Automatik auch in den kommenden Jahren mit noch größeren militärischen Anforderungen unbegrenzt volkswirtschaftlich zu verkraften sein wird. Mit anderen Worten: Können wir hier im Bundeshaushalt, der praktisch eine finanzielle Willenserklärung des Volkes darstellt, an den massiven Bedrohungen unserer staatlichen und nationalen Existenz vorbei-leben oder nicht? Können wir in unserem geteilten Deutschland, nach zwei grausigen Katastrophen der beiden verlorenen Weltkriege und zwei darauffolgenden Inflationen einen Bleichhohen Lebensstandard auf die Dauer neben unseren Verteidigungsausgaben aufrechterhalten oder nicht? Das ist, glaube ich, die volkswirtschaftliche und Haushaltskernfrage, die sich hier vor uns auftut.
    Nun, meine sehr verehrten Damen und Herren, die Mehrheit des Haushaltsausschusses kann für sich in Anspruch nehmen, bereits vor Weihnachten noch vor der Einbringung dieses Haushalts sich entschlossen gegen eine neue Ausgabenflut zur Wehr gesetzt zu haben. Mein verehrter Vorredner hat hier einiges zur Verteidigung der damals von seiner Fraktion gestellten Mehrausgabenanträge angeführt. Wir stehen auf dem Standpunkt, daß, wenn wir hier von seiten des Bundestages damals Ihren Anträgen gefolgt wären, es heute noch weitaus schwieriger sein würde, das Loch im Defizit zu dekken, als es ohnehin der Fall ist.

    (Zustimmung bei den Regierungsparteien. — Abg. Wehner: Den Herrn Schäffer von damals zitieren!)

    — Es wäre mir ein besonderes Vergnügen, Herr Kollege Wehner, gerade hier Herrn Kollegen Schäffer zu zitieren. Ich habe nie ein Hehl daraus gemacht, daß ich seine Politik der Rückstellungen damals, für diese Zeit, für richtig gehalten habe. Ich habe sie vor diesem Hause auch immer verteidigt.

    (Sehr gut! in der Mitte.)

    Aber ich möchte noch eines sagen: Wenn Sie von seiten der Opposition jetzt noch einen Schritt weiter gehen und sagen, auch die auf 800 Millionen gesteigerte Summe für den zivilen Bevölkerungsschutz sei noch bei weitem nicht ausreichend, dann darf ich doch darauf hinweisen, daß nach den vorsichtigen Berechnungen der Ressorts — des Bundesinnenministeriums zusammen mit dem Wohnungsbauministerium — sich die Minimalsumme allein für Luftschutzbauten auf rund 40 Milliarden DM belaufen würde, daß aber die weitergehenden Forderungen sich auf ungefähr 70 bis 80 Millarden belaufen.
    Die Frage ist die: Glauben Sie ernstlich, daß wir, um ein Wort des Bundesfinanzministers aufzugreifen, wirklich alles in einem Atemzuge und alles zu gleicher Zeit schaffen können? Wir sind der Überzeugung, daß das volkswirtschaftlich eben nicht verkraftbar ist.

    (Abg. Dr. Schäfer: Also gar nicht!)

    In diesem Zusammenhang noch ein Wort an den Herrn Bundesfinanzminister persönlich. Er ist neu in diesem Geschäft, und gerade die Schlußsätze seiner Rede drücken genau das aus, was sich in den vergangenen zwölf Jahren im Haushaltsausschuß zu einer Tradition gefestigt hat. Die Koalition im Haushaltsausschuß arbeitet naturgemäß sehr eng mit dem jeweiligen Bundesfinanzminister zusammen. Sie erwartet von ihm ein hohes Maß von Härte und von Festigkeit gegenüber den unvermeidlichen Anforderungen von seiten seiner eigenen Kollegen und auch von Gruppen dieses Hohen Hauses. Wir haben, glaube ich, in der Vergangenheit bewiesen, daß wir uns, wenn der Finanzminister fest bleibt. nicht von ihm in dieser Tugend übertreffen lassen. Wir bitten aber auch unsere eigenen Freunde innerhalb der Koalition, uns jetzt in dieser finanziell so wesentlich schwieriger gewordenen Periode zu helfen und zu unterstützen.

    (Beifall 'bei der FDP.)

    Ich zögere nicht, zu unterstreichen, daß wir mit der Opposition gemeinsam eine 'Reihe von staatspolitisch wichtigen Aufgaben hier zu lösen haben, und ich hoffe, daß dieses Klima, das wir im Haushaltsausschuß geschaffen haben, uns auch in der Zukunft erhalten bleiben wird.
    Nun auch noch ein Wort meinerseits zum Finanzbericht 1962, der uns in einem gewachsenen Volumen leider erst vor genau 48 Stunden vorgelegt worden ist. Selbst zwei Nächte haben nicht ausgereicht, Herr Bundesfinanzminister, um auch nur die wichtigsten Passagen dieses ganz ausgezeichneten Werks für uns hier und für diese Haushaltsdebatte einigermaßen nutzbar zu machen.
    Zum erstenmal wird sich nun der Haushaltsausschuß in diesem Jahr nach der Verabschiedung des Haushalts seiner schwierigsten Aufgabe unterziehen müssen — sofern ihm dieses Hohe Haus durch



