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ID0400500700

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Metadaten
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    6. Ruf.: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 5. Sitzung Bonn, den 29. November 1961 Inhalt: Glückwünsche zu den Geburtstagen der Abg. Dr. Dr. h. c. Friedensburg, Altmaier, Dr. Poepke und Bäumer . . . . . . . 21 A Anteilnahme des Bundestages am Tode des Präsidenten des amerikanischen Repräsentantenhauses . . . . . . . . . 21 A Begrüßung des Präsidenten der Versammlung der Westeuropäischen Union, M Arthur Conte 33 D Erweiterung der Tagesordnung 21 B Vorläufige Konstituierung von Ausschüssen 21 C Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung Dr. Dr. h. c. Erhard, Stellvertreter des Bundeskanzlens 22 A Entwurf eines Vierten Gesetzes über die Anpassung der Renten aus den gesetzchen Rentenversicherungen (Viertes Rentenanpassungsgesetz (Drucksache IV/16) — Erste Beratung — Blank, Bundesminister . . 34 A, 43 B Dr. Schellenberg (SPD) . 36 A, 42 A, 43 D Spitzmüller (FDP) 38 D Ruf (CDU/CSU) . . . . . . . . 40 C Weber (Georgenau) (FDP) . . . . 42 B Wahl der Vertreter der Bundesrepublik Deutschland zur Beratenden Versammlung des Europarates (Drucksache IV/32) 44 A Wahl der Vertreter der Bundesrepublik Deutschland zum Europäischen Parlament (Drucksache IV/33) . . . . . . . . 44 B Antrag betr. Zahlung eines Weihnachtsgeldes an Beamte und Versorgungsempfänger des Bundes (SPD) (Drucksache IV/27) Gscheidle (SPD) 44 C Höcherl, Bundesminister 45 B, 48 C Schmitt-Vockenhausen (SPD) . . . 46 B Hübner (CDU/CSU) . . . . . 46 D Dorn (FDP) 47 C Schoettle (SPD) . . . . . . . 48 B Antrag betr. Wahl der Mitglieder des Wahlprüfungsausschusses (CDU/CSU, SPD, FDP) (Drucksache IV/31) . . . 49 A Nächste Sitzung 49 C Anlage 51 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 5. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. November 1961 21 5. Sitzung Bonn, den 29. November 1961 Stenographischer Bericht Beginn: 15.02 Uhr.
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    Anlage Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordneter) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Frau Albertz 29. 11. Bäumer 29. 11. Bazille . 29. 11. Berkhan 29. 11: Frau Dr. Bleyler 29. 11. Dr. Bucerius 29. 11. Dr. Bucher 29. 11. Burckardt 29. 11. Cramer 30. 11. Deringer 29. 11. Döring (Düsseldorf) 1. 12. Dr. Dörinkel 29. 11. Engelbrecht-Grewe 29. 11. Gehring 1. 12. Geiger 29. 11. Giencke 29. 11. Dr. Gleissner 29. 11. Dr. Dr. Heinemann 10. 12. Hirsch 29. 11. Dr. Hoegner 30. 11. Dr. Imle 29. 11. Dr. Kempfler 29. 11. Leber 29. 11. Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Lenz (Bremerhaven) 1. 12. Maucher 2. 12. Dr. von Merkatz 29. 11. Dr. Menzel 15. 12. Meyer (Oppertshofen) . 2. 12. Müller-Hermann 29. 11. Dr. h. c. Pferdmenges 29. 11. Ramms 29. 11. Reitzner 30. 12. Dr. Serres 29. 11. Schulhoff 29. 11. Schultz 29. 11. Strauß 29. 11. Weinkamm 29. 11. Wendelborn 2. 12. Werner 29. 11. Wilhelm 2. 12. b) Urlaubsanträge Dr. Arndt 31. 12. Gaßmann 9. 12. Dr. Menne 12. 12. Frau Rudoll 31. 12. Dr. Schneider 15. 12. Stingl 22. 12. Vogt 20. 12. Windelen 5. 12.
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    Rede von Kurt Spitzmüller


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Lieber Kollege Schellenberg, in der Zwischenzeit haben sich die Fronten in diesem Hause durch das Wahlergebnis ja etwas geändert.

    (Lachen und Zurufe von der SPD.)

