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ID0401018200

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    Deutscher Bundestag 10. Sitzung Bonn, den 18. Januar 1962 Inhalt: Fragestunde (Drucksachen IV/123, IV/125) Frage des Abg. Dr. Atzenroth: Tätigkeit der Schiedskommission und des Schiedsgerichtshofs gemäß dem Londoner Schuldenabkommen Dr. Carstens, Staatssekretär . . 215 C, 216 A, B Dr. Atzenroth (FDP) . . 215 D, 216 A Frage des Abg. Dr. Kohut: Veröffentlichung des sowjetischen Memorandums Dr. Carstens, Staatssekretär . 216 B, C, D, 217 A Dr. Kohut (FDP) 216 C, D Wehner (SPD) . . . . 216 D, 217 A Frage des Abg. Ertl: Ermittlungen wegen der Sprengstoffanschläge in Südtirol Höcherl, Bundesminister . . . . . 217 B Ertl (FDP) . . . . . . . . . . 217 C Frage des Abg. Dr. Rutschke: Unterschiedlicher Ortszuschlag bei Bediensteten in der Stadt Walldürn . . 217 C Frage des Abg. Jahn: Auslandsstipendium für den Schriftsteller Uwe Johnson Höcherl, Bundesminister . . . . 217 D Frage des Abg. Sänger: Aufenthaltsgenehmigung für Touristen aus Jugoslawien Höcherl, Bundesminister . . . . 218 A, B Sänger (SPD) . . . . . . . . . 218 B Frage des Abg. Dr. Schäfer: Besetzung hoher Ministerialbeamtenstellen Höcherl, Bundesminister . . . . 218 C, D, 219 A, B Dr. Schäfer (SPD) . . . 218 C, 219 A Jahn (SPD) 219 B Frage des Abg. Dr. Atzenroth: Sonderurlaub anläßlich des Geburtstages des Präsidenten des Bundeskartellamtes Höcherl, Bundesminister . . . . 219 C, D Dr. Atzenroth (FDP) 219 C, D Frage des Abg. Felder: Unterbringungsverhältnisse im BundesAusländerlager Zirndorf Höcherl, Bundesminister . . . 220 A, B, C Felder (SPD) 220 A, B Frage des Abg. Felder: Asylrechts-Verordnung Höcherl, Bundesminister 220 C Frage des Abg. Felder: Entschädigungsverfahren für Dokumentationskosten der Stadt Zirndorf Höcherl, Bundesminister 220 D Frage des Abg. Dr. Bucher: Unterschiedliche Besoldung von Beamten desselben Aufgabengebiets im Bundes- und Landesbereich Höcherl, Bundesminister . 220 D, 221 A Dr. Bucher (FDP) 221 A II Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 10. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Januar 1962 Fragen der Abg. Hermsdorf und Hansing: Lage der Seefischerei Dr. Starke, Bundesminister . . . 221 B, D, 222 A, B Hermsdorf (SPD) . . . 221 D, 222 A Müller-Hermann (CDU/CSU) . . . 222 A Frage des Abg. Dr. Kohut: Zurückstellung von öffentlichen Bauvorhaben Dr. Westrick, Staatssekretär . . . 222 C, 223 A Dr. Kohut (FDP) . . . . . . . . 223 A Frage des Abg. Dr. Kohut: Preisgestaltung auf dem Baumarkt Dr. Westrick, Staatssekretär . 223 B, C, D, 224 A, B, C Dr. Brecht (SPD) . . . . . . . 223 B, C Dr. Atzenroth (FDP) 223 D Büttner (SPD) . . . . . 223 D, 224 A Hamacher (SPD) . . . . . . . 224 A, B Dr. Koch (SPD) . . . . . . . . 224 B Frage des Abg. Memmel: Sammelverfahren gegen Oberlandesgerichtspräsidenten und Generalstaatsanwälte 224 C Frage des Abg. Dr. Imle: Vertikale Integration der Landwirt-schaf t Schwarz, Bundesminister 224 D Frage des Abg: Dr. Imle: Mittel für die vertikale Integration der Landwirtschaft Schwarz, Bundesminister . . . . 225 A, B Dr. Imle (FDP) 225 B Frage des Abg. Logemann: Leiter der Forschungsstelle für bäuerliche Familienwirtschaft Schwarz, Bundesminister 225 C, D, . 226 A Logemann (FDP) . . . . . . . 225 C, D Schmitt-Vockenhausen (SPD) . . . 226 A Frage des Abg. Dr. Schmidt (Gellersen) : Besetzung der Staatssekretärsstelle im Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Schwarz, Bundesminister . . . . . 226 A Dr. Schmidt (Gellersen) (SPD) . . . 226 B Frage des Abg. Dr. Mommer: Einberufung des Dr. med. Blunck zu einer Wehrübung Hopf, Staatssekretär . . . . . 226 C, D Dr. Mommer (SPD) . . . . . . . 226 D Frage des Abg. Rehs: Rentenaufbesserung des Vierten Rentenanpassungsgesetzes Mischnick, Bundesminister . . . 227 A Frage des Abg. Rehs: Unterhaltshilfe des Lastenausgleichs Mischnick, Bundesminister . . . . 227 A Frage des Abg. Börner: Jahresarbeitsverdienstgrenze in der Unfallversicherung Dr. Claussen, Staatssekretär . 227 C, D, 228 A Börner (SPD) 227 C, D Schmitt-Vockenhausen (SPD) . . 228 A Entwurf eines Fünften Gesetzes zur Änderung des Selbstverwaltungsgesetzes (CDU/CSU, SPD, FDP) (Drucksache IV/81); Schriftlicher Bericht des Sozialpolitischen Ausschusses (Drucksache IV/98) —Zweite und dritte Beratung — . . . . 228 B Entwurf eines Gesetzes über die Anpassung der Renten der Kriegsopferversorgung (SPD) (Drucksache IV/54) — Erste Beratung —; in Verbindung mit dem Entwurf eines Gesetzes über die Gewährung einer einmaligen Zuwendung an Bezieher von Unterhaltshilfe (Kriegsschadenrente) nach dem Lastenausgleichsgesetz (SPD) (Drucksache IV/55) — Erste Beratung —; und dem Antrag betr. Zahlung eines Weihnachtsgeldes an Empfänger von Renten nach dem BEG (SPD) (Drucksache IV/82) Bazille (SPD) 228 C Rehs (SPD) . . .. . . . . . 230 D Arndgen (CDU/CSU) . . . . . 232 A Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Rechts der gesetzlichen Unfallversicherung (Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetz — UVNG —) (CDU/CSU) (Drucksache IV/120) — Erste Beratung — Stingl (CDU/CSU) . . . . . . 233 A Börner (SPD) 240 B Ollesch (FDP) . . . . . . . . 245 C Frau Kalinke (CDU/CSU) . . . 248 A Dr. Schellenberg (SPD) . 253 C, 257 C Spitzmüller (FDP) . . . . . . . 256 D Berichtigung zur Wahl der vom Bundestag zu entsendenden Mitglieder des Kontrollausschusses beim Bundesausgleichsamt (Drucksache IV/118) (9. Sitzung) . 258 A Nächste Sitzung 258 C Anlage 259 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 10. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Januar 1962 215 10. Sitzung Bonn, den 18. Januar 1962 Stenographischer Bericht Beginn: 9.01 Uhr.
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    Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Dr. Achenbach* 19. 1. Altmaier 1. 2. Dr. Arndt 19. 1. Baier (Mosbach) 31. 1. Bauer (Würzburg) * 19. 1. Dr. Bechert 20. 1. Berkhan * 19. 1. Fürst von Bismarck * 19. 1. Blachstein * 19. 1. Dr. Bucerius 19. 1. Dr. Deist 21. 1. Dr. Dichgans 28. 1. Even ,(Köln) 18. 1. Frau Dr. Flitz * 19.. 1. Fritsch 18. 1. Dr. Furler * 19. 1. Gedat 15. 2. Genns * 19. 1. Harnischfeger 19. 1. Hilbert 21. 1. Höfler * 19. 1. Frau Dr. Hubert * 19. 1. Hufnagel 18. 1. Jacobs * 19. 1. Jaksch 20. 1. Frau Keilhack 19. 1. Dr. Kempfler 19. 1. Frau Kettig 19. 1. Killat 19. 1. Dr. Klein 14. 2. Dr. Kliesing (Honnef) 4. 2. Dr. Kopf * 19. 1. Frau Korspeter 19. 1. Frau Krappe 20. 1. Kriedemann 18. 1. Krüger 27. 1. Kühn (Bonn) 19. 1. Lenz (Bremerhaven) 20. 1. Lenz (Brühl) 18. 1. Lenze (Attendorn) * 19. 1. Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordneter) beurlaubt bis einschließlich Lücker (München) 19. 1. Maier (Mannheim) 14. 2. Mauk 19. 1. Frau Dr. Maxsein * 19. 1. Dr. Meyer (Frankfurt) * 19. 1. Meyer (Oppertshofen) 19. 1. Müller (Worms) 27. 1. Murr 18. 1. Paul * 19. 1. Peters (Norden) 19. 1. Pöhler 18. 1. Rademacher 19. 1. Frau Dr. Rehling * 19. 1. Reitzner 31. 1. Frau Renger * 19. 1. Ritzel 19. 1. Dr. Rutschke 26. 1. Scheuren 21. 1. Dr. Schmid (Frankfurt) * 19. 1. Schmidt (Braunschweig) 2. 2. Schmidt (Hamburg) 31. 1. Schütz (München) 19. 1. Seidel (Fürth) 19. 1. Seidl (München) * 19. 1. Dr. Serres * 19. 1. Dr. Siemer 19. 1. Storch 18. 1. Striebeck 9. 2. Dr. Süsterhenn * 19. 1. Frau Vietje 19. 1. Dr. Wahl * 19. 1. Frau Dr. h. c. Weber (Essen) * 19. 1. Weinzierl 19. 1. Werner 15. 2. Wienand * 19. 1. Winkelheide 19. 1. Dr. Zimmer * 19. 1. b) Urlaubsanträge van Delden 1. 2. * für die Teilnahme an der Tagung der Beratenden Versammlung des Europarates
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Holger Börner


