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ID0314605100

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    Deutscher Bundestag 146. Sitzung Bonn, den 24. Februar 1961 Inhalt Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Güterkraftverkehrsgesetzes (FDP) (Drucksache 2412) 8237 A Fragestunde (Drucksachen 2497, 2537) Fragen des Abg. Ritzel: Zweites Fernsehprogramm von Eckardt, Staatssekretär 8237 C, 8238 A Ritzel (SPD) 8238 A Frage des Abg. Dr. Bechert: Erhöhtes Angebot von Fleisch tuberkulosekranker Rinder Schwarz, Bundesminister . . . . 8238 B, D Dr. Bechert (SPD) 8238 B, C Frage des Abg. Vogt: Jordanisches Verbot der Einfuhr von Konsumgütern Dr. Dr. h. c. Erhard, Bundesminister 8239 A, B Vogt (CDU/CSU) 8239 B Bericht der Bundesregierung über die Lage der Landwirtschaft gemäß §§ 4 und 5 des Landwirtschaftsgesetzes (Drucksachen 2400, zu 2400); in Verbindung mit dem Entwurf einer Ergänzung zum Entwurf des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1961 (Grüner Plan 1961) (Drucksache 2300) — Fortsetzung der ersten Beratung — Bauknecht (CDU/CSU) 8239 C Bauer (Wasserburg) (CDU/CSU) . 8243 B Frau Strobel (SPD) 8247 B Walter (FDP) 8252 B Dr. Pflaumbaum (CDU/CSU) . . 8253 D Bading (SPD) 8256 D Sander (FDP) 8261 A Logemann (DP) 8266 A Engelbrecht-Greve (CDU/CSU) . 8268 D Frehsee (SPD) 827,1 B Mauk (FDP) . . . . . 8274 D, 8282 D Dr. Siemer (CDU/CSU) . . . . . 8277 C Lücker (München) (CDU/CSU) . . . 8280 B Schwarz, Bundesminister . . . . . 8281 D Nächste Sitzung 8283 C Anlagen 8285 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 146. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Februar 1961 8237 146. Sitzung Bonn, den 24. Februar 1961 Stenographischer Bericht Beginn: 9.02 Uhr
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    Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Dr. Atzenroth 24. 2. Bazille 15. 3. Bettgenhäuser 4. 3. Dr. Birrenbach 6. 3. Fürst von Bismarck 24. 2. Blachstein 24. 2. Börner 24. 2. Dr. Bucerius 24. 2. Caspers 1. 4. Dr. Deist 2. 3. Demmelmeier 18. 3. Deringer 24. 2. Frau Döhring (Stuttgart) 24. 2. Dowidat 24. 2. Eberhard 7. 3. Ehren 28. 2. Eisenmann 24. 2. Erik 24. 2. Erler 24. 2. Dr. Dr. h. c. Friedensburg 24. 2. Dr. Furler 24. 2. Geiger (München) 28. 2. Dr. Götz 24. 2. Dr. Gradl 24. 2. Freiherr zu Guttenberg 24. 2. Haage 24. 2. Hahn 24. 2. Dr. Dr. Heinemann 24. 2. Höfler 24. 2. Hörauf 10. 3. Illerhaus 24. 2. Jacobi 24. 2. Dr. Jordan 25. 2. Frau Kalinke 24. 2. Keuning 24. 2. Dr. Kopf 6. 3. Dr. Kreyssig 24. 2. Kühn (Bonn) 28. 2. Kühn (Köln) 18. 3. Leber 24. 2. Lenz (Brühl) 24. 2. Lohmar 24. 2. Dr. Martin 6. 3. Dr. Mende 4. 3. Mensing 24. 2. Dr. Menzel 28. 2. Metzger 24. 2. Dr. Meyer (Frankfurt) 24. 2. Freiherr von Mühlen 24. 2. Neubauer 10. 3. Neuburger 24. 2. Nieberg 24. 2. Peters 24. 2. Frau Dr. Probst 24. 2. Probst (Freiburg) 24. 2. Rimmelspacher 24. 2. Dr. Ripken 24. 2. Rollmann 24. 2. Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete (r) beurlaubt bis einschließlich Dr. Rüdel (Kiel) 3. 3. Ruhnke 25. 3. Scharnberg 24. 2. Scheel 24. 2. Dr. Schild 24. 2. Dr. Schmid (Frankfurt) 24. 2. Schmidt (Hamburg) 24. 2. Dr. Schneider (Saarbrücken) 24. 2. Schröder (Osterode) 24. 2. Schultz 18. 3. Schüttler 24. 2. Dr. Seffrin 1. 3. Seuffert 24. 2. Dr. Stecker 24. 2. Frau Dr. Steinbiß 4. 3. Stenger 28. 2. Stingl 2. 3. Storch 25. 2. Dr. Tamblé 24. 2. Theil (Bremen) 24. 2. Vehar 25. 2. Dr. Vogel 24. 2. Wacher 24. 2. Wagner 24. 2. Wehner 24. 2. Weinkamm 24. 2. Welke 25. 2. Wendelborn 26. 2. Werner 25. 2. Wittrock 24. 2. Dr. Zimmer 27. 2. Anlage 2 Umdruck 769 Antrag der Fraktion der FDP zur Beratung des Berichts der Bundesregierung über die Lage der Landwirtschaft gemäß §§ 4 und 5 des Landwirtschaftsgesetzes (Drucksachen 2400, zu 2400). Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird ersucht, bis spätestens zum 1. Mai 1961 dem Bundestag zu berichten, welche Maßnahmen sie zur Durchführung des § 1 des Landwirtschaftsgesetzes für das laufende Wirtschaftsjahr getroffen- hat oder zu treffen beabsichtigt unter Berücksichtigung a) der Steigerung des Lohnniveaus und der ständig steigenden Kostenbelastung der deutschen Landwirtschaft, b) der Notwendigkeit, der deutschen Landwirtschaft die Möglichkeit zu geben, sich auf den gesteigerten Wettbewerb im Gemeinsamen Markt der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft vorzubereiten, insbesondere inwieweit sie bereit ist, a) die in den Artikeln 44 und 46 des EWG-Vertrages gegebenen gesetzlichen Möglichkeiten zur Anwendung von Mindestpreisen und Abschöpfungen unverzüglich voll auszuschöpfen und 8286 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 146. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Februar 1961 b) die Nahrungsmittelimporte auf den tatsächlichen Inlandsbedarf abzustellen. Bonn, den 22. Februar 1961 Mauk Walter Sander Lenz (Trossingen) und Fraktion Anlage 3 Umdruck 770 Antrag der Fraktion der FDP zur Beratung des Berichts der Bundesregierung über die Lage der Landwirtschaft gemäß §§ 4 und 5 des Landwirtschaftsgesetzes (Drucksachen 2400, zu 2400). Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird ersucht, die Selbsthilfe bei der Rationalisierung der Betriebe mit folgenden Investitionserleichterungen zu unterstützen: 1. Gewährung von Zinsverbilligungen für alle Kredite, die zur Finanzierung von Rationalisierungsmaßnahmen benötigt werden, und zwar in einem Umfang, der den Bedingungen im sozialen Wohnungsbau gleichkommt, 2. Konsolidierung der zur Finanzierung von Rationalisierungsmaßnahmen bereits aufgenommenen kurz- und mittelfristigen Kredite mit einem Zinssatz von höchstens 2 v. H., 3. Anwendung der unter 1. und 2. genannten Maßnahmen auf Um- und Neubauten (Wirtschafts- und Wohngebäude); Anschaffung von Schleppern, Maschinen, Geräten, Trocknungsanlagen usw. sowie andere Einrichtungen für die betriebs- und hauswirtschaftliche Rationalisierung; überbetrieblichen Maschineneinsatz; Althofsanierung; Aussiedlung und Aufstockung; Meliorationen und wasserwirtschaftliche Maßnahmen; Trinkwasserversorgung; Elektrifizierung; Flurbereinigungslasten; alle Selbsthilfemaßnahmen zur Qualitätsverbesserung und zur Absatzverbesserung, besonders Schaffung der Einrichtungen zur Zusammenfassung des Warenangebots in den Betrieben selbst, in den Genossenschaften und im Landhandel. Bonn, den 22. Februar 1961 Mauk Walter Sander Lenz (Trossingen) und Fraktion Anlage 4 Umdruck 771 Antrag der Fraktion der FDP zur Beratung des Berichts der Bundesregierung über die Lage der Landwirtschaft gemäß §§ 4 und 5 des Landwirtschaftsgesetzes (Drucksachen 2400, zu 2400). Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird ersucht, denjenigen landwirtschaftlichen Betrieben, bei denen eine Deckung des Vergleichsaufwands durch den Betriebsertrag nach dem Bericht der Bundesregierung über die Lage der Landwirtschaft nicht erreicht wurde, die Vermögensabgabe gemäß dem Gesetz zum Lastenausgleich bis auf weiteres zu stunden. Bonn, den 22. Februar 1961 Mauk Walter Sander Lenz (Trossingen) und Fraktion Anlage 5 Umdruck 772 Antrag der Fraktion der FDP zur Beratung des Berichts der Bundesregierung über die Lage der Landwirtschaft gemäß §§ 4 und 5 des Landwirtschaftsgesetzes (Drucksachen 2400, zu 2400) Der Bundestag wolle beschließen: 1. Die Bundesregierung wird ersucht, zu prüfen, ob als sofortiger Beitrag zur Senkung der Betriebskosten der Landwirtschaft die Belastungen bei der Einfuhr von landwirtschaftlichen Maschinen und Geräten, Düngemitteln und Schädlingsbekämpfungsmitteln gesenkt werden können. 2. Die Bundesregierung wird aufgefordert, hierüber dem Deutschen Bundestag bis zum 30. April 1961 zu berichten. Bonn, den 22. Februar 1961 Mauk Walter Sander Lenz (Trossingen) und Fraktion Anlage 6 Umdruck 773 Antrag der Fraktion der FDP zur Beratung des Berichts der Bundesregierung über die Lage der Landwirtschaft gemäß §§ 4 und 5 des Landwirtschaftsgesetzes (Drucksachen 2400, zu 2400). Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird ersucht, angesichts der im Grünen Bericht 1961 nachgewiesenen weiteren Verschlechterungen der Einkommenssituation der Landwirtschaft gegenüber den im Landwirtschaftsgesetz gesetzten Zielen den Grünen Plan 1961 um folgende Maßnahmen zu ergänzen: 1. Wiederherstellung der Qualitätsprämie für Milch in mindestens der ursprünglichen Höhe (4 Pf je kg), 2. Verbilligung der Schädlingsbekämpfungsmittel um 20 v. H. Bonn, den 22. Februar 1961 Mauk Walter Sander Lenz (Trossingen) und Fraktion Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 146. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Februar 1961 8287 Anlage 7 Umdruck 774 Antrag der Fraktion der FDP zur Beratung des Berichts der Bundesregierung über die Lage der Landwirtschaft gemäß §§ 4 und 5 des Landwirtschaftsgesetzes (Drucksachen 2400, zu 2400). Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird ersucht, den vorgelegten Bericht über die Lage der Landwirtschaft — Drucksache 2400 — durch folgende Punkte zu ergänzen und diese Ergänzung spätestens bis zum 1. Mai 1961 dem Bundestag vorzulegen: 1. Eine Berechnung des Vergleichslohns auf der Grundlage des tatsächlichen Stundenarbeitsverdienstes gemäß dem Beschluß des Bundestages vom 1. Juli 1960, unter Berücksichtigung der tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden einschließlich der Überstunden und Feiertagszuschläge sowie des bezahlten Urlaubs und der Bezüge im Krankheitsfalle. 2. Aufgliederung der im Bericht angegebenen bereinigten Zahl der Vollarbeitskräfte nach a) Nebenerwerbsbetrieben, b) Sonderkulturen, c) landwirtschaftlichen Vollerwerbsbetrieben. 3. Darlegung der Gründe, warum die bereinigte Zahl der Vollarbeitskräfte im Bericht und die Angaben ,des Statistischen Bundesamtes über die Zahl der in der Landwirtschaft beschäftigten Erwerbspersonen so erheblich voneinander abweichen. 4. Angabe der sich aus der Vergleichsrechnung ergebenden Gesamtdisparitätssumme, unter Berücksichtigung des § 4 Buchstaben a, b und c des Landwirtschaftsgesetzes. Bonn, den 22. Februar 1961 Mauk Walter Sander Lenz (Trossingen) und Fraktion Anlage 8 Umdruck 775 Antrag der Fraktion der FDP zur Beratung des Berichts der Bundesregierung über die Lage der Landwirtschaft gemäß §§ 4 und 5 des Landwirtschaftsgesetzes (Drucksachen 2400, zu 2400). Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird ersucht, 1. im Grünen Plan nur diejenigen finanziellen Leistungen des Bundes aufzuführen, die unmittelbar und kurzfristig zur Verbesserung der Einkommenslage der Landwirtschaft beitragen; 2. aus dem Grünen Plan alle die finanziellen Leistungen auszugliedern, die a) im wesentlichen die Verbrauchssphäre oder die Allgemeinheit betreffen, b) Stadt und Land gleichermaßen dienen, c) schon immer allgemeine Staatsaufgaben sind z. B. besondere Regionalprogramme wie Küstenplan und dergleichen sowie langfristige Strukturmaßnahmen zur Vorbereitung der Landwirtschaft auf die EWG, Meliorationen usw. Bonn, den 22. Februar 1961 Mauk Walter Sander Lenz (Trossingen) und Fraktion Anlage 9 Umdruck 776 Antrag der Fraktion der FDP zur Beratung des Berichts der Bundesregierung über die Lage der Landwirtschaft gemäß §§ 4 und 5 des Landwirtschaftsgesetzes (Drucksachen 2400, zu 2400). Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird erneut aufgefordert, spätestens bis zum 1. Mai 1961 zu untersuchen und dem Deutschen Bundestag zu berichten, wie sich unter Berücksichtigung der Lage und der Struktur der 'deutschen Landwirtschaft sowie der durch den EWG-Vertrag übernommenen Verpflichtungen der deutschen Landwirtschaft die Übernahme einer Agrarpolitik auswirken würde, wie sie z. B. in England (System garantierter Mindestpreis) durchgeführt wird. Bonn, den 22. Februar 1961 Mauk Walter Sander Lenz (Trossingen) und Fraktion Anlage 10 Umdruck 777 Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/ CSU zur Beratung des Berichts der Bundesregierung über die Lage der Landwirtschaft gemäß den §§ 4 und 5 des Landwirtschaftsgesetzes (Drucksachen 2400, zu 2400). Der Bundestag wolle beschließen: Der Bundestag nimmt die Erklärung der Bundesregierung sowie ihren Bericht über die Lage der Landwirtschaft gemäß den §§ 4 und 5 des Landwirtschaftsgesetzes zur Kenntnis. Er erkennt an, daß die Bundesregierung trotz der durch die Umstellung des Haushaltsjahres bedingten Schwierigkeiten die gemäß § 6 des Landwirtschaftsgesetzes vorgesehenen Maßnahmen frühzei- 8288 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 146. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Februar 1961 tig in Form einer Ergänzungsvorlage zum Haushaltsplan 1961 vorbereitet hat, so daß eine Verzögerung in der Fortführung der Maßnahmen der Grünen Pläne infolge der Vorverlegung des Beginns des Haushaltsjahres vermieden wurde. Er begrüßt es, daß der Ergänzungshaushalt Grüner Plan 1961 der Entschließung des Bundestages vom 11. März 1960 zum Bericht der Bundesregierung über die Lage der Landwirtschaft durch besondere Maßnahmen zugunsten der von Natur aus benachteiligten Gebiete entsprochen hat. 'Der Bundestag stimmt den im Grünen Plan 1961 vorgeschlagenen Maßnahmen, ebenso den zur Verbesserung der Lage der bäuerlichen Familienbetriebe vorgesehenen Maßnahmen mit einem Aufwand von 300 Mio DM im Grundsatz zu mit der Maßgabe, daß von den haushaltsrechtlichen Möglichkeiten der Austauschbarkeit innerhalb der einzelnen Positionen ein den fachlichen Bedürfnissen entsprechender Gebrauch gemacht wird. Er erwartet, daß die Richtlinien zur Durchführung der vorgesehenen Maßnahmen, insbesondere für das 300 Mio DM umfassende Sonderprogramm im Benehmen mit den Ländern umgehend erlassen werden. Von den Ausführungen des Bundesernährungsministers für die künftig beabsichtigten Maßnahmen zur Verwirklichung des Landwirtschaftsgesetzes nimmt der Bundestag im Grundsatz zustimmend Kenntnis. Er ist der Auffassung, daß die günstige, nicht zu entbehrende Wirkung der Maßnahmen der bisherigen Grünen Pläne durch die allgemeine Wirtschaftspolitik, insbesondere durch die Handels-, Steuer-, Kredit- und Preispolitik gemäß § 1 des Landwirtschaftsgesetzes wirksamer unterstützt werden sollte. Bonn, den 23. Februar 1961 Dr. Krone und Fraktion Anlage 11 Umdruck 778 Entschließungsantrag der Fraktion der SPD zur Beratung des Berichts der Bundesregierung über die Lage der Landwirtschaft gemäß §§ 4 und 5 des Landwirtschaftsgesetzes (Drucksachen 2400, zu 2400) Der Bundestag wolle beschließen: Der Bundestag hat den Bericht der Bundesregierung über die Lage der Landwirtschaft zur Kenntnis genommen und festgestellt, daß im Wirtschaftsjahr 1959/60 eine Verschlechterung des Wirtschaftsergebnisses der landwirtschaftlichen Betriebe eingetreten ist. Für die Mehrzahl der landwirtschaftlichen Betriebe sind die im Landwirtschaftsgesetz festgelegten Ziele noch nicht erreicht. Der Bundestag stimmt daher dem von der Bundesregierung vorgeschlagenen Grünen Plan 1961 im Grundsatz mit der Maßgabe zu, daß die Mittel innerhalb der einzelnen Positionen austauschbar sind. Der Bundestag fordert die Bundesregierung auf, verstärkte Anstrengungen zur Erfüllung des im § 1 des Landwirtschaftsgesetzes erteilten Auftrages zu unternehmen. Bonn, den 23. Februar 1961 Ollenhauer und Fraktion
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    Rede von Heinrich Sander


