Rede:
ID0401019400

insert_comment

Metadaten
  • sort_by_alphaVokabular
    Vokabeln: 7
    1. Das: 1
    2. Wort: 1
    3. hat: 1
    4. Herr: 1
    5. Abgeordneter: 1
    6. Dr.: 1
    7. Schellenberg.: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 10. Sitzung Bonn, den 18. Januar 1962 Inhalt: Fragestunde (Drucksachen IV/123, IV/125) Frage des Abg. Dr. Atzenroth: Tätigkeit der Schiedskommission und des Schiedsgerichtshofs gemäß dem Londoner Schuldenabkommen Dr. Carstens, Staatssekretär . . 215 C, 216 A, B Dr. Atzenroth (FDP) . . 215 D, 216 A Frage des Abg. Dr. Kohut: Veröffentlichung des sowjetischen Memorandums Dr. Carstens, Staatssekretär . 216 B, C, D, 217 A Dr. Kohut (FDP) 216 C, D Wehner (SPD) . . . . 216 D, 217 A Frage des Abg. Ertl: Ermittlungen wegen der Sprengstoffanschläge in Südtirol Höcherl, Bundesminister . . . . . 217 B Ertl (FDP) . . . . . . . . . . 217 C Frage des Abg. Dr. Rutschke: Unterschiedlicher Ortszuschlag bei Bediensteten in der Stadt Walldürn . . 217 C Frage des Abg. Jahn: Auslandsstipendium für den Schriftsteller Uwe Johnson Höcherl, Bundesminister . . . . 217 D Frage des Abg. Sänger: Aufenthaltsgenehmigung für Touristen aus Jugoslawien Höcherl, Bundesminister . . . . 218 A, B Sänger (SPD) . . . . . . . . . 218 B Frage des Abg. Dr. Schäfer: Besetzung hoher Ministerialbeamtenstellen Höcherl, Bundesminister . . . . 218 C, D, 219 A, B Dr. Schäfer (SPD) . . . 218 C, 219 A Jahn (SPD) 219 B Frage des Abg. Dr. Atzenroth: Sonderurlaub anläßlich des Geburtstages des Präsidenten des Bundeskartellamtes Höcherl, Bundesminister . . . . 219 C, D Dr. Atzenroth (FDP) 219 C, D Frage des Abg. Felder: Unterbringungsverhältnisse im BundesAusländerlager Zirndorf Höcherl, Bundesminister . . . 220 A, B, C Felder (SPD) 220 A, B Frage des Abg. Felder: Asylrechts-Verordnung Höcherl, Bundesminister 220 C Frage des Abg. Felder: Entschädigungsverfahren für Dokumentationskosten der Stadt Zirndorf Höcherl, Bundesminister 220 D Frage des Abg. Dr. Bucher: Unterschiedliche Besoldung von Beamten desselben Aufgabengebiets im Bundes- und Landesbereich Höcherl, Bundesminister . 220 D, 221 A Dr. Bucher (FDP) 221 A II Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 10. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Januar 1962 Fragen der Abg. Hermsdorf und Hansing: Lage der Seefischerei Dr. Starke, Bundesminister . . . 221 B, D, 222 A, B Hermsdorf (SPD) . . . 221 D, 222 A Müller-Hermann (CDU/CSU) . . . 222 A Frage des Abg. Dr. Kohut: Zurückstellung von öffentlichen Bauvorhaben Dr. Westrick, Staatssekretär . . . 222 C, 223 A Dr. Kohut (FDP) . . . . . . . . 223 A Frage des Abg. Dr. Kohut: Preisgestaltung auf dem Baumarkt Dr. Westrick, Staatssekretär . 223 B, C, D, 224 A, B, C Dr. Brecht (SPD) . . . . . . . 223 B, C Dr. Atzenroth (FDP) 223 D Büttner (SPD) . . . . . 223 D, 224 A Hamacher (SPD) . . . . . . . 224 A, B Dr. Koch (SPD) . . . . . . . . 224 B Frage des Abg. Memmel: Sammelverfahren gegen Oberlandesgerichtspräsidenten und Generalstaatsanwälte 224 C Frage des Abg. Dr. Imle: Vertikale Integration der Landwirt-schaf t Schwarz, Bundesminister 224 D Frage des Abg: Dr. Imle: Mittel für die vertikale Integration der Landwirtschaft Schwarz, Bundesminister . . . . 225 A, B Dr. Imle (FDP) 225 B Frage des Abg. Logemann: Leiter der Forschungsstelle für bäuerliche Familienwirtschaft Schwarz, Bundesminister 225 C, D, . 226 A Logemann (FDP) . . . . . . . 225 C, D Schmitt-Vockenhausen (SPD) . . . 226 A Frage des Abg. Dr. Schmidt (Gellersen) : Besetzung der Staatssekretärsstelle im Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Schwarz, Bundesminister . . . . . 226 A Dr. Schmidt (Gellersen) (SPD) . . . 226 B Frage des Abg. Dr. Mommer: Einberufung des Dr. med. Blunck zu einer Wehrübung Hopf, Staatssekretär . . . . . 226 C, D Dr. Mommer (SPD) . . . . . . . 226 D Frage des Abg. Rehs: Rentenaufbesserung des Vierten Rentenanpassungsgesetzes Mischnick, Bundesminister . . . 227 A Frage des Abg. Rehs: Unterhaltshilfe des Lastenausgleichs Mischnick, Bundesminister . . . . 227 A Frage des Abg. Börner: Jahresarbeitsverdienstgrenze in der Unfallversicherung Dr. Claussen, Staatssekretär . 227 C, D, 228 A Börner (SPD) 227 C, D Schmitt-Vockenhausen (SPD) . . 228 A Entwurf eines Fünften Gesetzes zur Änderung des Selbstverwaltungsgesetzes (CDU/CSU, SPD, FDP) (Drucksache IV/81); Schriftlicher Bericht des Sozialpolitischen Ausschusses (Drucksache IV/98) —Zweite und dritte Beratung — . . . . 228 B Entwurf eines Gesetzes über die Anpassung der Renten der Kriegsopferversorgung (SPD) (Drucksache IV/54) — Erste Beratung —; in Verbindung mit dem Entwurf eines Gesetzes über die Gewährung einer einmaligen Zuwendung an Bezieher von Unterhaltshilfe (Kriegsschadenrente) nach dem Lastenausgleichsgesetz (SPD) (Drucksache IV/55) — Erste Beratung —; und dem Antrag betr. Zahlung eines Weihnachtsgeldes an Empfänger von Renten nach dem BEG (SPD) (Drucksache IV/82) Bazille (SPD) 228 C Rehs (SPD) . . .. . . . . . 230 D Arndgen (CDU/CSU) . . . . . 232 A Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Rechts der gesetzlichen Unfallversicherung (Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetz — UVNG —) (CDU/CSU) (Drucksache IV/120) — Erste Beratung — Stingl (CDU/CSU) . . . . . . 233 A Börner (SPD) 240 B Ollesch (FDP) . . . . . . . . 245 C Frau Kalinke (CDU/CSU) . . . 248 A Dr. Schellenberg (SPD) . 253 C, 257 C Spitzmüller (FDP) . . . . . . . 256 D Berichtigung zur Wahl der vom Bundestag zu entsendenden Mitglieder des Kontrollausschusses beim Bundesausgleichsamt (Drucksache IV/118) (9. Sitzung) . 258 A Nächste Sitzung 258 C Anlage 259 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 10. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Januar 1962 215 10. Sitzung Bonn, den 18. Januar 1962 Stenographischer Bericht Beginn: 9.01 Uhr.
  • folderAnlagen
    Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Dr. Achenbach* 19. 1. Altmaier 1. 2. Dr. Arndt 19. 1. Baier (Mosbach) 31. 1. Bauer (Würzburg) * 19. 1. Dr. Bechert 20. 1. Berkhan * 19. 1. Fürst von Bismarck * 19. 1. Blachstein * 19. 1. Dr. Bucerius 19. 1. Dr. Deist 21. 1. Dr. Dichgans 28. 1. Even ,(Köln) 18. 1. Frau Dr. Flitz * 19.. 1. Fritsch 18. 1. Dr. Furler * 19. 1. Gedat 15. 2. Genns * 19. 1. Harnischfeger 19. 1. Hilbert 21. 1. Höfler * 19. 1. Frau Dr. Hubert * 19. 1. Hufnagel 18. 1. Jacobs * 19. 1. Jaksch 20. 1. Frau Keilhack 19. 1. Dr. Kempfler 19. 1. Frau Kettig 19. 1. Killat 19. 1. Dr. Klein 14. 2. Dr. Kliesing (Honnef) 4. 2. Dr. Kopf * 19. 1. Frau Korspeter 19. 1. Frau Krappe 20. 1. Kriedemann 18. 1. Krüger 27. 1. Kühn (Bonn) 19. 1. Lenz (Bremerhaven) 20. 1. Lenz (Brühl) 18. 1. Lenze (Attendorn) * 19. 1. Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordneter) beurlaubt bis einschließlich Lücker (München) 19. 1. Maier (Mannheim) 14. 2. Mauk 19. 1. Frau Dr. Maxsein * 19. 1. Dr. Meyer (Frankfurt) * 19. 1. Meyer (Oppertshofen) 19. 1. Müller (Worms) 27. 1. Murr 18. 1. Paul * 19. 1. Peters (Norden) 19. 1. Pöhler 18. 1. Rademacher 19. 1. Frau Dr. Rehling * 19. 1. Reitzner 31. 1. Frau Renger * 19. 1. Ritzel 19. 1. Dr. Rutschke 26. 1. Scheuren 21. 1. Dr. Schmid (Frankfurt) * 19. 1. Schmidt (Braunschweig) 2. 2. Schmidt (Hamburg) 31. 1. Schütz (München) 19. 1. Seidel (Fürth) 19. 1. Seidl (München) * 19. 1. Dr. Serres * 19. 1. Dr. Siemer 19. 1. Storch 18. 1. Striebeck 9. 2. Dr. Süsterhenn * 19. 1. Frau Vietje 19. 1. Dr. Wahl * 19. 1. Frau Dr. h. c. Weber (Essen) * 19. 1. Weinzierl 19. 1. Werner 15. 2. Wienand * 19. 1. Winkelheide 19. 1. Dr. Zimmer * 19. 1. b) Urlaubsanträge van Delden 1. 2. * für die Teilnahme an der Tagung der Beratenden Versammlung des Europarates
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von: Unbekanntinfo_outline