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bevor ich namens meiner politischen Freunde zu den grundsätzlichen Gedanken dieses sehr wichtigen sozialpolitischen Gesetzentwurfs Stellung nehme, darf ich einige Bemerkungen zu dem machen, was Herr Kollege Stingl für die CDU/ CSU-Fraktion zur Begründung vorgetragen hat.
    Wir haben schon mit einiger. Befriedigung gehört, daß dieser Entwurf nicht das Ergebnis einer weihnachtlichen Fleißarbeit der CDU-Fraktion ist, sondern daß er mit sehr weitgehender Formulierungshilfe wahrscheinlich des Bundesarbeitsministeriums — ohne Rücksicht auf den Koalitionspartner erarbeitet wurde. Er ist in einer so hektischen Art und Weise eingebracht warden, daß wir den Eindruck haben, eine bevorstehende Initiative der Oppositionspartei ist wahrscheinlich der tiefere Grund für die Eile der CDU/CSU-Arbeit gewesen.
    Meine Damen und Herren von der CDU/CSU, ich kann Ihnen nicht den Vorwurf ersparen, daß die Regelung dieses Komplexes durch Ihre Schuld erst heute in Angriff genommen wird und nicht schon vor einigen Jahren erfolgt ist.

    (Sehr wahr! bei der SPD.).

    Sie haben schamhaft angedeutet, daß man im 2. und 3. Bundestag mit der Neuordnung dieses Gebietes nicht fertig geworden ist, haben aber vergessen, hinzuzufügen, daß es die CDU/CSU-Fraktion gewesen ist, die seinerzeit im 3. Bundestag im Sozialpolitischen Ausschuß verlangt hat, daß der Gesetzentwurf der damaligen Zeit — nach sehr eingehenden und weit vorgeschrittenen Beratungen — von der Tagesordnung abgesetzt wurde. Deshalb trifft das Verschulden dafür, daß bis zum heutigen Tag oder, besser gesagt, bis zum Inkrafttreten der Neuregelung noch einiges in der Unfallversicherung ist, was uns gar nicht gefällt, die CDU-Fraktion.
    Wir haben heute morgen in der Fragestunde vom Herrn Staatssekretär des Bundesarbeitsministeriums gehört, welche Einzelprobleme in der Unfallversicherung bisher noch nicht entsprechend den heutigen sozialpolitischen Erkenntnissen geregelt sind. Wir sind mit Ihnen der Meinung, daß dieses Gesetz schnell verabschiedet werden sollte. Aber die Schnelligkeit darf nicht auf Kosten der Gründlichkeit der Beratungen gehen, denn dieses Gesetz ist viel zu wichtig, als daß man auf eine eingehende Beratung auch des letzten Paragraphen verzichten könnte.
    Meine politischen Freunde und ich nehmen gern zur Kenntnis, daß die CDU-Fraktion schon in der ersten Lesung erklärt hat, daß sie zur sachlichen Verbesserung der Vorlage 'bereit ist. Sehr verehrter Kollege Stingl, meine Damen und Herren, Sie können sicher sein, daß wir von diesem Angebot im Sozialpolitischen Ausschuß ausreichend Gebrauch machen werden.