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Man muß den enttäuschenden Grünen Bericht 1961 im Zusammenhang mit all seinen Vorgängern sehen und dementsprechend werten. Die klare Verlustbilanz für die Landwirtschaft ist zugleich der Beweis dafür, daß die Agrarpolitik, für die bekanntlich die CDU/CSU seit acht Jahren die alleinige Verantwortung trägt, völlig versagt hat. Im § 1 des Landwirtschaftsgesetzes hat das Hohe Haus als Ziel der Agrarpolitik festgelegt, daß „die Landwirtschaft mit den Mitteln der allgemeinen Wirtschafts- und Agrarpolitik — insbesondere der Handels-, Steuer-, Kredit- und Preispolitik —" an die Wohlstandsentwicklung in der Gesamtwirtschaft herangeführt werden soll. Heute an dieser Stelle geht es darum, darüber zu berichten.
    Nur rund 6 % der Testbetriebe konnten im letzten Wirtschaftsjahr eine mäßige Rentabilität herauswirtschaften, in Niedersachsen waren es sogar nur 3,5 %. Diese Tatsache beweist doch, daß wir von dem Ziele des Landwirtschaftsgesetzes weiter denn je entfernt sind. In diesem Hohen Hause ist auch heute wieder viel von Protektionismus, von Dirigismus und von Subventionen gesprochen worden, von Dingen, die uns Freien Demokraten gar nicht sympathisch sind. Der Bauer will keine Subventionen, er will keine Almosen. Daß das im Augenblick nicht zu ändern ist, ist eine Selbstverständlichkeit. Ich betone das ganz besonders, um nicht mißverstanden zu werden. Ich brauche Ihnen auch nicht zu sagen, wie es in anderen Ländern praktiziert wird. Wir Freien Demokraten fordern grundsätzlich die Eingliederung auch der Landwirtschaft als integrierenden Bestandteil der Gesamtwirtschaft in die soziale Marktwirtschaft.
    Dabei sind wir uns alle darüber klar, daß das von der Natur bestimmte Wachsen und Gedeihen auf den Äckern in einem langsameren Rhythmus läuft als Räder und Fließbänder der Industrie. Man kann eben den Acker nicht aufs Fließband setzen. Dieser grundsätzliche Unterschied zwischen der Landwirtschaft und der gewerblichen Wirtschaft bedingt eine gewisse Sonderbehandlung der Landwirtschaft, wie es dieses Hohe Haus wiederholt anerkannt hat, z. B. auch bei der Zustimmung zu den landwirtschaftlichen Marktordnungsgesetzen und nicht zuletzt im Landwirtschaftsgesetz.
    Wir meinen aber, daß die Wirtschaftspolitik der Bundesregierung auf diese Voraussetzungen wenig oder gar keine Rücksicht nimmt. Ich muß es angesichts des reichlich welken Grünen Berichts 1961 einmal klar aussprechen, daß es die Bundesregierung mit einer organischen Eingliederung der Landwirtschaft in die soziale Marktwirtschaft, d. h. mit einer Wirtschafts- und Konjunkturpolitik aus einem Guß, gar nicht ernst nimmt. Wenn zwei Bereiche zusammenwachsen sollen, muß man auf beiden Seiten nachhelfen. Wie mein Kollege Walter bereits nachwies, hat es die Landwirtschaft nicht daran fehlen lassen, ein Höchstmaß an Selbsthilfe bei der Rationalisierung ihrer Betriebe zu entwickeln. Die Produktivität je Arbeitskraft stieg innerhalb der letzten zehn Jahre um rund 120 %; das ist eine im Bereich der gesamten westdeutschen Wirtschaft einmalige Leistung. Dies hat auch der Herr Bundeswirtschaftsminister wiederholt öffentlich anerkannt.
    Es soll durchaus und auch dankbar bestätigt werden, daß die Grünen Pläne seit 1956 der landwirtschaftlichen Selbsthilfe manche kräftige Förderung gegeben haben. Aber mit Selbsthilfe, Rationalisierung und insbesondere mit der hier im Hause so oft gepriesenen Wunderdroge „Strukturverbesserung" allein ist es meines Erachtens und nach Ansicht meine politischen Freunde nicht zu schaffen. Die eigentliche Ursache des mit dem Grünen Bericht 1961 eindeutig nachgewiesenen Mißerfolges der amtlichen Agrarpolitik sehen wir Freien Demokraten darin, daß die Bundesregierung leider mit zweierlei Maß mißt, daß Agrarpolitik und Wirtschaftspolitik nicht synchronisiert sind. Einordnung der Landwirtschaft in die soziale Marktwirtschaft kann doch nur heißen, daß man den strukturell gesunden und ordnungsgemäß geführten bäuerlichen Betrieben das Recht auf einen solchen Preis zuerkennt, der Aufwand und Ertrag nach den Maßstäben des Landwirtschaftsgesetzes deckt. Denn dieser Grundsatz des kostendeckenden Preises wird in der gesamten übrigen Wirtschaft als selbstverständlich anerkannt. Wo sich der kostendeckende Preis im freien Wettbewerb nicht erreichen läßt, wird der Markt — geben wir es doch ehrlich zu! — teils von hoher Hand, teils auf Grund privater Vereinbarungen manipuliert, wobei die unsichtbaren und geräuschlosen Manipulationen manchmal viel stärker wirken als die der öffentlich eingetragenen Kartelle.
    Es ist eine unwiderlegbare Tatsache, daß auf diese Weise bei rund 80 % aller Umsätze in der gewerblichen Wirtschaft der Preis zum kostendeckenden Preis hin dirigiert wird. In der Landwirtschaft sind es bestenfalls 25 % der Umsätze, bei denen die Preise durch Marktordnungsgesetze fixiert sind. Reichlich drei Viertel der landwirtschaftlichen Umsätze vollziehen sich im Wettbewerb mit einer scharfen Auslandskonkurrenz, die bekanntlich zumeist auch noch mit Dumpingpreisen arbeitet. Also, meine Damen und Herren: 80 % aller gewerblichen Umsätze mit garantiert kostendeckenden Preisen, nur vielleicht ein Viertel aller landwirtschaftlichen Umsätze mit durch die Marktordnung gebundenen Preisen! Das ist die erste Disparität zwischen Agrarpolitik und Wirtschaftspolitik, die der Landwirtschaft den Anschluß an die allgemeine Wohlstandsentwicklung erschwert.
    Die Bundesregierung hätte wirklich einen besseren Bericht vorlegen können, wenn das Kanzlerversprechen in der Regierungserklärung vom September 1949 und in der Rhöndorfer Erklärung von 1951