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: ()
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: ()


    Extreme Freiheit ist ein Feind der sozialen Sicherheit, während umgekehrt eine Überbetonung des Strebens nach Sicherheit zur Einschränkung der Freiheit führen kann.
    Wir erleben gegenwärtig wieder ein neues Auspendeln der Gewichte, wie es beim Übergang von der Zeit der großen Nachkriegsnot, die nach Sicherheit drängen ließ, in die Zeit geordneter und erfolgreicher Wirtschaftspolitik natürlich ist. Ich wäre dankbar, wenn alle interessierten Sozialpolitiker und andere Politiker diese Gedankengänge des Arbeitsministers, die auch für unsere heutige Diskussion gelten sollten, nachlesen würden.
    Wer die gegliederte Sozialversicherung will — und wir wollen sie —, wer die Unterschiede zwischen Sozialversicherungsrenten und Unfallrenten anerkennen will — und wir wollen das —, der kann nicht gleichzeitig die Anwendung der Prinzipien der Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten oder etwa derjenigen der Kriegsopferversorgung auf die Unfallversicherung wünschen. Wer die gewachsene Vielfalt unserer Versicherungsarten und -träger erhalten will, muß auch die Zusammenhänge in der gesamten Sozialpolitik immer wieder sehen — das hat auch unser Kollege Arndgen hier heute morgen im Rahmen der Beratung zweier anderer Gesetze deutlich gesagt: —, der muß erkennen, daß in Anlehnung an vergleichbare, vielleicht auch mögliche Lösungen in den verschiedenen Leistungssystemen Rücksicht genommen werden




