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    1. tocInhaltsverzeichnis
      Deutscher Bundestag 13. Sitzung Bonn, den 31. Januar 1962 Inhalt: Nachruf auf den Abg. Meyer 335 A Die Abg. Glombig und Busch treten in den Bundestag ein 350 B Zusammenstellung der über- und außerplanmäßigen Haushaltsausgaben im dritten Vierteljahr des Rechnungsjahres 1961 (Drucksache IV/140) . . . . . . . . 350 C Fragestunde (Drucksache IV/148) Frage des Abg. Dr. Mommer: Anstellungsverhältnis der Pressereferenten des Auswärtigen Dienstes Dr. Carstens, Staatssekretär . . . 335 D, 336 A, B, C Dr. Mommer (SPD) 336 A Ritzel (SPD) 336 B Frage des Abg. Schmitt-Vockenhausen: Kommission betr. Fragen der politischen Bildung Höcherl, Bundesminister 336 C, D, 337 A Schmitt-Vockenhausen (SPD) . . 336 C, D Dr. Schäfer (SPD) 336 D Dr. Frede (SPD) . . . . . . . 337 A Frage des Abg. Schmitt-Vockenhausen: Laufbahnen des Polizeivollzugsdienstes Höcherl, Bundesminister . . . 337 A, B Schmitt-Vockenhausen (SPD) . . . 337 B Frage des Abg. Schmitt-Vockenhausen: Jubiläumszuwendungen an Beamte Höcherl, Bundesminister 337 C, D, 338 A Schmitt-Vockenhausen (SPD) . . 337 C, D Brück (CDU/CSU) 337 D Ritzel (SPD) . . . . . . . . 338 A Fragen des Abg. Dr. Dollinger: Steuerliche Selbstveranlagung Dr. Hettlage, Staatssekretär . . . 338 B, D, 339 A Dr. Besold (CDU/CSU) . . . . . 338 C Dr. Koch (SPD) 338 D Fragen des Abg. Dr. Stecker: Kursmünzen Dr. Hettlage, Staatssekretär . . . 339 A, B Gewandt (CDU/CSU) 339 B Frage des Abg. Dröscher: Grundsteuervergünstigung für Wohnungen von Angehörigen der Stationierungsstreitkräfte Dr. Hettlage, Staatssekretär . . . 339 C, D, 340 A, B, C, D, 341 A Dröscher (SPD) 339 D Wittrock (SPD) . . . . . . . 340 A Dr. Brecht (SPD) 340 B, C Schmitt-Vockenhausen (SPD) . 340 D, 341 A II Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 13. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 31. Januar 1962 Frage des Abg. Dr. Mommer: Entschädigung für in den Vereinigten Staaten beschlagnahmtes deutsches Privatvermögen Dr. Hettlage, Staatssekretär 341 A, B, C, D, 342 C Dr. Mommer (SPD) 341 B Ritzel (SPD) . . . . . . . . 341 C Dr. Kohut (FDP) . . . . 341 D, 342 A Dr. Carstens, Staatssekretär . . 342 A, B Dr. Schäfer (SPD) 342 B Jahn (SPD) 342 C Frage des Abg. Dröscher: Randgemeinden der Truppenübungsplätze Dr. Hettlage, Staatssekretär . . . . 342 D, 343 A, B Dröscher (SPD) 343 A, B Frage des Abg. Blumenfeld: Indonesische Staatsgesellschaften und deutscher Außenhandel Dr. Westrick, Staatssekretär . . . 343 C, 344 A Blumenfeld (CDU/CSU) 343 D, 344 A Fragen des Abg. Murr: Vereinbarungen in Brüssel über Tabak und Hopfen Schwarz, Bundesminister . . . . . 344 B Murr (FDP) . . . . . . . . 344 C Frage des Abg. Sander: Schutzimpfung gegen die Maul- und Klauenseuche Schwarz, Bundesminister . 344 D: 345 A Sander (FDP) . . . . . . . . . 344 D Frage des Abg. Müller (Worms): Angestelltenrente des Rentners Hirsch aus Osthofen Dr. Claussen, Staatssekretär . . 345 B, C Matthöfer (SPD) 345 C Frage des Abg. Schmidt (Kempten) : Stellenangebote deutscher Firmen in österreichischen Zeitungen Dr. Claussen, Staatssekretär . . 345 D, 346 A, B Schmidt (Kempten) (FDP) . . . . 346 A Dr. Kohut (FDP) 346 B Frage des Abg. Ritzel: Schutz für Taxifahrer Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister 346 B, C, D Ritzel (SPD) . . . . . . . . 346 C, D Memmel (CDU/CSU) 346 D Frage des Abg. Felder: Bau der Großschiffahrtsstraße RheinMain—Donau Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister 347 A, B, C Felder (SPD) . . . . . . . . 347 B Bauer (Würzburg) (SPD) . . . . . 347 C Frage des Abg. Felder: Kanalbau Nürnberg-Regensburg Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 347 D Frage des Abg. Felder: Autobahn Frankfurt—Nürnberg Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister 348 A, B Felder (SPD) . . . . . . . . . 348 B Frage des Abg. Schmidt (Kempten) : Überbreite landwirtschaftliche Maschinen im Straßenverkehr Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 348 B, C, D Schmidt (Kempten) (FDP) . . . . 348 C, D Fragen des Abg. Dr. Kohut: Gepäckabfertigung und Fahrkartenverkauf am Bahnhof Langen (Hessen) Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 348 D, 349 A Frage des Abg. Ritzel: Fernsprechanschlüsse in den Rasthäusern an den Bundesautobahnen Stücklen, Bundesminister . . . . 349 C Ritzel (SPD) . . . . . . . . 349 C, D Frage des Abg. Ritzel: Depots mit Blutplasma in Autobahnraststätten Frau Dr. Schwarzhaupt, Bundesminister .......... 349 D Frage des Abg. Gewandt: Verkauf von Arzneimitteln im freien Verkehr Frau Dr. Schwarzhaupt, Bundesminister . . . . . . . . . 350 A, B Gewandt (CDU/CSU) . . . . . . 350 B Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 13. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 31. Januar 1962 III Aussprache über die Erklärung der Bundesregierung Dr. von Brentano (CDU/CSU) . . 350 C Birkelbach (SPD) 354 B Freiherr von Kühlmann-Stumm (FDP) 360 D Struve (CDU/CSU) 366 C Dr. Schmidt (Gellersen) (SPD) . . 371 C Ertl (FDP) 376 C Bauer (Wasserburg) (CDU/CSU) . 381 C Frau Strobel (SPD) 384 C Mauk (FDP) . . . . . . . . 391 B Lücker (München) (CDU/CSU) . . 394 A Schwarz, Bundesminister 399 C Antrag betr. Vorlage eines Berichtes wegen Belastung mit lohnbezogenen Abgaben (CDU/CSU, FDP), (Drucksache IV/134) Dr. Dahlgrün (FDP) 402 B Burgemeister (CDU/CSU) . . . 403 A Lange (Essen) (SPD) 403 C Nächste Sitzung 404 C Anlagen 405 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 13. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 31. Januar 1962 335 13. Sitzung Bonn, den 31. Januar 1962 Stenographischer Bericht Beginn: 9.00 Uhr
    2. folderAnlagen
      Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Frau Albertz 31. 1. Altmaier 1. 2. Dr. Atzenroth 31. 1 Dr. Birrenbach 3. 2. Fürst vom Bismarck 3. 2. Dr. Bucerius 3. 2. Dr. Burgbacher 31. 1. van Delden 1.2. Dr. Dittrich 31. 1. Dr. Dollinger 31. 1. Ehnes 1. 2. Eichelbaum 6. 2. Eisenmann 31. 1. Erler 31. 1. Dr. Franz 31. 1. Gaßmann 2. 2. Frau Geisendörfer 3. 2. Gedat 15. 2. Hellenbrock 3. 2. Hesemann 31. 1. Höfler 31. 1. Illerhaus 31. 1. Jacobs 1. 2. Frau Kettig 1. 2. Dr. Klein (Berlin) 14. 2. Dr. Kliesing (Honnef) 4. 2. Frau Krappe 1. 2. Kraus 1. 2. Leber 31. 1. Dr. Löbe 2. 2. Lohmar 1. 2. Dr. Mälzig 31. 1. Maier (Mannheim) 14. 2. Dr. h. c. Menne (Frankfurt) 31. 1. Merten 31. 1. Michels 2. 2. Müller (Worms) 4. 2. Neumann (Berlin) 31. 1. Rademacher 31. 1. Rasier 1. 2. Reitzner 31. 1. Dr. Schellenberg 31. 1. Scheuren 34. 1. Schmidt (Braunschweig) 2. 2. Dr. Schneider 31. 1. Schütz 31. 1. Schulhoff 3.2. SühLer 31. 1. Striebeck 18. 2. Wagner 31. 1. Frau Dr. h. c. Weber (Essen) 31. 1. Wehner 31. 1. Werner 15. 2. Wieninger 1. 2. b) Urlaubsanträge Frau Dr. Elsner 10.2. Horn 18.2. Oetzel 16.2. Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 2 Umdruck 20 Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/ CSU, SPD, FDP zur Erklärung der Bundesregierung vom 24. Januar 1962 betr. EWG Der Bundestag wolle beischließen: Der Bundestag hat die Erklärung der Bundesregierung vom 24. Januar 1962 über die Beschlüsse des Ministerrats der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft vom 13./14. Januar 1962 zur Kenntnis genommen. Er spricht der deutschen Verhandlungsdelegation, unter Führung von Bundesminister Schwarz, Dank und Anerkennung für ihren unermüdlichen Einsatz in den überaus schwierigen Verhandlungen aus. Der Bundestag ist sich bewußt, daß die deutsche Landwirtschaft vor großen Aufgaben und Schwierigkeiten steht. Er erwartet, daß ihm die Bundesregierung möglichst bald die Gesetzentwürfe vorlegt, die für eine termingerechte Anpassung der in der Bundesrepublik geltenden Gesetze und Verordnungen an die Brüsseler Beschlüsse notwendig sind. In diesen Gesetzentwürfen sund alle Möglichkeiten auszuschöpfen, um die berechtigten Interessen der deutschen Land- und Ernährungswirtschaft und der Verbraucher zu berücksichtigen; dies gilt insbesondere im Hinblick auf die bäuerlichen Familienbetriebe und die marktfernen Gebiete. Der Bundestag erwartet, daß die Bundesregierung ihm außerdem Vorschläge für die im Sinne des Landwirtschaftsgesetzes notwendigen Ausgleichsmaßnahmen für Einkommensminderungen vorlegt, die sich aus. der Durchführung der Brüsseler Beschlüsse ergeben. Der Bundestag ist der Auffassung, daß die Brüsseler Beschlüsse nunmehr dazu zwingen, gemeinsam eine agrarpolitische Konzeption zu entwickeln, die die Lebensfähigkeit der deutschen Landwirtschaft auch im gemeinsamen europäischen Markt gewährleistet, mit den in Brüssel gefaßten Beschlüssen vereinbar ist, die Interessen der Verbraucher wahrt und zugleich finanzpolitisch tragbar ist. Für dieses Vorhaben ist Eile geboten. Die deutsche Landwirtschaft kann erwarten, daß spätestens bei der Diskussion über den neuen Grünen Bericht und den Grünen Plan die Umrisse dieser agrarpolitischen Konzeption sichtbar werden. Der Bundestag erwartet, daß die Kommission der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft die ihr übertragenen Zuständigkeiten in echter gemeinschaftlicher Solidarität handhabt. Diese Verantwortung wiegt um so schwerer, solange das Europäische Parlament noch kenne den nationalen Parlamenten entsprechenden legislativen Funktionen ausübt, während die nationalen Parlamente ihre Zuständigkeiten schrittweise verlieren. Bonn, den 31. Januar 1962 Dr. von Brentano und Fraktion Ollenhauer und Fraktion Dr. Bucher und Fraktion
    • insert_commentVorherige Rede als Kontext
      Rede von Dr. R. Martin Schmidt


      • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
      • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

      Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Einige Bemerkungen des im Augenblick noch nicht anwesenden Kollegen Struve veranlassen mich, noch einmal 'in die Zeit der Verhandlungswochen und -monate von Anfang Oktober bis Anfang Januar zurückzublenden. In dieser Zeit hat es sich gezeigt, daß wir in Brüssel einige sehr düstere Tage erlebten. Unsere Bundesregierung war oft in einer Defensive, wie man sie sich kaum vorstellen kann. Ihr Stand war sicherlich nicht leicht. Herr Kollege Struve — aber ich sehe ihn noch nicht, und die Regierung ist auch nicht vertreten —

      (Abg. Dr. Dr. h. c. Dresbach: Herr Schmidt, mein Nachbar wiegt verschiedene auf! — Heiterkeit.)

      — Ich nehme das zur Kenntnis. Vielleicht kann Herr Pferdmenges dort oben (zur Regierungsbank) Platz nehmen.
      Es ist wohl sicher so, daß der Herr Bundesernährungsminister die Lasten der deutschen Delegation in Brüssel allein zu tragen gehabt hat. Aber zur deutschen Delegation, zum Ministerrat gehört ja nicht nur der Ernährungsminister, dazu gehören auch der Finanzminister, der Wirtschaftsminister und nicht zuletzt auch der Außenminister.

      (Zuruf von der SPD: Alle weg!)

      — Alle weg! Sie waren auch in Brüssel weg, und das ist das Schlimme, meine Damen und Herren. Die Bedrängnis der deutschen Bundesregierung in Brüssel war nicht ohne Grund. Wenn man nämlich die Probleme monatelang vor sich herschiebt und immer auf den 17. September, auf den Wahltermin schaut, dann kommt man eben in eine Bedrängnis.
      Aber dafür hat der Herr Bundeskanzler unseren großen Nachbarn hoffnungsvolle Trostworte zugesprochen. Erinnern Sie sich daran: damals war von den sogenannten Zusagen die Rede, von den Zusagen, die nachher im Januar und Dezember eingelöst warden sind.

      (Beifall bei der SPD. — Bundesminister Schwarz betritt den Sitzungssaal.)

      — Herr Bundesminister Schwarz, Sie waren in Brüssel der einzige, Sie sind auch im Augenblick der einzige. Ich freue mich aber über Ihre Anwesenheit. — Ich erinnere mich auch an das sehr interessante Frage- und Anwortspiel zwischen dem Herrn Bundeskanzler und dem Präsidenten des Deutschen Bauernverbandes auf dem Deutschen Bauerntag in



      Schmidt (Gellersen)

      Ravensburg. Damals haben viele, auch unter uns Europäern in allen Reihen, mit Recht behauptet, die Regierung habe zumindest im Jahre 1961 keine aktive Europapolitik betrieben, Herr Kollege Lücker.
      Da ergibt sich für uns schon die erste Frage an den Herrn Bundesernährungsminister.

      (Zuruf des Bundesministers Schwarz.)

      — Es kommen sehr viele Fragen. Haben Sie keine Sorge! Sie bekommen ein ganzes Bündel Fragen.

      (Zuruf von der der CDU/CSU: Wer wird so neugierig sein?!)

      — Wir müssen neugierig sein, dafür sind wir doch Opposition.
      Die erste Frage lautet, ob dieses Tempo und diese Arbeitsweise in den nächsten vier Jahren fortgesetzt werden, nachdem man jetzt die erste Hürde genommen hat. Jedenfalls, da stimme ich mit Herrn Struve überein — ah, jetzt ist er da —, mit Ihnen überein, Herr Struve, daß man die Verantwortung dafür nicht den Bauern aufbürden kann. Wenn sich da Mängel herausgestellt haben, dann geht das einzig und allein zu Lasten der Bundesregierung, die das Notwendige einfach nicht getan hat. Nun, ich habe Verständnis dafür. Auch in der Bundesregierung gab es in der Europa-Frage zwei Seelen. Das will ich gar nicht weiter ausspinnen; das ist so. Vielleicht wird es auch in Zukunft so sein; das wissen wir noch nicht. Jedenfalls, es war so. Wir haben uns, Herr Kollege Struve, über diese politische Situation unter den europäischen Parlamentariern oft unterhalten, und wir waren gemeinsam oft verärgert, wenn es gegenüber der Landwirtschaft hieß: „Es bleibt ja alles beim alten, es wird sich gar nichts ändern; euch passiert ja auch gar nichts." Sehen Sie, die amtliche Bundesrepublik hat vieles von dem, was heute Wirklichkeit geworden ist und was man damals bereits wußte, monatelang totgeschwiegen, und das müssen wir ihr ankreiden.
      Es gibt vielleicht auch Gründe dafür. Man weiß, daß im Hause des Bundesernährungsministers jahrelang zwei Konzeptionen um die Vormacht, um die Bestimmung des Kurses gerungen haben. Der Tatbestand ist aber, das läßt sich nicht abstreiten, daß in dieser Zeit der ersten Phase nicht das getan worden ist, was für unsere Landwirtschaft erforderlich gewesen wäre. Während unsere fünf Partner sich zielbewußt und planmäßig darauf eingestellt, ja ihre ganze Agrarpolitik darauf abgestellt haben, haben wir zwar in der Bundesrepublik nicht geschlafen — das wahrhaftig nicht —, aber wir haben uns sehr abwartend verhalten; zum mindesten die Bundesregierung hat sich sehr abwartend verhalten. Natürlich haben wir in den Strukturfragen hier einiges getan und in steigendem Maße getan; aber wir haben z. B. die so elementaren Marktfragen überhaupt nicht beackert, obwohl es an Mahnungen nicht gefehlt hat.
      Über das Gesamtergebnis hat mein Fraktionskollege Birkelbach bereits sein Urteil abgegeben. Die Brüsseler Beschlüsse nehmen wir mit Befriedigung zur Kenntnis. Es wäre aber verfrüht, in ein Freudengeschrei auszubrechen. Es wird nämlich in den nächsten Monaten und Jahren noch einige sehr, sehr harte Nüsse zu knacken geben.
      Es wäre auch sinnlos, meine Damen und Herren, nach „Siegern" und „Besiegten" Ausschau zu halten und darum zu rechten. Es wäre genauso die Frage überflüssig, ja müßig, wer von den Mitgliedstaaten nun die meisten Opfer gebracht habe. Das mögen die Historiker erörtern; dafür haben wir im Augenblick keine Zeit oder sollten wir zum mindesten im Augenblick keine Zeit haben.
      Die Brüsseler Beschlüsse sind ein mehr oder weniger guter Kompromiß. Natürlich gibt es dabei auch Schönheitsfehler. Ich möchte aber für mich und meine Freunde ausdrücklich sagen, daß diese Beschlüsse ein brauchbarer Kompromiß sind. Damit kann man schon etwas anfangen. Daß von den elf Verhandlungspunkten der Bundesregierung nicht allzu viel übrig geblieben ist, diese Bemerkung darf ich wohl nur zur Ergänzung hinzufügen, damit man auch das nicht ganz vergißt.
      Durch die Beschlüsse — und das ist das Entscheidende, meine Damen und Herren, — werden die nationalen Regelungen auf wichtigen Agrarmärkten durch gemeinsame europäische Regelungen abgelöst. Wir werden noch in diesem Jahr auf vier weiteren Märkten Beschlüsse zu Gesicht bekommen.
      Diese Beschlüsse sind sicher nicht der Weisheit letzter Schluß. Aber jeder von uns und jeder Landwirt in der Bundesrepublik muß sich darüber klar sein, daß wir in eine völlig neue Phase der Agrarpolitik eingetreten sind. Wir stehen an einem neuen Anfang. Vielleicht begreift heute auch der letzte, daß die Römischen Verträge eben eine Realität sind.
      Ich möchte auf die einzelnen Bestimmungen der Verordnungen und Entscheidungen nicht eingehen, möchte auf eine letzte Durchleuchtung verzichten und nur einige Kernfragen berühren.
      Als erstes darf ich dazu sagen, daß wir die unterschiedliche Lösung — einerseits eine Marktordnung, andererseits nur eine Koordinierung der Wettbewerbsbedingungen — für gut halten. Diese Elastizität 'in der Wahl der Mittel zeugt davon, daß die Materie sachlich und nüchtern beurteilt worden ist.
      Von dem bisherigen System der Bundesrepublik, also von dem Standpunkt aus, den wir bisher eingenommen haben, kann man die Marktordnung für Getreide als etwas lockerer bezeichnen, während die Marktregelungen für die drei Veredelungsprodukte — Schweinefleisch, Eier und Geflügelfleisch — meines Erachtens besser, vernünftiger sind als das, was wir in der Bundesrepublik haben. Wenn ich das Ganze abwäge, möchte ich sagen, daß sich die Belange des Marktes und die Belange der Ordnung die Waage halten.
      Aus den Verhandlungen der Bundesregierung in Brüssel konnte man den Eindruck gewinnen, daß die Bundesregierung nur dem Getreideproblem eine besondere Aufmerksamkeit gewidmet habe. Jedenfalls hat es, Herr Minister, keinen guten Eindruck in der Landwirtschaft und auch bei der Verbraucherschaft hinterlassen, daß Sie sich zum Grundsatzbeschluß einer Milchmarktordnung doch zu sehr ha-