    Sander
    gehalten woden wäre. Ich darf daraus, Herr Präsident, mit ihrer Genehmigung einige Sätze zitieren. Am 27. Februar 1951 hat der Herr Bundeskanzler in Rhöndorf unter anderem folgende Erklärung abgegeben:
    Das landwirtschaftliche Preisniveau, welches weitgehend durch innerwirtschaftliche und handelspolitische Maßnahmen beeinflußt werden kann, muß meiner Überzeugung nach in eine Parität zu den Preisen der übrigen Wirtschaft gebracht werden. Die Bundesregierung
    — so versprach der Bundeskanzler damals —
    wird alle geeigneten Maßnahmen treffen, um eine Preisentwicklung zu sichern, die den tatsächlichen Erzeugungskosten entspricht.
    Also . zweimal sicherte der Herr Bundeskanzler der Landwirtschaft den kostendeckenden Preis zu.
    Wenige Jahre später sagten allerdings die Landwirtschaftsminister — es soll kein Angriff gegen Sie sein, Herr Minister Schwarz —, dies sei eine Utopie. Leider verbietet es mir die Zeit, auf diese Dinge gründlich einzugehen; aber es ist wohl selbstverständlich, daß in vielen Ländern, nicht nur Europas, sondern auch außerhalb Europas der kostendeckende Preis erreicht wird. Ich bin gern bereit, zur Erörterung dieses Problems einmal einen kleinen Beitrag zu leisten.