    (Abg. Stingl: Das ist doch nicht neu!)

    Es wird an Ihnen liegen, ob das, was von Ihnen
    gesagt worden ist, eine Deklamation bleibt oder ob
    in der Substanz der Vorlage Änderungen erfolgen.

    (Abg. Stingl: Es wird daran liegen, welche guten Vorschläge Sie bringen!)

    — Ich bin sicher, Herr Kollege Stingl, daß dabei nicht nur die Meinung der SPD 'eine Rolle spielen wird—ich möchte dazu nachher noch etwas sagen—, sondern wir halten es auch für richtig, daß sich ein sehr großer Kreis von Fachleuten zu diesen Gebieten der Unfallversicherung ebenfalls äußern muß.



    Börner
    Denn ich bin nicht — wie Sie — der Meinung, daß alles so bleiben kann, wie es war, besonders im Komplex Unfallverhütung — ich komme darauf noch zu sprechen —, sondern glaube im Gegenteil, daß wir, wenn wir von Neuordnung sprechen, die Verpflichtung haben, nichts unbesehen als gegeben hinzunehmen. Vielmehr müssen wir uns darüber Gedanken machen, wie die auch von Ihnen zitierte Form der Weiterentwicklung im modernen Sozialstaat in dieses Gebiet der Unfallversicherung eingeordnet werden kann.
    Noch ein Problem, das von Herrn Kollegen Stingl nicht angedeutet wurde, ist für die Behandlung der Vorlage von besonderer Wichtigkeit. Sie haben diesen Entwurf, der sich mit den Vorstellungen der Bundesregierung in der 2. und 3. Legislaturperiode des Bundestages zum Teil deckt, als Fraktionsvorlage eingebracht. Dieses Recht kann Ihnen niemand beschneiden. Es ist ein Initiativrecht jeder Fraktion. Jede Fraktion kann hier einbringen, was sie für richtig hält. Aber Sie werden zugeben müssen, daß dieses Verfahren im Hinblick auf die Behandlung eines solchen Gesetzes erheblichen Bedenken begegnen muß, weil der Bundesrat in dieser Sache vor der ersten Lesung nicht gehört werden konnte.

    (Abg. Stingl: Dann muß das Initiativrecht des Bundestages beschnitten werden?)

    — Nein, es geht hier nicht um die Beschneidung des Initiativrechts, Herr Kollege Stingl; Sie wissen sehr genau, daß es hier auch um eine Frage der Loyalität gegenüber einem Verfassungsorgan geht. Das müssen Sie in Ihrer Arbeit sehen, und das müssen wir alle sehen. Aber es geht auch der Sache nach — es scheint mir besonders wichtig, daß das einmal ausgesprochen wird — um die Tatsache, daß der Bundesrat in der 3. Legislaturperiode des Bundestages über 90 Änderungsanträge zu diesem Gesetzentwurf vorgelegt hatte, die nun praktisch vorläufig unter den Tisch fallen.
    Auf die Dauer läuft Ihr Verfahren darauf hinaus, daß Fragen, die man vorher gütlich absprechen könnte, nachher im Vermittlungsausschuß korrigiert werden müssen, — eine Prozedur, die von uns angesichts der Tatsache, daß die Unfallversicherung sehr weitgehend die Länder und auch die Gemeinden betrifft, eben der Sache wegen nicht gutgeheißen werden kann. — Nun, Sie werden sich mit dieser Frage bei der weiteren Behandlung dieses Stoffes noch auseinanderzusetzen haben.
    Hinsichtlich dessen, was in dem Gesetzentwurf steht, gibt es seitens der sozialdemokratischen Fraktion auch noch eine Reihe erheblicher Vorschläge zu den Sachproblemen, und es gibt — das möchte ich heute in der ersten Lesung für meine politischen Freunde gleich mit aller Deutlichkeit sagen — für uns bei der Beratung dieses Entwurfs das Zentralproblem Unfallverhütung. Dabei denken wir nicht nur an einen Katalog „erstens, zweitens, drittens", Herr Kollege Stingl, sondern wir sind der Meinung, wir müssen bei der Behandlung des Problems Unfallverhütung in diesem Gesetzentwurf weitergehen,
    als die Paragraphen Ihrer Vorlage es bisher andeuten.
    Unfallverhütung ist nicht nur eine Frage der betrieblichen Gemeinschaften — „Unternehmerrisiko" und all dieser Dinge —, sondern Unfallverhütung ist eine zentrale Frage von öffentlichem Interesse.

    (Beifall bei der SPD.)

    Weil das so ist, weil der volkswirtschaftliche Ausfall, der durch Arbeitsunfälle jährlich entsteht, nicht nur Sache der betroffenen Wirtschaftszweige, sondern Sache des ganzen Volkes ist, und weil uns das Schicksal der Hinterbliebenen und der Hunderttausende von Verletzten auch von der staatspolitischen Seite her interessieren muß, muß der Gesetzgeber nach unserer Meinung bei der Behandlung der Probleme der Unfallverhütung weitergehen, als es durch die bloße Einfügung des Absatzes 1 in § 537 und der anderen entsprechenden Paragraphen Ihres Entwurfs geschieht. Er muß sich Gedanken darüber machen, ob alles, was Sie hier der Selbstverwaltung überlassen wollen, wirklich der Selbstverwaltung überlassen werden kann. Wir wollen an dem bewährten Pinzip der Berufsgenossenschaften nichts ändern. Wir meinen aber, daß die technische Entwicklung der letzten Jahrzehnte einige Überprüfungen im Hinblick auf die Wirksamkeit dieses Systems in bestimmten Bereichen der Wirtschaft und des öffentlichen Lebens notwendig macht. Wir möchten einmal im Sozialpolitischen Ausschuß die Frage der Berufsgenossenschaften, aber auch der Unfallverhütung schlechthin mit einem großen Kreis von Fachleuten erörtern.
    Dazu noch einige kurze Ausführungen. Ich habe vorhin gesagt, daß sich das System der Berufsgenossenschaften grundsätzlich bewährt habe. Es gibt aber doch wohl einige Punkte, Herr Kollege Stingl, bei denen wir uns aus der Sicht des öffentlichen Interesses fragen müssen, ob das, was Sie den Berufsgenossenschaften als Selbstverwaltungsaufgabe überlassen wollen, nicht vorrangig durch den Gesetzgeber angepackt werden müßte. Ich denke z. B. an die Gefahrentarife, an das Umlageverfahren, abgestuft nach den Arbeitsbedingungen der Betriebe usw.
    Die sozialdemokratische Fraktion wird im Ausschuß — das kann ich hier schon erklären — sehr eingehend untersuchen, ob nicht das Beitragswesen der Berufsgenossenschaften im Hinblick auf die Zahl und die Schwere der Unfälle im einzelnen Betrieb einer Korrektur bedarf. Die Möglichkeit, das in den Satzungen zu bestimmen und gegenüber dem einzelnen. Betrieb anzuordnen, ist nach unserer Meinung von den Berufsgenossenschaften nicht in der Weise ausgeschöpft worden, wie es die gestiegene Zahl der Unfälle und vor allem die Schwierigkeit der Arbeitsbedingungen — das müssen wir auch sehen — sowie das Tempo der modernen Industrie heute nun einmal erfordern.
    Wenn wir hier mit Stolz von der langen Geschichte der Unfallversicherung in unserem Staat sprechen, sollten wir nicht vergessen, daß auch andere Länder mittlerweile auf diesem Gebiet große Erfahrungen gesammelt haben. Wir sollten nicht