    Dr. Vogel
    das Haushaltsgesetz die Vollmacht dazu erteilt —, der Aufgabe nämlich, die Personalanforderungen der Bundesbehörden zu prüfen und zu verabschieden, nachdem wir den Haushalt als solchen verabschiedet haben. Mein Freund Niederalt wird nach mir dazu Ausführungen machen.
    Nun aber zu den Kernfragen, die dieser Haushalt naturgemäß aufwirft! Sichert der Haushalt als Willenserklärung der Bundesregierung die Existenz des deutschen Volkes oder nicht? Ist er gemäß der Verfassung ausbalanciert oder ist er nicht ausbalanciert? Hier erheben sich sofort eine Reihe von Fragen.
    Zu der ersten Frage, der des Länderbeitrags in der Höhe von einer Milliarde, wird, glaube ich, mein Freund Niederalt Ausführungen machen, so daß ich es mir hier erspare, darauf einzugehen.
    Auf die zweite Frage, die Frage einer stärkeren Inanspruchnahme des Kapitalmarkts, ist mein verehrter Vorredner bereits eingegangen. Daß es in der Vergangenheit der Eingang der Steuermittel möglich gemacht hat, den Haushalt ohne eine Inanspruchnahme des Kapitalmarkts zu vollziehen, halte ich für einen schönen Glückszufall, den wir keinesfalls zu bedauern brauchen. Ich habe niemals ein Verdienst darin gesehen, Schulden zu machen. Ich glaube, auch keine Körperschaft des öffentlichen Rechts, erst recht nicht der Bund, sollte ein Verdienst darin sehen, Schulden anzuhäufen, solange sie sich vermeiden lassen.
    Wenn wir in diesem Haushaltsjahr dazu übergehen müssen, den Kapitalmarkt in Anspruch zu nehmen, so möchte ich dabei gleich vor einem Vorgang warnen. Es ist, soviel ich gehört habe, geplant, den Kapitalmarkt selbst nur mit einer Milliarde und darüber hinaus den mittelfristigen und vielleicht auch den kurzfristigen Geldmarkt mit einer weiteren Milliarde in Anspruch zu nehmen. Wenn man die Gewißheit hätte, daß uns das folgende Finanzjahr 1963 vor leichtere Deckungsaufgaben stellen würde als das Jahr 1962, könnte man hier vielleicht sogar ein Auge zudrücken, so schwer einem dies verfassungsrechtlich fiele. Wenn man aber mit Sicherheit weiß, daß das Jahr 1963 wesentlich schwierigere Haushaltsfragen stellen wird als das Haushaltsjahr 1962, dann, glaube ich, sollte man von einer Deckung durch kurzfristige Geldaufnahmen auf dem Geldmarkt absehen und versuchen, das mit anderen Mitteln zu erreichen. Wir haben noch eine ganze Reihe von anderen Möglichkeiten an der Hand. Ich komme gleich im einzelnen auf sie zu sprechen.
    Eine dritte Frage, die wir in diesem Zusammenhang erörtern müssen, ist die, ob sich die Steuererwartungen und damit die Konjunkturerwartungen im Laufe dieses Jahres 1962 erfüllen werden oder nicht. In den voraufgegangenen zwei Jahren war die Fortdauer der Hochkonjunktur beinahe zu einer Selbstverständlichkeit geworden. Die Frage erhebt sich, ob sie das heute noch in dem gleichen Maße ist, wie sie das in der ersten Hälfte des Jahres 1961 war. Ich glaube, diese Frage wird von entscheidender Bedeutung sein, wenn man höhere Steuereinnahmen, als sie bis jetzt veranschlagt sind, in den Haushalt einsetzen will. Wenn man gemäß den Ländererwartungen vielleicht einen Betrag von 300 Millionen DM an höheren Steuereinnahmen einsetzt, so ist dagegen wohl schwerlich etwas einzuwenden. Ein solcher Betrag bleibt bei der Riesensumme von annähernd 54 Milliarden ohnehin von nicht ausschlaggebender Bedeutung.
    Aber bleiben wir zunächst einmal bei der Konjunktur und den Erwartungen, die wir in sie setzen dürfen oder auch nicht in sie setzen dürfen. Der Arbeitskräftemangel hält beinahe unverändert stark an. Wir haben jetzt schon, obwohl die Frostperiode noch nicht abgeklungen ist, über eine halbe Million offener Stellen, die nicht zu besetzen sind, eine ungewöhnliche Angelegenheit nach dem Rückgang der Auftragsbestände in der zweiten Hälfte des Jahres 1962! Die Arbeitskraft ist nach wie vor teuer geblieben. Die Effektivlöhne sind nach wie vor zum Teil sogar höher als die Tariflöhne.
    Die übermäßige Baukonjunktur, die voraussichtlich noch das ganze Jahr 1962 anhalten wird, droht das Bild der Gesamtkonjunktur des Jahres 1962 zu verzerren. Ich möchte ausdrücklich auf diesen Umstand aufmerksam machen. Wir können die Gesamtkonjunktur unserer Wirtschaft nicht allein nach der Baukonjunktur beurteilen. Die Stagnation in der Textilindustrie, die Stagnation bei der Kohle, das Absinken der Stahl- und Eisenproduktion und das erhebliche Nachlassen der Auftragsbestände bei der Investionsgüterindustrie dürfen von uns nicht außer acht gelassen werden.
    Es erhebt sich sofort die Frage, die ich unlängst auch in einer Veröffentlichung des Wirtschaftswissenschaftlichen Instituts der Gewerkschaften sah: Kann man durch eine Steigerung des Konsums der Konjunktur nachhelfen oder nicht? Es handelt sich dabei um einen Vorgang, den wir bereits in anderen Ländern beobachten konnten. Ich bin der Auffassung — und ich glaube, meine Freunde teilen sie —, daß nichts gefährlicher wäre, als durch ein zu großes Vorausschnellen der Löhne vor dem Volkseinkommen, durch eine gewaltsame Aufpulverung des Konsums eine neue Konjunkturbewegung zu provozieren. Wir haben das Beispiel in England und in den Vereinigten Staaten vor uns. Beide Länder bemühen sich heute — nach dem totalen Schwinden der Devisen in England und nach dem sehr erheblichen Abnehmen der Goldbestände in den Vereinigten Staaten —, Fehler der Vergangenheit rückgängig zu machen. Die Frage erhebt sich: Wollen ausgerechnet wir in der Bundesrepublik uns anschicken, die klar erkannten Fehler einer solchen Wirtschaftspolitik heute nachzuahmen?

