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Metadaten
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    Vokabeln: 6
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    4. Herr: 1
    5. Abgeordneter: 1
    6. Spitzmüller.: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 5. Sitzung Bonn, den 29. November 1961 Inhalt: Glückwünsche zu den Geburtstagen der Abg. Dr. Dr. h. c. Friedensburg, Altmaier, Dr. Poepke und Bäumer . . . . . . . 21 A Anteilnahme des Bundestages am Tode des Präsidenten des amerikanischen Repräsentantenhauses . . . . . . . . . 21 A Begrüßung des Präsidenten der Versammlung der Westeuropäischen Union, M Arthur Conte 33 D Erweiterung der Tagesordnung 21 B Vorläufige Konstituierung von Ausschüssen 21 C Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung Dr. Dr. h. c. Erhard, Stellvertreter des Bundeskanzlens 22 A Entwurf eines Vierten Gesetzes über die Anpassung der Renten aus den gesetzchen Rentenversicherungen (Viertes Rentenanpassungsgesetz (Drucksache IV/16) — Erste Beratung — Blank, Bundesminister . . 34 A, 43 B Dr. Schellenberg (SPD) . 36 A, 42 A, 43 D Spitzmüller (FDP) 38 D Ruf (CDU/CSU) . . . . . . . . 40 C Weber (Georgenau) (FDP) . . . . 42 B Wahl der Vertreter der Bundesrepublik Deutschland zur Beratenden Versammlung des Europarates (Drucksache IV/32) 44 A Wahl der Vertreter der Bundesrepublik Deutschland zum Europäischen Parlament (Drucksache IV/33) . . . . . . . . 44 B Antrag betr. Zahlung eines Weihnachtsgeldes an Beamte und Versorgungsempfänger des Bundes (SPD) (Drucksache IV/27) Gscheidle (SPD) 44 C Höcherl, Bundesminister 45 B, 48 C Schmitt-Vockenhausen (SPD) . . . 46 B Hübner (CDU/CSU) . . . . . 46 D Dorn (FDP) 47 C Schoettle (SPD) . . . . . . . 48 B Antrag betr. Wahl der Mitglieder des Wahlprüfungsausschusses (CDU/CSU, SPD, FDP) (Drucksache IV/31) . . . 49 A Nächste Sitzung 49 C Anlage 51 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 5. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. November 1961 21 5. Sitzung Bonn, den 29. November 1961 Stenographischer Bericht Beginn: 15.02 Uhr.
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    Anlage Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordneter) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Frau Albertz 29. 11. Bäumer 29. 11. Bazille . 29. 11. Berkhan 29. 11: Frau Dr. Bleyler 29. 11. Dr. Bucerius 29. 11. Dr. Bucher 29. 11. Burckardt 29. 11. Cramer 30. 11. Deringer 29. 11. Döring (Düsseldorf) 1. 12. Dr. Dörinkel 29. 11. Engelbrecht-Grewe 29. 11. Gehring 1. 12. Geiger 29. 11. Giencke 29. 11. Dr. Gleissner 29. 11. Dr. Dr. Heinemann 10. 12. Hirsch 29. 11. Dr. Hoegner 30. 11. Dr. Imle 29. 11. Dr. Kempfler 29. 11. Leber 29. 11. Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Lenz (Bremerhaven) 1. 12. Maucher 2. 12. Dr. von Merkatz 29. 11. Dr. Menzel 15. 12. Meyer (Oppertshofen) . 2. 12. Müller-Hermann 29. 11. Dr. h. c. Pferdmenges 29. 11. Ramms 29. 11. Reitzner 30. 12. Dr. Serres 29. 11. Schulhoff 29. 11. Schultz 29. 11. Strauß 29. 11. Weinkamm 29. 11. Wendelborn 2. 12. Werner 29. 11. Wilhelm 2. 12. b) Urlaubsanträge Dr. Arndt 31. 12. Gaßmann 9. 12. Dr. Menne 12. 12. Frau Rudoll 31. 12. Dr. Schneider 15. 12. Stingl 22. 12. Vogt 20. 12. Windelen 5. 12.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Ernst Schellenberg