    Frau Kalinke
    kann, aber nicht in jedem Fall genommen werden muß. Daß die Sozialpolitik trotz aller Mannigfaltigkeit in ihren Auswirkungen eine Einheit ist, bedeutet nicht zwangsläufig ein einheitliches System der Rentenfindung, das bedeutet auch nicht zwangsläufig eine einheitliche Form der Anpassung der Renten. Das bedeutet sogar, daß wir Rücksicht zu nehmen haben, daß nicht durch falsche Formen eine Nivellierung unserer Rentensysteme erfolgt.
    Darum muß auch in der Unfallversicherung jeder Schritt nach vorn so sorgfältig vom Grundsätzlichen geprüft werden, aber auch von der Auswirkung auf andere Leistungsträger. Das ist schon im Hinblick auf die Kumulation der Renten und die Zusammenhänge mit dem Lohn bei den Unfallversicherten von ganz besonderer und spezieller Bedeutung. Meine Kollegen haben das in der Debatte in der vorigen Legislaturperiode um die Regierungsvorlage mehrfach deutlich gemacht. Ich will nichts davon wiederholen.
    Der Kollege Börner hat nun heute morgen hinsichtlich des Zeitplans der einzelnen sozialpolitischen Gesetze bewegte Klage geführt, was ich ihm nicht verdenke, hat aber erfreulicherweise zugestimmt — und daran werden wir ihn im Ausschuß erinnern —, daß dieses Gesetz so schnell wie möglich verabschiedet werden sollte, damit wir Raum für das große sozialpolitische Gesetzgebungsprogramm der kommenden Legislaturperiode haben. Wir wollen gemeinsam darum bemüht sein, aus Fehlern der Vergangenheit zu lernen. Ich bin mutig genug zu sagen, auch wir hätten in manchen Dingen vielleicht etwas entschiedener von der Macht, die uns die Wähler gegeben haben, Gebrauch machen sollen — und Sie (zur SPD) hätten in vielen Dingen etwas weniger bremsend gewirkt.

    (Zurufe von der SPD.)

    Herr Kollege Börner, Sie haben heute morgen beklagt, daß durch das Einbringen des Gesetzesentwurfs als Initiativantrag der Bundesrat nicht mehr gehört werden kann. Ich bin ganz sicher, daß die Gedankengänge der SPD, soweit sie im Bundesrat zum Ausdruck gekommen sind, von Ihnen vorgetragen werden, so wie Sie heute die fünfzehn Forderungen des DGB in Ihren Ausführungen zum Teil vorgetragen haben. Ich will mich auf das loyalste und sachlichste mit diesen Forderungen auseinanderzusetzen versuchen. Ich glaube, daß sich auch niemand von uns dem Anhören der Bundesratsvorschläge während der Ausschußberatungen widersetzen wird.
    Ich darf in Erinnerung bringen — nur als Ergänzung zu dem, was mein Kollege Stingl in seiner Begründung schon gesagt hat —, daß viele der Forderungen, die seinerzeit im Initiativgesetzentwurf der SPD zur vorläufigen Regelung des Rechts der Unfallversicherung enthalten waren, so z. B. die Erhöhung der Jahresarbeitsverdienstgrenze, die Aktualisierung der Rente, die Verbesserung bei den Leistungen für Witwen, in unserer Gesetzesvorlage erfüllt sind. Ich hätte mich gefreut, wenn Sie das besonders betont hätten, und möchte es deshalb in Ihre Erinnerung bringen. Sie sind immer so
    liebenswürdig, uns an manches Vergessen zu erinnern.

    (Zuruf von der SPD.)

    — Ich gebe zu, daß wir allzumal Menschen sind und uns irren. Aber daß wir ein gutes Gedächtnis haben, werde ich Ihnen in den Ausschußberatungen beweisen.
    Auch in Zukunft werden — darin stimmen wir überein — das Unfallheilverfahren und die Maßnahmen zur Wiederertüchtigung in der Unfallversicherung die wichtigsten Aufgaben sein. Seit Jahrzehnten sind — das muß immer wieder gesagt werden, weil bei einzelnen Debatten in der Öffentlichkeit der Eindruck entstehen könnte, als sei das neu — gerade das Unfallheilverfahren und die Rehabilitation auf den modernsten Stand gebracht worden, und auch dieses Gesetz wird neue Impulse zur Stärkung dieses vorrangigen Auftrages der Berufsgenossenschaften geben. Dabei soll — das betone ich wegen des Grundsatzes — ganz besonders die Wiederertüchtigung und die Fürsorge für den Verletzten im körperlichen, im seelischen und im sozialen Bereich den Vorrang vor allen finanziellen Leistungen, natürlich auch vor jeder Abfindung, haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Diese Fürsorge umfaßt in weitestem Sinne den ganzen Umfang ärztlicher und sozialer Dienstleistungen vom Beginn des Unfalls bis zu dem Zeitpunkt, wo der Verletzte für die normale Betätigung wiederhergestellt ist. In diesem Zusamenhang werden wir uns im Ausschuß auch mit den Gedanken und Wünschen der Ärzteschaft sehr sorgfältig auseinandersetzen.
    Herr Kollege Börner hat nun über einige der Forderungen gesprochen, die in dem 15-Punkte-Programm des DGB aufgestellt worden sind; er hat noch nicht alle erwähnt, die anderen werden wohl im Ausschuß folgen.