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Man kann eben meiner Überzeugung nach nur dann mehr verdienen und mehr Steuern einnehmen, wenn man auf der anderen Seite mehr arbeitet und mehr produziert. Das ist eine Binsenwahrheit. Aber ich glaube, es ist notwendig, sie auch hier einmal zu wiederholen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Daß die Bundesregierung heute, was die Zahl der Arbeitsstunden betrifft, trotz zweier verlorener



    Dr. Vogel
    Kriege nicht mehr an der Spitze der Industrievölker Europas marschiert, sondern hinter benachbarten konkurrierenden Völkern, wird wohl heute von niemandem mehr bestritten. Ich kann also nur das eine unterstreichen, was der Herr Bundesfinanzminister, wenn auch in dramatisierter Form, dem Hause zugerufen hat: daß letzten Endes die deutsche Konkurrenzfähigkeit auf dem Weltmarkt auch für die Haushaltsgestaltung der kommenden Jahre entscheidend sei.
    Wir haben einige freundliche Lichtblicke zu verzeichnen. Die Spartätigkeit hat sich im Januar und im Februar 1962 wieder ganz beachtlich erhöht. Der Kapitalmarkt 1961 erwies sich als ungewöhnlich ergiebig, vor allen Dingen was die Rentenwerte betrifft. Das Sinken der Aktienkurse hat dazu geführt, daß sich heute die Sparer in weitaus größerem Maße dem Rentenmarkt, aber leider auch dem Grundstücksmarkt zugewandt haben, als das früher der Fall war. Hier liegt ein entscheidender Grund dafür, daß wir bei den Bausparkassen eine weitere, eigentlich kaum voraussehbare Konjunktur zu verzeichnen haben. Wir werden sehr bald sehen, wohin z. B. die Überhitzung der Baukonjunktur führen wird. Es wird entscheidend davon abhängen — das haben wir im Haushaltsausschuß auch bei der Behandlung der Folgen der Flutkatastrophe ausgesprochen —, ob es möglich sein wird, hinreichend viele Baufirmen und hinreichend viele Arbeitskräfte an die bedrohten Punkte der Nordseeküste zu bringen, und ob wir hinreichend viele Menschen und Firmen bereitstellen können, um die Dämme vor dem Anprall einer neuen Hochflut zu schützen. Das wird eine sehr entscheidende Frage innerhalb der kommenden Sommermonate werden.
    Um auf die Schätzungen des Bundesfinanzministers zurückzukommen: Ich glaube auch, daß erhöhte Steuereinnahmen bei der Lohnsteuer ziemlich sicher sein werden. Bei der Umsatzsteuer wird das gleiche in beschränkterem Umfange eintreten. Bei der Einkommensteuer scheint mir das schon fraglicher zu sein. Die Gewinne der Industrie sind im zweiten Halbjahr 1961 bereits unbestreitbar zurückgegangen. Die Aufwertung der D-Mark hat als Konjunkdämpfungsmaßnahme weithin sichtbarer gewirkt, als man es ursprünglich geglaubt hat. Der Bundeswirtschaftsminister hat es damals hier vor dem Hause gesagt. Ich glaube, er hat mit seiner Prophezeiung recht behalten. Die Statistik beweist heute, in welch einschneidendem Maße seitdem auch eine Dämpfung der überspannten Konjunktur eingetreten ist.
    Aber nicht umsonst hat der Herr Bundesfinanzminister generell so ausführlich über die steuerlichen Auswirkungen bzw. die Voraussetzungen des Hineinwachsens in die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft gesprochen. Hier liegt in der Tat einer der entscheidendsten Vorgänge der kommenden Jahre vor uns, und ich glaube, wir werden gut daran tun, 'die jetzt in der Ausarbeitung befindlichen Empfehlungen, die bereits stattgehabten Beratungen zwischen den Finanzministern der EWG rechtzeitig und umfassend in die kommenden Steuerumbauten und -verschiebungen mit einzukalkulieren. Darüber, daß sich in der Zukunft, vor allen Dingen auch im Jahre 1962, nicht um Steuersenkungen generell handeln kann, sondern um Steuerumbauten, sind wir uns angesichts dieses Haushalts wohl alle im klaren.
    Lassen Sie sich mich hier etwas zu dem sehr schwierigen Problem der vollkommenen Gerechtigkeit bei der Streichung von Ausgaben sagen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn Verzichte gefordert werden, sollten sie auf alle Ressorts und auf alle Wünsche, 'die hier vorgebracht werden, ausgedehnt werden. Wir wollen versuchen, im Haushaltsausschuß — und wir sollten das auch für die 2. und 3. Lesung, die ja bereits in drei Wochen stattfinden werden, vornehmen — so gerecht wie möglich zu verfahren. Eine vollkommene Gerechtigkeit werden wir niemals erreichen können. Es werden immer Wünsche offenbleiben, und es werden am Ende einer solchen Beratung immer Beschwerden da sein.
    Selbst wenn es gelingt, von seiten der Länder 1 Milliarde DM zu erhalten — ich sage das ausdrücklich mit einem „Wenn", denn auch der Beschluß des ,Bundesrates ist ja noch kein Kassenvollzug; ich werde froh sein, wenn am Ende des Haushaltsjahres die Bundeskasse den Eingang dieser 1 Milliarde DM gemeldet haben wird —,