    (Zuruf von der Mitte: Warten Sie doch, bis Sie Minister sind!)

    — Herr Bauknecht, entschuldigen Sie, kam das von Ihnen?

    (Abg. Bauknecht: Nein! — Zuruf von der Mitte: Der ist ganz unschuldig! — Heiterkeit. — Zuruf des Abg. Dr. Dr. h. c. Dresbach.)

    — Ich bedaure außerordentlich, daß Sie als der große Volkswirtschaftler sich nicht etwas weiter nach vorne setzen; aber ich hoffe, daß wir uns in einer gewissen Gemeinsamkeit der Auffassungen befinden, zumeist, was die Fragen der mittelständischen Wirtschaft betrifft.

    (Abg. Pelster: Wenn er Minister ist, kommt er vorne hin!)

    — Das glaube ich auch.
    Meine Damen und Herren, heute muß die Bundesregierung bekennen, daß die Agrardisparität noch größer geworden ist. Nach den Berechnungen der amtlichen Experten liegt das landwirtschaftliche Einkommen um etwa rund 27 % unter dem vergleichbarer Berufe. Wir sind der Meinung, daß die Disparität in Wirklichkeit noch größer ist, und können dies auch nachweisen. Mein Kollege Mauk wird das im einzelnen noch begründen.
    Meine Damen und Herren, es ist Ihnen bekannt, daß wir Freien Demokraten seinerzeit ein Landwirtschaftsgesetz mit zwingenderen Vorschriften vorgeschlagen hatten. Ich brauche nur das Wort „Preisindexvergleich" zu nennen. Wir stimmten dann diesem Kompromiß zu, weil wir damals wie wohl alle in diesem Hohen Hause glaubten, daß die Bundesregierung dieses Gesetz nach Treu und Glauben handhaben würde. Das geschah aber nicht. Das ist heute bewiesen und führte zu der jetzt vollauf berechtigten Unruhe in der Landwirtschaft, die man mit kleinen Geschenken des sogenannten einmaligen Zusatzprogramms aus diesem Grünen Plan nicht beseitigen kann.
    Die Entschließung des Deutschen Bauernverbandes vom Januar, welche feststellte, daß das Landwirtschaftsgesetz von der Bundesregierung bewußt nicht erfüllt wurde, entspricht leider voll und ganz den Tatsachen. Ich sagte Ihnen, daß wir Freien Demokraten hier in absoluter Übereinstimmung mit den maßgeblichen Sprechern des landwirtschaftlichen Berufsstandes und nicht zuletzt mit dem Herrn Präsidenten des Deutschen Bauernverbandes, Rehwinkel, den Agrarsektor in die soziale Marktwirtschaft organisch eingebaut haben wollen. Meine Damen und Herren, hier ist nicht das Wirtschaftssystem, sondern die Wirtschaftspolitik dieser Bundesregierung schlecht gewesen.

    (Abg. Pelster: Nicht so wüst! — Heiterkeit.)

    Daß die Bundesregierung überhaupt ein gesamtwirtschaftliches Konzept hat, wage ich heute auf Grund dieser Tatsachen zu bestreiten, und ich glaube hier keinen besseren Kronzeugen als den Herrn Bundesbankpräsidenten Dr. Blessing anführen zu können.
    Die Bundesregierung duldet Auswüchse der Marktwirtschaft, die das verpflichtende Beiwort „sozial" entwerten. Ein Musterbeispiel dafür ist doch die Konjunkturentwicklung der letzten Jahre. Das Bruttosozialprodukt der Bundesrepublik konnte bis Ende 1960 auf rund 276 Milliarden DM gesteigert werden. Das bedeutet eine Verdreifachung der Wertschöpfung der westdeutschen Wutschaft innerhalb von 11 Jahren, eine Mengenkonjunktur von einem Ausmaß, wie sie damals, ich glaube, kaum einer in diesem Hohen Hause beim Start zum Wiederaufbau mit einer neuen Währung für möglich hielt. Sicherlich hat die Landwirtschaft auch hieraus einen gewissen Nutzen gehabt; denn mit steigendem Masseneinkommen wuchs die Aufnahmefähigkeit des Konsums, besonders für Veredelungsprodukte.
    Der weitaus größte Vorteil jedoch floß durch die Handelspolitik der Bundesregierung dem Ausland zu. Mit steigenden Importen über den echten Bedarf hinaus wurde die konjunkturell mögliche Annäherung an kostendeckende Preise, d. h. die Erfüllung des zweimaligen Kanzlerversprechens, vernachlässigt. „Handelspolitische Sündenfälle" sagte dazu vor einiger Zeit mit dankenswerter Offenheit der Staatssekretär Dr. Sonnemann aus dem Bundesernährungsministerium.
    Ich erinnere an dieser Stelle an den importierten Butterberg. Ich glaube, daß Sie, Herr Minister Schwarz — ich sage es ganz offen —, im vorigen Jahr über die Dinge genau Bescheid wußten. Es ist aber eine Tatsache, daß dann — hier muß ich es ganz offen sagen, von seiten der SPD gefordert — Buttermengen importiert wurden, die der Landwirtschaft im letzten Jahr einen ungeheuren Schaden zugefügt haben.

    (Zustimmung in der Mitte.)




