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ID0400500300

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Metadaten
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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 5. Sitzung Bonn, den 29. November 1961 Inhalt: Glückwünsche zu den Geburtstagen der Abg. Dr. Dr. h. c. Friedensburg, Altmaier, Dr. Poepke und Bäumer . . . . . . . 21 A Anteilnahme des Bundestages am Tode des Präsidenten des amerikanischen Repräsentantenhauses . . . . . . . . . 21 A Begrüßung des Präsidenten der Versammlung der Westeuropäischen Union, M Arthur Conte 33 D Erweiterung der Tagesordnung 21 B Vorläufige Konstituierung von Ausschüssen 21 C Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung Dr. Dr. h. c. Erhard, Stellvertreter des Bundeskanzlens 22 A Entwurf eines Vierten Gesetzes über die Anpassung der Renten aus den gesetzchen Rentenversicherungen (Viertes Rentenanpassungsgesetz (Drucksache IV/16) — Erste Beratung — Blank, Bundesminister . . 34 A, 43 B Dr. Schellenberg (SPD) . 36 A, 42 A, 43 D Spitzmüller (FDP) 38 D Ruf (CDU/CSU) . . . . . . . . 40 C Weber (Georgenau) (FDP) . . . . 42 B Wahl der Vertreter der Bundesrepublik Deutschland zur Beratenden Versammlung des Europarates (Drucksache IV/32) 44 A Wahl der Vertreter der Bundesrepublik Deutschland zum Europäischen Parlament (Drucksache IV/33) . . . . . . . . 44 B Antrag betr. Zahlung eines Weihnachtsgeldes an Beamte und Versorgungsempfänger des Bundes (SPD) (Drucksache IV/27) Gscheidle (SPD) 44 C Höcherl, Bundesminister 45 B, 48 C Schmitt-Vockenhausen (SPD) . . . 46 B Hübner (CDU/CSU) . . . . . 46 D Dorn (FDP) 47 C Schoettle (SPD) . . . . . . . 48 B Antrag betr. Wahl der Mitglieder des Wahlprüfungsausschusses (CDU/CSU, SPD, FDP) (Drucksache IV/31) . . . 49 A Nächste Sitzung 49 C Anlage 51 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 5. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. November 1961 21 5. Sitzung Bonn, den 29. November 1961 Stenographischer Bericht Beginn: 15.02 Uhr.
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    Anlage Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordneter) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Frau Albertz 29. 11. Bäumer 29. 11. Bazille . 29. 11. Berkhan 29. 11: Frau Dr. Bleyler 29. 11. Dr. Bucerius 29. 11. Dr. Bucher 29. 11. Burckardt 29. 11. Cramer 30. 11. Deringer 29. 11. Döring (Düsseldorf) 1. 12. Dr. Dörinkel 29. 11. Engelbrecht-Grewe 29. 11. Gehring 1. 12. Geiger 29. 11. Giencke 29. 11. Dr. Gleissner 29. 11. Dr. Dr. Heinemann 10. 12. Hirsch 29. 11. Dr. Hoegner 30. 11. Dr. Imle 29. 11. Dr. Kempfler 29. 11. Leber 29. 11. Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Lenz (Bremerhaven) 1. 12. Maucher 2. 12. Dr. von Merkatz 29. 11. Dr. Menzel 15. 12. Meyer (Oppertshofen) . 2. 12. Müller-Hermann 29. 11. Dr. h. c. Pferdmenges 29. 11. Ramms 29. 11. Reitzner 30. 12. Dr. Serres 29. 11. Schulhoff 29. 11. Schultz 29. 11. Strauß 29. 11. Weinkamm 29. 11. Wendelborn 2. 12. Werner 29. 11. Wilhelm 2. 12. b) Urlaubsanträge Dr. Arndt 31. 12. Gaßmann 9. 12. Dr. Menne 12. 12. Frau Rudoll 31. 12. Dr. Schneider 15. 12. Stingl 22. 12. Vogt 20. 12. Windelen 5. 12.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Theodor Blank