    Börner
    hochmütig das, was wir in Deutschland erreicht haben, als gut und richtig für die Zukunft erklären, sondern einmal den Blick über die Grenzen hinaus auf andere moderne Industriestaaten richten und die Frage aufwerfen, ob nicht vielleicht für den deutschen Arbeitsschutz und die Unfallverhütung im Betrieb bestimmte englische, schwedische und auch amerikanische Erfahrungen nutzbar gemacht werden könnten. Auch das sollte der Sozialpolitische Ausschuß in seinen Beratungen ernsthaft prüfen.
    Wir werden ferner die in der Fachdiskussion immer wieder offenbleibende Frage der Abgrenzung der Gewerbeaufsicht von dem berufsgenossenschaftlichen Aufsichtsdienst ansprechen. Beide Instrumente müssen verstärkt werden. Auch das ist ein Fragenkomplex, über den man sich sinnvollerweise schon in der Bundesratsdiskussion mit den Ländern hätte unterhalten können. Es ist Ihre Schuld, daß damit nun die Ausschußberatungen belastet werden. Auf jeden Fall muß es das Ziel der Gesetzesarbeit sein, daß es nachher keine Branche mehr gibt, in der der technische Aufsichtsbeamte wegen der wenigen Planstellen — rein statistisch gesehen — alle fünf, sieben oder zehn Jahre in den Betrieb kommt. Solche Dinge soll es geben, und wir werden im Ausschuß noch einmal darauf zu sprechen kommen.
    Dabei wird von uns nicht unterschätzt, daß Unfallschutz, Unfallverhütung letztlich Erziehungsarbeit ist, in der sich alle Betriebsangehörigen einig sein müssen.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Wir wollen diese Frage nicht einseitig als eine Frage 'der Unternehmer betrachten. Sie geht auch und gerade den letzten Mann im Betrieb an.
    Aber eins müssen Sie zugeben: Das Problem wird nur dann gelöst werden können, wenn man nicht den Unfallschutz auf die Unfallvertrauensleute oder die Betriebsräte delegiert, sondern von der Unternehmensspitze her die Voraussetzungen dafür schafft, daß die Unfallverhütung im Betrieb ernst genommen wird. Deshalb bedarf unser Gedanke, daß der einzelne Betrieb etwas mehr Interesse an der Gestaltung seines Beitrags zur Unfallversicherung haben sollte, noch einer detaillierten Erörterung im Ausschuß.
    Wir halten es auch für nötig, daß der technische Aufsichtsdienst der Berufsgenossenschaften im Hinblick auf die Einwirkung in den Betrieb mehr Vollmachten bekommt. Es ist z. B. notwendig, daß bei der Neueinrichtung von betrieblichen Abteilungen oder ganzer Betriebe die Berufsgenossenschaft von vornherein das Recht bekommt, gewisse Möglichkeiten vorzuschreiben, und nicht über den Umweg der Gewerbeaufsicht eingreifen muß.
    Hier spielt auch noch eine andere Frage hinein, nämlich die Zersplitterung der Unfallverhütungsvorschriften und der Gewerbeaufsichtsbestimmungen über das ganze Gebiet der Bundesrepublik. Hier einer Ordnung hineinzubringen ist auch eine Aufgabe, an der wir uns in der Ausschußberatung nicht vorbeimogeln sollten.
    Darüber hinaus hat, glaube ich, jeder von Ihnen, der die Dinge in der Praxis kennt, mit mir den Eindruck, daß der Gesundheitsschutz im Betrieb eine der wichtigsten Vorbedingungen für die Verhütung von Unfällen ist. Von da sollten wir uns die Frage vorlegen, ob das jetzige System der ärztlichen Betreuung im Betrieb und auch das System der ärztlichen Betreuung in bestimmten Wirtschaftszweigen ausreichend ist. Muß es z. B. im Hochbau immer wieder — um einmal etwas zu nehmen, was mir aus meiner beruflichen Arbeit gut bekannt ist — zu tödlichen Abstürzen kommen, nur weil der betreffende Mann nicht vorher auf seine Höhentauglichkeit überprüft wurde? Das ist doch eine Frage, an der auch die Öffentlichkeit interessiert ist und bei der es nicht nur um die berufsgenossenschaftliche Überprüfung geht.

    (Abg. Frau Kalinke: Das kann bei der Berufsausbildung nach dem Jugendarbeitsschutzgesetz alles schon jetzt geschehen!)


    (es ist, daß sich der Gesetzgeber gründlich mit ihnen beschäftigt. Lassen Sie mich zum Abschluß dieses Teils noch eines deutlich feststellen! Nach unserer Meinung sollten die Ausschußberatungen über Unfallverhütung und Unfallschutz so breit angelegt werden, daß eine möglichst große Zahl von Kapazitäten der Arbeitsmedizin, des Arbeitsschutzes und der Unfallmedizin daran teilnehmen und ihr sachverständiges Urteil abgeben können. Das wird uns dann die Formulierung gewisser Paragraphen dieses Gesetzentwurfs wesentlich erleichtern. Ich denke daran, daß z. B. der Verkehrsausschuß mit einer solchen Ausschußsitzung unter Teilnahme von Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens einmal etwas erreicht hat, was auch wir grundsätzlich bei der Beratung dieses Gesetzes erreichen möchten, nämlich dieses Thema in, die breite Öffentlichkeit unseres Landes zu tragen. Meine Damen und Herren, es nützt gar nichts, wenn wir uns nur im Sozialpolitischen Ausschuß sehr eingehend mit den Dingen beschäftigen. Sinn der Beratung dieses Gesetzes sollte es sein, die breite Öffentlichkeit an der Diskussion teilnehmen zu lassen, um dadurch zu erreichen, daß sich das Gefühl für die Notwendigkeit des Unfallschutzes in unserem ganzen Volke etwas mehr verbreitet, als es in den zurückliegenden Jahren der Fall gewesen ist. Börner Wenn wir uns in dieser Frage, wie ich feststellen darf, so weitgehend einig sind, Herr Kollege Stingl, dann verstehe ich nicht, daß Sie z. B. bei dem Komplex Zwangsabfindung, wie wir ihn bezeichnen, von vornherein eine so eindeutige Stellungnahme für die Zwangsabfindung abgegeben haben. (Abg. Stingl: Da haben Sie aber nicht zugehört!)