      Schmidt (Gellersen)

      ben drängen lassen und nicht eine eigene Initiative entwickelt haben.
      Die Meinung meiner Freunde ist: die Ordnung auf den Märkten für Veredelungsprodukte darf nicht schlechter sein als die Ordnung beim Getreide. Wir wünschen, daß hier nicht mit zweierlei Maß gemessen wird.
      Lassen Sie mich zu einem anderen, sehr delikaten Problem Stellung nehmen, das in der Landwirtschaft sehr viel Staub aufgewirbelt hat: den Fragen des Richtpreises. Der Richtpreis ist für die Bundesrepublik neu. Wir kennen den Von-bis-Preis. In den Auseinandersetzungen über den Richtpreis ist es nicht immer gerade sehr elegant und sehr gentlemanlike zugegangen.
      Wir erkennen ausdrücklich an, daß es dem Bundesernährungsminister geglückt ist, auch für den Roggen den Grundrichtpreis festzusetzen. Wir haben also im Grunde genommen keine Einwendungen gegen das Prinzip; aber es ergibt sich ,ein Fragenkomplex, der nicht so leicht abgetan werden kann, wie es hier oft geschieht; ich meine den Komplex der abgeleiteten Richtpreispunkte. Diese Richtpreispunkte werden dann gebildet, wenn in einem vom Grundrichtpreispunkt entfernten Ort der dortige Marktpreis den Grundrichtpreis um einen bestimmten Prozentsatz unterschreitet. In dieser Getreideverordnung ist von einem Preis die Rede — ich zitiere wörtlich —, der auf Grund der natürlichen Bedingungen der Marktpreisbildung entsteht. Da ist vor Monaten irgendein Mann auf die fatale Idee gekommen, die Behauptung aufzustellen, daß dieser natürlich gebildete Preis dem Frachtkostengefälle zum Hauptrichtpreis entsprechen müsse. Von dieser Behauptung ist eine Lawine von falschen Berechnungen über Preishöhe und Einkommensverluste in den Grenzgebieten usw. ausgegangen, und ich meine, damit hat man die Pferde scheu und wild gemacht. Leider hat sich auch der Herr Bundesminister in seiner Regierungserklärung ein bißchen davon anstecken lassen.
      Warum ist diese Betrachtungsweise falsch? Erstens haben wir in der Bundesrepublik nicht nur einen zentralen Verbrauchs- und Zuschußpunkt, sondern wir haben mehrere solcher Verbrauchsgebiete. Zweitens hat in unserem eng besiedelten Raum die Thünensche Theorie doch nur einen sehr begrenzten Wert. Wenn man die ganze EWG betrachtet, ist das anders. Aber wenn man die Bundesrepublik sieht — und die müssen wir im Augenblick bei der Übergangsphase sehen —, ist diese Betrachtungsweise falsch. Drittens bei einem Vergleich der Marktpreise vor und nach dem ersten Weltkrieg, als wir eine freie Preisbildung hatten, als es keinerlei Marktordnungen gab, zeigt sich, daß die Unterschiede zwischen den Getreidepreisen in Breslau, in Berlin, in Mannheim und in Hamburg verhältnismäßig gering waren. Das hat mit den Frachtkostenunterschieden überhaupt nichts zu tun, es sei denn, sie nähmen z. B. das Gebiet von Königsberg; da war es ein bißchen anders. Aber in dem engen Raum unserer heutigen Bundesrepublik gab es diese Unterschiede, von denen hier gesprochen worden ist, nicht. Im übrigen haben sich diese Erkenntnisse in unserer Marktordnung, in den Preisgebieten inzwischen ein wenig durchgesetzt.
      In diesem Zusammenhang wird lebhaft über den Frachtenausgleich diskutiert, der aber doch nur dann in Frage kommt, wenn wirklich Getreideüberschüsse in die Verbrauchszentren transportiert werden. Da drängen sich einige Fragen auf, Herr Minister. In welcher Höhe werden diese Frachtenzuschüsse gewährt werden? Wer wird sie empfangen, und nach welchem Schlüssel werden sie verteilt? Haben Sie schon einen internationalen Frachtenvergleich für die übrigen Veredelungsprodukte in der Hand? Haben wir auch bei diesen Produkten die höchsten Frachtsätze in der Gemeinschaft, wie es bei Getreide der Fall ist, oder ist es da anders?
      In der Erörterung über das Richtpreissystem ist auch immer wieder die Rede von den „toten Winkeln". In der Diskussion darüber wurden diese toten Winkel in den Vordergrund der Betrachtungen gestellt. Ich will das Problem nicht verkleinern. Die toten Winkel gibt es schon seit eh und je; es gab sie vor dem ersten Weltkrieg und es gab sie nach dem ersten Weltkrieg, als noch keine Marktordnung vorhanden war. Es gab sie auch im Dritten Reich, und auch wir kennen sie in unserer jetzigen bundesstaatlichen Marktordnung. Wir lösen das Problem der toten Winkel auch mit Hilfe von Frachtenzuschüssen. Da es nicht neu ist, sollte man daraus keine zusätzlichen Ansprüche herleiten.
      Nun noch eine Bemerkung, vielmehr eine Richtigstellung. Es wird landauf und landab behauptet, daß der Getreidepreis der Eckpreis der deutschen Landwirtschaft sei. Auch Sie, Herr Bundesminister, haben in Ihrer Regierungserklärung von der besonderen Bedeutung des Getreidepreises für das gesamte Preis- und Einkommensgefüge gesprochen. Auch der Sprecher der FDP hat heute die Behauptung wiederholt, der Getreidepreis sei der Eckpreis der Landwirtschaft. Für mich und meine Freunde ist es ein Eckpreis, nicht der Eckpreis, und das ist ein gewaltiger Unterschied. Sie werden doch nicht behaupten wollen, daß z. B. der Milchpreis in einer Parallele zum Getreidepreis und auch zu anderen Preisen stehe. Jedenfalls würde ich dringend empfehlen, daß wir im Rahmen einer Debatte im Ausschuß auch einmal das Verhältnis der landwirtschaftlichen Preise zueinander und untereinander prüfen und deren gegenseitige Abhängigkeit untersuchen. Ich bin überzeugt, daß wir da einige hochinteressante Erkenntnisse gewinnen werden. Wir sollten uns natürlich nicht nur auf die letzten zehn Jahre beschränken, sondern wir sollten dabei auch auf die Zeit vor und nach dem ersten Weltkrieg zurückgehen, als es noch keinerlei Marktordnungen gab.
      Nun ein letztes Wort zum Preisproblem. Wir sind uns, glaube ich, im ganzen Hause darin einig, daß die Angleichung der Getreidepreise eine Grundvoraussetzung für die Schaffung des europäischen Agrarmarktes ist. Da sind uns Termine gesetzt, und die deutsche Delegation hat diesen Terminen voll und ganz zugestimmt. Es gibt also gar kein Ausweichen mehr; die Fristen sind gesetzt.
      Nun haben Herr Bundesminister Schwarz in seiner Regierungserklärung und Herr Struve heute vor-



      Dr. Schmidt (Gellersen)

      mittag davon gesprochen, daß der deutsche Getreidepreis in jedem Fall gehalten werden müsse. Meine Damen und Herren, lassen Sie mich das ganz offen sagen — ich bin genauso Landwirt wie Sie, Herr Struve —: Ich denke nicht daran, mich heute an dieser Diskussion zu beteiligen. Warum nicht? Weil man mit solchen Behauptungen draußen Hoffnungen erweckt, die sich eines schönen Tages als Illusion erweisen, und die Landwirte dann eine neue Enttäuschung erleben.

      (Beifall bei der SPD.)

      Ich möchte mich an diesem Rätselraten nicht beteiligen. Die Bundesregierung, Herr Minister Schwarz, hat sicher genaue Kenntnis von den Absichten und Möglichkeiten unserer Partner sowie ihren Sorgen wegen dieses Problems. Wir sollten uns doch nicht einbilden, daß nur wir dieses Problem haben. Alle Länder haben es! Hier habe ich nur zwei Wünsche an die Bundesregierung, die ich jetzt wohl anmelden darf.
      Der erste Wunsch wäre der, daß die Bundesregierung der Landwirtschaft rechtzeitig die sich im Laufe der Diskussion der nächsten Monate herausbildenden Fakten ganz offen mitteilt.

      (Abg. Bading: Da keine Wahlen sind, wird es ja auch der Fall sein!)

      Ein zweiter Wunsch, Herr Minister! Im Augenblick wird ein Gutachten über die Auswirkung einer eventuellen Getreidepreissenkung auf das Einkommen der deutschen Landwirtschaft erstellt. Ich wäre dankbar, Herr Bundesminister, wenn dieses Gutachten nicht als eine „Geheime Kommandosache" behandelt würde und der Bundestag baldmöglichst davon erführe.