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zur ersten Beratung dieses Gesetzes habe ich für die sozialdemokratische Fraktion einige Feststellungen zu treffen.
    Erstens. Wenn wir dieses Rentenanpassungsgesetz, das am 1. Januar 1962 in Kraft treten soll und zu dessen Vorbereitung noch eine Reihe von Maßnahmen erforderlich ist, erst heute in der ersten Lesung beraten können, so ist das auch eine Folge des Hin und Her bei der Regierungsbildung. Im Zusammenhang damit steht auch der Tatbestand, daß der Sozialbericht nicht auf die Tagesordnung gesetzt werden konnte, wie das bisher immer die Übung war, und zwar deshalb, weil die neue Bundesregierung
    — wegen der Verzögerung in der Regierungsbildung — diesen Sozialbericht dem Hause nicht zugeleitet hat. So wird uns als sogenanntes Material zu Drucksache IV/16 formlos der Sozialbericht der früheren Bundesregierung zugeleitet.

    (Abg. Winkelheide: Ist aber doch gleich!)

    — Der Bundesarbeitsminister hat zwar soeben erklärt, die neue Bundesregierung teile die Auffassungen des Sozialberichts der früheren Bundesregierung. Es muß aber beanstandet werden, daß die neue Bundesregierung diesen Sozialbericht dem 4. Bundestag nicht offiziell zugeleitet hat,

    (Beifall bei der SPD)

    damit er ordnungsgemäß auf die Tagesordnung hätte gesetzt werden können.
    Zweitens. Aus diesem Sozialbericht ergibt sich eine Steigerung des Bruttosozialprodukts in jeweiligen. Preisen um 11,3 %. Das Statistische Bundesamt hat wenige Tage später mitgeteilt, daß diese Steigerung sogar 11,6 % betrage. Gegenüber dieser Wirtschaftsentwicklung muß es als unbefriedigend bezeichnet werden, daß die Bundesregierung in dem Entwurf ides Rentenanpassungsgesetzes nur eine Anpassung der Renten in Höhe von 5 % vorschlägt. Der Herr Bundesarbeitsminister hat soeben dargelegt, diese Anpassung um nur 5 % hänge auch mit der allgemeinen Bemessungsgrundlage zusammen. Diese allgemeine Bemessungsgrundlage stützt sich auf die Lohn- und Gehaltsentwicklung der Jahre 1957 bis 1959. Meine Damen und Herren, diese Praxis, eine durchschnittlich vier Jahre zurückliegenden Lohnentwicklung als Bemessungsgrundlage für die Anpassung zu nehmen, ist sozialpolitisch völlig unbefriedigend.

    (Sehr wahr! bei der SPD.)

    Das ergibt sich aus den Zielen der Rentenreform.
    Aufgabe der Rentenversicherungs-Neuregelungsgesetze war und ist es doch, daß die Alten, die Arbeitsunfähigen, die Witwen und die Waisen mit ihren Renten nicht hinter der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung zurückbleiben.

    (Beifall bei der SPD.)

    Mit diesem Ziel ist eine Anpassung in Höhe von 5 % bei gleichzeitiger Steigerung des Sozialprodukts um über 11 °/o unvereinbar.

    (Erneuter Beifall bei der SPD.)

    Eine dritte Feststellung. Es ist ein schwerwiegengender Mangel der bisherigen Rentenanpassung, daß — der Herr Bundesarbeitsminister hat nur kurz darüber gesprochen — die Altrenten ein Jahr hinter den Neurenten zurückbleiben. Wir Sozialdemokraten sind der Auffassung, daß diese ausgefallene Anpassung unbedingt nachgeholt werden muß, damit endlich die Gleichbehandlung der Alt- und Neurentner verwirklicht wird. Das ist ein Gebot der Gerechtigkeit.

    (Beifall bei der SPD.)