    (Abg. Dr. Conring: Sehr gut!)

    selbst wenn das eintreffen sollte, würde es immer noch eine offene Frage bleiben, wie 'die weiteren 740 Millionen DM des Defizits gedeckt werden.
    Man kann natürlich—ich habe davon gesprochen — die Steuereinnahmen um vielleicht 200 bis 300 Millionen DM höher ansetzen; das ist durchaus vertretbar. Man kann den Kapitalmarkt etwas mehr in Anspruch nehmen; wenn man von 1,8 Milliarden DM auf 2 Milliarden DM ginge, wäre das, glaube ich, kein Schade, es wäre vertretbar. Man kann bei einem 54-Milliarden-Haushalt den Haushalt so vollziehen, daß auch durch den Vollzug erhebliche Einsparungen eintreten.
    Darf ich hier eine Bemerkung zu den Resten machen, die der Haushaltsvollzug 'das Jahres 1961 ergeben hat. Es ist für uns nicht uninteressant, daß es — und hier gebührt dem Bundesverteidigungsministerium ein hohes Lob — gelungen ist, das sehr drohende Gespenst der Reste gerade beim Verteidigungshaushalt in relativ kurzer Zeit zu bannen, und daß heute die zivilen Reste ein wesentlich größeres Problem darstellen als die militärischen Reste.
    Immerhin bliebe dann noch die Notwendigkeit erhöhter Streichungen. Hier komme ich nun auf das Problem der 12%igen Generalkürzung. Herr Kollege Schoettle, Sie dürfen sicher sein, daß wir — wir haben das ja im Haushaltsausschuß bereits praktiziert — auch bei den jetzt legalen Beratungen, vor denen wir stehen — was wir bis jetzt gemacht haben, waren ja im Grunde genommen illegale Vorgriffe, aber von heute ab werden wir in der Lage sein, Beschlüsse zu fassen —, das tun werden, was wir bei den Vorbereitungen in Aussicht genommen haben; das war ja immerhin schon eine Umgruppierung im Haushaltsausschuß, wie sie in diesem Umfange in den letzten zwölf Jahren noch niemals statt-



    Dr. Vogel
    gefunden hat. Aber ich möchte hier die Erwartung aussprechen, daß, wenn wir uns auf diesem schwierigen Felde in Zukunft weiter gemeinsam bewegen, Sie auch mehr Verständnis als bis jetzt aufbringen werden, wenn wir so starke Kürzungen anbringen müssen, wie wir sie bei der Bundesbahn — mit 280 Millionen DM — gegen Ihren Widerstand bei der SPD durchgesetzt haben. Wenn man sich überlegt, daß die Bundesbahn auch dann noch 100 Millionen DM, ganz abgesehen von der Bundesgarantie für eine 500-Millionen-Anleihe, mehr haben will als im Jahre 1961, dann scheint uns eine solche Kürzung durchaus vertretbar zu sein.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Bei den bisherigen, Vorberatungen, die wir jetzt legalisieren werden, haben wir bereits annähernd 500 Millionen DM einsparen können. Das heißt, der größte Betrag der Kürzungen, die durch die globale Kürzung von 12 °/o erreicht werden sollten, konnte bereits durchgesetzt werden.
    Zum erstenmal wird der Haushaltsausschuß auch beim restlichen Ausgleich vor Notwendigkeiten stehen, die in den letzten 12 Jahren noch niemals gegeben waren. Bis jetzt beschränkte sich die Rolle des Haushaltsausschusses im Grunde genommen leider auf die Rolle des Chors in der griechischen klassischen Tragödie, d. h. der Haushaltsausschuß beweinte sehr oft den Gang der Ereignisse, ohne ihn ändern zu können. Ich verhehle keineswegs die Schwierigkeiten, die wir in der Zukunft im Haushaltsausschuß zu meistern haben werden. Härten werden völlig unvermeidlich sein, ja, wir werden sogar manche Tabus angreifen müssen. Je mehr aber der Zwang zur Einsparung und zur Kürzung schon im Jahre 1962 durch den Haushaltsausschuß sichtbar gemacht werden wird, desto leichter wird es dem Bundesfinanzminister und der Bundesregierung fallen, ihren ebenso mutigen wie ausgezeichneten Beschluß durchzuhalten, für das kommende Haushaltsjahr 1963 in den einzelnen Ressorts dafür Sorge zu tragen, daß die Ansätze für 1962 nicht überschritten werden.
    Der Bundesfinanzminister hat am Schluß seiner Rede den listenreichen Dulder Odysseus zitiert, der an seine Gefährten vor der Durchfahrt durch Scylla und Charybdis einige Worte der Ermutigung richtete. Wir Mitglieder des Haushaltsausschusses sind gern bereit, dem Herrn Bundesfinanzminister hilfreich unter die Arme zu greifen, indem wir ihn an den Mast der Sparsamkeit anbinden werden.