      (Zustimmung bei der SPD.)

      Über die übrigen Fragen, über die sehr wichtige Frage der Schutzklauseln und auch über die mit der Übergangszeit zusammenhängenden Fragen, möchte ich mich nicht näher auslassen. Eine Bemerkung vielleicht nur noch zur Übergangszeit! Auch das muß man der Landwirtschaft sagen, man darf es nicht verschweigen. Die Landwirtschaft muß wissen, daß es eben nur noch diese Zeit gibt, eine Maximalzeit, die eines schönen Tages auch sogar verkürzt werden kann. Es gibt keine Verlängerung mehr. Der .Endzeitpunkt ist also gesetzt.
      Nun noch eine Bemerkung, die im Zusammenhang mit den Finanzierungsfragen steht, die aber so wichtig ist, daß man sie der deutschen Landwirtschaft ebenfalls zur Kenntnis bringen sollte. Wir haben im Zusammenhang mit diesen Marktregelungen die Möglichkeit, die Chancen des Exports nicht nur in dritte Länder, sondern auch in die Mitgliedstaaten zu nützen. Ich sehe nicht ein, Herr Kollege Struve, warum immer nur die anderen und nicht auch wir exportieren sollen. Hier wird also genau zu prüfen sein, wo und wie die Hebel angesetzt werden können. Sie wissen doch, daß die Ernährungsgüter der Bundesrepublik ihr Licht keineswegs unter den Scheffel zu stellen brauchen. 'Die Qualitäten sind durchaus konkurrenzfähig. Wir haben auch bereits einige Erfahrungen im Agrarexport,
      und ich sehe nicht ein, warum wir diese Chance, die uns die Beschlüsse von Brüssel geben, nicht nützen sollten. Ich glaube sogar, wir müssen sie nützen; denn wir leisten ja auch einen beachtlichen Beitrag in den gemeinsamen Fonds.