    Da wir uns aber so lange kennen, lieber Kollege
    Schellenberg, muß ich doch eines sagen: Was hätte



    Spitzmüller
    die Bundesregierung eigentlich tun sollen oder tun
    müssen, um nicht vorweg Ihr Mißfallen zu erregen?

    (Abg. Dr. Schellenberg: Nun hören Sie mal!)

    Sie wissen doch genau wie wir alle, daß dieser
    Sozialbericht bis zum 30. September vorzulegen ist
    und daß ,die dritte Bundesregierung das getan hat.

    (Abg. Ruf: Am 15. sogar!)

    Sie wissen auch, daß wir, der 3. Deutsche Bundestag und die dritte deutsche Bundesregierung, bis zum 15. Oktober im Amt gewesen sind. Die dritte Bundesregierung hat also zweifellos ihre gesetzliche Verpflichtung erfüllt.
    Nun hätte die vierte Bundesregierung die Möglichkeit gehabt, den Bericht (noch einmal) zu übersenden. Aber, sehr geehrter Herr Kollege Schellenberg, welche Argumentation hätten Sie dann gefunden, um vielleicht zu sagen, daß hier eine Fristversäumnis vorliege, weil der Bericht erst im Oktober oder November zugeschickt worden sei.

    (Widerspruch und Zurufe von der SPD.)

    Lieber Kollege Schellenberg, ich glaube, wir können hier ganz eindeutig feststellen: Die Bundesregierung hat ihre gesetzlichen Verpflichtungen erfüllt.
    Etwas anderes ist es mit der Gesamtproblematik, von der Sie gesprochen haben. Da stimme ich Ihnen durchaus darin zu, daß wir zum vierten Male hier im Bundestag vor der Entscheidung stehen, in welcher Weise die Bestandsrenten ,den Zugangsrenten angepaßt bzw. nachträglich an diese herangezogen werden sollen. Wenn man reformerisches Neuland in der Gesetzgebung beschreitet, ist es klar, daß man immer mit Imponderabilien zu rechnen hat. Die bisherige Entwicklung hat hier doch eigentlich einiges erkennen lassen. Daher meinen auch wir Freien Demokraten, daß man darangehen könnte, hier und dort mit einer wirksamen Korrektur anzusetzen.
    Wenn wir Abgeordneten dieses Haus vor einem Gesetz mit einer so großen finanziellen Tragweite stehen, können wir ihm unsere Zustimmung aus ehrlichem Herzen nur geben, wenn uns gewisse Daten, gewisse Unterlagen zur Verfügung stehen. Wir bedauern es mit der Fraktion der CDU/CSU und mit Ihnen von der SPD, daß die versicherungsmathematische Bilanz nicht vorgelegt wurde. Wir sind der Meinung, daß diejenigen, die alle diese Gesetze im Jahre 1957 beschlossen haben, heute, wenn sie ehrlich sind, erkennen müssen, daß die Gesamtgestaltung dieser Materie wesentlich schwieriger ist, als es bei der Geburt der Idee damals schien.
    Damit käme ich im Grunde genommen auf die Rentenformel. Müssen wir uns hier nicht wirklich einmal überlegen, ob es nicht durch eine Korrektur der jetzt geltenden Rentenformel möglich wäre, Härten, die insbesondere bei den Beziehern der Kleinrenten festzustellen sind, zu mildern? Die Anpassungen, die nach dem jetzt geltenden Recht vorgenommen werden, schaffen einen Zustand — das müssen wir ehrlich bekennen —, der von vielen als soziales Unrecht empfunden wird. Die Differenzierung wird aber durch die Anhebung nicht vermindert, sondern sie wird sich gerade für die Kleinrentner verstärken, weil eben dort die Anhebung nur um den gleichen Prozentsatz erfolgt wie bei denen, deren Renten weit oberhalb des allgemeinen Fürsorgerichtsatzes liegen.
    Für viele Rentenempfänger, gerade diejenigen, die kleine Renten beziehen, stellt die Rentenerhöhung, das Nachziehen, nichts anderes dar als einen billigen Ausgleich für die inzwischen eingetretene Teuerung. Man hat ursprünglich gesagt: Der alte Mensch soll nicht von der Entwicklung ausgeschlossen sein, die er durch seine eigene Arbeit mit herbeigeführt hat; es soll ermöglicht werden, daß er auch im Alter an den Früchten seiner früheren Arbeit partizipiert. Jedoch gerade die Automatik ist es, die die Unterschiedlichkeiten schafft. Das Denken in Quoten, Prozenten und Indexziffern hat manches Verführerische, so etwas wie die Zauberformel „Sesam, öffne dich". Aber erkennen wir doch nach vier Jahren Anlaufzeit der Rentenreform, daß diese Zauberformel der Vielfalt ides menschlichen Lebens doch nicht in allen Bereichen gerecht werden kann!
    Nach dem jetzt geltenden Recht hinken die Altrenten hinter den Neurenten her — das ist sehr deutlich angesprochen worden —, und daß das kein guter Zustand ist, ist ebenfalls unumstritten; denn mit ihm klassifiziert man .die Rentenempfänger in zwei Schichten.
    Wir stehen aber heute unter dem Zwang des Handelns. Die Altrenten müssen nachgezogen werden. Ob sie aber in der Form nachgezogen werden können, daß man sie tatsächlich auf den Stand der Neurenten anhebt, auf den der Zugangsrenten, das wage ich zu bezweifeln, jedenfalls so lange zu bezweifeln, wie uns die versicherungsmathematische Bilanz nicht vorliegt und damit keinerlei Schlüsse auf die Zukunft gezogen werden können.
    Die FDP hat bereits dem vergangenen Bundestag einen Gesetzentwurf vorgelegt, der die ganze Entwicklung in etwas ruhigere Bahnen lenken sollte. Wir meinen, daß es zweckmäßig wäre, diese Dinge noch einmal in aller Ruhe zu überprüfen und neu zu durchdenken. Wir sind am Anfang einer Legislaturperiode. Wir sollten nicht sagen: „Wir haben viel Zeit", sondern wir sollten jetzt die Zeit wirklich nützen, auch schon bei der Beratung dieses Gesetzentwurfs. Wir sollten im Sozialpolitischen Ausschuß des Deutschen Bundestages versuchen, über das Trennende hinweg schließlich das Gemeinsame zu finden, das in so großem Maße vorhanden ist, und uns zusammenraufen im Interesse der alten Rentner, aber auch im Interesse derer, die erst in Zukunft Rentenempfänger sein werden.
    Wir haben — das möchte ich sehr klar zum Ausdruck bringen — nicht nur die Verpflichtung, für das Wohlergehen der Rentner von heute, sondern auch für die Rentner von morgen zu sorgen, d. h. für die Arbeiter von heute. Wir dürfen uns den Blick nicht trüben lassen und müssen deshalb diese Probleme sehr vorsichtig anpacken.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)