    (Heiterkeit in der Mitte.)

    Ich möchte nur auf die Punkte eingehen, die hier heute morgen zur Diskussion standen. Selbstverständlich müssen wir uns auch mit den Fragen der Kosten befassen. Es ist schon gesagt worden — mein Kollege Stingl hat darauf hingewiesen —, daß die Kosten, die durch die Betriebsunfälle seit 1949 verursacht worden sind, immerhin um das Vierfache gestiegen sind. Aber damit ist zugleich gesagt, daß die Zahl der Unfälle gestiegen ist. Die Kosten sind in der Unfallversicherung genauso gestiegen, wie sie in der gesetzlichen Krankenversicherung, wie sie auch in den Rentenversicherungen durch neue und teurere Heil-Methoden steigen mußten. Ich will auf die Zahlen, auch soweit Herr Schellenberg durch Fragestellungen sich darauf bezogen hat, noch bei anderer Gelegenheit eingehen.
    Das Studium der Unfallstatistik — allen Interessierten sehr empfohlen! — zeigt an dem veröffentlichten Ausmaß der Zahlen nicht nur die finanzielle Last, sondern vor allen Dingen das unsagbare Leid der Witwen und Waisen. Darum muß nach unserer gemeinsamen Auffassung das Hauptgewicht in der Unfallverhütung, in der Verhinderung dieses Leides für die Zukunft liegen.
    250 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode,— 10. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Januar 1962
    Frau Kalinke
    Nun hat Herr Kollege Börner — nicht ganz so eindeutig, wie das im ersten Punkt des DGB-Programms gesagt ist — davon gesprochen, daß mehr Vollmachten für den technischen Aufsichtsdienst gegeben werden sollen und daß mehr Gesundheitsschutz im Betrieb erfolgen muß. Der Deutsche Gewerkschaftsbund ist ein wenig weitergegangen. Er fordert eine Neuorganisation des technischen Aufsichtsdienstes, von der ich persönlich glaube, daß sie — und das wird sich sicher im Ausschuß zeigen — weder notwendig noch zweckmäßig wäre. Die Organisation richtet sich in den Berufsgenossenschaften — wie alle Kenner der Zusammenhänge wissen — nach den Bedürfnissen aller zusammengefaßten Gewerbezweige. Eine Verstärkung der Maßnahmen zur Unfallverhütung erfolgt laufend, und die Zahl der technischen Aufsichtsbeamten hat sich im letzten Jahrzehnt mehr als verdoppelt. Daß die weitere Erhöhung, die selbstverständlich angestrebt wird, an dem allgemeinen Kräftemangel, auch am Nachwuchsmangel in diesem Berufsstand ihre Grenzen hat, dürfte allen Freunden der Unfallversicherung bekannt sein.

    Die Unternehmer sind dazu nach dem bisherigen Recht zur Unfallverhütung verpflichtet. Ich bin überzeugt, daß sie auf diesem Gebiet ihre Aufgabe erfüllen werden. Wie mir zur Kenntnis gekommen ist, haben auch schon weitgehende Verhandlungen der Sozialpartner mit dem Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften stattgefunden, und ein Gutachten ist zur Prüfung zugeleitet worden.
    Eine starre weitergehende gesetzliche Regelung dürfte den zahlreichen Besonderheiten der Praxis längst nicht so entsprechen wie eine Verständigung der Sozialpartner in dieser wichtigen gemeinsamen Aufgabe.
    Nur nebenher möchte ich darauf hinweisen, daß schon das Betriebsverfassungsgesetz die Möglichkeit der Einschaltung der Arbeitnehmervertretungen gibt. Ich meine, daß diese Entwicklung im Rahmen der Selbstverwaltung der Sozialpartner so weit wie möglich ausgebaut werden sollte und auch ausgebaut werden kann.
    Lassen Sie mich etwas zu der Höhe und Erhöhung der Renten sagen. Schon das Gesetz vom 27. Juli 1957 hat die Arbeitsverdienste an den Stand vom 1. Januar 1957 herangebracht. Das zweite Gesetz, das wir gemeinsam beschlossen haben, hat die Arbeitsverdienste auf den Stand vom 1. Januar 1961 hochgezogen. Die Grundlage für die Erhöhung war die Entwicklung der Bruttolohn- und -gehaltssummen der jahresdurchschnittlich beschäftigten Arbeitnehmer. Die Berücksichtigung einer durchschnittlichen Gehalts- und Lohnentwicklung kann natürlich auch zu Unstimmigkeiten im Einzelfall führen; sie kann sie nicht verhindern. Es hat sich aber in der Zwischenzeit gezeigt, daß die Methode der pauschalen Anhebung der Jahresarbeitsverdienste sich zweimal bewährt hat. Deshalb glauben wir, daß bei der künftigen Berechnung nicht wieder mit den Schwierigkeiten der Vergleichsjahresarbeitsverdienste begonnen werden sollte. Aber auch darüber werden wir im Ausschuß zu sprechen haben.
    Zur Frage der Beitragsumlage kann ich sagen, daß wir dem Anliegen der sozialdemokratischen Fraktion hinsichtlich der Höhe und der Form der Beiträge sehr aufgeschlossen gegenüberstehen. Wir unterstützen selbstverständlich den Wunsch nach einer gründlichen Prüfung im Ausschuß. Aber bei der Beitragsumlage sind ja nicht nur die verschiedenen Bezirke und Teile unserer Wirtschaft unterschiedlichen Belastungen ausgesetzt. Uns liegt natürlich daran, daß dabei die besondere Situation unserer Landwirtschaft, des Mittelstandes, aber auch der Gemeinden nicht übersehen wird.
    Niemand wird sich der Logik verschließen, daß ein durch Unfall erwerbsunfähig gewordener Arbeirtnehmer seinen Verdienst verliert und, wenn er Junginvalide wird, auch das höhere Einkommen der Zukunft und mögliche Entwicklungschancen einbüßt. Deshalb ist die Aktualisierung der Unfallrente im Zusammenhang mit der Höhe der Löhne von jeher üblich gewesen. Wer sich gegen die volle Dynamisierung wendet, wendet sich ja keineswegs etwa gegen eine Erhöhung der Unfallrente, die sich aus der veränderten wirtschaftlichen Situation, aus der Höhe der Löhne ergibt. In § 575 ist also nach meiner Auffassung die Form der Aktualisierung nicht umstritten. Ich freue mich, daß das auch unsere Koalitionspartner hier so eindeutig gesagt haben. Umstritten ist allerdings auch in unseren Reihen die Forderung der Sozialdemokratischen Partei nach einer vollen Dynamisierung. Ich würde mich eines Vergehens schuldig machen, wenn ich das hier nicht in aller Öffentlichkeit anspräche. Es darf nicht verschwiegen werden, daß bei einer überzeugend großen Mehrheit in diesem Hause allergrößte Bedenken dagegen bestehen, von der Form der Aktualisierung abzugehen und etwa nun im Ausschuß zu elmer voll dynamischen Gestaltung zu kommen, wie das die SPD und die sozialistisch geführten Gewerkschaften wünschen.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    — Ich spreche vom Programm der DAG und des DGB, das Ihnen sicher genauso bekannt ist wie mir.

