Rede von
Dr.
Eugen
Gerstenmaier
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Keine weiteren Wortmeldungen? — Dann, meine Damen und Herren, lassen Sie mich in dieser ernsten Stunde in wenigen Sätzen das zusammenfassen, in dem, wie ich glaube, dieses Haus, mit einer Ausnahme, ,einig ist.
Ich glaube, daß der Deutsche Bundestag als oberste gesetzgebende Körperschaft und als Sprecher des ganzen deutschen Volkes in diesem Augenblick einig ist in dem Willen zum Widerstand, zum besonnenen, aber ganz entschlossenen Widerstand gegen den Terror und die Unmenschlichkeit, die in der sowjetisch beisetzten Zone Deutschlands, gewiß nicht nur und nicht erst seit dem 12. August 1961, sondern schon seit Jahr und Tag, brutal geübt werden. Gegen diesen Terror befinden wir uns im Widerstand. Wir sind aber auch im Widerstand gegen .den von den Warschauer-Pakt-Staaten vertretenen oder mindestens gebilligten Bruch von Verträgen, von internationalen, von völkerrechtlichen Abmachungen.
Wir sind zweitens auch in dieser Stunde einig, wie wir es in diesen Jahren immer gewesen sind, in der Solidarität mit den Unterdrückten und mit den Terrorisierten, mit denen, die seit Jahr und Tag hinter den Zonen- und Sektorengrenzen erniedrigt und beleidigt werden. In ,dieser Solidarität erweist sich die Kraft der Deutschen, auch im geteilten Deutschland eine Nation zu sein und hoffentlich auch eine Nation zu bleiben. Und wir sind bei aller Vielfalt der Töne, die wir hier ,gehört haben, einig in der Solidarität mit der freien Welt und ihren Schutzorganisationen, deren Wertes und deren Bedeutung wir uns, wiederum nicht erst in dieser Stunde, aber in dieser Stunde in ganz besonderem Maße, wohl bewußt sind.
Und drittens: Dieser Bundestag ist hoffentlich ebenso wie der kommende völlig einig in der Treue zur Freiheit, und das heißt heute: einig mit dem ganzen deutschen Volke in dem Willen, das Selbstbestimmungsrecht für ganz Deutschland und alle, die darin wohnen, zu verwirklichen.
Ich nehme den Ton noch einmal auf, der kein billiges Wort sein soll, den Ton des Trostes und des Mutes an die, die hinter den Sektoren- und hinter den Zonengrenzen leiden. Ich glaube, es gibt reale Tatsachen, auf Grund deren wir ihnen zurufen
Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 167. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. August 1961 9789
Präsident D. Dr. Gerstenmaier
können: In der Tat, laßt den Mut und laßt die Hoffnung nicht sinken!
Der Bundestag bekennt sich erneut und feierlich zur Charta der Vereinten Nationen und den in ihr proklamierten Menschenrechten
— sie sind für uns kein leeres Wort —, einschließlich ihres Artikels 1 mit dem Bekenntnis zum Selbstbestimmungsrecht der Völker. Der Bundestag hat damit auch in dieser Stunde entsprechend dem Sinn und Geist des Grundgesetzes gehandelt, das ihm auferlegt, für alle Deutschen das Wort zu führen. Wir stehen treu und gehorsam heute und morgen zu der Forderung des Grundgesetzes im Schluß-Satz seiner Präambel: „Das gesamte Deutsche Volk bleibt aufgefordert, in freier Selbstbestimmung die Einheit und Freiheit Deutschlands zu vollenden." Dafür dienen wir, daran glauben wir!
Ich danke Ihnen.
Die Sitzung ist geschlossen.