    Darüber hinaus würde durch eine solche Nachholung der Anpassung, die wir für unbedingt erforderlich halten, die Kluft zwischen dem Anpassungssatz von 5 °/o, den die Bundesregierung vorschlägt, und der tatsächlichen Entwicklung des Sozialprodukts beseitigt.
    Im Sozialbeirat wurde, wie wir aus dem Sozialbericht entnehmen können, eine nachholende Anpassung von der Hälfte der Beiratsmitglieder — also über die Vertreter der Versicherten hinaus auch von den Vertretern der Wirtschaftswissenschaften —, wie es wörtlich im Sozialbericht und im Gutachten des Beirats heißt, „mit besonderem Nachdruck befürwortet".

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Das bestärkt uns in der Auffassung, daß diese Nachholung der Anpassung nun endlich vollzogen werden muß.
    Nun hat — damit komme ich zur vierten Feststellung — der Herr Bundesarbeitsminister behauptet — das kommt auch in dem Gesetzentwurf zum Ausdruck —, daß eine über den Satz von 5 % hinaus-



    Dr. Schellenberg
    gehende Anpassung wegen der Auswirkungen auf die Finanzen der Rentenversicherungen und in Rücksicht auf die zukünftigen Anpassungen nicht vertreten werden könne.
    Die tatsächliche Entwicklung der Finanzen der Rentenversicherungen spricht gegen die Bedenken der Bundesregierung, die der Herr Bundesarbeitsminister soeben vorgetragen hat. Ich stütze mich dabei auf das Material, das die Bundesregierung dem Bundestag vorgelegt hat. Die einzige spezifizierte Vorausschätzung, die die Bundesregierung bisher unterbreitet hat, ist im Sozialbericht des Jahres 1958 enthalten. Damals rechnete die Bundesregierung für die Jahre 1959, 1960 und 1961 unter Berücksichtigung von laufenden Anpassungen mit Überschüssen in der Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten von zusammen 966 Millionen DM. Tatsächlich haben aber die Überschüsse, wie sich aus dem heute vorliegenden Sozialbericht errechnen läßt, in den letzten drei Jahren 4314 Millionen DM betragen.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Die Überschüsse betrugen also tatsächlich mehr als das Vierfache dessen, was die Bundesregierung in ihrer letzten offiziellen Kalkulation am 15. Oktober 1958 dem Bundestag und der Offentlichkeit mitgeteilt hat.

    (Abg. Winkelheide: Darüber sollte man doch froh sein!)

    — Natürlich wollen wir darüber ,froh sein. Das
    erleichtert es uns auch, gewisse Vorschläge zu machen, zu denen Sie, Herr Winkelheide, sich bei der Abstimmung dann bekennen können.

    (Beifall bei der SPD.)