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident, meine Damen und Herren! Mit der Vorlage des Sozialberichts 1961 erfüllt die Bundesregierung ihre Verpflichtung, über die Finanzlage der gesetzlichen Rentenversicherung, die Entwicklung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und der Produktivität sowie die Veränderung des Volkseinkommens je Erwerbstätigen in dem voraufgegangenen Kalenderjahr zu berichten. Der Sozialbericht ist den gesetzlichen Vorschriften entsprechend von der Bundesregierung bis zum 30. September 1961 dem Deutschen Bundestag zugeleitet worden. Die in diesem Ihnen, meine Damen und Herren, vorliegenden Bericht vertretenen Auffassungen werden auch von der neuen Bundesregierung geteilt. Der Aufbau dieses Berichtes ist der gleiche wie bei den vorhergehenden. In Teil A wird über die wirtschaftliche Entwicklung in der Bundesrepublik im Jahre 1960 mit einem Ausblick auf die Jahre 1961 und 1962 berichtet. Teil B enthält die Darstellung der Finanzlage der gesetzlichen Rentenversicherungen. In Teil C sind die Schlußfolgerungen gezogen, die sich im Hinblick auf eine Rentenanpassung aus den Teilen A und B ergeben.
    Ich möchte mich auf die im Vordergrund stehenden zwei Fragen beschränken: erstens die Entwicklung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und zweitens die Finanzlage der Rentenversicherungen.
    Auch in diesem Jahr hat sich die Bundesregierung mit der Frage beschäftigt, ob zwischen einer Anpassung der laufenden Renten an die Erhöhung der allgemeinen Bemessungsgrundlage des Jahres 1961 und dem Ziel der Wirtschaftspolitik, den Geldwert stabil zu halten, Einklang besteht. Dafür ist neben der voraussichtlichen Konjunktursituation im Zeitpunkt der Rentenanpassung vor allem Höhe und Art der Verwendung der zusätzlichen Rentenbeträge von Bedeutung. Eine Anpassung der laufenden Renten um 5 v. H. ab 1. Januar 1962 erfordert
    einen Jahresbetrag von 760 Millionen DM. Aus verwaltungstechnischen Gründen kommt die erste volle Monatsrate der Anpassung Ende März für April 1962 zur Auszahlung; für die ersten drei Monate des Jahres 1962 erfolgt voraussichtlich wie bei den drei voraufgegangenen Rentenanpassungen eine Einmalzahlung Mitte März 1962. Auf Grund der durch die konjunkturpolitischen Maßnahmen der Bundesregierung und der Deutschen Bundes, bank veränderten Bedingungen ist die Erwartung gerechtfertigt, daß eine Anpassung der laufenden Renten in dem bezeichneten Ausmaß mit den Bemühungen zur Stabilisierung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts vereinbar ist. Diese Erwartung berücksichtigt nicht nur das Größenverhältnis zwischen der aus einer Rentenanpassung in Höhe von 760 Millionen DM im kommenden Jahr erwachsenden zusätzlichen Konsumgüternachfrage und dem im Jahre 1962 zu erwartenden Zuwachs des Angebots, sondern auch die zeitliche Verteilung der Erhöhungsbeträge innerhalb des Jahres, die eine Massierung der zusätzlichen Kaufkraft ausschließt.
    Zur Finanzlage der gesetzlichen Rentenversicherung möchte ich auf folgendes hinweisen. Für das Jahr 1961 ist im Sozialbericht 1961 ein Überschuß der Einnahmen über die Ausgaben von etwa 1260 Millionen DM in der Arbeiterversicherung und 720 Millionen DM in der Angestelltenversicherung vorausgeschätzt worden., Die Finanzlage der Rentenversicherung hat sich besonders durch das erhöhte Beitragsaufkommen, in dem sich der hohe Grad der Beschäftigung und die Zunahme der Versichertenentgelte spiegelt, günstiger gestaltet, als vorher angenommen wurde. Jedoch wird die Finanzlage nicht nur durch die derzeitigen Kassenüberschüsse bestimmt, sondern auch dadurch, wie sich in Zukunft die Ausgaben und die Einanhmen entwickeln werden, und das ist im wesentlichen wieder abhängig von der künftigen Entwicklung der Anzahl der Rentner und der Beitragszahler.
    Da ist nun festzustellen, daß sich das Verhältnis der Anzahl der Rentner zur Anzahl der Beitragszahler verändern wird. Denn während zur Zeit noch die Mehrzahl der Rentner aus den noch nicht so geburtsstarken Jahrgängen vor der Jahrhundertwende stammt und ein Großteil der Versicherten noch aus den starken Geburtsjahrgängen zwischen 1900 und 1914, werden später die starken Geburtsjahrgänge zwischen 1900 und 1914 von Beitragszahlern zu Rentnern geworden sein. In die Gruppe der Beitragszahler werden immer mehr die schwächeren Geburtsjahrgänge seit dem ersten Weltkrieg hineinwachsen. Diese Entwicklung muß man sich vor Augen halten, wenn man die Möglichkeiten der jetzigen Rentenanpassung untersucht.
    Die vorgeschlagene Erhöhung um 5 v. H. verursacht Mehraufwendungen, wie ich sagte, in Höhe von 760 Millionen DM für das Jahr 1962, von denen 455 Millionen DM auf die Arbeiterversicherung, 220 Millionen DM auf die Angestelltenversicherung :und 85 Millionen DM auf die knappschaftliche Rentenversicherung entfallen.
    Es ist darauf hingewiesen worden, daß in diesem Jahre ein Nachholen der Anpassung durchgeführt



