Herr Präsident! Nachdem der Antrag der SPD-Fraktion abgelehnt ist, brauche ich mich mit ihm nicht mehr zu beschäftigen. Ich bitte aber doch, ein paar Gedanken zur Sache sagen zu dürfen.
Sowohl die Opposition als auch die beiden Koalitionsfraktionen sind sich darüber einig, daß es sich hier um ein echtes Anliegen handelt.
— Jawohl, Frau Kollegin Korspeter, es gibt auch unechte.
— Ich stimme Ihnen zu, Herr Kollege Schoettle. Ich muß aber doch zur Sache etwas sagen.
Worum handelt es sich denn bei unserer Rente? Es handelt sich bei ihr um einen Ersatz für Lohn und Gehalt in dem Augenblick, wo jemand aus dem aktiven Arbeitsleben ausscheidet. Deshalb reden wir ja auch von einer lohnbezogenen Rente. Durch die Neuregelungsgesetze ist diese lohnbezogene Rente in ein Verhältnis zu der Entwicklung der Löhne gebracht. Nun gibt es für Bürger, die weder Löhne noch Renten beziehen, andere Einnahmen oder Zuwendungen, die also keine Löhne und keine Renten sind. Zur Zeit und wahrscheinlich auch noch für lange Zeit wird ein Teil dieser Zuwendungen — bei der Fürsorge die ganze Zuwendung — nur dann gewährt, wenn eine Bedürftigkeit vorliegt, d. h. wenn keine anderen Einkommen vorhanden sind. Dieser Teil der Zuwendungen wird nicht mehr gewährt, wenn normale Einkommen vorhanden sind, d. h. wenn die Lebenshaltung dieses Personenkreises aus Löhnen, Gehältern oder, lassen Sie es mich einmal konkret sagen, nunmehr lohnbezogenen Renten sichergestellt ist. Dort, wo mit der Rentenneuregelung nicht für den ganzen Bestand, den wir in die Neuregelung herübergebracht haben, von heute auf morgen und für absehbare Zeit eine solche Höhe erreicht wird — es wurde in der Diskussion angesprochen —, daß durch das Renteneinkommen die Lebenshaltung gedeckt ist, empfangen diese Rentner aus anderen Quellen zusätzliche Einkommen zur Aufstockung ihrer Renten oder ihrer Arbeitseinkommen, wenn sie etwa unter dem Fürsorgesatz liegen.
In diesem Hause wurde oft und laut von allen Seiten beklagt, daß unsere Renten so niedrig seien, ja sie gar unter den Fürsorgesätzen lägen. Es wurde geradezu als eine Schande hingestellt, daß wir einen überdurchschnittlich großen Teil von Rentnern zu den Fürsorgeämtern schicken müßten. Wir alle haben uns gemeinsam bemüht, diesen beklagenswerten Zustand wenn schon nicht ganz aus der Welt zu schaffen, so doch weitgehend zu mildern.
Und nun, meine Damen und Herren, sagen Sie: „Jawohl, das Renteneinkommen steigt, steigt auch durch die übliche Anhebung, die Wir von Jahr zu Jahr hier beschließen; aber in diesem Augenblick dürft ihr die alten Maßstäbe nicht mehr anwenden; ihr dürft nicht so wie bisher verfahren, daß bei Fürsorgeempfängern oder bei ähnlichen Personenkreisen das normale Einkommen aus Löhnen, Gehältern und lohnbezogenen Renten verglichen wird; wenn der Mann einmal ein Fürsorgeempfänger ist, dann soll er in diesem Status bleiben, auch wenn er durch eine Rentenerhöhung Gott sei dank allmählich aus diesem Status herauskäme."
Meine Damen und Herren, zu diesem Grundsatz können wir uns beim allerbesten Willen nicht bekennen.
Dagegen, Frau Korspeter, freuen wir uns, daß Sie sich in die gute 'Gesellschaft des Herrn Bundeskanzlers begeben haben,
und wir wünschen nur, daß Sie sich öfter und auch bei anderen Gelegenheiten in dieser guten Gesellschaft aufhalten.
Wir werden Ihnen gerne folgen.
Weil wir Ihnen gerne in diese Gesellschaft folgen möchten, deshalb legen wir Ihnen unseren Entschließungsantrag vor. Er beinhaltet, daß wir dort, wo es sich um echte Härten handelt, gemeinsam beraten und überlegen wollen, wie wir diese Härten aus der Welt schaffen. Aber eine restlose Gleichschaltung, meine Damen und Herren, würde neue Ungleichheiten schaffen. ,Sie würde den Unterhaltshilfeempfänger, der kein Rentner ist, — das sind 400 000 von 800 000 — nicht mitnehmen; nur jener andere Teil würde mitgenommen. Das würde eine ganze Reihe anderer Personenkreise, die an
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Dezember 1961 169
Schütz
sich im gleichen Status stehen, aber keine Rente zusätzlich erhalten, wieder zu ungleich behandelten Personenkreisen stempeln. Auf Grund dieser Überlegungen schlagen wir Ihnen vor, diese Härtefälle zu prüfen. Wir bitten' die Bundesregierung, zu prüfen, ob und inwieweit die in den verschiedenen Zweigen des sozialen Leistungsrechtes geltenden Anrechnungsbestimmungen reformbedürftig sind. Über das Ergebnis soll sie dem Bundestag berichten.
Der Herr Präsident hat mich gerügt, weil ich eine Mitteilung, die ich von dem Sprecher der Opposition erhalten hatte, mit der Regierungsbank abstimmen wollte. Der Herr Kollege Schellenberg hatte nämlich den Vorschlag gemacht, wir sollten den letzten Satz des Entschließungsantrages — „Über das Ergebnis ist dem Bundestag alsbald zu berichten." — so ändern, daß er heiße: „Über das Ergebnis ist dem Bundestag bis Ende Mai nächsten Jahres zu berichten."
Warum denn? Bitte belassen wir die fünf Monate: Jänner, Februar, März, April, Mai! Nun, Herr Kollege Schellenberg, wir wollen doch jetzt nicht über die fünf Monate handeln. Ich habe mich bemüht, bei uns für Ihre Anregung Verständnis zu erreichen. Es ist mir gelungen, bei meiner Fraktion dafür Verständnis zu finden, und bei der FDP-Fraktion ist das durch die gütige Mithilfe des Kollegen Spitzmüller auch erreicht worden. Ich hoffe, daß deshalb das ganze Haus der Entschließung der Koalition zustimmt.