    Im Hinblick auf die Ausführungen des Herrn Bundesarbeitsministers muß ich noch auf einen anderen finanziellen Tatbestand hinweisen. Bei der Verabschiedung der Rentenreformgesetze hat die Bundesregierung erklärt, daß das Vermögen der Rentenversicherung — Stand Mitte 1956 — 8363 Millionen DM betrage. Aus dem vorliegenden Sozialbericht ergibt sich, daß das Vermögen der Rentenversicherung am Ende dieses Jahres einschließlich der Erstattung nach § 90 des Bundesversorgungsgesetzes 18,350 Milliarden DM betragen wird. Er hat sich also seit Beginn der Rentenreform mehr als verdoppelt und ist um mehr als 10 Milliarden DM gestiegen.
    Nun noch eine fünfte Feststellung und Entgegnung auf die Ausführungen des Herrn Bundesarbeitsministers. Die Bundesregierung und der Herr Bundesarbeitsminister sind der Auffassung, daß ungeachtet dieser günstigen finanziellen Entwicklung eine Nachholung der ausgefallenen Anpassung, eine sozial gerechtfertigte und volkswirtschaftlich begründete Anpassung nicht durchgeführt werden könne, damit, wie der Herr Bundesarbeitsminister wörtlich sagte, weitere Anpassungen in den nächsten Jahren nicht gefährdet werden. Meine Damen und Herren, derartige Erklärungen haben wir von der Bundesregierung bei jeder Anpassung und bei jedem Sozialbericht vernommen. Ich bitte auch die neugewählten Damen und Herren, sich der Mühe zu unterziehen, die Sozialberichte 1958, 1959 und 1960
    zu studieren. Sie werden daraus entnehmen, daß die Bundesregierung jedes Jahr erklärt hat, es könne gerade — gewissermaßen mit Ach und Krach — noch eine Anpassung durchgeführt werden, jede weitere Anpassung sei finanziell unmöglich.
    Wir Sozialdemokraten sind der Auffassung, daß Erklärungen, wie sie der Herr Bundesarbeitsminister hier hinsichtlich der Schwierigkeiten von weiteren Anpassungen vorgetragen hat, konkret und detailliert begründet und belegt werden müssen. Das, meine Damen und Herren, sollte und muß geschehen durch sogenannte versicherungstechnische Bilanzen.
    Bekanntlich war nach den Rentenversicherungsgesetzen erstmalig für den 1. Januar 159 eine versicherungstechnische Bilanz aufzustellen. Dann sollten alle zwei Jahre weitere Bilanzen vorgelegt werden. Wir haben in diesem Haus die Bundesregierung wiederholt daran erinnert. Im letzten Jahr, bei der Verabschiedung des 3. Rentenanpassungsgesetzes, hat das Haus ausdrücklich beschlossen, die Bundesregierung zu beauftragen, diese Bilanz für den 1. Januar 1959 spätestens im Zusammenhang mit dem neuen Rentenanpassungsgesetz vorzulegen. Wir Sozialdemokraten stellen fest, daß die Bundesregierung diesen Auftrag des Hauses wiederum nicht erfüllt hat.
    Beim ersten Durchgang dieses Rentenanpassungsgesetzes im Bundesrat hat der Herr Staatssekretär im Bundesarbeitsministerium erklärt, daß der Aussagewert solcher Bilanzen im allgemeinen überschätzt werde und daß sie nur begrenzte Bedeutung hätten. Der Herr Staatssekretär hat — das möchte ich zugeben — dafür eine Reihe beachtlicher Gründe angeführt. Aber das kann doch keine Entschuldigung dafür sein, daß die Bundesregierung den Auftrag, die Bilanzen auf den Tisch des Hauses zu legen, bisher nicht erfüllt hat.
    Wir sind bereit, im Ausschuß mit den Regierungsparteien und der Regierung gemeinsam die vielfältigen Probleme zu erörtern, die mit der Verzögerung der Vorlage dieser Bilanzen zusammenhängen, und das gesamte Problem mit allem Für und Wider eingehend zu besprechen. Es ist festzustellen, daß die Bundesregierung bisher Finanzunterlagen nicht vorgelegt, aber der Herr Bundesarbeitsminister dennoch ohne eindeutige Begründung erklärt hat, weitere Anpassungen seien gefährdet, wenn den Altrentnern Gerechtigkeit bei der Anpassung zuteil wird.
    Eine sechste Feststellung. Schon im vergangenen Jahr mußten wir beanstanden, daß der Sozialbericht in seinen Aussagen über die zukünftige finanzielle Entwicklung immer dürftiger wird. Diesmal sind im Sozialbericht überhaupt keine konkreten Zahlen über die zukünftige finanzielle Entwicklung der Rentenversicherung enthalten, sondern es werden nur Prozentsätze genannt. Offenbar will es die Bundesregierung mit dieser sehr eigenartigen Praxis unmöglich machen, daß in Zukunft ihre Vorausschätzungen mit den tatsächlichen Rechnungsergebnissen konfrontiert werden können. Durch derartige Methoden können unsere Forderungen auf Gleichbehandlung der Altrentner mit den Neurentnern