    Bundesarbeitsminister Blank
    werden sollte. Wir liegen bekanntlich mit unseren Anpassungen immer uni ein Jahr gegenüber den neu zugehenden Renten zurück. Das hat die Bundesregierung bei den bisherigen Anpassungsgesetzen in Kauf genommen. Grund hierfür war, daß die finanzielle Entwicklung der Rentenversicherungen zur Vorsicht mahnt. Auch in diesem Jahr ist von der Bundesregierung und dem Sozialbeirat eingehend die Möglichkeit einer nachholenden Anpassung geprüft worden. Die Bundesregierung hat es jedoch für richtig gehalten, nicht durch eine nachholende Anpassung in diesem Jahr weitere Anpassungen in der Zukunft zu gefährden. Die Kosten der nachholenden Anpassung würden sich für das Jahr 1962 auf 1960 Millionen DM belaufen, von denen 1170 Millionen DM auf die Arbeiterversicherung, 570 Millionen DM auf die Angestelltenversicherung und 220 Millionen DM auf die knappschaftliche Rentenversicherung entfallen würden.
    Der Mehrbedarf der nachholenden Anpassung an die allgemeine Bemessungsgrundlage des Jahres 1962 gegenüber der Anpassung an die allgemeine Bemessungsgrundlage -des Jahres 1961 in Höhe von insgesamt 1200 Millionen DM würde, soweit er mit 715 Millionen DM auf die Arbeiterversicherung und mit 350 Millionen DM auf die Angestelltenversicherung entfällt, von diesen Versicherungsträgern zu tragen sein, soweit er mit 135 Millionen DM auf die knappschaftliche Rentenversicherung entfällt, vom Bund zu übernehmen sein.
    Die Bundesregierung hat auch untersucht, ob die Mehrkosten der nachholenden Anpassung gegenüber der Anpassung an die allgemeine Bemessungsgrundlage des Vorjahres bei der derzeitigen Finanzlage der Rentenversicherungen der Arbeiter und der Angestellten diesen beiden Versicherungen auferlegt werden können.
    Die Vorausberechnungen haben zu dem Ergebnis geführt, daß bei Anpassung an die allgemeine Bemessungsgrundlage des Jahres der Anpassung schon die 5. Rentenanpassung ab 1. Januar 1963 kaum mehr durchgeführt werde könnte, ohne daß das gesetzlich vorgeschriebene Rücklage-Soll am 31. Dezember 1966 unterschritten würde, und daß durch die 7. und 8. Rentenanpassung das RücklageSoll sogar um mehr als 50 Prozent angegriffen würde. Bei der Anpassung an die allgemeine Bemessungsgrundlage des Vorjahres dagegen ist noch die 5. Rentenanpassung und die 6. ohne wesentliche Unterschreitung des Rücklage-Solls möglich; auch bei der dann folgenden 7. und 8. Rentenanpassung würde das Vermögen am 31. Dezember 1966 noch erheblich über 50 v. H. des Rücklage-Solls Liegen.
    Da die Bundesregierung im Interesse der Rentner eine gleichmäßige Regelung für mehrere Jahre für günstiger hält als den Wechsel von besonders günstigen und besonders ungünstigen Regelungen, hat sie sich beim Entwurf des 4. Rentenanpassungsgesetzes für die Anpassung an die allgemeine Bemessungsgrundlage des Vorjahres entschieden.
    Der Ihnen, meine Damen und Herren, vorgelegte Entwurf der Bundesregierung für ein 4. Rentenanpassungsgesetz schließt mit seinen Regelungen
