Rede von
Dr.
Georg
Kliesing
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Ich übersehe das keineswegs. Aber vielleicht gestatten Sie mir, Herr Schmidt, daß ich nachher darauf noch näher eingehe, wenn ich mich mit dem Problem der konventionellen Rüstung befasse.
Die SPD greift unsere Verteidigungspolitik an und versucht darüber hinaus, den Bundesverteidigungsminister zu diffamieren. Das halte ich nicht für eine gute Sache. Ich will es Ihnen belegen. Die SPD versucht in letzter Zeit, was ihr legales Recht ist, um die Gunst der damals gegen den Willen der SPD zustandegekommenen Bundeswehr zu werben. Sie bedient sich dazu vom Bundesparteivorstand aus der sogenannten „Briefe an die Freunde und Genossen in der Bundeswehr". Ich persönlich — man mag über den Wert dieser Methode streiten — habe nichts dagegen einzuwenden. Aber ich muß doch Einspruch erheben, wenn dort bedenkliche und fragwürdige Methoden praktiziert werden. In der Beilage zu einem solchen Briefe heißt es, nachdem zuerst die Haltung der CDU damit abgetan wurde, daß sie nur, wie üblich, verleumdet habe, weiter:
8608 Deutscher Bundestag - :3. Wahlperiode — 151. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 15. März 1961
Dr. Kliesing
Wenn das Parlament nicht so tanzt, wie ich, Franz-Josef Strauß, pfeife, dann mache ich eben, was ich will. Auch die von Strauß vertretene Auffassung, daß die Verwaltungsgerichtsbarkeit bei der Uk-Stellung im öffentlichen Interesse ausgeschaltet werden müsse, zeigt die erstaunliche Reserviertheit des Bundesverteidigungsministers gegenüber Grundsätzen der rechtsstaatlichen demokratischen Ordnung, die unbestritten und unangreifbar sein sollten.
Das heißt auf gut Deutsch, hier schreibt man den Soldaten: Euer Verteidigungsminister, der der oberste Inhaber der Befehls- und Kommandogewalt ist, ist kein guter Demokrat, ist unzuverlässig und steht nicht auf dem Boden des Rechtsstaates.
Ich weiß nicht, meine Herren von der SPD, ob das eine Methode ist, die man hinnehmen kann. Ich halte diesen Versuch, den Inhaber der Befehls- und Kommandogewalt, gleich wie er heißen möge, in den Augen der ihm unterstellten Truppe zu diffamieren, zu beleidigen, für eine höchst seltsame Art, eine positive Einstellung zum Verteidigungsbeitrag der Bundesrepublik Deutschland zu demonstrieren.
Ein anderes ist mir an der Methode aufgefallen. Es hat in dem Hohen Hause eine Zeit gegeben, da wurde uns von der Opposition immer wieder vorgeworfen, wir hätten keinen eigenen politischen Willen und richteten uns in allem und jedem in unserer Verteidigungspolitik nach den Amerikanern. Sie wissen, daß das vor ungefähr zehn Jahren zu einer der peinlichsten Situationen in diesem Hohen Hause auf Grund eines Zwischenrufes geführt hat. Um so grotesker mutet es uns heute an, daß man von der gleichen Seite versucht, mit der Lupe Nuancen der unterschiedlichen Auffassung zwischen unserer und der amerikanischen Meinung zu entdecken, um daran die Kritik an der Verteidigungspolitik der Bundesrepublik aufzuhängen.
Wenn man solche Differenzen nicht nachweisen kann, versucht man — wie es übrigens eben hier geschehen ist —, sie zu konstruieren. Ich werde gleich noch darauf eingehen.
Herr Kollege Schmidt, Sie haben gesagt, es gehe darum, eine richtige Formel für die strategische Konzeption zu finden, und Sie haben in diesem Zusammenhang von „neuen Denkansätzen" gesprochen. Das ist zweifellos richtig; denn Verteidigungspolitik — das ist eine Binsenwahrheit ist nichts Statisches, sondern etwas Dynamisches und muß sich immer wieder verändern. Die Frage der NATO-Reform ist bereits seit längerer Zeit im Gespräch. Es hätte gar nicht des Wechsels in der amerikanischen Regierung und Administration bedurft, um die Frage neuer Denkansätze im strategischen Bereich zur Diskussion zu stellen. Im übrigen ist ja auch darüber schon länger gesprochen worden.
Ich habe nun die Überzeugung gewonnen, Herr Kollege Schmidt, daß Ihnen hier eine Verwechslung der Überlegungen mit den Resultaten von Überlegungen unterlaufen ist. Ich selbst habe mir auch große Mühe gemacht, diese Dinge zu studieren. Ich habe eine ganze Menge von Äußerungen amerikanischer Politiker durchgesehen und bin eigentlich auf Grund aller dieser Äußerungen zu der Auffassung gekommen, daß eben genau wie in der BerlinFrage und in anderen außenpolitischen Bereichen so auch in dieser Frage die amerikanische Regierung, wie es einmal ausgedrückt wurden ist, vom Nullpunkt anfangen will. Sie will sich ihr eigenes verteidigungspolitisches, strategisches Konzept erarbeiten, und das braucht seine Zeit. Deshalb ist es, glaube ich, sehr voreilig, ,daß man aus Äußerungen, die im Zuge dieser Überlegungen einmal getan werden, Resultate herauszulesen versucht, die in diese eigene Konzeption genau hineinpassen würden. Das gilt meines Erachtens für beide Seiten. Wir sollten uns damit, glaube ich, nicht länger aufhalten.
Aber ich muß schon sagen, daß mir einige große Bedenken wegen der Art kommen, wie Sie das hier tun. Herr Schmidt, Sie haben z. B. als Quelle für Ihre Ausführungen einen Bericht benutzt, der dem Außenpolitischen Senatsausschuß vorgelegen hat. Sie haben daraus zitiert, um nachzuweisen, daß eine Ausstattung der Bundeswehr mit Mehrzweckwaffen unsinnig wäre. Sie haben folgende Stelle vorgelesen — ich darf vielleicht wiederholen, wie sie im Wortlaut heißt —:
Eine starke Abstützung auf taktische Nuklearwaffen kann nicht die zahlenmäßige Unterlegenheit lokaler Kräfte gegenüber sowjetischen Armeen ausgleichen. Zudem unterstellt die Auslösung eines taktischen Atomkrieges durch Schlachtfeldländer als Antwort auf einen nichtatomaren Angriff deren Bereitwilligkeit, ihre eigene Verwüstung herbeizuführen.
So haben Sie zitiert, Herr Schmidt, um damit Ihr Nein zur nuklearen Bewaffnung der Bundeswehr zu begründen. Das wäre statthaft, wenn damit das Zitat zu Ende wäre. Es verstößt aber gegen die Forderung nach Wahrhaftigkeit, daß Sie den nächsten Satz unterschlagen, der nämlich genau das Gegenteil beweist. Diesen Satz möchte ich Ihrem Zitat hinzufügen. Er lautet:
Trotzdem sollten die lokalen Kräfte mit diesen Waffen ausgerüstet und an ihnen ausgebildet sein, um die Sowjets davon abzuschrecken, mit dem Einsatz ihrer Waffen zu beginnen.
Ich muß sagen, Herr Schmidt, daß es doch außerordentlich bedenklich stimmt, wenn Sie hier mit diesen Methoden operieren.