    Dr. Schellenberg
    und auf eine wirtschaftlich und finanziell gerechte Anpassung aller Renten nicht abgetan werden!
    Im übrigen ist festzustellen, daß die finanziellen Perspektiven, die sich ergeben, wenn man versucht, aus diesen Prozentsätzen Prognosen für die zukünftige finanzielle Entwicklung abzuleiten, weit günstiger sind, als von der Bundesregierung bisher behauptet wurde.
    Dennoch, ungeachtet der günstigen finanziellen Entwicklung, sind wir bereit, um allen möglichen Bedenken über die zukünftige finanzielle Entwicklung,

    (Abg. Ruf: Also doch Bedenken!)

    die uns allen gleichermaßen am Herzen liegt — und darin lassen wir uns von niemandem im Hause übertreffen —,

    (Beifall bei der SPD)

    Rechnung zu tragen, mit Ihnen zu erörtern, ob die unbedingt notwendige Nachholung der Anpassung schrittweise vorgenommen werden kann. Das könnte etwa in der Weise geschehen, daß jetzt als erster Schritt zur Nachholung der Anpassung die Hälfte der ausgefallenen Anpassung von 6,6 % gezahlt wird. Danach würde sich praktisch ergeben: 5 % Anpassung nach dem Vorschlag der Bundesregierung plus die Hälfte der Nachholung = 3,3 %, insgesamt ein Anpassungssatz von 8,3 % für 1962. Dadurch würde sich der Mehraufwand für die Arbeiter- und Angestelltenrentenversicherung um 425 Millionen DM für das nächste Jahr erhöhen.

    (Vorsitz: Vizepräsident Dr. Schmid.)

    Meine Damen und Herren, wir sind der Auffassung, daß ein Betrag in dieser Größenordnung bei einem Vermögen von 18 Milliarden DM ohne jedes Risiko für die zukünftige finanzielle Sicherheit und ohne Gefahr für die Anpassungen in den späteren Jahren von der Rentenversicherung verkraftet werden kann.

    (Beifall bei der SPD.)

    Siebentens noch zwei Dinge, die finanziell kein großes Gewicht haben, aber für die Betroffenen von großer sozialer Bedeutung sind. Einmal geht es darum, daß auch die Bezieher der kleinsten Renten in den Genuß des vollen Anpassungsbetrages kommen sollten,

    (Zustimmung bei der SPD)

    das heißt also, daß der sogenannte Sonderzuschuß nicht von der Anpassung ausgenommen werden sollte.

    (Unruhe. — Zuruf des Abgeordneten Winkelheide. — Abg. Büttner: Herr Winkelheide, was gibt es denn da zu lachen?)

    — Ich nehme das als freudige Zustimmung, was Sie da sagen, Herr Kollege Winkelheide.
    Und noch ein anderes Problem. Es ist ein wichtiges soziales Anliegen, daß die Anpassungsbeträge nicht auf andere Sozialleistungen angerechnet werden, damit endlich mit der unerfreulichen Praxis Schluß gemacht wird, von der die Menschen sagen: die eine Hand gibt, und die andere Hand nimmt es wieder durch die Anrechnung.

    (Sehr wahr! bei der SPD.)

    Wir haben uns hier im Hause mit beiden Problemen schon in den vergangenen Jahren beschäftigt. In diesem Zusammenhang darf ich eine Bemerkung an die Kollegen von der FDP richten. Sie haben uns bei unseren beiden Anliegen, nämlich Einbeziehung des Sonderzuschusses in die Anpassung und Ausschluß der Anrechnung bei Anpassungsbeträgen, in der vorigen Legislaturperiode zugestimmt.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    So haben wir eine starke Hoffnung, daß wir bei diesen Anliegen im Hause eine Mehrheit gewinnen können.

    (Beifall bei der SPD.)

    Lassen Sie mich zum Schluß noch kurz über eine Frage sprechen, die die Öffentlichkeit bewegt. Im Hinblick auf das Weihnachtsfest erhalten Beamte und Versorgungsempfänger des öffentlichen Dienstes gewisse Sonderzuwendungen. Diese Leistungen stehen rechtlich in keiner Beziehung zur Rentenversicherung, aber moralisch besteht doch unbestreitbar ein Zusammenhang.