    (Beifall und Heiterkeit in der Mitte.)

    Wir möchten ihm allerdings empfehlen, ungleich Odysseus für sich und seine Haushaltsabteilung rechtzeitig eine Ladung Ohropax zu beschaffen, damit sie den Sirenengesängen der benachbarten Ressorts im kommenden Jahre mutig widerstehen können.

    (Erneute Heiterkeit und Beifall. — Zuruf des Abg. Dr. Schäfer.)

    — Ich hoffe, Herr Kollege Dr. Schäfer, man wird dann nicht auf das allzu leichte Mittel der überplanmäßigen bzw. außerplanmäßigen Ausgaben ausweichen.
    Wir täuschen uns wohl nicht, wenn wir heute in den breitesten Schichten unseres Volkes ein spürbares Erschrecken vor diesen gewaltig gesteigerten Haushaltsausgaben verspüren. Die Furcht vor einer Inflation in einer Generation, die zwei Inflationen erleben mußte, hat dazu beigetragen, daß das Erschrecken vor diesen Mehrausgaben in Höhe von 8 Milliarden heute ungewöhnlich groß ist. Auch wenn es manchmal den Anschein hat, daß bei der jüngeren Generation die Tugend der Sparsamkeit an Ansehen eingebüßt hatte, scheint mir die moralische Kraft der Sparsamkeit als solcher bei der Generation, die sich der zwei Inflationen noch erinnert, ungebrochen zu sein, und auf die sollten wir in diesem Jahre und in den kommenden Jahren vertrauen.
    Der Haushaltsausschuß hat die Hauptmühe und die Hauptplage jedesmal damit, sich mit den Wünschen der Ressorts in bezug auf die Vermehrung der Stellen auseinanderzusetzen. Damit wird sich mein Freund Niederalt nachher mit der bei ihm gewohnten Gründlichkeit befassen. Wir können nur durch eine minutiöse Prüfung der einzelnen Titel des Haushalts die allzu üppig wuchernden Schößlinge beschneiden. Aber manchmal haben wir den Eindruck, daß selbst die Axt in der Hand des Haushaltsausschusses nicht mehr stark genug ist, allzu knorrig gewordene Bäume zu fällen, die in der Zwischenzeit munter herangewachsen sind.
    Wenn die jetzigen ersten Drangsale bei der Dekkung des Defizits zu einer Selbstbesinnung auch in diesem Hohen Hause führen würden, wäre schon sehr viel gewonnen, und der Haushaltsausschuß würde sicherlich — nun lassen Sie mich eine besondere Bitte aussprechen — die erste Empfehlung eines Fachausschusses in bezug auf eine einschneidende Kürzung des Haushalts mit besonderer Freude begrüßen.

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Wehner: Sie meinten wohl: außer dem Verteidigungsausschuß?!)

    — Herr Kollege Wehner, nehmen Sie doch bitte einmal die Protokolle der vergangenen Jahre gerade bei der Behandlung des Verteidigungshaushalts zur Hand. Nicht Sie und Ihre Fraktion, Herr Kollege Wehner, haben damals die Anträge auf Kürzung von Generalsstellen gestellt, sondern wir haben sie gestellt, und wir haben damals an einem Vormittag 25 Generalsstellen gestrichen. Wir haben auch die Zerstörer zurückgestellt und einige andere vernünftige Dinge gemacht. Wir nehmen das für uns in Anspruch, obwohl uns das wahrscheinlich schwerer fällt als Ihnen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Bei aller Sparsamkeit wird niemand so töricht sein, die Augen vor einigen Notwendigkeiten zu verschließen, die die Nation als solche angehen.
    Hier ist von meinem verehrten Herrn Vorredner ein Doppelproblem in einem Zuge angesprochen worden: das Problem der Verteidigungs- und Sozialausgaben. Erlauben Sie mir, daß auch ich zugleich zu beiden Problemen einiges ausführe. We-