      (europäischen wirtschaftlichen Zusammenarbeit wird die Herstellung fairer Wettbewerbsbedingungen sein. Ich möchte im Namen meiner Freunde sagen: wir halten es für gut, daß die Landwirtschaft und der Handel mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen in die Wettbewerbsbestimmungen einbezogen worden sind. Wir freuen uns auch darüber, daß es gelungen ist, die landwirtschaftlichen Genossenschaften der ersten und zweiten Stufe genau wie im deutschen Kartellrecht aus diesen Bestimmungen herauszunehmen, und sind ebenso froh darüber, daß die nationalen Marktordnungen einstweilen, solange sie noch bestehen, nicht unter diese Bestimmungen fallen. Wir sind auch froh darüber und heißen es gut, daß durch die Brüsseler Beschlüsse die diskriminierenden Beihilfen — sprich Subventionen — verboten und abgeschafft werden sollen. Wer die Geschichte der Verordnung zu Artikel 42 kennt, weiß. daß alle Partner — (ich sage ausdrücklich: alle Partner! — viel verborgen haben und viel zu verbergen haben. Da gibt es einen Dschungel von Subventionen aller Art und überall, insbesondere auch im Agrarexport. Ich habe da als Berichterstatter für die Wettbewerbsfragen im Europäischen Parlament einmal hineinleuchten können. Ich kann schon sagen, da gibt es Meister der Tarnung. Die haben wir noch nicht, aber die gibt es im europäischen Raum. Wenn wir all das abstreifen, was es dort an diskriminierenden Subventionen gibt, werden wir allesamt auch erkennen müssen, daß die Fähigkeiten, preislich besser und billiger zu produzieren, in der Gemeinschaft gar nicht einmal so unterschiedlich sind. Dann werden wir auch erkennen können, daß viele Waren aus der Gemeinschaft durch erhebliche Subventionen verbilligt wurden. Die Bundesrepublik macht dabei keine Ausnahme. Sünder gibts auf allen Bänken der Gemeinschaft. Nur das Sündenregister ist mehr oder weniger dick. Meine Freunde und (ich persönlich halten die Herstellung fairer Wettbewerbsverhältnisse für ein ernstes Gebot der Europäischen Gemeinschaft. Wenn es uns gelingt, die Wettbewerbsverhältnisse zu klären und offen zu gestalten, fairer zu machen, damn dürfte vieles auch für uns einfacher sein. Ich möchte der Bundesregierung dringend raten, nicht nur bei der Aufstellung des jetzt vorgeschniebenen Inventars aktiv mitzuwirken, sondern noch mehr — mehr als bisher — darum auf der europäischen Ebene bemüht zu bleiben. Ich habe den Eindruck, daß die Bundesregierung bei der Herstellung der Wettbewerbsfähigkeit nicht das letzte in Europa getan hat. Es wäre mehr zu tun. Ich kenne zwar die Geschichte des Artikels 42, aber hier müssen einige Versäumnisse gutgemacht werden. Was helfen uns die schönen Artikel über die Beseitigung der diskrirminierenden Subventionen in den Marktordnungen auf dem Papier! Was helfen sie uns, wenn dahinter nicht der Wille steht, diese Vorschriften auch durchzusetzen! Die Bundesregierung wird einen Dr. Schmidt wesentlichen Beitrag dazu leisten müssen, daß hie klare Verhältnisse geschaffen werden. Ich gebe zu, daß die Kommission dabei vor einer außerordentlich delikaten und schwierigen Aufgabe steht. Die Auswirkungen der Beschlüsse von Brüssel auf die einzelnen Produktionszweige und auf das Erzeugerpreisgefüge kann man im Augenblick noch nicht übersehen. Darin stimmen wir alle überein. Wir werden im Hause auch darin übereinstimmen, daß Korrekturen nach der einen oder anderen Seite wahrscheinlich, vielleicht in dem einen oder anderen Falle sogar nützlich sein werden. Herr Struve, wir sollten nicht die Feststellung vergessen — das habe ich in Ihren Ausführungen trotz Ihrer Klagen vermißt —, daß die Marktposition der deutschen Landwirtschaft gar nicht einmal so schlecht ist. Sie ist recht günstig. Ich habe nur bedauert, daß Sie so große Sorgen vor der Konkurrenzkraft unserer Partner haben. Es hängt von uns ab, ob wir unsere eigene Landwirtschaft so konkurrenzfähig machen, daß sie .die Gefahren gut übersteht. Wie gesagt, insofern teile ich Ihre Auffassungen nicht, daß wir große Sorgen haben müßten. Lassen Sie mich zur Erörterung der Frage schreiten, was für die nächsten Jahre zu tun bleibt. Bevor man diese Frage beantwortet, muß man die Lage kennen. Ich darf sie noch einmal in wenigen Punkten zusammenfassen. Erstens. Wir müssen uns darüber klar sein —und die ganze Landwirtschaft muß das —, daß die Automatik des Vertrages unaufhaltsam ist. Zweitens. Wir haben Jahre der konzentrierten Vorbereitung unserer Landwirtschaft in jeder Richtung versäumt. Eine dritte Feststellung: Für die deutsche Landwirtschaft ist die Entwicklung des europäischen Agrarmarktes schon eine Herausforderung, aber sie ist auch eine große Chance. Ich gebe zu, daß diese Entwicklung zum europäischen Agrarmarkt kein Morgenspaziergang ist; das wird eine harte Sache werden. Ich sehe aber nicht ein, daß unsere Bauern weicher sein sollen als die Franzosen und die Holländer. Sie sind sicher genauso hart im Geben wie im Nehmen, und sie vertragen schon einen ganz schönen Schlag und werden auch wieder zurückschlagen, wenn die anderen das tun sollten. Eine vierte Feststellung: Die Verordnungen und Beschlüsse von Brüssel sind nur ein Anfang. Die agrarpolitische Diskussion fängt gerade erst an. Dabei müssen wir natürlich feststellen, daß die Entwicklung zu dieser gemeinsamen Agrarpolitik nicht mehr in unserer Hand liegt. Wir sind nur ein Partner unter sechs anderen. Daraus ergeben sich natürlich auch einige Konsequenzen. Wenn man von diesen Fakten ausgeht, die ich gerade dargestellt habe, und wenn man das Ziel vor Augen hat, unsere Landwirtschaft gut gerüstet in diesen Konkurrenzkampf zu schicken, dann dürfte auch die Frage nach dem Tun von Morgen und Übermorgen nicht schwer zu beantworten sein. Ich habe, Herr Bundesminister, in Ihrer Regierungserklärung leider zu wenig über das Morgen gefunden. Sie haben die Tatbestände sachlich dargestellt, aber es fehlte der Hinweis auf das Morgen und Übermorgen, und dazu lassen Sie mich einige Anmerkungen machen und auch einige Fragen stellen. Die erste Anmerkung. Es dürfte notwendig sein, daß wir unsere Bauern unverzüglich über die Tatbestände aufklären. Sie stecken in einer fürchterlichen Ungewißheit. Sie wollen wissen, woran sie sind. Sie wollen über ihre Lage Klarheit haben, und sie wollen das ungeschminkte Bild erfahren. Ich habe anzumerken, daß die Publizität, Herr Bundesminister, in den letzten Jahren sehr, sehr mangelhaft war, und ich möchte einen Appell an Sie richten, in dieser Publizität etwas aktiver zu sein, gerade auch im Interesse unserer Landwirte. Eine zweite Anmerkung. Ich habe die Hoffnung, daß die Bundesregierung in den kommenden vier Jahren aktiver sein wird als in den letzten vier Jahren. — Ich habe die Hoffnung. Warum sollte ich die Hoffnung nicht haben? Vielleicht kommt es noch; ich erwarte es ja nicht. Ich gebe jedenfalls der Hoffnung Ausdruck, daß die Bundesregierung gegenüber unserer Landwirtschaft bezüglich der europäischen Probleme aktiver sein wird als bisher. Ich möchte nicht, daß die anstehenden Probleme „schwebend unwirksam" gehalten werden wie in der letzten Zeit. Ich möchte auch nicht, daß man mit einem scheelen Auge nach England und nach Dänemark — ganz gleich, aus welchen Gründen — sieht und dabei die eigenen Aufgaben im Innern vernachlässigt. Ich möchte auch nicht, daß man sich auf die auch in der zweiten Stufe notwendige Einstimmigkeit der Ministerratsbeschlüsse in agrarpolitischen Fragen verläßt und womöglich sogar noch Abwehrfronten aufbaut. Vielmehr sollte man in der Überzeugung an die Arbeit gehen, daß keine Zeit mehr zu verlieren ist. Es wäre vielleicht gut, wenn Sie jedem Referenten Ihres Hauses empfählen, einen europäischen Terminkalender auf den Schreibtisch zu stellen. Das könnte nützlich sein. Drittens. Ihr Haus sollte in Anbetracht der gegenwärtigen Lage sofort in eine Bestandsaufnahme des wirtschaftlichen und agrarpolitischen Standorts der deutschen Landwirtschaft eintreten, wobei es sicher gut wäre, wenn Sie bei dieser Bestandsaufnahme nicht nur die Länder, sondern auch den Berufsstand beteiligten; denn nur dann, wenn Sie eine solche Bestandsaufnahme betreiben, werden Sie daraus konstruktive Pläne entwickeln können. Es braucht nicht so weit zu gehen, wie eine sehr seriöse Zeitung neulich schrieb, daß Sie einen „Mobilmachungsplan" aufstellen. Das wäre zu kriegerisch. Aber einen Plan müssen Sie aufstellen, und aus diesem Plan müssen die Absichten klar erkennbar sein. Viertens. In diesem Zusammenhange wäre die Frage zu beantworten: Wie ist die Entwicklung der deutschen Landwirtschaft einzuschätzen und in welchen Größenordnungen wird dieser Umstellungsprozeß in der europäischen Agrarpolitik vor sich gehen? Dr. Schmidt Der fünfte Fragenkomplex: Welche Aufgaben stellen sich nicht nur für die deutsche Produktion, sondern auch gerade im Hinblick auf den Markt? Jeder kann es sich doch an den fünf Fingern abzählen, daß mehr oder weniger umfangreiche und bedeutungsvolle Anpassungen und Umstellungen erfolgen werden. Sie haben leider in der Regierungserklärung, Herr Bundesminister, darüber keine Bemerkung gemacht, ob die Bundesregierung bei diesem Umstellungsund Anpassungsprozeß helfen wird. Das hat mich sehr überrascht, und ich würde wünschen und hoffen, daß Sie sich dazu erklären. Sechstens. Wäre es nicht angebracht, in Anbetracht dieser .europäischen Entwicklung, die die von mir bereits dargelegten Kennzeichen trägt, auch die ländliche Sozialpolitik ein wenig größer zu schreiben und nach vorne zu rücken? Halten Sie es nicht für an der Zeit, einen ländlichen Sozialplan, wie ihn andere Länder längst haben, auszuarbeiten und in Gang zu setzen? Sind wir u. a. den alten Menschen auf dem Lande — den alten Bauern und ihren Ehefrauen — nicht auch etwas mehr schuldig als bisher? Dieser Sozialkomplex kommt doch auf uns zu, und wir können uns doch nicht darum herumdrücken. Sie müssen also auch in der kommenden Zeit einen solchen Sozialplan entwickeln. Dann ein siebenter Fragenkomplex: Sollten wir uns nicht auch mehr als bisher um die sogenannten Regionalpläne kümmern? Dabei haben doch die Länder und auch der Bund einen erheblichen Spielraum, der nicht durch Brüsseler Beschlüsse eingeengt wird. Sogar der europäische Fonds und andere Mittel könnten uns dabei sehr nützlich sein. Ich würde also empfehlen, auch auf diesem Gebiet einige Initiativen zu ergreifen. Damit möchte ich mit meinem Fragenbündel aufhören. Ich erwarte, Herr Bundesminister, im Augenblick nicht eine Beantwortung von Ihnen. Sie sollten aber wissen, daß wir im Laufe der nächsten Wochen und Monate auf diese Fragen immer wieder und bei jeder Gelegenheit zurückkommen werden. Sie haben ja, was den Vollzug der Brüsseler Beschlüsse angeht, in Ihrer Regierungserklärung von einer Ermächtigung gesprochen. Ich möchte im Namen meiner Freunde sagen, daß wir Ihrem Haus die Ermächtigung zur Ausfüllung dieses Rahmens nicht zu geben in der Lage sind. Lassen Sie mich zum Schluß folgendes sagen, meine Damen und Herren. Wir alle stehen sicher vor einer großen Aufgabe, und ich meine, daß alle politischen Kräfte dabei zur Mitarbeit aufzurufen sind. Wir sollten an dieser Entwicklung der gemeinsamen europäischen Agrarpolitik konstruktiv mitarbeiten und nicht abseits stehen. Wir sollten die Landwirtschaft in die Lage versetzen, sich zu behaupten. Andere Länder, Herr Bundesminister, rüsten gewaltig zum Kampf. Ich habe mir eine Rundfunkrede des Landwirtschaftsministers Frankreichs, des Herrn Pisani, vorlegen lassen. Herr Pisani rief seinem Haus und seinen Bauern zu: „Also nunmehr mit Volldampf voraus!" Meine Damen und Herren, wir müssen also — um das noch einmal zu sagen — die Landwirtschaft in die Lage versetzen, sich zu behaupten. Wir Sozialdemokraten sind bereit, dazu alle notwendigen Hilfen zu gewähren. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Ertl. Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Übergang in die zweite Phase der europäischen Politik wurde in einer Monstertagung geschaffen. Lassen Sie mich einen kurzen Ausflug in das Gebiet des Sports machen. Man kann vielleicht sagen: in einem spannenden Finish haben sie es in Brüssel geschafft. Um beim Sport zu bleiben, ich muß auch darauf hinweisen, daß nach einem Finish oft schnell die Erschöpfung kommt. Wir alle hoffen, daß es für die deutsche Landwirtschaft infolge der Brüsseler Beschlüsse nicht auch zu einer Erschöpfung kommt, sondern daß sie zu einem glücklichen Ziel gelangt, wenn zielstrebig weitergearbeitet wird. Wir haben eine Vielfalt von Verordnungen leider Gottes immer noch nicht konkret vor uns liegen. Bei der heutigen Debatte können wir uns nur auf das verlassen, was wir bisher gehört haben und worüber wir uns aus Informationsdiensten zusätzlich unterrichten konnten. Wenn man Berichten glauben darf, daß in Brüssel derzeit immer noch Redaktionskomitees an der endgültigen Formulierung arbeiten, dann, glaube ich, muß man sagen: hoffentlich redigieren die auch richtig! Wir wollen nicht bereits in Kürze gezwungen sein, festzustellen: So wie die Texte jetzt lauten, waren sie im Ursprung vielleicht gar nicht gedacht. Das ist die Gefahr gewisser hektischer Verhandlungen, und daraus sollten wir lernen. Vorredner haben bereits vor mir festgestellt, daß es keine gute Sache ist, die in Nachtsitzungen geboren wurde. Ich habe mir sagen lassen — ich bin Neuling in diesem Hause —, daß das Hohe Haus von dem Brauch der Nachtsitzungen, von dem Übel der Nachtsitzungen abgekommen ist, weil man gemerkt hat, daß der Geist zu später Stunde oft nicht mehr so klar ist, wie er sein sollte. Wenn schon so wichtige Beschlüsse gefaßt werden, muß man sie mit klarem Geist fassen. Um so mehr bewundern wir jene — und wir zollen ihnen Anerkennung —, die hier verhandelt haben. Sie haben zweifelsohne das Bestmögliche gewollt und versucht. Das anerkennen wir. Was im Endeffekt herauskommt, werden wir in der Zukunft in diesem Hohen Hause sehr oft zu besprechen haben. Die Landwirtschaft bewegt heute eine bange Frage: Wie werden sich die Maßnahmen für uns alle auswirken? Wird es besser werden? Wird es schlechter werden? Was kommt auf uns zu? Vielleicht haben wir in der Vergangenheit die Verhandlungen nicht mit der letzten Konsequenz und Rücksichtnahme, wie sie die Entwicklung in Deutschland fordert, geführt. Vielleicht haben wir uns zu sehr immer auf das Morgen verlassen, ohne den gegenwärtigen Standpunkt zu berücksichtigen. Ich halte Ertl es deshalb für erfreulich, daß wenigstens in der Schlußphase von der deutschen Verhandlungsdelegation mit der nötigen Sorgfalt und in der bestmöglichen Art versucht worden ist, die wichtigen Belange unserer Landwirtschaft zu vertreten. Die Hoffnungen auf einen europäischen Vertrag und die Hoffnungen auf die EWG sind letzten Endes von einem hohen Ziel getragen, nämlich dem Ziel europäischer Völkerverständigung und wirtschaftlicher Zusammenarbeit weit über die Grenzen hinaus. Wir wollen dabei aber nicht vergessen, daß es in der Zielsetzung des Vertrages heißt: a)





      (Zuruf von der SPD.)


      (Sehr wahr! bei der SPD.)





      (Beifall bei der SPD.)