    (Abg. Büttner: Sehr richtig!)

    Das gibt uns Sozialdemokraten die Hoffnung, daß Sie unseren Vorschlägen für eine verbesserte Anpassung und eine Beseitigung der Härten bei der Anpassung zustimmen werden. Auf diese Weise könnte dem sozialen Anliegen, um das es im Grunde geht, in einer Art Rechnung getragen werden, die den Prinzipien und Methoden der Rentenversicherung entspricht.
    Über den Rahmen des hier zur Beratung anstehenden Gesetzentwurfs hinaus haben wir Sozialdemokraten, wie Ihnen nicht unbekannt sein wird, zur Beseitigung der Härten und Ungerechtigkeiten in der Rentenversicherung und zur Weiterentwicklung der Rentenreform konkrete Vorstellungen entwickelt. Wir werden darauf zu gegebener Zeit zurückkommen. Ich fühle mich verpflichtet, das schon heute zu betonen, weil in der Regierungserklärung, die wir soeben gehört haben, kein Wort über die soziale Sicherung für unsere Alten, Arbeitsunfähigen und Witwen gesagt wird.

    (Beifall bei der SPD. — Abg. Wehner: Leider wahr!)



Rede von Dr. Carlo Schmid
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat Herr Abgeordneter Spitzmüller.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Kurt Spitzmüller


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Lieber Kollege Schellenberg, in der Zwischenzeit haben sich die Fronten in diesem Hause durch das Wahlergebnis ja etwas geändert.

    (Lachen und Zurufe von der SPD.)

    Da wir uns aber so lange kennen, lieber Kollege
    Schellenberg, muß ich doch eines sagen: Was hätte



    Spitzmüller
    die Bundesregierung eigentlich tun sollen oder tun
    müssen, um nicht vorweg Ihr Mißfallen zu erregen?

    (Abg. Dr. Schellenberg: Nun hören Sie mal!)

    Sie wissen doch genau wie wir alle, daß dieser
    Sozialbericht bis zum 30. September vorzulegen ist
    und daß ,die dritte Bundesregierung das getan hat.

    (Abg. Ruf: Am 15. sogar!)

    Sie wissen auch, daß wir, der 3. Deutsche Bundestag und die dritte deutsche Bundesregierung, bis zum 15. Oktober im Amt gewesen sind. Die dritte Bundesregierung hat also zweifellos ihre gesetzliche Verpflichtung erfüllt.
    Nun hätte die vierte Bundesregierung die Möglichkeit gehabt, den Bericht (noch einmal) zu übersenden. Aber, sehr geehrter Herr Kollege Schellenberg, welche Argumentation hätten Sie dann gefunden, um vielleicht zu sagen, daß hier eine Fristversäumnis vorliege, weil der Bericht erst im Oktober oder November zugeschickt worden sei.

    (Widerspruch und Zurufe von der SPD.)