    (Beifall bei der SPD.)




    — Nach dem, was ich bei meinem doch sehr guten Zuhören herausgehört habe, geht es Ihnen darum, dieses Prinzip im Gesetz zu verankern; denn wenn Sie das nicht wollten, hätten Sie es ja völlig herauslassen können. Ich werde gleich noch darauf zurückkommen, warum es nach unserer Meinung noch darin steht.
    Diese Frage haben Sie, rein oberflächlich betrachtet, dadurch entschärfen wollen, daß Sie die von Herrn Bundesminister Blank vorgesehene Grenze von 50 % auf 30 % herabgesetzt haben. — Meine Damen und Herren, Sie schütteln den Kopf. Für uns ist das keine Frage von Prozenten. Lassen Sie sich das gesagt sein! Das ist vielmehr eine Grundsatzfrage; denn hier wird im Gegensatz zum bürgerlichen Recht letztlich die Entscheidung nicht vom Versicherten, sondern von der Behörde getroffen, und das halten wir sowohl aus rechtsstaatlichen als auch aus sozialpolitischen Gründen für bedenklich.
    Sie verweisen darauf, daß alles das durch die Einfügung von bestimmten Modalitäten in diese Paragraphen weitgehend entschärft warden sei. Dazu will ich Ihnen folgendes sagen. Hier steht: „besonderes Interesse des Versicherten". Sie wissen so gut wie wir, daß mit der Einfügung eines solchen unbestimmten Rechtsbegriffes in dieses Gesetz Tür und Tor für Entscheidungen geöffnet sind, die letztlich immer zum Nachteil des Versicherten bzw. des Beschädigten ausfallen müssen.

    (Abg. Stingl: Lesen Sie einmal meine Ausführungen nach!)

    Noch eine Frage, die in diesem Zusammenhang interessant ist! Im Grunde genommen ist die Diskussion um die Zwangsabfindung in der Reichsversicherungsordnung nicht neu. Sie ist auch nicht erst durch Herrn Bundesminister Blank hineingetragen worden, sondern sie ist schon vor dem ersten Weltkrieg im Reichstag einmal diskutiert worden. Beim Durchlesen der Literatur zu diesem Thema ist mir aufgefallen, daß sich die Ahnherren der CDU damals ganz anders verhalten haben als Ihre Fraktion heute.

    (Abg. Stingl: Wer waren denn die?)

    — Es war der in der Sozialpolitik sehr hoch geschätzte Abgeordnete der Katholischen Arbeiterbewegung Herr Professor Hitze, Mitglied deis Reichstages, der die seinerzeit vorgesehene Zwangsabfindung schon 1913 zu Fall gebracht hat.

    (Beifall bei der SPD.)

    Wir werden in der Beratung dieses Gesetzentwurfs
    noch öfters auf diese Frage zu sprechen kommen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Gar nicht mehr nötig!)

    — Bitte, dann erklären Sie doch heute, daß Sie unter dem Druck unserer Argumente diese Regelung zurückziehen. Dann wollen wir uns einigen.

    (Beifall bei der SPD. — Abg. Stingl: Bisher haben Sie noch keine sehr durchschlagenden Argumente gebracht! Bisher haben Sie aus dem Gefühl argumentiert!)

    — Herr Kollege Stingl, dann kann ich Ihnen nicht den Vorwurf ersparen, daß wir auf Grund einiger Erfahrungen in der dritten Legislaturperiode mit unserem Gefühl, was die Behandlung dieses Komplexes betraf, bisher immer richtig gelegen haben und heute auch durch Ihre Argumentation bisher nicht korrigiert worden sind.

    (Abg. Stingl: Sie müssen doch sachliche Argumente bringen!)

    Meine Damen und Herren, ich habe Ihnen schon gesagt: es geht uns hier nicht um Prozente, sondern es geht uns hier um das Recht des geschädigten Staatsbürgers, als Individuum zwischen den Modalitäten der Abfindung wählen zu können.

    (Abg. Stingl: Einen Schaden zu bereinigen!)

    — Sehr richtig, Herr Kollege Stingl. Aber sehen Sie sich bitte das Bürgerliche Gesetzbuch daraufhin an, wie das dort geregelt wird; dann müssen Sie zugeben, daß mit der hier vorgesehenen Regelung ein Eingriff in die Sphäre des Individuums vorgenommen wird — ein Eingriff, den wir, wie gesagt, rechtspolitisch und — darauf werde ich gleich zu sprechen kommen, Herr Kollege — sozialpolitisch nicht verantworten können. Denn was heißt Ihre Bestimmung in der Praxis? In der Praxis heißt das, daß ein Mann, der mit 18 Jahren ein Auge verliert, mit dem fünffachen Betrag der Jahresrente abgefunden wird und für die restlichen vierzig Jahre seines Arbeitslebens trotz des Augenverlustes eben keine Entschädigung erhält.

    (Abg. Frau Kalinke: Kennen Sie solche Fälle, in denen die Unfallversicherungsträger so verfahren haben, gerade beim Verlust des Augenlichtes?)

    — Ich will Ihnen einmal etwas sagen, Frau Kollegin. Ich hüte mich immer, Pauschalurteile abzugeben. Aber ich muß Ihnen sagen: die bitteren Erfahrungen, die wir in den zurückliegenden Jahren mit Zuschriften aus dem Kreis der Unfallgeschädigten gehabt haben, machen uns bei solchen Dingen ganz unnachgiebig, und Sie werden in dieser Frage mit uns nicht um Prozente handeln können, sondern wir werden alles daran setzen, Sie durch unsere sachliche Argumentation und durch die Stellungnahme von Damen und Herren aus der Rechtsprechung und auch aus den Versichertenkreisen von der Unrichtigkeit Ihrer Argumente zu überzeugen,

    (Abg. Dr.-Ing. Philipp: Ist Ihnen nicht bekannt, daß im BGB die Schadensregulierung nach konkreten Verhältnissen vorgenommen" wird, während das Unfallrecht nach abstrakten Merkmalen vorgeht?)