    Dr. Vogel
    der die CDU noch ich persönlich stehen in dem Geruch, daß wir in der Vergangenheit die Notwendigkeit der deutschen Verteidigung jemals auch nur im geringsten bestritten haben. Wir haben sie stets voll bejaht. Aber wir haben uns auch — was ich soeben gesagt habe — damals gegen eine allzu schnelle Personalvermehrung, gerade bei den hohen Stellen, mit Erfolg gewandt.
    Ich darf Ihre Aufmerksamkeit jetzt auf ein Problem lenken, das für uns langsam am Horizont heraufzieht und das in der Zukunft unsere und auch die Aufmerksamkeit der Bundesregierung in einem ganz anderen Maße beanspruchen wird als bisher. Wir haben jetzt schon 6,3 Milliarden DM laufende Kosten innerhalb des Bundesverteidigungshaushalts. Im kommenden Haushaltsjahr werden es 8,3 Milliarden sein. Mehr als die Hälfte und in den kommenden Jahren noch mehr als die Hälfte des Verteidigungshaushalts werden zur Befriedigung der Sach- und Geschäftsbedürfnisse der Truppe, zur Deckung der Pensionslasten, für die Verpflegung, die Bekleidung usw. in Anspruch genommen werden. Das bedeutet, daß es automatisch zu einer Einengung derjenigen Dinge kommen wird, die tatsächlich die Kampfkraft der Truppe mit ausmachen. In einer Beziehung sind wir uns mit Ihnen wohl völlig einig: eine Bundeswehr, die nicht die modernste Ausrüstung dieser Welt hat, erfüllt nicht ihren Zweck, nämlich der Verteidigung unseres Volkes zu dienen.

    (Zuruf von der SPD: Sie meinen doch atomare Waffen!)

    4 Wir sind in der Vergangenheit dafür eingetreten und werden auch in der Zukunft dafür eintreten — das möchte ich in aller Klarheit sagen —, daß die Bundeswehr in ihrer Ausrüstung hinter keiner anderen Wehr der Welt zurückstehen darf, wenn sie jemals, was Gott verhüten möge, in den Kampf ziehen muß.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Hier besteht die Tendenz — diesen Vorwurf kann ich Ihnen, meine Herren von der Opposition leider nicht ersparen —, die laufenden Kosten weiter zu erhöhen. Ich spreche dieses Problem hier einmal in aller Deutlichkeit an: Der Bundeswehr droht die Gefahr, in ihrem laufenden Haushalt, ganz zu schweigen von den jetzt schon sehr stark anwachsenden Pensionslasten, so teuer 2u werden, daß die für ihre Kampfkraft, für die modernste Ausrüstung, für die Munition usw. notwendigen zusätzlichen Ausgaben volkswirtschaftlich nur sehr schwer verkraftet werden können. Die Bundeswehr ist einzig und allein dafür geschaffen und dafür da, unser Volk im Ernstfall Seite an Seite mit unseren Verbündeten zu verteidigen. Sie kann niemals Selbstzweck sein. Das Hohe Haus wird der Bundeswehr und sich selbst den besten Dienst erweisen, wenn es vieles von dem überprüft, was es zum Teil selbst geschaffen hat, wenn es die Wehrmachtsbürokratie mit verkleinern hilft, wenn es dafür sorgt, daß die laufenden Kosten geringer werden und dafür der Apparat, die Bundeswehr insgesamt schlagkräftiger wird. Dann wird die 'Bundeswehr
    auch die hohen Kosten rechtfertigen, die sie verursacht.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Mein verehrter Herr Vorredner hat darauf hingewiesen, daß die Baulandkosten angeblich von seiten der Bundeswehr erheblich erhöht worden seien. Auf unser Betreiben im Haushaltsausschuß hin ist diesem Vorwurf sofort nachgegangen und eine gewisse Untersuchung durchgeführt worden. Ich möchte doch annehmen, daß die Ausführungen, die wir von seiten des Bundesverteidigungsministeriums gerade zu diesem Punkt gehört haben, diesen Vorwurf weitgehend entkräftet haben.

    (Sehr richtig! in der Mitte. — Zuruf von der SPD: Keineswegs, Herr Kollege!)

    — Wir sind anderer Ansicht. Wir haben doch zumindest das eine festgestellt: daß in keinem Fall von seiten des Bundesverteidigungsministeriums den durchführenden Stellen der Bundesvermögensverwaltung Anweisungen gegeben worden sind, überhohe Preise zu zahlen. Das ist der entscheidende Punkt gewesen.
    Ist es verwegen, wenn man in diesem Zusammenhang auch ein anderes Tabu angreift, das bis jetzt eigentlich unseren erlauchten Sachkennern auf diesem Gebiete, den Sozialexperten, vorbehalten blieb, die mit den Statistikern wahrscheinlich besser umgehen können, als es ein armer Sachverständiger des Haushalts zu tun vermag? Dem Hohen Hause oder vielleicht nur dem zuständigen Ausschuß sind inzwischen wohl einige Zahlen über die voraussichtliche Zahl der Pflichtversicherten in den kommenden Jahren bei der Arbeiterrentenversicherung und bei der Angestelltenversicherung mitgeteilt worden. Danach wird bei der Arbeiterrentenversicherung 1973 eine fast mit der von 1960 gleichbleibende Zahl an Pflichtversicherten vorhanden sein, — umgekehrt werden aber statt einer Zahl von 4,8 Millionen Rentnern wie 1960 6,1 Millionen Rentenempfänger dem gegenüberstehen. Bei der Angestelltenversicherung wird 1978 die Zahl von 5,8 Millionen Versicherten einer Zahl von rund 2,3 Millionen Rentnern gegenüberstehen. 5,8 Millionen zu 2,3 Millionen! Das heißt: Gegenüber 1960 wird sich die Zahl der Rentner von 28 auf 40 % vermehrt haben. Das sind neue Tatbestände, die man rechtzeitig ins Auge fassen sollte. Ich möchte darauf hinweisen, daß die moderne Sozialversicherung ihren Ursprung inmitten einer Industriegesellschaft fand, die damals eine gewaltige Bevölkerungsvermehrung erlebte, und daß man sich damals einem ganz anderen Wachstum und einem ganz anderen Altersaufbau gegenübersah, als sie heute vorhanden sind. Ich gebe einmal zu erwägen, ob es nicht klug wäre, jetzt schon rechtzeitig Überlegungen anzustellen, ob wir hier nicht neue Wege beschreiten und neue Ideen verwirklichen sollten. Da wir uns beim Haushalt schließlich mit Milliardenzahlen an Zuschüssen zu beschäftigen haben, darf man es wohl .einmal wagen, auf diese Entwicklungen hinzuweisen.
    Ob wir uns auch z. B. — um hier andere Probleme anzuschneiden — an dem phantastischen neuen