    Spitzmüller
    Ich bin der Überzeugung, daß die Politik und gerade die Sozialpolitik sich nicht danach ausrichten sollte, daß man gut über die nächste und die übernächste Runde kommt, sondern man sollte bei einem solchen Gesetzgebungswerk wirklich auf lange Sicht planen und vorkalkulieren. Wir dürfen uns nicht durch die im Augenblick günstige finanzielle Lage der Rentenversicherung verführen lassen, denn diese hat bestimmte Ursachen. Die Ursache liegt zunächst einmal in der Lohnbezogenheit der sozialen Abgaben und zum anderen in der völligen Ausschöpfung unserer Arbeitsreserven. Sogar ausländische Arbeitskräfte, die in großer Zahl hereinkommen, zahlen ihre Beiträge an die Versicherungen. Diese Erfassung aller möglichen Arbeitskräfte, diese Eingliederung in den Arbeitsprozeß wirkt sich im Moment nur nach der positiven Seite aus, nämlich in der Form, daß erhöhte Eingänge von Zahlungen für spätere Rentenansprüche festzustellen sind. Eben diesen Zahlungen aber stehen Verpflichtungen in den nächsten zehn, fünfzehn, fünfundzwanzig Jahren gegenüber. Als Negativum muß — das hat der Herr Bundesarbeitsminister schon sehr klar gesagt - auch die ungünstige Entwicklung der Alterspyramide im deutschen Volk betrachtet werden, von der der Herr Familienminister ein besonderes Lied singen könnte.
    Ich komme zum Schluß. Bei dem uns vorliegenden Gesetzentwurf geht es um die Anhebung der Bestandsrenten. Auf die Dauer gesehen halten wir es für schlecht und für nicht gerecht, wenn die unterschiedliche Behandlung der Alt- und Neurentner keine Korrektur erfährt. Hier muß ich auf Ihre Ausführungen, sehr geehrter Herr Kollege Schellenberg, noch einmal zurückkommen. Sie haben davon gesprochen, daß Alt- und Neurentner gleichbehandelt werden müssen. Wenn ich das Wort „Gleichbehandlung" aus Ihrem Munde höre, habe ich den Verdacht, daß Sie damit die volle Automatik für die Neurentner und für die Altrentner fordern, und da muß ich nun sagen: Es gibt doch in der Wirtschaft Apparaturen, die, wenn sie einmal in Gang gekommen sind, den Menschen das Tempo vorschreiben, ohne daß danach gefragt wird, ob der einzelne Mensch dieser Belastung gewachsen ist. Gerade das sollten wir verhindern, daß der Mensch zum Werkzeug von Apparaturen, Mechanismen und Automatismen wird.