    — Gut, daß Sie mich daran erinnern. Der Herr Kollege Stingl hat vorhin schon einige Bemerkungen zur Knochentaxe gemacht, Natürlich gibt es, wie



    Börner
    immer bei solchen Dingen, Härteentscheidungen, Entscheidungen, bei denen unter Umständen nicht die richtige Eingruppierung vorgenommen wird und die sich hin und wieder zum Nachteil des Geschädigten auswirken. Wenn Sie nun von der Knochentaxe weggehen und die von Ihnen angedeutete Möglichkeit ins Gesetz aufnehmen wollen, dann müssen Sie sich aber auch einmal bestimmte Ergebnisse der Rechtsprechung ansehen. Ich bin nicht sicher, ob sich Ihr Vorschlag letztlich zum Vorteil für den Versicherten auswirkt. Wir werden uns deshalb auch über diese Frage sehr eingehend unterhalten müssen.
    Ich habe schon gesagt, daß wir auf Grund der schwerwiegenden Bedenken, die die SPD aus sozialpolitischen und aus rechtspolitischen Gründen gegen das System der Zwangsabfindung in der Unfallversicherung hat, einem solchen Prinzip in dem Gesetz nicht zustimmen können.

    (Abg. Ruf: Wir reden darüber!)

    Ich bitte, diese Dinge auch einmal hinsichtlich der praktischen Auswirkungen zu sehen. Welche Vorteile schaffen Sie eigentlich in der Unfallversicherung durch die Einfügung dieser Begriffe? Für die Einsparung von ein paar Mark, die Sie vielleicht — vielleicht! — hier erreichen, handeln Sie etwas ein, was das ganze Gesetz erheblich belastet. Ich möchte deshalb dringend bitten, daß Sie diesen Punkt noch einmal überprüfen.
    Unsere Meinung zur Frage der Unfallrenten ist hinreichend bekannt. Wir haben unsere Meinungen darüber in den vergangenen Jahren hier sehr oft ausgetauscht. Ich bin an diesem Tage froh, daß die Mehrheitsfraktion nun auf das eingegangen ist, was wir schon 1957 gern gehabt hätten. Ich bin es leid, immer wieder von dieser Stelle aus darauf hinweisen zu müssen, wie schwierig sich die Sache für den Betreffenden gestaltet, wenn man die Unfallrenten immer wieder auf den Stand von 1957 oder auch von 1960 läßt und dann am Ende einer Legislaturperiode aus den bekannten Gründen eine Anhebung vornimmt. Wenn die Formulierungen in Ihrem Entwurf so zu verstehen sind, daß damit praktisch eine Angleichung an das System erreicht werden soll, das der Sozialbeirat für die Rentenversicherung vorschlägt — ich habe das aus Ihrem Text entnommen —, dann dürfen wir feststellen, daß, unbeschadet unserer grundsätzlichen Meinung zu der Frage der Rentendynamisierung, hier ein großer Fortschritt erreicht ist. Wir würden dann eine solche Regelung gemeinsam verabschieden können; im Interesse der Betroffenen ist das sehr zu begrüßen.
    Das Problem der Elternrente, das von Ihnen, Herr Kollege Stingl, hier angesprochen worden ist, muß im Ausschuß noch einmal diskutiert werden. Die Frage der Bedürftigkeit ist hier in einer bedenklichen Weise in die Paragraphen eingeordnet worden. Wir können uns nicht recht vorstellen, daß die Beibehaltung dieses Bedürftigkeitsprinzips nun unbedingt für das System der Unfallversicherung — —

    (Abg. Stingl: Wenn der Vater eine Fabrik hat, soll er dann auch eine Rente bekommen?)

    — Nein, bitte verdrehen Sie die Argumente nicht in dieser Form. Sie wissen ganz genau, daß die Ernährereigenschaft vorausgesetzt wird bzw. daß ein wesentlicher Unterhalt gewährt werden muß. Nun frage ich Sie, Herr Kollege Stingl, folgendes: Wenn ein tödlich Verunglückter vorher seine Eltern wesentlich aus seinem Arbeitsverdienst unterstützt hat, warum sollte er das getan haben, wenn diese das Geld nicht nötig gehabt haben? Diese Frage muß man doch bei der Anwendung des Bedürftigkeitsprinzips berücksichtigen. Ich glaube, daß es überflüssig ist, hier von dem Bedürftigkeitsprinzip zu reden. Es muß nur ein Kausalzusammenhang bestehen; die Ernährereigenschaft muß vorhanden sein, oder der tödlich Verunglückte muß vorher seine Eltern unterstützt haben.
    Zur Frage der Berufskrankheiten wäre noch viel zu sagen, aber es kann ja in der ersten Lesung nicht unsere Aufgabe sein, alle Einzelprobleme zu diskutieren. Deswegen möchte ich mich darauf beschränken zu erklären, daß nach unserer Kenntnis Ihrer Vorstellungen die von Ihnen eingeräumte Möglichkeit der Anerkennung einer Berufskrankheit, auch wenn sie nicht im Katalog vorhanden ist, nach unserer Auffassung noch etwas zu eng gezogen ist. Wir tendieren an sich zu einer noch etwas flexibleren Lösung. Aber es wird Sache der Fachleute sein, hier die Abgrenzungen richtig zu ziehen und durch geeignete Vorschläge in der Ausschußarbeit noch Lösungsmöglichkeiten für dieses Problem herauszukristallisieren.
    Nach meiner Meinung könnte das vermehrte Auftreten von Berufskrankheiten wesentlich verhindert werden, wenn die gesundheitliche Betreuung im Betrieb etwas stärker wäre, als das in der Vergangenheit der Fall gewesen ist, und wenn schon durch das System der Sicherheitsingenieure Arbeitsbedingungen in den Betrieben erreicht werden könnten, die das Auftreten von Berufskrankheiten auf ein Mindestmaß reduzieren.
    Dann, meine Damen und Herren, sei mir noch gestattet, nur anzudeuten, daß in der Frage der Rehabilitation von Verletzten nach unserer Meinung natürlich alle modernen Erkenntnisse der Medizin zur Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit und der Gesundheit des Betreffenden herangezogen werden sollten. In diesem Zusammenhang ist die Frage, ob man sich da noch Erfahrungen anderer Gebiete der sozialen Betreuung zunutze machen kann, zu prüfen, aber auch das gehört in den Ausschuß. Ich glaube, wir können mit Ihnen zusammen darin übereinstimmen, daß es in der Unfallversicherung schon eine gute Pionierarbeit in den letzten Jahrzehnten gegeben hat.
    Meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch etwas zu den finanzpolitischen Problemen dieses Gesetzes sagen und gestatten Sie mir anzumerken, daß das, was Herr Kollege Stingl hierzu über die Abgrenzung zwischen Unfall- und Krankenversicherung ausgeführt hat, von uns in keiner Weise als ausreichende Begründung betrachtet wird. Denn, sehr verehrter Herr Kollege Stingl — bei aller Würdigung Ihrer Argumente —, Sie haben doch in Ihrer Rede Ihren Fraktionskollegen, den früheren