    (Abg. Büttner: Gibt es keine CDU-Mitglieder in den Gewerkschaftsvorständen?)

    — Ich hoffe es, glaube aber trotzdem, daß meine Formulierung ganz präzise war.
    In der Aussprache mit den Sachverständigen hat sich schon im Februar 1959 ganz deutlich gezeigt, daß alle Betroffenen, besonders diejenigen, die die Beiträge zu leisten haben, also auch die Arbeitgeber, dem Problem durchaus aufgeschlossen gegenüberstehen. Der Kollege Börner hat den Punkt 10 der DGB-Forderungen im Programm der 15 Punkte heute nicht ganz so deutlich besprochen, aber erkennen lassen, daß der Weg und das Ziel bei der weiteren Behandlung der Vorlage eine volle Dynamisierung der Renten möglichst auch in der Rentenversicherung sein sollte. Ihre Kollegen (zur SPD) haben das bei früheren Gesetzen bereits zum Ausdruck gebracht. Dazu haben die Betroffenen, nämlich die Arbeitgeberverbände, schon bei der Beratung der Regierungsvorlage sehr deutlich darauf hingewiesen, welche Gefahren in bezug auf das Haftpflichtrecht in einer vollen Dynamisierung lie-



    Frau Kalinke
    gen und welche Konsequenzen sich daraus ergeben würden. Die Arbeitgeber haben sich aber trotz aller Mehrbelastungen grundsätzlich der Notwendigkeit der Rentenerhöhung gegenüber aufgeschlossen gezeigt, darüber haben wir uns gefreut.
    Bei diesem Problem muß ich außerdem noch folgendes sagen: Wir müssen uns stets vor Augen halten, daß im Gegensatz zu den Empfängern von Renten des Lastenausgleichs, der Invaliden- oder Angestelltenversicherung die Empfänger von Renten aus der Unfallversicherung mit einer Erwerbsminderung bis zu 50 Vo heute ausnahmslos im Erwerbsleben stehen und alle die Möglichkeit haben, neben ihrer Rente an den Erhöhungen der Löhne und Gehälter sowie an der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung voll teilzunehmen. Das Bundesarbeitsministerium hat in einer sehr repräsentativen Untersuchung, die Sie im Bundesarbeitsblatt finden können, diese Zusammenhänge festgestellt. Dort können Sie nachlesen, in welch erfreulich hohem Maße die beschäftigten Empfänger von Unfall-Renten neben dem Empfang von Renten immer noch an der allgemeinen Wirtschaftsentwicklung teilhaben, von der wir glauben, daß sie nicht ohne die Initiative und Hilfe derjenigen, die in der politischen Arbeit stehen, zustande gekommen ist.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Mein Kollege Stingl hat, nicht nur heute, deutlich darauf hingewiesen, daß die Berechnungselemente in der Unfallversicherung andere als in .der Rentenversicherung sind. Ich darf Sie für die Beratungen im Ausschuß schon jetzt daran erinnern. Lesen Sie bitte den Bericht des Kollegen Killat nach, der damals auch die Ausführungen unseres Kollegen Dr. Philipp hinsichtlich der Kumulation der Renten und all' der Probleme, die sich im Zusammenhang mit Lohn, Arbeit und Doppelrentenempfang ergeben, wiedergegeben hat. Ich glaube, die Ausführungen haben diese Probleme aufgezeigt, nicht ohne auch die Herren von der Opposition entsprechend 211. beeindrucken.
    Ich halbe diese Frage der Volldynamisierung mit Absicht so offen angesprochen. Wir sind mit unserem Koalitionspartner einig, daß der § 579 unserer Vorlage eine gute Grundlage für weitere Anpassungen an künftige Veränderungen der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und der Produktivität gibt, so wie es in der Begründung auf Seite 58 unserer Vorlage steht. Allerdings soll diese Anpassung durch Gesetz erfolgen. Wir wollen dieser Verantwortung des Parlaments in keinem Falle ausweichen.
    Nun muß ich noch zu einer sehr wichtigen Frage Stellung nehmen, die der Kollege Schellenberg durch seinen Zwischenruf aufgeworfen hat und die Herr Kollege Börner mit einem Beispiel, das ich keineswegs für repräsentativ erachte, angesprochen hat: die Forderung nach der Abfindung der Renten, die im Gesetzentwurf der Regierung schon enthalten war und die in diesem Entwurf in einer gemilderten Form steht. Ich spreche dieses sogenannte heiße Eisen, das für uns kein heißes Eisen mehr ist, ganz offen an. Sie rennen offene Türen
    ein, wenn Sie die Forderung erheben, daß es keine Zwangsabfindung der Renten geben soll, weil sie mit dem Sinn und dem Zweck der Unfallversicherung unvereinbar ist. Auch wir sind der Meinung, daß das Ziel der Abfindung der kleinen Renten in seiner Vielfalt gesehen werden muß. Wir hoffen, im Ausschuß eine Regelung zu finden — bier wiederhole ich das, was der Kollege Stingl ganz präzis gesagt hat —, die sowohl dem Wunsch nach Verwaltungsvereinfachung als auch den Wünschen der Empfänger solcher kleinen Renten entspricht. Die Mehrzahl der Empfänger ist daran interessiert, nicht zuletzt auch im Interesse der Eigentumsbildung, zu einer Abfindung ihrer Bagatellrenten zu kommen. Wenn das ohne rigorose Maßnahmen auf dem Weg einer freiheitlichen Vereinbarung möglich ist, bin ich überzeugt, daß wir in guter Zusammenarbeit im Ausschuß eine vernünftige Lösung finden werden. Ich habe mich gefreut, zu hören, daß auch .die Sachverständigen bei den Berufsgenossenschaften der Meinung sind, daß eine solche Vereinbarung mit den Versicherten in jedem Falle denkbar und möglich ist und daß das Ziel sowohl der Eigentumsbildung wie der Befriedigung beider Teile, der Verwaltung wie der Versicherten, erreichbar ist.