    (Zurufe von der SPD.)

    Was aber in diesem Zusammenhang gilt, gilt um so mehr im politischen Bereich. Gerade im politischen Bereich. müssen wir uns davor hüten, uns immer mehr in Schemata einzuzwängen; je mehr das geschieht, um so mehr beschneiden wir unsere politische Entscheidungsfreiheit.

    (Beifall bei der FDP.)

    Nachdem von der Regierung im Bundesrat ausgeführt worden ist, daß die versicherungsmathematische Bilanz kurz vor dem Abschluß stehe — „nahezu fertig" sei, heißt es dort wörtlich —, haben wir immer noch die Hoffnung, daß es möglich ist, diese versicherungsmathematische Bilanz noch zu Rate zu ziehen, damit wir dann an Hand der Unterlagen
    einer Erhöhung auch mit gutem Gewissen zustimmen können.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)



Rede von Dr. Carlo Schmid
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Abgeordnete Ruf.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Thomas Ruf


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Daß unsere sozialdemokratische Opposition mit dem vorliegenden Gesetzentwurf nicht voll zufrieden sein wird, war von vornherein nicht anders zu erwarten. Ähnliche Diskussionen haben wir in den letzten Jahren bei allen Rentenanpassungen erlebt. Wir haben aber seinerzeit bei der Rentenreform in Kauf genommen, daß wir uns Jahr für Jahr in diesem Saal mit dem Problem der Rentenanpassung auseinandersetzen müssen.

    (Abg. Frau Döhring [Stuttgart]: Das werden Sie auch in Zukunft müssen!)

    Wir haben das deswegen getan — Herr Kollege Spitzmüller, das gilt Ihnen —, weil wir damals wie heute gemeint haben, man dürfe die Anpassung der Bestandsrenten nicht einer Automatik überlassen, sondern müsse die Anpassung der laufenden Renten für die 8 Millionen Rentenempfänger in die Hand nehmen und Jahr für Jahr in eigener Verantwortung entscheiden, ob und in welchem Umfang angepaßt werden soll.
    Herr Kollege Schellenberg hat mit Recht auf die relativ erfreuliche Entwicklung der Finanzlage bei den Rentenversicherungsträgern hingewiesen. Die Überschüsse der Rentenversicherungsträger haben sich Jahr für Jahr vermehrt. Das läßt sich nicht leugnen. Im Jahre 1958 betrugen die Überschüsse der Einnahmen gegenüber den Ausgaben 0,7 Milliarden, 1959 0,9 Milliarden, 1960 1,4 Milliarden und 1961 2 Milliarden DM.
    Herr Kollege Schellenberg hat ferner mit Recht auf Seite 15 des Sozialberichts hingewiesen, wo verschiedene Daten der wirtschaftlichen Entwicklung angegeben sind. Es heißt dort — das läßt sich nicht bestreiten —, daß sich die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, die in der Zunahme des Sozialprodukts 1960 zum Ausdruck kommt, nominell um 11,3%, real um 8 % entwickelt hat und daß sich die gesamtwirtschaftliche Produktivität um 5,9 % und das Volkseinkommen je Erwerbstätigen um 9,8 % erhöht hat.
    Meine Damen und Herren, das spricht für unsere Wirtschaftspolitik, die wir in den letzten Jahren betrieben haben.