    Börner
    Bundesarbeitsminister Storch dementiert. Dieser von Uns sehr geschätzte Kollege hatte schon im 2. Bundestag einen Gesetzentwurf eingebracht, der eine weitergehende Regelung in der Abgrenzung zwischen den finanziellen Lasten der Krankenversicherung und der Unfallversicherung zum Ziele hatte. Für uns ist die reinliche Scheidung zwischen den finanziellen Lasten beider Gebiete eine der großen Fragen dieses Gesetzes. Wir sind mit Ihnen darin einig, daß man möglichst Verwaltungsarbeit zwischen beiden Institutionen vermeiden sollte. Aber wer hindert uns denn, durch eine entsprechende Einfügung in das Gesetz die Selbstverwaltung zu beauftragen, für sich ein System der Pauschalierung zu finden, das eben keinen neuen Verwaltungsaufwand nötig macht? Im Grundsatz ist nach unserer Meinung der Ersatz der Unkosten der Krankenversicherung durch die Unfallversicherung vom ersten Tage an nach wie vor das, was man anstreben sollte. Sie können anderer Meinung sein, aber Sie werden uns nicht von der Ansicht abbringen, daß die Regelung mit den 18 Tagen, wie Sie sie im Gesetz haben, im Grunde genommen doch nur eine Verlegenheitslösung ist, weil sich zufällig vor Jahren mal die Selbstverwaltung unter ganz besonderen Aspekten auf diese Frist geeinigt hatte. Wir sind also nach wie vor der Meinung, daß hier der erste Tag in der Erstattung das Entscheidende sein sollte.
    Meine Damen und Herren, lassen Sie mich auch etwas zu dem Komplex Beitragszahlung der Arbeitnehmer sagen, wie sie Ihr Koalitionspartner Herr Kollege Atzenroth in der Presse schon nachdrücklich gefordert hat. Sie werden damit rechnen müssen, daß sich die SPD aus ihrer grundsätzlichen Einstellung zur sozialen Unfallversicherung jedem Versuch, durch einen Arbeitnehmerbeitrag die Grundlagen zu verschieben, sehr heftig widersetzen wird. Ich freue mich, feststellen zu können, daß es in dieser Frage eine weitgehende Übereinstimmung zumindest mit dem Kollegen Stingl gibt. Ich möchte annehmen, daß das also auch die Meinung der CDU-Fraktion ist. Wir wollen hoffen, daß das in der Endabstimmung über dieses Gesetz auch zum Ausdruck kommt.

    (Zuruf von ,der Mitte.)

    — Meine Damen und Herren, seien Sie vorsichtig mit voreiligen Versicherungen. Ich will das Problem der Modulierung zwischen Umfall- und Unfallversicherung heute morgen nicht in die Debatte bringen, aber es gibt auch da einige Parallelen zu ziehen.
    Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Abschluß meiner Ausführungen namens meiner Freunde erklären, daß die SPD ein Interesse an der baldigen Verabschiedung dieses Gesetzes hat, weil die Leistungsverbesserungen nach unserer Meinung dem Kreis der betroffenen Personen möglichst bald zugute kommen sollen. Die SPD wird aber. auch — und das ist ihre grundsätzliche Betrachtung dieser Frage — an diesem Gesetz unter dem Gesichtspunkt mitarbeiten, daß die Reform der Unfallversicherung das Ziel haben muß, diesen Zweig der
    sozialen Sicherung den Gegebenheiten des modernen Arbeitslebens und des modernen Sozialstaates anzupassen.

    (Beifall bei der SPD.)



Rede von Dr. Richard Jaeger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Das Wort hat der Abgeordnete Ollesch.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Alfred Ollesch


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der vorliegende Entwurf eines Unfaliversicherungs-Neuregelungsgesetzes der Fraktion der CDU/CSU beinhaltet einen Teilabschnitt der Regelung sozialpolitischer Fragen, deren sinnvolle Zusammenfassung Arbeit des jetzigen Bundestages sein wird.
    In Anbetracht des Umfangs der Gesetzesmaterie begrüßt die FDP-Fraktion den schnellen Eintritt in die gesetzgeberische Arbeit, da böse Beispiele aus der Vergangenheit lehren, daß unter Zeitdruck und im Hinblick auf nahende Wahltermine eine sachliche Arbeit bei der schwierigen Materie nur sehr schwer geleistet werden kann.
    Ich darf gleich eingangs erwähnen, daß wir entgegen der Auffassung des Sprechers der sozialdemokratischen Fraktion an der Vorbereitung dieses Gesetzentwurfs mitgewirkt haben. Er ist also nicht ohne Rücksicht auf den Koalitionspartner eingebracht worden.
    Ich verstehe Ihre Kritik, Herr Kollege Börner, daß der Entwurf, wie Sie meinen, ohne Rücksicht auf den Koalitionspartner eingebracht worden sei, nicht ganz, zumal die SPD ja anläßlich der Diskussion um den sogenannten Koalitionsvertrag, das Koalitionsabkommen, lebhaft bedauerte, daß eine Initiativarbeit der Fraktionen nicht mehr möglich sei, daß die Fraktionen in das starre Korsett eines so anrüchigen Koalitionsvertrages gepreßt würden.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Der vorliegende Initiativantrag beweist gerade das Gegenteil; er zeigt, daß einzelne Fraktionen sehr wohl initiativ werden können.
    Meine Damen und Herren, die Unfallversicherung erscheint uns wegen der Dringlichkeit der Fragen und auch angesichts der Tatsache, daß in den Jahren 1957 und 1961 Vorschaltgesetze verabschiedet wurden, in denen schon die Geldleistungen geregelt wurden, zur vorrangigen Behandlung geeignet, obschon wir nicht verhehlen können, daß ein Gesetz nicht Stückwerk und nichtkurzlebig sein darf und daß es im Zusammenhang mit den sozialpolitischen Fragen gesehen werden muß, die wir insgesamt zu regeln haben und die von uns von unserer gesellschaftspolitischen Auffassung her behandelt werden, die gleiche Entwicklungsmöglichkeiten für Selbständige und Unselbständige zuläßt.
    Bei der Verabschiedung dieser Gesetze, so gut sie auch nach außen hin wirken mögen, sollten wir immer darauf achten, daß die Betroffenen in. der Lage sind, den materiellen Anforderungen dieser Gesetze ohne Beeinträchtigung ihrer Leistung und mit Rücksicht auf die Struktur unseres Landes nachzukommen. Solange nämlich mangels einer besse-



