Rede von
Dr.
Julius
Brecht
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Ich habe nicht gesagt, daß man in Bremen die Mietbeihilfen aufgibt. Um es ganz klar zu sagen: Bremen hatte einmal erwogen, ob es im Sinne der CDU-Vorschläge von der Kapitalförderung und der Aufwendungsbeihilfenförderung abgehen und reine Kostenmieten ohne diese Förderung berechnen und die Verbilligung dann nur durch Mietbeihilfen herbeiführen sollte. Das hätte dazu geführt, daß Mieten von 3,20 DM herausgekommen wären. Das ist in Bremen in den Beratungen um das Zweite Bremer Wohnungsbaugesetz, das ich selbstverständlich in allen Details sehr genau kenne, dann abgebogen worden. Jetzt soll ein Mischsystem eingeführt werden.
Aber ich bin gleich zu Ende, und Sie werden nachher noch sprechen können. Es geht doch hier gar nicht um diese Details, sondern es geht um die Grundsätze, um den Grundgedanken.
— Nehmen Sie den schleswig-holsteinischen Erlaß vom 10. Februar!
Das Entscheidende ist, daß durch das Lücke-Gesetz mit den legalen Steigerungen, verstärkt durch die zusätzlichen illegalen Mietsteigerungen und durch den weiteren Mietwucher ein allgemeiner Trend entwickelt worden ist, so daß auch im steuerbegünstigten und im frei finanzierten Wohnungsbau und überall dort, wo das Lücke-Gesetz gar nicht eingreift, erhebliche Mieterhöhungen sich durchgesetzt haben. Diese Entwicklung muß unseres Erachtens schärfer in Kontrolle genommen und berücksichtigt werden.
Diesen Preistrend für den Wohnkonsum dürfen Sie nicht isoliert sehen als etwas, was mit der ganzen Wirtschaftspolitik nichts zu tun habe. Dieser Trend ist mit ein Teil des allgemeinen Preistrends, der sich in unserer Volkswirtschaft heute leider weitgehend ständig nach oben bemerkbar macht. Gerade nach der D-Mark-Aufwertung muß jetzt auch von dieser Seite aus versucht werden, zu verhindern, daß die Preise ausbrechen und damit wieder soundso viele Vergünstigungen, die für die Sparer usw. aus der DM-Aufwertung herauskommen, hinfällig gemacht werden. Hier liegt doch ein echtes politisches Anliegen! Dabei ist es unwesentlich, ob das im einzelnen in Bremen oder anderswo dann so oder so gemacht worden ist.
Ich möchte noch darauf hinweisen, daß diese legalen Mieterhöhungen auch nicht dazu beigetragen haben, den Mietenwirrwarr und die Mietenverzerrung zu beenden. Die Spannungen zwischen den Mietpreisen für Wohnungen gleicher Art und Größe haben sich auch nicht verkleinert, was immer zur
Begründung der Lücke-Gesetze vorgebracht worden ist, sondern die Mietpreise klaffen noch viel weiter auseinander. Damit sind neue, gefährliche Spannungsverhältnisse auf diesem Preissektor eingetreten.
Lassen Sie mich abschließen. Eine solche Entwicklung, solche Pläne und Absichten, sowohl beim Bodenpreis wie beim Mietpreis die Dinge zu verniedlichen, zu verharmlosen und ihren Ernst und ihre Bedeutung nicht zu sehen, führen zu einer Wohnungspolitik, die wir ablehnen. Damit werden zwar in dem einen Sektor große private Vermögen nichtgemeinwirtschaftlicher Art mit riesigen Steuervorteilen begünstigt. In der sozialen Belastung und in den sozialen Gegensätzen werden aber trotz mancher mengenmäßigen Verbesserung der Wohnungsversorgung neue Unterschiede aufgerissen. Diese Wohnungspolitik sichert nicht, daß alle Familien und Personen wirklich gleichzeitig und alsbald gute Wohnungen bekommen. Wir lehnen deshalb diese Wohnungspolitik und ihre unvermeidlichen unsozialen Auswirkungen ab. Wir brauchen eine Wohnungspolitik — auf wirtschaftspolitischer Grundlage —, die, die soziale Sicherung und die Wohnungsversorgung aller Familien zu tragbaren Bedingungen im Rahmen eines neuzeitlichen Städtebaues gewährleistet.