    Dr. Vogel
    Traum der Menschheit finanziell beteiligen sollten, mit den anderen Völkern Flüge zum Mond und zu den Planeten zu entwickeln, ob das gerade eine Existenzfrage des deutschen Volkes in den nächsten Jahren sein wird, wage ich bescheiden zu bezweifeln, auch wenn wir schon ganz beachtliche Ansätze in unserem Haushalt vorliegen haben.
    Nun komme ich auf einen Vorwurf zu sprechen, den mein verehrter Herr Vorredner gegenüber dem neugeschaffenen Gesundheitsministerium erhoben hat. Wenn wir nun einmal 10 bis 15 % mehr Fahrzeuge auf den Straßen und vor allen Dingen in unseren Städten haben, wenn durch den Siegeszug der modernen chemischen Industrie leider auch der Wasservorrat in Deutschland immer stärker in Mitleidenschaft gezogen wird und wenn mit der wachsenden Industrialisierung die Luft auch nicht gerade reiner wird, dann in der Tat scheinen uns ganz andere Anstrengungen zur Reinhaltung von Luft und Wasser und zur Förderung der allgemeinen Volksgesundheit notwendig zu sein, als es bis jetzt der Fall ist. Ich sehe in der Person der Bundesgesundheitsministerin nicht allein eine Verneigung vor dem weiblichen Element innerhalb meiner Fraktion und des Hohen Hauses schlechthin, sondern die Errichtung dieses Ministeriums entspricht der Notwendigkeit, diesen Problemen jetzt mehr Aufmerksamkeit zuzuwenden, als das in der Vergangenheit der Fall war. Wir werden uns im Haushaltsausschuß noch damit zu befassen haben, ob die Probleme allein mit Personalvermehrungen angegangen werden können oder ob hier nicht andere Ansätze notwendiger sein werden. Ich denke an höhere Sachverständigentitel und ich denke auch an mehr Mittel für die notwendige Volksaufklärung, die auf diesem Gebiet bitter Not tut. Das könnte man auf der anderen Seite durch bloße Stellenvermehrungen nicht schaffen. Vielleicht wird es gerade in diesem 'Bereich auch bei den Ländern mehr darauf ankommen, daß bereits geschaffene Gesetze in der Zukunft mehr beachtet und rigoroser durchgeführt werden, als das in der Vergangenheit der Fall war.
    Nun möchte ich noch einige Detailprobleme anreißen. Eines dieser Probleme hat auch meinen verehrten Vorredner sehr stark beschäftigt: die Entwicklungshilfe. Hier ist ein neues Ministerium entstanden. Ich weiß allerdings nicht, verehrter Herr Kollege Schoettle, wie Sie bei der Entwicklungshilfe auf einen Betrag von 5 Milliarden DM gekommen sind. Ich sehe eigentlich nur 2,5 Milliarden DM.
    Aus dem ERP-Fonds erhält die Entwicklungshilfe eine zusätzliche Leistung von 220 Millionen DM. Als eines der Mitglieder dieses Hauses, die sich in den vergangenen Jahren immer ganz besonders stark für die Entwicklungshilfe eingesetzt haben, glaube ich in diesem Jahr der Flutkatastrophe und der besonderen Bedrohung Berlins anregen zu dürfen, daß wir in der Zukunft darin übereinstimmen sollten, 'die 220 Millionen DM aus .dem ERP-Fonds nicht der Entwicklungshilfe zuzuführen, sondern sie mit heranzuziehen zur Bewältigung der Schäden, die die furchtbare Flutkatastrophe an der Nordseeküste hervorgerufen hat, und damit auch den Berlinern — da stimme ich völlig mit Ihnen überein —, bevor überhaupt weitere Schäden eintreten, rechtzeitig unter die Arme zu greifen, damit ihre Wirtschaft sich entsprechend weiterentwickeln kann. Mir scheint es notwendig zu sein — ich glaube, daß wir dafür auch das erforderliche Verständnis bei den Entwicklungsländern selber finden werden —, inmitten einer derartigen eigenen Zwangslage auch daran zu denken, die gröbsten Schäden mit Hilfe dieses Feuerwehrfonds — so haben wir den ERP-Fonds doch immer genannt — zu beseitigen.
    Darf ich vielleicht, wenn ich jetzt auf die Entwicklungshilfe im besonderen zu sprechen komme, eine ein wenig ketzerische Meinung zum Ausdruck bringen. Ich bin nicht so sicher, ob die Freude, die wir bei der Übergabe eines Schecks oder bei der Leistung einer Unterschrift unter ein Kreditabkommen erregen, auch dann noch anhalten wird, wenn es darum geht, die Zinsen einzutreiben bzw. auf die Amortisation zu drängen. Ich möchte annehmen, daß unter Umständen die Freundschaft sehr schnell getrübt werden kann, wenn von der anderen Seite Verpflichtungen erfüllt werden müssen, auf die wir leider nicht verzichten können. Lassen Sie mich deshalb einmal meiner Überzeugung Ausdruck geben, die ich schon bei der Eröffnung der Deutschen Stiftung für Entwicklungsländer vor zwei Jahren in Berlin-Tegel deutlich unterstrichen habe: Es kann nach meinem Dafürhalten nicht die Hauptaufgabe des deutschen Volkes sein, nur durch finanzielle Beiträge den Entwicklungsländern zu helfen. Für uns wird in Zukunft die Hilfe bei der Ausbildung das Entscheidende sein