    Ollesch
    ren und gerechteren Lösung die Löhne Ausgangspunkt für die Erhebung sozialer Abgaben sind, werden wir immer nur widerstrebend Änderungen zustimmen können, weil sie eine Erhöhung der Lohnkosten beinhalten. Bei dem gegenwärtigen System der vorwiegend lohnbezogenen Aufbringung der Mittel für die sozialen Leistungen werden besonders arbeitsintensive mittelständische und vor allem handwerkliche Betriebe getroffen. Wir sind der Meinung, daß bei der Durchführung sozialpolitischer Reformen Rücksicht auf das Gesamtinteresse der Wirtschaft zu walten hat. Sonst zerstören wir gerade die Grundlagen, auf denen wir aufbauen wollen.
    Soweit durch diesen Gesetzentwurf neue Belastungen auf einen Teil unserer Wirtschaft zukommen, sollte man nach unserer Meinung prüfen, ob nicht auf die Dauer ein Ausgleich der Lasten möglich ist. Aus diesem Grunde finden Sie heute in Ihren Fächern einen Antrag der FDP, in dem wir die Bundesregierung auffordern, bis zum 30. Juni 1962 einen Bericht über die Möglichkeiten eines Ausgleichs der gegenwärtigen Belastung durch lohnbezogene Abgaben vorzulegen. Dieser Bericht soll auch die Auswirkungen der einzelnen Änderungsmöglichkeiten auf die gesamtwirtschaftliche Entwicklung und auf einzelne Wirtschaftszweige darlegen.
    Meine Damen und Herren, lassen Sie mich nun kurz auf das vorliegende Neuregelungsgesetz eingehen. Ich werde versuchen, bei der ersten Lesung nur die grundlegenden Fragen zu streifen, meine beiden Herren Vorredner sind ja zum Teil doch ins Detail gegangen. Der Anlaß für die Neuregelung scheint mir unter anderem — darunter verstehe ich die Tatsache der Vorschaltgesetze — auch die von allen Fraktionen gewünschte Befreiung der Krankenkassen von den Krankheitskosten als Folge eines Unfalls zu sein. Dieses System ist allerorten, zum Teil mit Recht, zum Teil zu Unrecht, bemängelt worden.
    Bei diesem Entwurf gehen wir davon aus, daß die Berufsgenossenschaften, als Träger der Unfallversicherung, die als Folge eines Unfalls entstehenden Krankheitskosten vom 19. Tage ab übernehmen sollen, also im Gegensatz zur bisherigen Regelung nicht mehr vom 45. Tag ab. Wir sind auf den 19. Tag nicht von ungefähr gekommen, auch nicht, weil sich zufällig einmal die beteiligten Träger der Unfallversicherung und die Krankenkassen auf diesen Tag geeinigt haben. Sie haben sich dabei nämlich etwas gedacht.

    (Abg. Frau Kalinke: Sehr richtig!)

    Wir bemühen uns, diesen Gedanken in die Tat umzusetzen.

    (Abg. Börner: Wir werden uns beim 1. Tag auch etwas gedacht haben!)

    — Nun, Herr Börner, wir denken uns natürlich beim 1. Tag auch etwas. Aber lassen Sie mich ganz kurz erläutern, warum wir für den 19. Tag plädieren und auch in der Ausschußberatung wahrscheinlich weiter plädieren werden.

    (Abg. Büttner: „Wahrscheinlich"!)

    Die Gesamtkosten vom 1. bis zum 45. Tage betragen etwas 500 000 DM. Wir sind von dem Gedanken ausgegangen, die Kosten zu teilen. Die Teilung, die früher beim 45. Tag vermutet wurde, tritt heute beim 18. Tag ein. Wir haben für die Teilung einige Gründe. Wir meinen, daß sowohl medizinische, verwaltungstechnische als auch finanzielle Gründe dafür sprechen. Medizinische Gründe sprechen deshalb dafür, weil bis zum 18. Tage die Bagatellfälle, d. h. Krankheiten, die sich aus Bagatellunfällen ergeben, in der Regel ausgeheilt sind. Verwaltungstechnische Gründe sprechen dafür, weil wir uns eine Verwaltungsvereinfachung davon versprechen, und finanzielle Gründe, weil wir eben eine Entlastung der Krankenkassen und dafür eine entsprechende Belastung der Berufsgenossenschaften erreichen wollen.
    Nun kann man natürlich der Meinung sein, daß es wegen der Haftungspflicht des Unternehmers nicht zuläßig ist, daß überhaupt ein Teil der Kosten von Krankenkassen übernommen wird. Aber Herr Börner, ich frage Sie angesichts der Tatsache, daß wir es mit einer ständig steigenden Zahl von Wegeunfällen zu tun haben, ob man die Wegeunfälle unbedingt als der Haftung des Arbeitgebers unterliegend ansehen kann.

    (Abg. Börner: Das ist durch die Rechtsprechung schon entschieden!)

    — Es ist durch die Rechtsprechung vom Grundsatz her entschieden. Ich will Ihnen nur darlegen, warum wir glauben, es den Krankenkassen zumuten zu können, daß sie die Kosten für die Krankenfürsorge bis zum 18. Tage tragen. Die Zahlen sind ganz erschreckend. Betrachten wir einmal die Zahl der Wegeunfälle, die immer noch ansteigt und die zu verhindern der Arbeitgeber nicht in der Lage ist, auch nicht durch besten Unfallschutz im Betrieb, wie Sie ihn ja gefordert haben, auch nicht durch die beste Überwachung durch Kontrollbeamte der Berufsgenossenschaft im Betrieb. Auf diese Unfälle hat der Unternehmer keinen Einfluß. Ihre Zahl steigt, und sie hängen von den Eigenschaften der Menschen ab, sie hängen von der Verkehrslage ab,

    (Zuruf von der SPD: Von Herrn Seebohm!) für die andere Gremien zuständig sind.

    Der prozentuale Anteil der Wegeunfälle an den Schadensfällen überhaupt betrug im Jahre 1960 rund 20 %, darunter Schadenfälle mit tödlichem Ausgang, die die größte Belastung mit sich bringen, mit über 32 %. Diese Zahlen sollten uns zum Nachdenken anregen.