    Rede von Erwin Schoettle
    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
    • insert_commentNächste Rede als Kontext
      Rede von Josef Ertl


      • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
      • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)




      b) auf diese Weise der landwirtschaftlichen Bevölkerung, insbesondere durch Erhöhung des Pro-Kopf-Einkommens der in der Landwirtschaft tätigen Personen, eine angemessene Lebenshaltung zu gewährleisten.
      „Durch Steigerung des Pro-Kopf-Einkommens", so wurde es in Art. 39 des EWG-Vertrages festgelegt. Das ist eine Forderung, der sich alle Vertragspartner verpflichtet haben und die — das wurde in der Debatte schon betont — weitgehend mit der Zielsetzung des Landwirtschaftsgesetzes übereinstimmt.
      Mit aller Deutlichkeit muß hier ausgesprochen werden: wir erwarten, daß die EWG-Kommission in Brüssel keine Maßnahmen beschließt, die uns in der Bundesrepublik und unserer Landwirtschaft Belastungen zumuten, die im Gegensatz zu dem Art. 39 stehen, die nicht dazu beitragen, das Pro-Kopf-Einkommen zu erhöhen.
      Wir haben mit Freude vernommen, daß erst im letzten Jahr bei der Sozialtagung der EWG in Rom erneut ein Bekenntnis zum bäuerlichen Familienbetrieb abgelegt worden ist und daß erneut betont worden ist, daß bei der fortschreitenden Entwicklung in Europa auch der bäuerliche Familienbetrieb seinen Platz im freiheitlichen Staat haben müsse und daß es darum gehe, den Lebensstandard der in der bäuerlichen Familie tätigen Menschen dem der übrigen Bevölkerung anzupassen. Das sind hohe Ziele, die man sich in Rom gesetzt hat. Wir dürfen diese hohen Ziele nicht aus politischen Gründen verwässern. Hier besteht nach wie vor eine wichtige Verpflichtung.
      Wir müssen bedenken, daß durch den Eintritt in die zweite Phase unsere bisherige Agrarpolitik an einem gewissen Endpunkt angelangt ist. Wir werden uns sehr bald darüber zu unterhalten haben, welche Auswirkungen auf den Agrarrechtssektor auf uns zukommen. Wir haben bereits von Herrn Bundesminister Schwarz gehört, daß es sehr bald notwendig sein werde, unsere bisherigen Marktordnungsgesetze der neuen Situation und den Beschlüssen von Brüssel anzupassen. Damit nehmen wir Abschied von einer fruchtbaren Phase der Agrarpolitik.
      Wenn man die vorläufigen Entwürfe für die Marktordnungen liest, dann wünscht man sich nur, daß sie eine ähnliche Funktion ausüben und eine ähnlich fruchtbare Wirkung haben werden, wie es z. B. das Marktordnungsgesetz für Getreide und für Zucker bei seiner bisherigen Anwendung in der Bundesrepublik gehabt hat. Es war eine konstruktive Phase in der deutschen Bundesrepublik, als diese Marktordnungsgesetze geschaffen worden sind. Wir können nur hoffen, daß die konstruktive Arbeit — zum Wohle von Erzeugern und von Verbrauchern — in der EWG fortgesetzt wird.
      Aber wenn man diese Vielfalt und diese großen Möglichkeiten für die Festsetzung von Preisen sieht, die bei den Marktordnungen gegeben sind, dann — das muß ich Ihnen offen und ehrlich gestehen — möchte einem oft angst werden vor der Phantasie, die bei der Abfassung dieser Verordnungen mitgewirkt hat. Eine einfachere Form würde vielleicht mehr Möglichkeiten für die praktische Handhabung bieten. Hier wäre eine gewisse Reduzierung auf das normal Notwendige erforderlich.
      Wir werden uns sehr bald darüber zu unterhalten haben, wieweit die Gesetze auf dem Getreidesektor — Getreidegesetz und Getreidepreisgesetz — außer Kraft gesetzt bzw. variiert werden müssen. Die Brüsseler Beschlüsse sind für uns bindend. Wir müssen uns überlegen, wie wir unsere gesamte agrarpolitische Lage diesen Beschlüssen anpassen können.
      Lassen Sie mich hier einen Blick in die Vergangenheit werfen, in die Jahre 1948, 1949, 1950. Schon einmal mußte die deutsche Landwirtschaft Tribut für eine bestimmte Ordnung bei uns — nämlich für den Schritt in die freie Marktwirtschaft — zahlen. In einer Zeit, zu der alle übrigen Wirtschaftspartner freie Preise bekamen, hat man ihr zugemutet, noch. zwei Jahre mit Zwangspreisen zu wirtschaften; das stellte die Starthilfe für unser vielbesungenes Wirtschaftswunder dar. Es wäre kein guter Start in dieses neue Europa, wenn wir wiederum die Starthilfe zahlen müßten. Denn diese würde langsam an die Substanz unserer bäuerlichen Betriebe gehen. Das wollen wir im Interesse der Gesunderhaltung unseres Volkes und einer gesunden Gesellschaftsstruktur vermeiden.

      (Beifall bei der FDP.)

      Die Beschlüsse von Brüssel sind vorwiegend politischer Art. Sie sind zunächst nicht so sehr aus der Sicht des Bäuerlichen oder des Wirtschaftlichen gefaßt worden. Man will über die Wirtschaft zur politischen Lösung kommen. Es wird einmal für die Historiker eine Preisfrage werden, ob es klug ist, wirtschaftliche Lösungen unter politischen Aspekten zu suchen, oder ob es nicht besser wäre, über die wirtschaftlichen Lösungen zu einer gesunden und vernünftigen Politik zu kommen. Aber wir können heute darüber nicht urteilen. Wenn wir heute die politische Lösung schon akzeptieren müssen, dann müssen wir dafür sorgen, daß nicht einer allein die Zeche zu zahlen hat, sondern daß sich die Folgen für alle Partner gleichermaßen auswirken.

      (Beifall bei der FDP.)




      Ertl
      Damit komme ich zu dem wichtigsten Punkt, der in dieser Debatte angesprochen worden ist, nämlich zu dem Problem der Preise. Es wurde bereits betont, daß von den elf Punkten des 27. November nicht alles verwirklicht werden konnte. Wir haben auch geglaubt, daß der Vertragstext — Art. 44 — erhalten bleibt, d. h. daß man sich auf der Basis von Mindestpreisen einigt. Das ist nun in der Tat nicht geschehen. Wir haben den Richtpreis bekommen. Der Herr Kollege Schmidt hat nicht zu Unrecht davor gewarnt, zu sagen: Es wird bei dem deutschen Getreidepreis bleiben. Ich glaube aber, wir, das Parlament, haben die Pflicht, dem Herrn Bundesminister zu sagen: wir wissen um die Funktion des Getreidepreises und um die Notwendigkeit, den deutschen Getreidepreis zu halten, und wir haben starke Hoffnung, daß er in diesem Punkte die Wünsche und die Notwendigkeiten berücksichtigt.
      Herr Kollege Schmidt hat in der Debatte erklärt, der Getreidepreis allein mache es nicht. Ohne Zweifel macht er es allein nicht. Aber unsere Veredelungswirtschaft baut nicht auf dem Hinzukauf von ausländischem Futtergetreide auf, sondern unsere Veredelungswirtschaft hat eine wirtschaftseigene Basis. Das heißt, von dem eigenen Futtergetreidepreis hängt wahrscheinlich letzten Endes auch der Preis der Veredelungsprodukte ab.
      In diesem Zusammenhang hat der Brotgetreidepreis wie der Futtergetreidepreis eine Schlüsselfunktion für die gesamte Agrarpolitik. Das muß man sehr klar sehen. Da bestehen echte Produktionsunterschiede zwischen den Verhältnissen in der Bundesrepublik und den Verhältnissen meinetwegen in Holland. Wir müssen auf unsere Veredelungswirtschaft, aber auch auf unsere Futtergetreideerzeugerbetriebe in schlechten Bodenlagen Rücksicht nehmen. So ist der Brotgetreidepreis wirklich ein Schlüsselpreis. Bei der Behandlung von Preismaßnahmen in der Landwirtschaft hat sich in der Vergangenheit immer wieder herausgestellt: es nutzen keine Preisinseln — wir erleben das immer wieder —, es gibt nur ein gleiches Niveau nach oben oder nach unten. Ich muß Ihnen ganz offen und ehrlich sagen: ich fürchte, wenn es zu einem Einbruch beim deutschen Brotgetreidepreis kommt, dann werden die anderen Preise nachziehen bis in die Veredelungswirtschaft. Ob das dann dem Verbraucher im Endeffekt zugute kommt, ist eine Frage für sich. Sie brauchen sich nur die Wirtschaftsstatistik anzuschauen: die Erzeugerpreise sind seit zehn Jahren stabil geblieben, aber die Verbraucherpreise nicht in diesem Umfang. Sie wissen, wie sich diese Dinge verändert haben. Das zur Frage des Brotgetreidepreises!
      Wir wären glücklicher gewesen, wenn es zu Mindestpreisen gekommen wäre. Aber diese Dinge sind nun einmal nicht mehr geschafft worden. Wir müssen es nun so versuchen, wenn es uns nicht gelingt, auf andere Weise den jetzigen Getreidepreis zu erhalten.
      Bei den jetzigen Beschlüssen im Rahmen der EWG steht von der Absatz- und Vermarktungsseite her ein gewisses Mißtrauen im Vordergrund. Die Bundesrepublik ist — der Herr Bundesminister hat schon in seiner Erklärung sehr deutlich darauf hingewiesen — das einzige Importland; die anderen sind Exportländer. Da gibt es natürlich Schwierigkeiten, insbesondere im Hinblick auf die Drittländer, die sich auf Grund unserer Handelsbeziehungen ja auch an unserem Markt beteiligen wollen. Aus diesem Grunde sehen wir es als eine dringliche Aufgabe an — mein Vorredner Herr von Kühlmann-Stumm hat das bereits betont —, bald von dem Sechser-Europa zu einem größeren Europa unter Einbeziehung von England, Dänemark, Osterreich, der Schweiz usw. zu kommen, damit sich die Marktverhältnisse wiederum etwas erweitern. Mit einer gewissen Angst sehen wir auf eventuelle Bestrebungen nach einer Autarkie der nach Präferenzen. Sie zielen letzten Endes darauf ab, daß unser Markt alles aufnehmen und die übrigen Länder bei uns abladen sollen. Angesichts unserer Produktionsmöglichkeiten entstehen natürlich große Schwierigkeiten.
      Wir haben mit Freude vernommen — das fällt mir gerade noch ein —, daß Herr Professor Baade zum Getreidepreis erklärt hat, auf Grund seiner Studien müsse er heute die Meinung vertreten: es macht gar nichts, wenn die Produktion im europäischen Raum durch einen höheren Getreidepreis gesteigert wird; denn angesichts der Welternährungslage ist es ohnehin so, daß wir uns über kurz oder lang in einer sehr schwierigen Ernährungssituation befinden werden. Vielleicht ergeben sich gewisse Hoffnungen im Hinblick auf die Entwicklungshilfe. Vielleicht lassen sich dadurch gewisse Marktregulierungen einbauen.
      Alles in allem: das Funktionieren der EWG und der kommenden Verordnungen hängt nicht zuletzt davon ab, ob man es ehrlich untereinander meint. Dieses Ehrlich-untereinander-Meinen setzt eine echte europäische Solidarität voraus.
      Gestatten Sie mir, daß ich auch noch da manchen Zweifel anmelde. Ich lese z. B. in der „Neuen Zürcher Zeitung" von einem Presseinterview des französischen Ernährungsministers Pisani. Er hat ungefähr folgendes gesagt: Die gemeinsame Agrarpolitik bietet der französischen Landwirtschaft die Möglichkeit, ihre gesamte Erzeugung innerhalb des Gemeinsamen Marktes zu den höheren französischen Inlandspreisen abzusetzen; daraus wird sich eine Hebung des landwirtschaftlichen Einkommens ergeben, ohne daß die französischen Konsumentenpreise steigen werden; gleichzeitig wird dadurch der französische Staatshaushalt enlastet. Das heißt doch, daß man in Zukunft gewisse französische Hilfsmaßnahmen mit unserer Hilfe mitfinanzieren will. Ob das nun von einem echten europäischen Geist zeugt, möchte ich bezweifeln. Vielleicht wird aber die Übung und das Zueinander manches bessern. Wir werden uns hoffentlich in manchen Dingen noch besser verstehen.
      Noch ein Wort zur Umstellung auf die Veredlungswirtschaft. Sie wird so als das Generalrezept im Zuge der EWG empfohlen. Ich komme aus einem Gebiet, wo man von Natur aus zur Veredlungswirtschaft gezwungen ist. Auf Grund des Klimas, der Bodenverhältnisse, der Hanglagen usw. können die Bauern in den bayerischen Bergen nur Veredlungswirtschaft treiben. Wir waren glücklich darüber, daß sich ein Teil unserer Hackfrucht- und Ge-