    Ich muß auf sehr viele und wichtige Fragen wegen der fortgeschrittenen Zeit verzichten. Wir werden im Ausschuß darüber sprechen müssen. Ich darf aber nicht verschweigen — diese Frage hat auch Kollege Börner etwas behutsam und ein wenig versteckt erwähnt; er ist sonst gar nicht so behutsam —, daß die Frage des Beitragswesens auch im Hinblick auf eine zusätzliche Belastung der Arbeitgeber durch einen Sonderbeitrag offen angesprochen werden muß. Der Deutsche Gewerkschaftsbund, der diese Frage in seinem Programm initiativ aufgeworfen hat, hat sie etwas deutlicher ausgesprochen. Er möchte außer dem allgemeinen Beitrag zur Unfallversicherung noch einen wirksamen Zuschlag an alle Unfallversicherungsträger für die Fälle haben, die eine länger dauernde Arbeitsunfähigkeit zur Folge haben. Meine sehr verehrten Herren und Damen, eine Verpflichtung der Betriebe, ganz allgemein neben den schon durch dieses Gesetz erhöhten Beiträgen noch Zuschläge für einzelne Unfallversicherungsträger oder für eine Fülle einzelner Fälle nach Maßgabe der eingetretenen Fälle zu zahlen, sollte nach meiner Auffassung im Gesetz nicht festgelegt werden. Hier geht es nur um Fragen der Selbstverwaltung, die praktisch viel wirksamer gelöst werden können. Wenn besondere Fälle solche Maßnahmen notwendig machen sollten, kann die Selbstverwaltung sie lösen. Bisher gibt es nämlich schon eine Möglichkeit, Zuschläge zu erheben. Sie ist in § 712 RVO in der Weise geregelt, daß die Satzung entsprechende Bestimmungen erhalten kann. Ich wäre dankbar, wenn die Herren Kollegen von der SPD ihre Freunde im DGB auf diese Möglichkeiten des Satzungsrechts und des Rechts der Selbstverwaltung freundlich hinwiesen. Ich will das meinerseits auch gerne tun.
    Sie haben eine Frage nicht angesprochen, über die wir uns im Ausschuß unterhalten werden. Es ist eine Forderung, die der Kollege Stingl so nebenher



    Frau Kalinke
    nannte: die Versicherungspflicht unserer Haushalte und nicht zuletzt auch unserer Hausfrauen. Ich werde mir vorbehalten, zu dieser Frage im Ausschuß den Vorschlag zu machen, Sachverständige zu hören, die uns seitens der Berufsgenossenschaften die außerordentlich gute Betreuung unserer im Haushalt Beschäftigten darlegen werden und die uns seitens der Individualversicherung, die sich in der privaten Unfallversicherung mit der Versicherung von Hausfrauen beschäftigt, beweisen werden, daß die von den Berufsgenossenschaften vertretene Auffassung, Hausfrauen könnten besser und billiger individuell versorgt werden, richtiger ist. Wir wollen jedenfalls nicht, daß der Aufsichtsbeamte der Überwachung in Zukunft in die Haushalte unserer Familien kommt.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Ich spreche diese Frage offen und nicht versteckt an, weil sie mit zu dem Programm gehört, das Ihre Freunde im DGB uns zur Reform der Unfallversicherung zugeschickt haben.
    Nun zum Thema der Kostenerstattung der Leistungen ab erstem Tag. Herr Kollege Ollesch hat schon für die FDP und Herr Kollege Stingl hat bei der Begründung des Gesetzentwurfs die Änderung des § 1504 RVO erläutert. Ich möchte es nur insoweit noch einmal tun, als einzelne Probleme auch für diejenigen, die den Zusammenhang nicht kennen, ganz deutlich werden müssen.
    Die Krankenkassen zahlen nach wie vor die Kosten der ambulanten Behandlung, und zwar zeitlich unbegrenzt, während die Unfallversicherungsträger die über die Krankenversicherungsleistungen hinausgehenden Leistungen in ihrer Verantwortung tragen. Die Kosten der Krankenhausbehandlung und des Krankengeldes werden geteilt; und wenn die Krankenversicherungsträger es bis zum 18. Tag und darüber hinaus die Unfallversicherungsträger tun werden, so ist das nicht — Herr Kollege Ollesch hat das dankenswerterweise Herrn Kollegen Börner schon berichtigend gesagt — eine irgendwie zufällige Einigung. Den Kennern der Materie ist bekannt, daß schon vor 25 Jahren diese Absicht der Kostenteilung bei Kranken- und Unfallversicherungsträgern eine Rolle gespielt hat und daß man damals der Meinung war — was für die damaligen Verhältnisse durchaus denkbar und richtig gewesen sein kann —, daß beim 45. Tag genau die Hälftelung der Kosten liegen sollte. Damals hatten wir noch keine Statistiken. Heute haben wir Statistiken, die ganz deutlich zeigen, daß die Kostenteilung am 18. bzw. 19. Tag genau diesen Wunsch erfüllen würde. Da die gesamten Kosten, die für die Unfallbehandlung zur Zeit entstehen, etwa 550 Millionen DM pro Jahr betragen, würde die Neuregelung — das will ich nur noch hinzufügen, um die Zahlen eindeutig zu sagen — den Krankenkassen fast 250 Millionen DM im Jahr ersparen, die die Berufsgenossenschaften, das heißt die Arbeitgeber, mehr bezahlen müssen. Das macht für die Berufsgenossenschaften insgesamt eine Kostenerhöhung von durchschnittlich 15 °% aus.
    Meine Herren und Damen, bei diesem Zusammenhang möchte ich aber auch eines nicht verschweigen: daß in der Diskussion dieses Problem, nicht zuletzt im Zusammenhang mit der Krankenversicherungsreform, viel zu sehr hochgespielt worden ist. Selbst wenn die Forderung der SPD und des DGB, die von vielen als ein echtes Diskussionsproblem angesehen wird, durchdiskutiert würde, nämlich die vollen Lasten der Krankenversicherung zu ersetzen, indem wir sie auf die Unfallversicherung umlegen, wären damit die Milliardenetats unserer über 3000 Krankenkassen