    (Beifall bei der CDU/CSU und bei der SPD.)

    Was wir in Gestalt einer Ausbildung von Facharbeitern, Meistern, Wissenschaftlern, vor allen Dingen auch Agrarhelfern, Verwaltungsbeamten in diesen Ländern investieren werden, und die Schulen, die wir dort neu errichten werden, das alles wird auf die Dauer ganz andere Frucht tragen als zeitweilig gegebene Kredite oder ein großer Geldhinfluß nach diesen Gebieten, dessen Kontrolle auch in der Zukunft wegen der hohen Empfindlichkeit dieser Völker immer ein überaus schwieriges Problem bleiben wird. Ich glaube, daß die Verlagerung der Ausbildung in diese Länder hinein — ich sage das ausdrücklich im Hinblick auf die Überfüllung unserer Hochschulen — eine der wesentlichsten Aufgaben in der Zukunft sein wird. Wir sollten dafür Sorge tragen, daß auch inmitten einer Hochkonjunktur den Kräften innerhalb unseres Volkes, die heute noch das notwendige Maß an Idealismus für eine solche Aufgabe aufbringen, die Möglichkeit gegeben ist, sich bei uns für eine solche Lehraufgabe im Ausland ausbilden zu lassen. Das wird ganz andere Frucht tragen als manche monumentalen Industriewerke, die wir dort draußen mit unseren Krediten errichten.
    Die jüngste Entwicklung der Industrie in der ganzen Welt erweist eindeutig den Vorrang des Ausbildungsstands eines Volkes vor seinen natürlichen Rohstoffquellen. Sehen wir uns z. B. die Schweiz an! Sie ist ein geradezu schlagendes Beispiel dafür, daß es auf den technischen und wissenschaftlichen Ausbildungsstand eines Volkes entscheidender als dar-



    Dr. Vogel
    auf ankommt, wieviel Erdöl, wieviel Erz und wieviel Kohle in dem betreffenden Land verfügbar ist.
    Ich bin bereits auf das Resteproblem zu sprechen gekommen, und ich möchte jetzt zum Schluß kommen; denn da wir beabsichtigen, hier anderthalb volle Tage zu diskutieren, sollten wir die einzelnen Reden nicht zu lang halten.
    So schwierig die Finanzprobleme in der Zukunft auch sein mögen, im Haushaltsjahr 1962 sind sie lösbar. Der Herr Bundesfinanzminister hat hier im wesentlichen einige Grundzüge seines Lösungsvorschlags aufgezeigt. Wir werden innerhalb der nächsten drei Wochen diese Vorschläge im Haushaltsausschuß beraten, und ich glaube, wir werden eine vernünftige Lösung finden. Diese Lösung kann allerdings nur dann durchgesetzt werden, wenn sich dieses Hohe Haus zu den notwendigen Entschlüssen aufrafft. Wir sind überzeugt, daß ein Wille, der entschlossen sichtbar wird, durch einen ausbalancierten Haushalt die Währung stabil zu halten und damit den sichersten Baustein für einen weiteren stetigen Aufbau unseres Volkes beizutragen, auch von unserem ganzen Volk begrüßt werden wird.
    Wir werden bis zur zweiten und dritten Lesung nur relativ wenig Zeit haben, in die Details der Probleme einzusteigen; denn die dritte Lesung werden wir bereits in vier Wochen haben. Noch nie ist dem zweiten Durchgang des Haushalts vor dem Bundesrat eine solche Bedeutung zugekommen wie in diesem Jahr. Wir vertrauen indessen auf eine entschlossene Führung der Bundesregierung durch den Herrn Bundeskanzler, der sich voll und ganz hinter ) die hier vorgetragenen Grundsätze der Finanzpolitik des Herrn Bundesfinanzministers gestellt hat.
    Lassen Sie mich schließen mit einem alten lateinischen Grundsatz, einem römischen Grundsatz, der, glaube ich, in den kommenden Wochen, vielleicht im Jahre 1962 noch mehr Gültigkeit haben wird als heute: Ducunt fata volentem, nolentem trahunt. Das Schicksal führt den Wollenden, und es zieht den, der nicht will.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)