    im Prinzip an die bisherigen Rentenanpassungsgesetze an. Er sieht eine Erhöhung sämtlicher Renten, die auf Versicherungsfällen beruhen, die im Jahre 1960 oder früher eingetreten sind, um 5 v. H. vor, d. h. um den Vomhundertsatz, um den die allgemeine Bemessungsgrundlage für die im Jahre 1961 neu zugegangenen Renten gegenüber dein Vorjahre erhöht worden ist. Mit der Erhöhung der allgemeinen Bemessungsgrundlage von 1960 auf 1961 war ab 1. Januar 1961 auch eine Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze sowohl in den Rentenversicherungen der Arbeiter und Angestellten — nämlich von 10 200 DM auf 10 800 DM jährlich — als auch in der knappschaftlichen Rentenversicherung — von 12 000 DM auf 13 200 DM — verbunden.
    In praktischer Hinsicht wird die Regelung der bisherigen Rentenanpassungsgesetze dadurch verbessert, daß der Gesetzentwurf den Versicherungsträgern nicht mehr bis ins einzelne das technische Verfahren der Anpassung vorschreibt. Um die Durchführung des Gesetzes unter Berücksichtigung von Wünschen der Versicherungsträger zu erleichtern, bestimmt der Entwurf nur noch das Ergebnis, das durch die Anpassung erreicht werden soll. Im übrigen bleibt es den Versicherungsträgern überlassen, wie sie die vorgesehene Erhöhung der Renten verwaltungstechnisch erreichen.
    Da sich die Beitragsbemessungsgrenze in sämtlichen drei Zweigen der Rentenversicherung erhöht hat, haben sich nicht nur die Renten-Höchstbeträge in den Rentenversicherungen der Arbeiter und Angestellten, sondern diesmal auch in der knappschaftlichen Rentenversicherung erhöht. Das hat zur Folge, daß in der knappschaftlichen Rentenversicherung an der diesjährigen Anpassung auch die Renten teilnehmen, die infolge Erreichens oder Überschreitens der Rentenhöchstbeträge bei den vorhergehenden Anpassungen ganz oder zum Teil ausgeschlossen waren. Das gilt auch für den Leistungszuschlag und den Silikosefreibetrag, die entsprechend der Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze angepaßt werden.
    In der Vergangenheit ist immer wieder die unterschiedliche Höhe der Kinderzuschüsse zu den nach altem Recht berechneten Vergleichsrenten bemängelt worden. Der Gesetzentwurf sieht auch hier eine Bereinigung vor, die für viele Rentner eine Vergünstigung bedeutet. Es ist vorgesehen, daß im Wege der Anpassung der Kinderzuschuß nach der allgemeinen Bemessungsgrundlage des Jahres 1961 zu berechnen ist. Damit wird erreicht, daß die Kinderzuschüsse bei den Renten, die der Anpassung unterliegen, nunmehr 'einheitlich nach neuem Recht bemessen werden.
    Da den Versicherungsträgern nicht vorgeschrieben ist, wie sie die Anpassung durchzuführen haben, kann die Masse der anzupassenden Renten von den Rentenrechnungsstellen der Bundespost mit Hilfe elektronischer Rechenautomaten umgerechnet werden, ohne daß die Versicherungsträger dabei eingeschaltet werden müssen.
    Die Renten werden — wenn das Gesetz noch in diesem Jahre in der vorgeschlagenen Fassung verabschiedet wird — nach dem eingespielten Verfah-