      Ertl
      treidebaubetriebe infolge der Entwicklung und der Preissituation der letzten Jahre — ich denke insbesondere an die Zuckerrübenpreise, die Hackfruchtpreise, aber auch an die Getreidepreise — aus der Milchwirtschaft herausgezogen und mehr auf die Mastproduktion umgestellt hat. Sollte diese Entwicklung zurückgeschraubt werden, so würde das bedeuten, daß das innere Produktionsgefälle — ich möchte es einmal mit dem so beliebten Wort „Wettbewerbsverzerrung" aussprechen — innerhalb Deutschlands noch einmal verstärkt wird, und dann würden vielleicht gerade die von Natur aus benachteiligten Betriebe erst recht die europäische Rechnung bezahlen. Das muß für die Zukunft verhindert werden. Daher kommt wieder der ganze Komplex Getreidepreis — Veredelungswirtschaft. Es gibt hier keine Patentrezepte. Aber vielleicht werden wir hier Wege suchen und finden. Es bieten sich auch gewisse Möglichkeiten an. Wir hören von horizontaler Integration und von vertikaler Integration. Soweit solche Möglichkeiten dazu angetan sind, Qualität und Absatz zu verbessern, werden wir alle sie wohl vollauf unterstützen.
      Wir sind der Meinung, daß es vor allem das Recht der Bauern ist, durch Zusammenschlüsse bessere Produktions- und Absatzmöglichkeiten auszunutzen. Allerdings haben wir da ein Fragezeichen anzubringen, wenn die vertikale Integration — um sie geht es ganz besonders — letzten Endes nur dahin führen sollte, daß der Bauer nur noch ein Vertragsarbeiter für irgendein Unternehmen wird. Das wäre verkehrte Gesellschafts- und Sozialpolitik.

      (Beifall bei der FDP.)

      Das gilt auch für die Konzentration, von der Sie gesprochen haben, Herr Kollege Schmidt. Wir haben in den übrigen wirtschaftlichen Bereichen schon genug Konzentration. Wir sind sehr froh und haben mit großer Freude vernommen, daß die Bundesregierung immer wieder erklärt, wie sehr es in der jetzt so gespannten Situation darum geht, möglichst viele Einzeleigentümer in unserem Volke zu erhalten. Wir wissen auch nicht, wie sich die politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse auf die Dauer gestalten. Die vielschichtige Landwirtschaft ist immer noch ein Stabilisator in unserem ganzen Volkskörper, und das soll so bleiben.
      Es wurde verschiedentlich darauf hingewiesen, daß es vielleicht in Zukunft notwendig ist, Preisziele zu nennen. Wir sind der Meinung, daß es sehr notwendig ist, einmal genau festzustellen, welche Erfordernisse für eine echte Kostendeckung nach der jetzigen Wirtschaftslage bestehen. Diese Frage muß einmal von der Wissenschaft angepackt werden.
      Ich darf diesbezüglich eines einmal sehr deutlich sagen. Wir haben auch in puncto Strukturwandel oft eine gewisse breite Auslegung. Im europäischen Vertrag und in den Brüsseler Beschlüssen wird immer wieder auf die Notwendigkeit des Strukturwandels hingewiesen. Verstehen Sie mich nicht falsch: Wir wissen alle, daß unsere Landwirtschaft infolge von Erbteilungen und aus anderen Gründen oft sehr schwierige innere Wirtschaftsverhältnisse hat. Soweit diese inneren Wirtschaftsverhältnisse verbessert werden müssen, werden wir immer ja
      sagen, ein Ja zur Flurbereinigung, Arrondierung und Aufstockung. Wer aber glaubt, daß sich das wirtschaftliche und soziale Gefälle zwischen Landwirtschaft und der übrigen Wirtschaft allein auf dem Wege des Strukturwandels beseitigen läßt, der hat die letzte Entwicklung nicht scharf durchdacht.

      (Beifall bei der FDP.)

      Das ist eine Erkenntnis, die aus dem letzten Grünen Bericht sehr deutlich hervorgeht. 6 % der Betriebe haben die Kostendeckung erreicht, 94 % haben trotz verschärfter Strukturmaßnahmen und trotz Flurbereinigung den Anschluß nicht erreicht. Warum? Weil man das Preis- und das wirtschaftliche Gefälle nicht dadurch beseitigen kann, daß man unbedingt sagt, die Betriebe müßten größer oder kleiner werden oder arrondiert oder flurbereinigt werden.
      Selbstverständlich steigt die innere Wirtschaftlichkeit. Wenn wir heute noch feststellen können, daß wir eine gut funktionierende Landwirtschaft haben, so gerade deshalb, weil sie jener Produktionszweig ist, der durch mehr Produktion, durch bessere Erzeugung und vielleicht auch durch Verbesserung der Qualität das Preisgefälle immer wieder zu überwinden versucht. Man darf auch nicht vergessen, daß die Familienbetriebe noch bereit sind, gewisse Opfer zur Erhaltung des bäuerlichen Besitzes zu bringen.

      (Beifall bei der FDP.)

      Da wir aber schon bei dem Strukturwandel sind und zu den Folgender jetzigen Brüsseler Beschlüsse kommen, müssen wir unbedingt daran denken, daß nach wie vor eine große Rationalisierungslücke und Modernisierungslücke besteht. Wir haben also, Herr Kollege Struve hat es bereits angeführt, für die Zukunft einen erheblichen Bedarf an Kreditmitteln zur Rationalisierung und Modernisierung unserer landwirtschaftlichen Betriebe. Ich möchte daran erinnern, daß wir Freien Demokraten bereits im Jahre 1958 einen Antrag zur Investitionshilfe eingebracht haben. Wir werden uns vielleicht bald einmal im Ernährungsausschuß über dieses Problem unterhalten müssen; denn auch auf der Kreditbasis ist heute noch keine Konkurrenzfähigkeit gegeben.
      Es wird immer so sehr von der Preisangleichung, sehr wenig von der Kostenangleichung gesprochen. Dabei gibt es natürlich immer noch ein Kostengefälle. Ich möchte auf die Wettbewerbsverzerrung im einzelnen noch gar nicht eingehen. Denken Sie daran: als einziger Partner mußten die deutschen Landwirte Lastenausgleich zahlen; auch eine finanzielle Belastung! Das soll nicht heißen, daß wir gegen den Lastenausgleich sind. Aber er belastete die Produktion unserer landwirtschaftlichen Betriebe, insbesondere belastete er die Kapitalbildung.
      Alle unsere Partnerstaaten haben zur Zeit Agrarschutzmaßnahmen; es wurde bereits in der Debatte gesagt. Lassen Sie mich einige Zahlen nennen von maßgeblichen Wirtschaftspartnern, mit denen wir, sei es im Zuge der EWG, sei es als Drittländern, einen Austausch haben. Die Vereinigten Staaten haben heute eine Subvention pro in der Landwirtschaft tätige Person von 2375 DM, Großbritannien, das