    (Beifall in der Mitte.)

    Das haben wir unserer Wirtschaftspolitik und unseren gemeinsamen Anstrengungen zu verdanken.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Wir dürfen aber nicht übersehen, daß es durchaus möglich ist, daß sich auf der einen Seite jahrelang die Produktivität unserer Wirtschaft relativ günstig nach oben entwickelt, daß sich auf der anderen Seite unabhängig davon die Finanzlage bed den Rentenversicherungsträgern anders, ja sogar gegenläufig entwickelt. Wir dürfen uns von der derzeiti-



    Ruf
    gen Kassenfülle der Rentenversicherungsträger auf keinen Fall täuschen lassen. Die Bank deutscher Länder, eine unabhängige Institution, hat schon im Juli-Bericht darauf hingewiesen, daß die gegenwärtige günstige Finanzlage der Rentenversicherungen nicht darüber hinwegtäuschen darf, daß bei fortgesetzter Anpassung der Renten an die Bemessungsgrundlage sich schon im laufenden Deckungsabschnitt die Frage einer zusätzlichen Erhöhung der Einnahmen stellen kann. Die Bundesregierung hat auch im jetzigen Sozialbericht, der etwas optimistisch und günstig gestimmt ist, immerhin gesagt, daß die Finanzsituation der Rentenversicherungen auf der Grundlage neuester Zahlenergebnisse es gebiete, Entscheidungen über Anpassungen mit Vorsicht zu treffen. Nur darum geht es, meine sehr verehrten Damen und Herren, daß wir diese Entscheidungen mit Vorsicht treffen.
    Wir müssen sie deswegen mit Vorsicht treffen, weil wir genau wissen, worauf die relativ günstige Kassenlage der Rentenversicherungen zurückzuführen ist. Sie hat sich insbesondere deswegen günstig gestaltet — das wurde noch nicht erwähnt, deshalb darf ich darauf hinweisen —, weil die allgemeine Bemessungsgrundlage in den letzten Jahren Jahr für Jahr weniger gestiegen ist als die Durchschnittsarbeitsverdienste aller Arbeitnehmer in den Rentenversicherungsträgern. Sie wissen, wir haben die Renten um 6,1 %, dann um 5,94 %, dann um 5 % angepaßt. Die effektiven Verdienste sind aber in dem letzten Jahr, im Jahre 1960, z. B. um 9,45 gestiegen. Sie werden nach Schätzungen im Jahre 1961 um 9,7 % steigen.
    Das bedeutet nach der Gestaltung unserer Rentenformel, bei der die allgemeine Bemessungsgrundlage nun einmal die Grundgröße ist, daß sich diese Lohnerhöhung der letzten beiden Jahre erst im Jahre 1962 auswirken wird. Sie wird sich voll erst in weiteren zwei Jahren auswirken. Höhere Einnahmen in der Rentenversicherung bedeuten nun einmal zu einem späteren Zeitpunkt zwangsläufig höhere Ausgaben. Das läßt sich nicht vermeiden.
    Es wurde schon wiederholt gesagt, daß die Erwerbsquote und das Verhältnis der Erwerbstätigen zu den Rentnern sich verschlechtern. Es wurde auch schon darauf hingewiesen, daß wir das Reservoir an Arbeitskräften ausgeschöpft haben. Es wäre noch zu sagen, daß wir selbstverständlich sehr viele Beitragseinnahmen der Zuwanderung von ausländischen Arbeitskräften zu verdanken haben. Man kann ungefähr sagen, daß 500 000 ausländische Arbeitskräfte im Jahr eine Zunahme der Beitragseinnahmen von etwa einer halben Milliarde D-Mark mit sich bringen. Aber wer sagt Ihnen, meine Damen und Herren, daß diese ausländischen Arbeitskräfte auf die Dauer und für alle Zeiten bei uns sein werden? Wer sagt überhaupt, daß die wirtschaftliche Entwicklung weiterhin in alle Zukunft unbedingt in einer Einbahnstraße steil nach oben gehen wird? Wir müssen uns auch auf andere Tatbestände einstellen, wenn wir verantwortungsbewußt handeln wollen.
    Ferner wäre darauf hinzuweisen, daß wir in den letzten Jahren einen sehr starken Wanderungsgewinn durch die Sowjetzonenflüchtlinge hatten.