    Bundesarbeitsminister Blank
    ren umgerechnet. Der Berechtigte erhält bei der Auszahlung der Rente für den Monat März 1962 eine schriftliche Mitteilung über die Anpassung. Die Post wird dann in der Lage sein, die Erhöhungsbeträge für die Monate Januar, Februar und März im Laufe des Monats März 1962 auszuzahlen. Die laufende Auszahlung des neuen Rentenzahlbetrages wird ab April 1962 erfolgen.
    Ich möchte auch in diesem Jahre, wo ich zum viertenmal ein Rentenanpassungsgesetz vorlege — es ist das erste Gesetz, das diesem Hohen Hause vorgelegt wird —, nicht verfehlen, dem Sozialbeirat zu danken, der in eingehenden Beratungen in verantwortungsbewußter Arbeit sein Gutachten erstellt hat, das der Bundesregierung mit eine wesentliche Grundlage für ihren Gesetzentwurf gegeben hat.

    (Beifall in der Mitte.)

    Ich bitte Sie, meine Damen und Herren, dieses Gesetz im Interesse der deutschen Rentner so bald wie möglich zu verabschieden.

    (Beifall bei 'den Regierungsparteien.)



Rede von Dr. Eugen Gerstenmaier
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Der Gesetzentwurf ist eingebracht. Ich eröffne die Beratung der ersten Lesung.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Schellenberg.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Ernst Schellenberg


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zur ersten Beratung dieses Gesetzes habe ich für die sozialdemokratische Fraktion einige Feststellungen zu treffen.
    Erstens. Wenn wir dieses Rentenanpassungsgesetz, das am 1. Januar 1962 in Kraft treten soll und zu dessen Vorbereitung noch eine Reihe von Maßnahmen erforderlich ist, erst heute in der ersten Lesung beraten können, so ist das auch eine Folge des Hin und Her bei der Regierungsbildung. Im Zusammenhang damit steht auch der Tatbestand, daß der Sozialbericht nicht auf die Tagesordnung gesetzt werden konnte, wie das bisher immer die Übung war, und zwar deshalb, weil die neue Bundesregierung
    — wegen der Verzögerung in der Regierungsbildung — diesen Sozialbericht dem Hause nicht zugeleitet hat. So wird uns als sogenanntes Material zu Drucksache IV/16 formlos der Sozialbericht der früheren Bundesregierung zugeleitet.

    (Abg. Winkelheide: Ist aber doch gleich!)

    — Der Bundesarbeitsminister hat zwar soeben erklärt, die neue Bundesregierung teile die Auffassungen des Sozialberichts der früheren Bundesregierung. Es muß aber beanstandet werden, daß die neue Bundesregierung diesen Sozialbericht dem 4. Bundestag nicht offiziell zugeleitet hat,

    (Beifall bei der SPD)

    damit er ordnungsgemäß auf die Tagesordnung hätte gesetzt werden können.
    Zweitens. Aus diesem Sozialbericht ergibt sich eine Steigerung des Bruttosozialprodukts in jeweiligen. Preisen um 11,3 %. Das Statistische Bundesamt hat wenige Tage später mitgeteilt, daß diese Steigerung sogar 11,6 % betrage. Gegenüber dieser Wirtschaftsentwicklung muß es als unbefriedigend bezeichnet werden, daß die Bundesregierung in dem Entwurf ides Rentenanpassungsgesetzes nur eine Anpassung der Renten in Höhe von 5 % vorschlägt. Der Herr Bundesarbeitsminister hat soeben dargelegt, diese Anpassung um nur 5 % hänge auch mit der allgemeinen Bemessungsgrundlage zusammen. Diese allgemeine Bemessungsgrundlage stützt sich auf die Lohn- und Gehaltsentwicklung der Jahre 1957 bis 1959. Meine Damen und Herren, diese Praxis, eine durchschnittlich vier Jahre zurückliegenden Lohnentwicklung als Bemessungsgrundlage für die Anpassung zu nehmen, ist sozialpolitisch völlig unbefriedigend.

    (Sehr wahr! bei der SPD.)

    Das ergibt sich aus den Zielen der Rentenreform.
    Aufgabe der Rentenversicherungs-Neuregelungsgesetze war und ist es doch, daß die Alten, die Arbeitsunfähigen, die Witwen und die Waisen mit ihren Renten nicht hinter der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung zurückbleiben.

    (Beifall bei der SPD.)

    Mit diesem Ziel ist eine Anpassung in Höhe von 5 % bei gleichzeitiger Steigerung des Sozialprodukts um über 11 °/o unvereinbar.

    (Erneuter Beifall bei der SPD.)

    Eine dritte Feststellung. Es ist ein schwerwiegengender Mangel der bisherigen Rentenanpassung, daß — der Herr Bundesarbeitsminister hat nur kurz darüber gesprochen — die Altrenten ein Jahr hinter den Neurenten zurückbleiben. Wir Sozialdemokraten sind der Auffassung, daß diese ausgefallene Anpassung unbedingt nachgeholt werden muß, damit endlich die Gleichbehandlung der Alt- und Neurentner verwirklicht wird. Das ist ein Gebot der Gerechtigkeit.

    (Beifall bei der SPD.)