    (Abg. Ruf: Ein Tropfen auf einen heißen Stein!)

    mit ihren ungeheuren finanziellen Belastungen und Sorgen keineswegs auch nur in irgendeiner Weise entscheidend entlastet. Darüber muß man sich klar sein: 200 Millionen sind bei dem Problem, das bei der Krankenversicherungsreform vor uns steht, wirklich nur ein Tropfen auf einen heißen Stein.
    Aber gegen die Übernahme der Kosten vom ersten Tag an — das muß ich in dieser Grundsatzdebatte der ersten Lesung doch einmal sagen — bestehen die verschiedensten Bedenken. Einmal sind das grundsätzliche Bedenken. Grundsätzliche Erwägungen sprechen dafür, die Krankenversicherung zu beteiligen, weil die Unfallversicherung — das ist schon gesagt worden — auch die Wegeunfälle erfaßt. Da Herr Kollege Schellenberg nach Zahlen gefragt und Herrn Kollegen Ollesch daraufhin angesprochen hat, möchte ich hier, weil ich die Zahlen mitgebracht habe, das Bild etwas klarer machen. Im Jahre 1960 standen bei den gewerblichen Berufsgenossenschaften 57 490 erstmalig entschädigten Arbeitsunfällen 15 545 erstmalig entschädigte Wegeunfälle gegenüber, davon 3021 tödliche Arbeitsunfälle und 1536 tödliche Wegeunfälle.
    Außerdem gewährt die Unfallversicherung Entschädigung — das muß auch gesagt werden — ohne Rücksicht auf das Verschulden des Verletzten. Da jeder Unfall auch den Begriff der Krankheit erfüllt, lassen es diese sehr weitgehenden Verpflichtungen der Unfallversicherung durchaus gerechtfertigt erscheinen, auch die Krankenversicherung mit einem kleinen und begrenzten Teil zu beteiligen.
    Es sind hier ferner verwaltungsmäßige und finanzielle Gründe angesprochen worden. Ich will auch auf die Fragen antworten, die der Kollege Schellenberg unserem jungen Kollegen Ollesch gestellt hat, den er damit bei seiner Jungfernrede in eine etwas schwierige Situation gebracht hat; ich nehme an, Herr Kollege Schellenberg, daß Sie die Statistiken auch haben.

    (Zuruf: Das war gar keine Jungfernrede!)

    — War es das nicht? Pardon, ich nahm es an. Aber ich glaube, wir werden ihm dennoch alle zusammen Beifall für seine Rede spenden, auch wenn es keine Jungfernrede war.
    Herr Kollege Schellenberg, Sie kennen ja die Zahlen. Aber die übrigen Kollegen sollen sie auch hören, damit nicht auf Grund Ihres Zwischenrufes ein falsches Bild entsteht. Sie wenden sich mit Zahlen gegen die Abgrenzung des 18. Tages. Ich will hier die Verhältnisse einmal ganz deutlich machen.