    Lieber Kollege Schellenberg, ich glaube, wir können hier ganz eindeutig feststellen: Die Bundesregierung hat ihre gesetzlichen Verpflichtungen erfüllt.
    Etwas anderes ist es mit der Gesamtproblematik, von der Sie gesprochen haben. Da stimme ich Ihnen durchaus darin zu, daß wir zum vierten Male hier im Bundestag vor der Entscheidung stehen, in welcher Weise die Bestandsrenten ,den Zugangsrenten angepaßt bzw. nachträglich an diese herangezogen werden sollen. Wenn man reformerisches Neuland in der Gesetzgebung beschreitet, ist es klar, daß man immer mit Imponderabilien zu rechnen hat. Die bisherige Entwicklung hat hier doch eigentlich einiges erkennen lassen. Daher meinen auch wir Freien Demokraten, daß man darangehen könnte, hier und dort mit einer wirksamen Korrektur anzusetzen.
    Wenn wir Abgeordneten dieses Haus vor einem Gesetz mit einer so großen finanziellen Tragweite stehen, können wir ihm unsere Zustimmung aus ehrlichem Herzen nur geben, wenn uns gewisse Daten, gewisse Unterlagen zur Verfügung stehen. Wir bedauern es mit der Fraktion der CDU/CSU und mit Ihnen von der SPD, daß die versicherungsmathematische Bilanz nicht vorgelegt wurde. Wir sind der Meinung, daß diejenigen, die alle diese Gesetze im Jahre 1957 beschlossen haben, heute, wenn sie ehrlich sind, erkennen müssen, daß die Gesamtgestaltung dieser Materie wesentlich schwieriger ist, als es bei der Geburt der Idee damals schien.
    Damit käme ich im Grunde genommen auf die Rentenformel. Müssen wir uns hier nicht wirklich einmal überlegen, ob es nicht durch eine Korrektur der jetzt geltenden Rentenformel möglich wäre, Härten, die insbesondere bei den Beziehern der Kleinrenten festzustellen sind, zu mildern? Die Anpassungen, die nach dem jetzt geltenden Recht vorgenommen werden, schaffen einen Zustand — das müssen wir ehrlich bekennen —, der von vielen als soziales Unrecht empfunden wird. Die Differenzierung wird aber durch die Anhebung nicht vermindert, sondern sie wird sich gerade für die Kleinrentner verstärken, weil eben dort die Anhebung nur um den gleichen Prozentsatz erfolgt wie bei denen, deren Renten weit oberhalb des allgemeinen Fürsorgerichtsatzes liegen.
    Für viele Rentenempfänger, gerade diejenigen, die kleine Renten beziehen, stellt die Rentenerhöhung, das Nachziehen, nichts anderes dar als einen billigen Ausgleich für die inzwischen eingetretene Teuerung. Man hat ursprünglich gesagt: Der alte Mensch soll nicht von der Entwicklung ausgeschlossen sein, die er durch seine eigene Arbeit mit herbeigeführt hat; es soll ermöglicht werden, daß er auch im Alter an den Früchten seiner früheren Arbeit partizipiert. Jedoch gerade die Automatik ist es, die die Unterschiedlichkeiten schafft. Das Denken in Quoten, Prozenten und Indexziffern hat manches Verführerische, so etwas wie die Zauberformel „Sesam, öffne dich". Aber erkennen wir doch nach vier Jahren Anlaufzeit der Rentenreform, daß diese Zauberformel der Vielfalt ides menschlichen Lebens doch nicht in allen Bereichen gerecht werden kann!
    Nach dem jetzt geltenden Recht hinken die Altrenten hinter den Neurenten her — das ist sehr deutlich angesprochen worden —, und daß das kein guter Zustand ist, ist ebenfalls unumstritten; denn mit ihm klassifiziert man .die Rentenempfänger in zwei Schichten.
    Wir stehen aber heute unter dem Zwang des Handelns. Die Altrenten müssen nachgezogen werden. Ob sie aber in der Form nachgezogen werden können, daß man sie tatsächlich auf den Stand der Neurenten anhebt, auf den der Zugangsrenten, das wage ich zu bezweifeln, jedenfalls so lange zu bezweifeln, wie uns die versicherungsmathematische Bilanz nicht vorliegt und damit keinerlei Schlüsse auf die Zukunft gezogen werden können.
    Die FDP hat bereits dem vergangenen Bundestag einen Gesetzentwurf vorgelegt, der die ganze Entwicklung in etwas ruhigere Bahnen lenken sollte. Wir meinen, daß es zweckmäßig wäre, diese Dinge noch einmal in aller Ruhe zu überprüfen und neu zu durchdenken. Wir sind am Anfang einer Legislaturperiode. Wir sollten nicht sagen: „Wir haben viel Zeit", sondern wir sollten jetzt die Zeit wirklich nützen, auch schon bei der Beratung dieses Gesetzentwurfs. Wir sollten im Sozialpolitischen Ausschuß des Deutschen Bundestages versuchen, über das Trennende hinweg schließlich das Gemeinsame zu finden, das in so großem Maße vorhanden ist, und uns zusammenraufen im Interesse der alten Rentner, aber auch im Interesse derer, die erst in Zukunft Rentenempfänger sein werden.
    Wir haben — das möchte ich sehr klar zum Ausdruck bringen — nicht nur die Verpflichtung, für das Wohlergehen der Rentner von heute, sondern auch für die Rentner von morgen zu sorgen, d. h. für die Arbeiter von heute. Wir dürfen uns den Blick nicht trüben lassen und müssen deshalb diese Probleme sehr vorsichtig anpacken.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)