    Sander
    Durch diese verkehrte Importpolitik hat die Landwirtschaft im Jahre 1960 mindestens 400 Millionen DM Einnahmeverluste gehabt. Es ist bekannt, daß der Butterpreis auf den Stand von 1950 und 1952 abgesunken ist.
    Ich erinnere weiter daran, daß der Zuckerüberschuß, den wir heute haben, unnötigerweise importiert worden ist. Ich bedauere außerordentlich, daß man diese Probleme nicht früh genug erkannt hat, obwohl darauf frühzeitig hingewiesen worden ist. Es ist bedauerlich, daß der Zuckerrübenanbau in Deutschland eingeschränkt werden muß. Ich bin der Ansicht, man sollte hier im Augenblick mit Mitteln des Staates dafür sorgen, daß keine Einschränkung des Zuckerrübenanbaus eintritt. Denn wir wissen noch nicht, wie die Ernten in den kommenden Jahren aussehen werden.
    Ich will hier nicht auf den importierten Weizenüberschuß und auf all die Dinge eingehen. Wir werden in einer Europadebatte und bei der Beratung des Haushaltsplans besser als heute Gelegenheit haben, über diese Dinge zu diskutieren. Ich bedaure sehr, daß diese Debatte wiederum an einem Freitag stattfindet — man hat es ja bewußt so eingerichtet —, also an einem Tag, an dem das Haus nicht so besetzt ist, wie es im Interesse der Landwirtschaft wünschenswert wäre. Aber ich nehme an, daß die Besetzung bei der Europadebatte wesentlich besser sein wird.
    Ich sprach soeben von den überspitzten Importen, den um einige Prozent zu hohen Importen, die man vorgenommen hat. Andererseits begünstigte die Bundesregierung, besonders in der Großindustrie und im Export mit nachweisbar Dutzenden von Milliarden an sogenannten Förderungshilfen, die man in diesem Hause doch endlich einmal offen als Subventionen bezeichnen sollte, die Bildung von Konjunkturgewinnen in einem gesamtwirtschaftlich unerwünschten, ja schädlichen Übermaß. Auch hier kann als Kronzeuge der Herr Bundesbankpräsident genannt werden.
    Mengenkonjunktur und Rationalisierung hätten der Industrie durchaus einen Konjunkturbonus für ihre Abnehmer, d. h. eine Preissenkung erlaubt. Es wäre besser gewesen, wenn man seinerzeit ein Drittel für Investitionen, ein Drittel für Lohnerhöhungen und ein Drittel für Preissenkungen verwandt hätte.

    (Abg. Sckmücker: Zu welcher Partei gehört der eigentlich? — Heiterkeit bei der CDU/CSU.)

    — Herr Schmücker, vielleicht stellen Sie Fragen! Ich stehe Ihnen gerne zur Verfügung.

    (Abg. Schmücker: Ich bin sehr erstaunt, daß Sie so etwas in Übereinstimmung mit den Wirtschaftspolitikern der FDP sagen!)

    — Ich spreche hier als Politiker der FDP. Sie wissen ganz genau, daß Sie auch in Ihren Reihen Politiker mit dieser und jener Auffassung haben. Gott sei Dank haben wir noch keine Uniformierung der Ansichten.
    Ich sprach von dem Konjunkturbonus der Großindustrie. Ich gebe zu, daß in manchen Branchen eine Preissenkung stattgefunden hat. Aber diese Bereiche — hören Sie gut zu, Herr Schmücker — unterliegen auch einem scharfen Wettbewerb, und es ist bezeichnend, daß es sich wiederum vorwiegend um Bereiche handelt, in denen die mittelständische Wirtschaft beheimatet ist. Die Großindustrie hat sich bis zum heutigen Tag mit Erfolg dagegen gewehrt, ihre überhöhten Konjunktur- und Rationalisierungsgewinne über Preissenkungen an die Verbraucher weiterzugeben und damit zur Stabilisierung der Kaufkraft unserer Währung beizutragen. Die gefährliche Kehrseite dieser Konjunkturpolitik des Laisser faire, laisser aller ist doch, daß die Kaufkraft der D-Mark allein in den letzten sechs Jahren rund 16 % verloren hat. Daran konnten auch die Seelenmassagen des Herrn Bundeswirtschaftsministers nichts ändern. Dieser Kaufkraftverlust und das besorgniserregende Übermaß der Konjunktur in den entscheidenden Branchen sind nicht zuletzt die Folgen einer Exportförderung um jeden Preis und einer großzügigen Steuererleichterung sowie der Abschreibungsmöglichkeiten speziell in der Großindustrie. Selbstverständlich war das für uns in den Startjahren nach 1950 zweckmäßig, aber es wurde doch über die Zeit hinaus beibehalten und erlaubt heute den Sonnenkindern der Konjunktur übermäßige Gewinne auf Kosten der Gesamtwirtschaft. Die Steuerpolitik der Bundesregierung schafft einen künstlichen Zwang zu Investitionen, trägt daher entscheidend dazu bei, die Lohn-Preis-Spirale in Bewegung zu halten.
    In die Landwirtschaft aber schlägt diese Entwicklung hinein mit alljährlich steigenden Preisen für Betriebsmittel. Das Preisniveau für landwirtschaftliche Betriebsmittel stieg z. B. seit 1950 bis Ende 1960 um 38 %, während die Erzeugerpreise nur um 23 % nachziehen durften. Im Jahr der Überkonjunktur, von Dezember 1959 bis Dezember 1960, hatten wir sogar eine Verminderung um 11 %.
    Herr Präsident, ich darf nun wohl auch mit Ihrer Zustimmung ein kleines Zitat aus dem Tätigkeitsbericht der Bundesbank auszugsweise vorlesen. Die Deutsche Bundesbank geht in ihrem Jahresbericht erstmals ausführlich auf die Entwicklung unserer Landwirtschaft ein und würdigt deren hohe Produktions- und Produktivitätsleistung. Die Grundlage dieser Leistung der Landwirtschaft — so schreibt das Institut —
    bildet eine überraschend erfolgreiche Rationalisierung mit Hilfe der fortschreitenden Mechanisierung und anderer Verbesserungen- des Produktionsprozesses.
    In den letzten fünf Jahren habe sich die Produktion der Landwirtschaft um 16 % erhöht. Gleichzeitig sei jedoch die Zahl der Erwerbstätigen um 16 % zurückgegangen, was zu einer Steigerung der Produktion je Arbeitskraft um 38% geführt habe. Der Bericht sagt weiter:
    Der Produktivitätszuwachs in der Landwirtschaft war damit erheblich höher als in der übrigen Wirtschaft.