    Frau Kalinke
    Während 1950 noch 8,9 % aller von den gewerblichen Berufsgenossenschaften erstmalig entschädigten Unfälle auf Wegeunfälle entfielen, lag dieser Anteil 1954 bereits bei 17,1 v. H. Im Jahre 1960 stand er auf 19,7 v. H. im Durchschnitt; bei einigen Zweigen lag er bei über 30 v. H., wie die bekannten Übersichten und Statistiken zeigen. Dabei ist erwiesen, daß die Folgen ,der Wegeunfälle viel erheblicher und schwerer sind als die der eigentlichen Arbeitsunfälle; sie ziehen deshalb sehr viel größere Kosten nach sich. Der Anteil der tödlichen Wegeunfälle — das ist sozialpolitisch und finanziell das Interessante — stieg von 14,7 % im Jahre 1950 auf 24,5 % im Jahre 1954 und 32,2 % im Jahre 1960. Herr Professor Schellenberg, weil Sie eine diesbezügliche Frage gestellt haben, wollte ich diese Zahlen in Ihre Erinnerung rufen. Ich glaube, wir sollten uns im Ausschuß darüber klar sein, daß wir dieses Problem völlig losgelöst von dem der Kosten der Krankenversicherung sehen müssen, deren Kosten in den letzten acht Jahren auch um 150 % gestiegen sind.
    In der Aussprache haben Sie das Problem der Berufskrankheiten — hier ist, wie in unserer Vorlage deutlich wird, ein Kompromiß zustande gekommen — sehr behutsam angefaßt. Ich habe mich darüber gefreut, denn ich bin der Auffassung, daß die Berufskrankheitenregelung, wie sie nun in § 552 vorliegt, dem Kompromiß entspricht, der zwischen der Forderung nach der Generalklausel, wie sie die einen erheben, und der Forderung nach dem starren
    Festhalten am Listenprinzip, wie sie die anderen erheben, gut ist. Wir müssen wahrscheinlich im Ausschuß besorgt sein, in der Aussprache mit den Fachleuten und den Kennern der Materie sehr deutlich zu erkennen, daß strenge Voraussetzungen nötig sind, um anzuerkennen, ob eine Erkrankung wirklich eine Berufskrankheit ist, wobei wir andererseits die Tür dazu aufmachen wollen, all die schweren Fälle, die durch die Modernisierung und Technisierung des Arbeitsablaufs entstehen, immer rechtzeitig zu prüfen, damit die Berufskrankenverordnung, die Liste der Berufskrankeiten, nicht nachhinkt. Die jetzige Berufskrankenregelung des Entwurfs, die einerseits die Aufrechterhaltung der Listen vorsieht, andererseits der Selbstverwaltung Möglichkeiten gibt, halten wir für eine gute Grundlage, auf der wir im Ausschuß hoffentlich zu einer gemeinsamen Entschließung kommen werden.
    Nicht zuletzt möchte ich auch noch Wünschen unserer Kolleginnen und Kollegen aus unserer Fraktion nachkommen, indem ich unsere Hoffnung zum Ausdruck bringe, daß auch wegen der Lösung für die Witwenrenten ein Gespräch im Ausschuß zustande kommen wird, das uns aufgeschlossen zeigen wird für alle die Überlegungen, die der fortschrittlichen Entwicklung des sozialpolitischen Anliegens in diesem Gesetz Rechnung tragen.
    Mit Rücksicht auf den Wunsch, um diese Zeit die Mittagspause eintreten zu lassen, möchte ich dem Kollegen Schellenberg keine Zeit wegnehmen und möchte mir daher vorbehalten, für den Fall, daß er noch auf den einen oder anderen weiteren Punkt eingeht, darauf antworten zu dürfen. Ich schließe meine Stellungnahme mit dem Wunsch, daß die gute Atmosphäre, in der wir diese erste Lesung heute geführt haben, auch die Beratungen des Gesetzes im Sozialpolitischen Ausschuß begleiten möge, damit wir dieses so wichtige Gesetz zum Wohl aller Betroffenen im Ausschuß möglichst bald verabschieden können.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)



Rede von Dr. Richard Jaeger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Schellenberg.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Ernst Schellenberg


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Beitrag der Sprecher der Regierungsparteien zu dem zentralen Anliegen, um das es bei der Unfallversicherungsreform geht, nämlich die Intensivierung der Unfallverhütung, dieser Beitrag hat sich erschöpft in unverbindlichen Deklamationen. Es ist von Ihnen heute nicht ein neuer Gedanke zur Unfallverhütung ausgesprochen worden. Auch in ,dem Gesetzentwurf, der vorgelegt wird, steht nicht ein neuer Gedanke zur Unfallverhütung, meine Damen und Herren.

    (Zuruf von der Mitte.)

    Das ist im Hinblick auf die berechtigte Unruhe, die die Öffentlichkeit wegen der Entwicklung der Arbeitsunfälle erfaßt hat, ein sehr spärliches Ergebnis.
    Meine Damen und Herren von der Koalition, Sie haben es sich etwas zu einfach gemacht, insbesondere die Sprecher der CDU, Frau Kollegin Kalinke und Herr Kollege Stingl, als sie die gestiegenen Zahlen der Arbeitsunfälle mit Änderungen in der Meldetechnik begründet haben, wie es beispielsweise Herr Kollege Stingl getan hat.
    Tatsache ist, daß die Zahl der gemeldeten Arbeitsunfälle seit Bestehen der Bundesrepublik ständig seigt.

    (Abg. Ruf: Aber die Zahl der gemeldeten Fälle ist nicht entscheidend; es gibt Fälle, die keine Unfälle sind!)

    — Ich komme darauf. Die Zahlen steigen ständig, und das hat nur wenig mit der Technik der Meldung zu tun. Die Zahl der gemeldeten Arbeitsunfälle betrug im Jahre 1950 rund 1,3 Millionen und ist im Jahre 1960 auf über 3 Millionen gestiegen.
    Meine Damen und Herren, nicht nur absolut, sondern auch in bezug auf einen Maßstab, der für einen statistischen Vergleich von Bedeutung ist, nämlich die Zahl der Beschäftigten, der, wie es in den Berichten des Bundesarbeitsministeriums heißt, der sogenannten Vollarbeiter, hat sich seit 1951 der Anteil der Arbeitsunfälle um 50 % erhöht. Das ist ein Tatbestand, den man nicht damit abtun kann, daß man auf die gestiegene Zahl der Wegeunfälle verweist. Ich habe vorhin durch meine Zwischenfrage zum Ausdruck gebracht, daß die Wegeunfälle nur 9 % der gemeldeten Unfälle ausmachen.

    (Abg. Frau Kalinke: Ich habe Sie gerade berichtigt!)

    — In bezug auf die Zahl der gemeldeten Unfälle machen sie weniger als 10 % aus.