    Darüber hinaus würde durch eine solche Nachholung der Anpassung, die wir für unbedingt erforderlich halten, die Kluft zwischen dem Anpassungssatz von 5 °/o, den die Bundesregierung vorschlägt, und der tatsächlichen Entwicklung des Sozialprodukts beseitigt.
    Im Sozialbeirat wurde, wie wir aus dem Sozialbericht entnehmen können, eine nachholende Anpassung von der Hälfte der Beiratsmitglieder — also über die Vertreter der Versicherten hinaus auch von den Vertretern der Wirtschaftswissenschaften —, wie es wörtlich im Sozialbericht und im Gutachten des Beirats heißt, „mit besonderem Nachdruck befürwortet".

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Das bestärkt uns in der Auffassung, daß diese Nachholung der Anpassung nun endlich vollzogen werden muß.
    Nun hat — damit komme ich zur vierten Feststellung — der Herr Bundesarbeitsminister behauptet — das kommt auch in dem Gesetzentwurf zum Ausdruck —, daß eine über den Satz von 5 % hinaus-



    Dr. Schellenberg
    gehende Anpassung wegen der Auswirkungen auf die Finanzen der Rentenversicherungen und in Rücksicht auf die zukünftigen Anpassungen nicht vertreten werden könne.
    Die tatsächliche Entwicklung der Finanzen der Rentenversicherungen spricht gegen die Bedenken der Bundesregierung, die der Herr Bundesarbeitsminister soeben vorgetragen hat. Ich stütze mich dabei auf das Material, das die Bundesregierung dem Bundestag vorgelegt hat. Die einzige spezifizierte Vorausschätzung, die die Bundesregierung bisher unterbreitet hat, ist im Sozialbericht des Jahres 1958 enthalten. Damals rechnete die Bundesregierung für die Jahre 1959, 1960 und 1961 unter Berücksichtigung von laufenden Anpassungen mit Überschüssen in der Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten von zusammen 966 Millionen DM. Tatsächlich haben aber die Überschüsse, wie sich aus dem heute vorliegenden Sozialbericht errechnen läßt, in den letzten drei Jahren 4314 Millionen DM betragen.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Die Überschüsse betrugen also tatsächlich mehr als das Vierfache dessen, was die Bundesregierung in ihrer letzten offiziellen Kalkulation am 15. Oktober 1958 dem Bundestag und der Offentlichkeit mitgeteilt hat.

    (Abg. Winkelheide: Darüber sollte man doch froh sein!)

    — Natürlich wollen wir darüber ,froh sein. Das
    erleichtert es uns auch, gewisse Vorschläge zu machen, zu denen Sie, Herr Winkelheide, sich bei der Abstimmung dann bekennen können.

    (Beifall bei der SPD.)