    Es ist Ihnen bekannt, daß von den Sowjetzonenflüchtlingen, die in letzter Zeit zu uns gekommen sind, 60 bis 65 % erwerbsfähig waren, junge Menschen waren, die hier sofort ins Arbeitsleben übernommen werden konnten. Auch hier hat sich in der Zwischenzeit einiges geändert.
    Die Bundesregierung spricht im Sozialbericht mit Recht von gewissen demographischen Zwangsläufigkeiten. Ich empfehle Ihnen, gerade auch dieses Kapitel über die Entwicklung der Bevölkerung und der Erwerbstätigkeit noch einmal nachzulesen.
    Aber vor allen Dingen ist für uns entscheidend, was der Herr Bundesarbeitsminister gesagt hat und was auch im Sozialbericht steht: Die Vorausberechnungen, die von verantwortlichen Stellen gemacht worden sind, haben ergeben, daß sowohl in der Rentenversicherung der Arbeiter als auch in der Rentenversicherung der Angestellten nur die vierte und die fünfte Rentenanpassung durchgeführt werden können, ohne daß die gesetzlich vorgeschriebene Rücklage unterschritten wird. Das bedeutet, meine Damen und Herren, daß die sechste vielleicht noch, die siebte und achte Rentenanpassung aber dann nicht durchgeführt werden können. Nach dem Rentenanpassungsgesetz, das wir seinerzeit beschlossen haben, könnten wir zu bestimmten sehr unpopulären und unbequemen Maßnahmen gezwungen sein, wenn wir jetzt nicht entsprechend verantwortungsbewußt und vorsichtig verfahren.
    Herr Kollege Schellenberg, Sie haben am Schluß Ihrer Ausführungen einen Vorschlag gemacht. Wir werden, davon dürfen Sie überzeugt sein, im Ausschuß über diesen Vorschlag reden; nicht nur reden, sondern wir werden den Vorschlag prüfen. Aber sehen Sie: Sie haben selber darauf hingewiesen, daß Sie hinsichtlich der Rentengestaltung noch einige Wünsche an die Rentenversicherungen haben. Auch wir haben Wünsche; auch wir wissen, daß da noch nicht alles befriedigend geregelt ist und daß einige Dinge noch zu ändern sind. Ich erinnere nur an die Witwenrenten; ich könnte noch mehr anführen. Aber gerade weil wir das wissen und weil wir das noch vorhaben im Interesse derjenigen Rentner, die wirklich darauf angewiesen sind, müssen wir uns hier bei den prozentualen Rentenanpassungen entsprechend zurückhalten.
    Wir sollten, glaube ich, sowieso darauf sehen, nicht so sehr eine quantifizierende Sozialpolitik zu treiben, die jeweils die Leistungen prozentual erhöht. Das bewirkt nämlich, daß diejenigen, die viel haben, noch mehr bekommen und diejenigen, die wenig haben, nicht das bekommen, was sie eigentlich haben sollten.
    Wir sind also dafür — es ist eigentlich überflüssig, das noch einmal zu betonen —, daß die Rentner an der wirtschaftlichen Entwicklung teilnehmen. Deswegen haben wir ja letzten Endes seinerzeit die Rentenreform beschlossen und die Gesetze so gemacht, daß in Zukunft die Arbeitnehmer, wenn sie aus dem Arbeitsleben ausscheiden, nicht in ihrem Lebensstandard absinken. Wir haben aber seinerzeit auch die Verantwortung dafür mit übernommen, daß das, was wir jetzt gewähren, auch für



    Ruf
    die Dauer sichergestellt bleibt und daß die Renten auch in aller Zukunft nach diesen Regeln gezahlt und finanziert werden können. Das liegt in unserer Verantwortung; das tun wir im Interesse der Rentner und nicht zuletzt auch im Interesse der aktiven Arbeitnehmer, um deren Einkommen nicht über Gebühr durch Beiträge beanspruchen zu müssen. Auch hier liegt eine Verpflichtung, meine sehr verehrten Damen und Herren, der wir uns nicht entziehen dürfen.
    Wir werden die Dinge im Ausschuß gewissenhaft prüfen, und wir hoffen, daß wir uns recht bald hier bei der zweiten und dritten Lesung wiedersehen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)