    Spitzmüller
    Ich bin der Überzeugung, daß die Politik und gerade die Sozialpolitik sich nicht danach ausrichten sollte, daß man gut über die nächste und die übernächste Runde kommt, sondern man sollte bei einem solchen Gesetzgebungswerk wirklich auf lange Sicht planen und vorkalkulieren. Wir dürfen uns nicht durch die im Augenblick günstige finanzielle Lage der Rentenversicherung verführen lassen, denn diese hat bestimmte Ursachen. Die Ursache liegt zunächst einmal in der Lohnbezogenheit der sozialen Abgaben und zum anderen in der völligen Ausschöpfung unserer Arbeitsreserven. Sogar ausländische Arbeitskräfte, die in großer Zahl hereinkommen, zahlen ihre Beiträge an die Versicherungen. Diese Erfassung aller möglichen Arbeitskräfte, diese Eingliederung in den Arbeitsprozeß wirkt sich im Moment nur nach der positiven Seite aus, nämlich in der Form, daß erhöhte Eingänge von Zahlungen für spätere Rentenansprüche festzustellen sind. Eben diesen Zahlungen aber stehen Verpflichtungen in den nächsten zehn, fünfzehn, fünfundzwanzig Jahren gegenüber. Als Negativum muß — das hat der Herr Bundesarbeitsminister schon sehr klar gesagt - auch die ungünstige Entwicklung der Alterspyramide im deutschen Volk betrachtet werden, von der der Herr Familienminister ein besonderes Lied singen könnte.
    Ich komme zum Schluß. Bei dem uns vorliegenden Gesetzentwurf geht es um die Anhebung der Bestandsrenten. Auf die Dauer gesehen halten wir es für schlecht und für nicht gerecht, wenn die unterschiedliche Behandlung der Alt- und Neurentner keine Korrektur erfährt. Hier muß ich auf Ihre Ausführungen, sehr geehrter Herr Kollege Schellenberg, noch einmal zurückkommen. Sie haben davon gesprochen, daß Alt- und Neurentner gleichbehandelt werden müssen. Wenn ich das Wort „Gleichbehandlung" aus Ihrem Munde höre, habe ich den Verdacht, daß Sie damit die volle Automatik für die Neurentner und für die Altrentner fordern, und da muß ich nun sagen: Es gibt doch in der Wirtschaft Apparaturen, die, wenn sie einmal in Gang gekommen sind, den Menschen das Tempo vorschreiben, ohne daß danach gefragt wird, ob der einzelne Mensch dieser Belastung gewachsen ist. Gerade das sollten wir verhindern, daß der Mensch zum Werkzeug von Apparaturen, Mechanismen und Automatismen wird.

    (Zurufe von der SPD.)

    Was aber in diesem Zusammenhang gilt, gilt um so mehr im politischen Bereich. Gerade im politischen Bereich. müssen wir uns davor hüten, uns immer mehr in Schemata einzuzwängen; je mehr das geschieht, um so mehr beschneiden wir unsere politische Entscheidungsfreiheit.

    (Beifall bei der FDP.)

    Nachdem von der Regierung im Bundesrat ausgeführt worden ist, daß die versicherungsmathematische Bilanz kurz vor dem Abschluß stehe — „nahezu fertig" sei, heißt es dort wörtlich —, haben wir immer noch die Hoffnung, daß es möglich ist, diese versicherungsmathematische Bilanz noch zu Rate zu ziehen, damit wir dann an Hand der Unterlagen
    einer Erhöhung auch mit gutem Gewissen zustimmen können.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)