    Im Hinblick auf die Ausführungen des Herrn Bundesarbeitsministers muß ich noch auf einen anderen finanziellen Tatbestand hinweisen. Bei der Verabschiedung der Rentenreformgesetze hat die Bundesregierung erklärt, daß das Vermögen der Rentenversicherung — Stand Mitte 1956 — 8363 Millionen DM betrage. Aus dem vorliegenden Sozialbericht ergibt sich, daß das Vermögen der Rentenversicherung am Ende dieses Jahres einschließlich der Erstattung nach § 90 des Bundesversorgungsgesetzes 18,350 Milliarden DM betragen wird. Er hat sich also seit Beginn der Rentenreform mehr als verdoppelt und ist um mehr als 10 Milliarden DM gestiegen.
    Nun noch eine fünfte Feststellung und Entgegnung auf die Ausführungen des Herrn Bundesarbeitsministers. Die Bundesregierung und der Herr Bundesarbeitsminister sind der Auffassung, daß ungeachtet dieser günstigen finanziellen Entwicklung eine Nachholung der ausgefallenen Anpassung, eine sozial gerechtfertigte und volkswirtschaftlich begründete Anpassung nicht durchgeführt werden könne, damit, wie der Herr Bundesarbeitsminister wörtlich sagte, weitere Anpassungen in den nächsten Jahren nicht gefährdet werden. Meine Damen und Herren, derartige Erklärungen haben wir von der Bundesregierung bei jeder Anpassung und bei jedem Sozialbericht vernommen. Ich bitte auch die neugewählten Damen und Herren, sich der Mühe zu unterziehen, die Sozialberichte 1958, 1959 und 1960
    zu studieren. Sie werden daraus entnehmen, daß die Bundesregierung jedes Jahr erklärt hat, es könne gerade — gewissermaßen mit Ach und Krach — noch eine Anpassung durchgeführt werden, jede weitere Anpassung sei finanziell unmöglich.
    Wir Sozialdemokraten sind der Auffassung, daß Erklärungen, wie sie der Herr Bundesarbeitsminister hier hinsichtlich der Schwierigkeiten von weiteren Anpassungen vorgetragen hat, konkret und detailliert begründet und belegt werden müssen. Das, meine Damen und Herren, sollte und muß geschehen durch sogenannte versicherungstechnische Bilanzen.
    Bekanntlich war nach den Rentenversicherungsgesetzen erstmalig für den 1. Januar 159 eine versicherungstechnische Bilanz aufzustellen. Dann sollten alle zwei Jahre weitere Bilanzen vorgelegt werden. Wir haben in diesem Haus die Bundesregierung wiederholt daran erinnert. Im letzten Jahr, bei der Verabschiedung des 3. Rentenanpassungsgesetzes, hat das Haus ausdrücklich beschlossen, die Bundesregierung zu beauftragen, diese Bilanz für den 1. Januar 1959 spätestens im Zusammenhang mit dem neuen Rentenanpassungsgesetz vorzulegen. Wir Sozialdemokraten stellen fest, daß die Bundesregierung diesen Auftrag des Hauses wiederum nicht erfüllt hat.
    Beim ersten Durchgang dieses Rentenanpassungsgesetzes im Bundesrat hat der Herr Staatssekretär im Bundesarbeitsministerium erklärt, daß der Aussagewert solcher Bilanzen im allgemeinen überschätzt werde und daß sie nur begrenzte Bedeutung hätten. Der Herr Staatssekretär hat — das möchte ich zugeben — dafür eine Reihe beachtlicher Gründe angeführt. Aber das kann doch keine Entschuldigung dafür sein, daß die Bundesregierung den Auftrag, die Bilanzen auf den Tisch des Hauses zu legen, bisher nicht erfüllt hat.
    Wir sind bereit, im Ausschuß mit den Regierungsparteien und der Regierung gemeinsam die vielfältigen Probleme zu erörtern, die mit der Verzögerung der Vorlage dieser Bilanzen zusammenhängen, und das gesamte Problem mit allem Für und Wider eingehend zu besprechen. Es ist festzustellen, daß die Bundesregierung bisher Finanzunterlagen nicht vorgelegt, aber der Herr Bundesarbeitsminister dennoch ohne eindeutige Begründung erklärt hat, weitere Anpassungen seien gefährdet, wenn den Altrentnern Gerechtigkeit bei der Anpassung zuteil wird.
    Eine sechste Feststellung. Schon im vergangenen Jahr mußten wir beanstanden, daß der Sozialbericht in seinen Aussagen über die zukünftige finanzielle Entwicklung immer dürftiger wird. Diesmal sind im Sozialbericht überhaupt keine konkreten Zahlen über die zukünftige finanzielle Entwicklung der Rentenversicherung enthalten, sondern es werden nur Prozentsätze genannt. Offenbar will es die Bundesregierung mit dieser sehr eigenartigen Praxis unmöglich machen, daß in Zukunft ihre Vorausschätzungen mit den tatsächlichen Rechnungsergebnissen konfrontiert werden können. Durch derartige Methoden können unsere Forderungen auf Gleichbehandlung der Altrentner mit den Neurentnern



    Dr. Schellenberg
    und auf eine wirtschaftlich und finanziell gerechte Anpassung aller Renten nicht abgetan werden!
    Im übrigen ist festzustellen, daß die finanziellen Perspektiven, die sich ergeben, wenn man versucht, aus diesen Prozentsätzen Prognosen für die zukünftige finanzielle Entwicklung abzuleiten, weit günstiger sind, als von der Bundesregierung bisher behauptet wurde.
    Dennoch, ungeachtet der günstigen finanziellen Entwicklung, sind wir bereit, um allen möglichen Bedenken über die zukünftige finanzielle Entwicklung,

    (Abg. Ruf: Also doch Bedenken!)

    die uns allen gleichermaßen am Herzen liegt — und darin lassen wir uns von niemandem im Hause übertreffen —,

    (Beifall bei der SPD)

    Rechnung zu tragen, mit Ihnen zu erörtern, ob die unbedingt notwendige Nachholung der Anpassung schrittweise vorgenommen werden kann. Das könnte etwa in der Weise geschehen, daß jetzt als erster Schritt zur Nachholung der Anpassung die Hälfte der ausgefallenen Anpassung von 6,6 % gezahlt wird. Danach würde sich praktisch ergeben: 5 % Anpassung nach dem Vorschlag der Bundesregierung plus die Hälfte der Nachholung = 3,3 %, insgesamt ein Anpassungssatz von 8,3 % für 1962. Dadurch würde sich der Mehraufwand für die Arbeiter- und Angestelltenrentenversicherung um 425 Millionen DM für das nächste Jahr erhöhen.