      Ertl
      vielleicht in Zukunft einmal unser Partner wird, gibt
      gar pro Person 2980 DM aus, Holland — das so viel
      gepriesene Holland — 1320 DM, Deutschland 760 DM.
      Es ist nun nicht so, meine sehr verehrten Damen und Herren, daß nur die Landwirtschaft in Deutschland in einem „Subventionsglashaus" sitzt. Auf diesem Sektor ist zur Angleichung bzw. zum Ausgleich .einzelstaatlicher Maßnahmen noch sehr viel zu tun. Herr Kollege Schmidt hat schon darauf hingewiesen, mit welcher Schläue verschiedene Partner ihre einzelstaatlichen Hilfsmaßnahmen verschleiern. Hier ist noch sehr viel Aufklärungsarbeit zu leisten. Wir wünschen Ihnen, Herr Minister, sehr viel Spione bei der Erstellung des Katalogs, damit wir endlich einmal die Karten auf dem Tisch liegen haben. Wir erwarten von unseren Partnern, wenn sie es ehrlich meinen, daß sie auch ihre Karten auf den Tisch legen. Wir haben es auch getan.
      Es wurde in diesem Zusammenhang betont, daß nur die Exportsubventionen in Zukunft wegfallen. Wir müssen auf lange Sicht die Kosten insgesamt angleichen.
      Ich darf noch auf die Treibstoffbeihilfen bzw. die Treibstoffkosten hinweisen. Der deutsche Landwirt zahlt 27 Pfennig, der holländische meines Wissens 18, der italienische gar nur 15 Pfennig.
      Ich will nicht im einzelnen darlegen, welche Belastungen die deutsche Landwirtschaft für Anschaffungen von Maschinen, von Gebäuden zu tragen hat. Auch diese Lasten, die sich oft sehr erheblich auswirken — Sie kennen die Zahlen aus dem Grünen Plan und dem Grünen Bericht —, sind ein Kostenfaktor unserer landwirtschaftlichen Produktion. Sie sind aber auch, das darf ich hier einma ganz allgemein sagen, ein Beitrag für die gesamte deutsche Volkswirtschaft. Bedenken Sie, was passieren würde, wenn unsere Landwirtschaft als Käufer aus dem Binnenmarkt ausschiede. Das würde für sehr viele Industrie- und Gewerbezweige zu erheblichen Schwierigkeiten führen. Auch daran muß man in Zukunft denken.
      Um so wichtiger ist wiederum, daß wir in Zukunft durch eine Investitionshilfe dafür Sorge tragen, daß die Landwirtschaft die Möglichkeit hat, mit entsprechenden Krediten baldmöglichst ihre Rationalisierungsmaßnahmen durchzuführen.
      Auch die Frachten sind ein Kostenfaktor; und leider Gottes sind auch die Frachten in der Bundesrepublik am höchsten. Wir kommen also nicht darum herum, die Frachttarife für Getreide zu senken. Wir werden gerade diese Maßnahmen sehr genau im Auge behalten müssen, wenn nicht wieder die marktfernen Gebiete, die ja sowieso von Natur aus benachteiligt sind, besonders in Mitleidenschaft gezogen werden sollen.
      Ein Wort zu den Regionalprogrammen. Auch wir Freien Demokraten sind der Meinung, daß gerade in Zukunft Regionalprogramme besonders wichtig sind. Ich brauche es Ihnen nicht zu sagen: gerade wir in Bayern haben diesbezüglich natürlich ganz besondere Wünsche, weil ein Großteil der marktfernen Gebiete bei uns liegt. Es ist deshalb sehr notwendig, daß wir in Zukunft Regionalprogramme
      besonders unterstützen. Das ist im übrigen bereits in Artikel 42 des EWG-Vertrags berücksichtigt. Wir brauchen vielleicht Mittel zur Förderung der Veredlungswirtschaft, wenn es sich darum handelt, meinetwegen Schweinemastringe oder ähnliches zu schaffen, und wir werden nicht darum herumkommen, wenn wir einen schnellen Fortschritt unserer Landwirtschaft wünschen, die Beratungen für diese Schwerpunkte zu intensivieren. Übrigens haben andere Partnerstaaten etwas Ähnliches gemacht.
      Gestatten Sie mir noch ein Wort zum Grenzertrag. Es wurde immer wieder betont — meines Wissens war Präsident Mansholt der erste, der vor Jahren darauf hingewiesen hat —, daß sich hier eben gewisse Notwendigkeiten ergeben. Sie wissen, daß es noch immer das Problem der Abwanderung von 1 Million Arbeitskräften und der Herausstellung des größeren Betriebs gibt. Professor Hofstee sprach in Bad Tölz auf der agrarsozialen Tagung vom 30-ha-Betrieb. Außerdem kommt immer wieder die Frage der Aufforstung von sogenannten Grenzertragsböden auf. Es wäre wünschenswert, einmal genau zu erfahren, was alles Grenzertragsböden sind. Denken wir doch daran, daß die Landwirtschaft letzten Endes etwas organisch Ganzes ist, das in die Landschaft hineinpaßt.
      Weil ich gerade aus einem Gebiet komme, in dem noch Bergbauern leben, muß ich Sie alle fragen, die Sie doch so gerne in den bayerischen Bergen Ihren Urlaub verbringen: Könnten Sie sich dieses bayerische Bergland ohne unsere Dörfer, ohne unsere Bauern, ja ohne die Kühe in Oberammergau vorstellen?

      (Heiterkeit.)

      Ich glaube, das wäre für uns alle bitter.

      (Anhaltende Heiterkeit.)

      Sie wollen das für Ihren Urlaub genießen; wir wollen, daß die Menschen anständig leben können.

      (Abg. Dr. Schmidt — Herr Schmidt, hier begegnen wir einander auf der sozialen Ebene; wir sehen das zum beiderseitigen Nutzen aus sozialpolitischer Sicht. Man sollte sich daher mit Vorsicht mit solchen Problemen befassen. — Er kennt es. Ich nehme an, daß er von seinem Berg auch des öfteren auf eine Kuh herunterschaut. Notfalls werde ich es ihm einmal zeigen. Ich bin nämlich in seiner Nachbarschaft. Wir werden für dieses Gebiet sicherlich eine besondere Beratung brauchen. Lassen Sie mich sagen: wir sollten es nicht so leicht nehmen. Ich darf zurückkehren zu dem großen Problem, in das diese Frage gehört, nämlich zu der Auseinandersetzung um den freiheitlichbäuerlichen Betrieb mit dem Schwerpunkt als Familienbetrieb und der Tendenz zur Farm und — als Alternative — die Kolchose. Wir müssen dabei immer wieder bedenken, daß der bäuerliche Betrieb ein gesellschaftspolitischer Faktor ist, den wir auf die Dauer erhalErtl ten wollen, und zwar in einer Breitenschichtung und nicht als ganz spezialisierten Betriebstyp. — Ich sage nur, gnädige Frau, daß gewisse Tendenzen dazu da sind. Ich habe Professor Hofstee zitiert. Sie hätten nach Bad Tölz fahren müssen. Es wurde in der Debatte noch vom Milchpreis gesprochen. Wir wissensselbstverständlich, Herr Struve, daß der Erzeugerpreis in keiner Weise dem jetzigen Preisund Lohnniveau in der übrigen Wirtschaft angepaßt ist. Es geht vorwiegend darum, den Erzeugerpreis zu heben, in ein richtiges Verhältnis zu derzeitigen wirtschaftlichen Belastungen zu bringen und alle Maßnahmen auf den Erzeugerpreis abzustimmen. — Sie müssen unsere Anträge und unsere Erklärungen lesen, Herr Schmidt, dann werden Sie das sehr genau daraus ersehen können. Wenn wir aber dem Verbraucher da oder dort ein Opfer zumuten, dann müssen wir auch alles für eine Qualitätsverbesserung tun. Wir unterstützen daher alle Maßnahmen für eine Qualitätsverbesserung. Gerade auf dem Milchsektor scheint es notwendig, zu Qualitätsverbesserungen zu kommen. Dann werden wir sicherlich auch das Verständnis der Verbraucher finden. Dazu eine ganz allgemeine Bemerkung. Wir sollten uns hüten, Erzeuger und Verbraucher ständig gegeneinander auszuspielen, sondern wir sollten beiden Teilen Gerechtigkeit angedeihen lassen. Ich komme zum Schluß. Wenn sich die EWG und die Brüsseler Beschlüsse als ein guter Anfang herausstellen sollten, und wenn es gelingt, gewisse Tendenzen, die vielleicht einmal vorhanden waren, zu beseitigen, dann können wir aus der jetzigen Situation heraus eine glückliche Zukunft für unsere Landwirtschaft erreichen. Wir sollten uns aber hüten, nur aus einer fortschreitenden Industrialisierung eine Art Fortschrittsgläubigkeit zu entwickeln. Ich darf zum Schluß zitieren, was Friedrich Naumann vor ungefähr 30 Jahren einmal zu dem Verhältnis zwischen Landwirtschaft und fortschreitender Industrialisierung am Beispiel Englands gesagt hat: Ein siegreicher Industrialismus wird aus wirtschaftlichen und nationalen Gründen Bauernschutzpolitik treiben müssen, wenn er unser Volk nicht in die höchst bedenkliche Lage bringen will, in der jetzt England ist, wo einer industriellen und finanziellen Hochkonjunktur der Bauernuntergrund fehlt. Wenn es sich um Bauernschutz handelt, müßte selbst eine industrielle Demokratie in weitsichtigem Interesse Opfer bringen. Das, glaube ich, müßten wir bei der Entwicklung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft berücksichtigen. Wenn das genügend berücksichtigt wird, werden wir sicherlich in Zukunft eine gute Agrarpolitik treiben können. Es wurde bereits betont, daß die Bundesregierung um eine Ermächtigung nachgesucht hat, weil es sich hier um eine sehr schwierige Materie handle. Auch wir glauben, daß es unmöglich ist, die kommenden Beschlüsse ohne das Parlament zu fassen. Wir bitten deshalb darum, daß wir in Zukunft über alle diese Auswirkungen mit aller Klarheit informiert werden und daß das letzte Wort in einer Materie von so weittragender Wirkung beim Parlament bleibt. Lassen Sie mich noch einmal betonen: Wir sagen ja zu Europa. Wir hoffen, daß es eingrößeres Europa wird; nicht das Europa der Sechs, sondern ein Europa aller freiheitlichen Staaten. Wir sagen um so lieber ja zu Europa, wenn es nicht auf einer dezimierten deutschen Landwirtschaft aufgebaut wird. (Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU/CSU.)


      (Zuruf von der SPD: Ich empfehle, das Manuskript Herrn Erhard zu schicken!)





      (Zuruf der Abg. Frau Strobel.)


      (Zuruf des Abg. Dr. Schmidt [Gellersen].)