    (Vorsitz: Vizepräsident Dr. Schmid.)

    Meine Damen und Herren, wir sind der Auffassung, daß ein Betrag in dieser Größenordnung bei einem Vermögen von 18 Milliarden DM ohne jedes Risiko für die zukünftige finanzielle Sicherheit und ohne Gefahr für die Anpassungen in den späteren Jahren von der Rentenversicherung verkraftet werden kann.

    (Beifall bei der SPD.)

    Siebentens noch zwei Dinge, die finanziell kein großes Gewicht haben, aber für die Betroffenen von großer sozialer Bedeutung sind. Einmal geht es darum, daß auch die Bezieher der kleinsten Renten in den Genuß des vollen Anpassungsbetrages kommen sollten,

    (Zustimmung bei der SPD)

    das heißt also, daß der sogenannte Sonderzuschuß nicht von der Anpassung ausgenommen werden sollte.

    (Unruhe. — Zuruf des Abgeordneten Winkelheide. — Abg. Büttner: Herr Winkelheide, was gibt es denn da zu lachen?)

    — Ich nehme das als freudige Zustimmung, was Sie da sagen, Herr Kollege Winkelheide.
    Und noch ein anderes Problem. Es ist ein wichtiges soziales Anliegen, daß die Anpassungsbeträge nicht auf andere Sozialleistungen angerechnet werden, damit endlich mit der unerfreulichen Praxis Schluß gemacht wird, von der die Menschen sagen: die eine Hand gibt, und die andere Hand nimmt es wieder durch die Anrechnung.

    (Sehr wahr! bei der SPD.)

    Wir haben uns hier im Hause mit beiden Problemen schon in den vergangenen Jahren beschäftigt. In diesem Zusammenhang darf ich eine Bemerkung an die Kollegen von der FDP richten. Sie haben uns bei unseren beiden Anliegen, nämlich Einbeziehung des Sonderzuschusses in die Anpassung und Ausschluß der Anrechnung bei Anpassungsbeträgen, in der vorigen Legislaturperiode zugestimmt.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    So haben wir eine starke Hoffnung, daß wir bei diesen Anliegen im Hause eine Mehrheit gewinnen können.

    (Beifall bei der SPD.)

    Lassen Sie mich zum Schluß noch kurz über eine Frage sprechen, die die Öffentlichkeit bewegt. Im Hinblick auf das Weihnachtsfest erhalten Beamte und Versorgungsempfänger des öffentlichen Dienstes gewisse Sonderzuwendungen. Diese Leistungen stehen rechtlich in keiner Beziehung zur Rentenversicherung, aber moralisch besteht doch unbestreitbar ein Zusammenhang.

    (Abg. Büttner: Sehr richtig!)

    Das gibt uns Sozialdemokraten die Hoffnung, daß Sie unseren Vorschlägen für eine verbesserte Anpassung und eine Beseitigung der Härten bei der Anpassung zustimmen werden. Auf diese Weise könnte dem sozialen Anliegen, um das es im Grunde geht, in einer Art Rechnung getragen werden, die den Prinzipien und Methoden der Rentenversicherung entspricht.
    Über den Rahmen des hier zur Beratung anstehenden Gesetzentwurfs hinaus haben wir Sozialdemokraten, wie Ihnen nicht unbekannt sein wird, zur Beseitigung der Härten und Ungerechtigkeiten in der Rentenversicherung und zur Weiterentwicklung der Rentenreform konkrete Vorstellungen entwickelt. Wir werden darauf zu gegebener Zeit zurückkommen. Ich fühle mich verpflichtet, das schon heute zu betonen, weil in der Regierungserklärung, die wir soeben gehört haben, kein Wort über die soziale Sicherung für unsere Alten, Arbeitsunfähigen und Witwen gesagt wird.

    (Beifall bei der SPD. — Abg. Wehner: Leider wahr!)