    Sander
    Meine Damen und Herren, ich glaube, diesen Bericht der Bundesbank in diesem Hohen Hause einmal gebührend herauszustellen, ist wohl für uns alle, die wir uns um die Zukunft nicht allein der Landwirtschaft, sondern der Gesamtwirtschaft große Sorgen machen, wichtig.
    Mir scheint aber ein fast eisener Grundsatz der Wirtschaftspolitik der Bundesregierung zu sein, das Agrarpreisniveau künstlich niedrig zu halten, damit die Landwirtschaft den Billigmacher für den Preis- und Lohnauftrieb in der gewerblichen Wirtschaft spielt. Mit Recht ist die Landwirtschaft darüber empört, daß, wie es in den amtlichen Konjunkturberichten mit größter Selbstverständlichkeit heißt, bei den Lebenshaltungskosten die Verteuerung der Konsumgüter und Dienstleistungen durch niedrigere Agrarpreise ausgeglichen wurde. Meine Damen und Herren, das alles können wir doch überall nachlesen. Wir haben doch die Berichte aus dem Wirtschaftsministerium bekommen. Daß das die Bauern nicht als selbstverständlich hinnehmen, ist klar. Man kann die Landwirtschaft nicht, wie es heute geschieht, als die Feuerwehr für die konjunkturellen Überspitzungen in der gesamten gewerblichen Wirtschaft ansehen.
    Man wird unsere Kritik an der Wirtschaftspolitik dieser Bundesregierung nicht mit dem üblichen Schlagwort „Klagelied der Bauern" abtun können. Es ist heute schon soviel darüber gesprochen worden, und es wurde auch nach der und der Seite gesagt, daß viele Fehler gemacht worden seien. Es wird gut sein, wenn wir das auch zugeben. Überall sind doch in der Beurteilung der Landwirtschaft grundsätzliche Fehler begangen worden, und wenn es uns gelingt, auf Grund der — ich wage es hier offen auszusprechen — wirklich katastrophalen Lage in der Landwirtschaft eine Änderung herbeizuführen, können wir uns, glaube ich, alle im Interesse der Gesamtheit beglückwünschen. Es ist doch so, daß die Warnungen und Ermahnungen des Herrn Präsidenten Rehwinkel, den ich vorhin schon einmal erwähnt habe, aus dem gesamten Bereich der mittelständischen Wirtschaft bis hinein in die breite Zone der mittelständischen Industrie, heute volles Verständnis finden.
    Es ist nicht von ungefähr, daß vor einigen Wochen in einer führenden Zeitschrift, der „Deutschen Kreditwirtschaft", behauptet wurde, die deutsche Landwirtschaft verhindere eine Erhöhung der Einfuhren und erschwere damit den Abbau des Zahlungsbilanzüberflusses. Jeder, der lesen kann, wird sich an Hand der amtlichen Außenhandelsstatistik überzeugen können, daß die Agrarimporte Jahr für Jahr großzügig gesteigert wurden und praktisch weit über den echten Bedarf hinausgehen. Trotzdem geht der seltsame Kritiker in der genannten Zeitschrift sogar so weit, der Agrarpolitik eine Gefährdung der Währung vorzuwerfen. Er verstieg sich so ungefähr zu der Behauptung, die Landwirtschaft sei ja bekanntlich chronisch krank und könne nur noch mit künstlichen Subventionsspritzen am Leben gehalten werden. Sie drohe die ganze Wirtschaft, insbesondere die Währung, ebenfalls krank zu machen.
    Das ist wirklich eine Rekordleistung an Unkenntnis, um noch bei einem parlamentsfähigen Ausdruck zu bleiben. Aber solche Empfehlungen, die darauf hinauslaufen, einen möglichst großen Teil der deutschen Landwirtschaft aufzuforsten und den Rest in recht großen Betriebseinheiten weiterzuführen, hört man leider heute sehr oft in vielen Kreisen, und, wie ich einmal feststellen muß, man hört leider solche Empfehlungen sehr oft von den Kreisen, die noch niemals einen Einblick in die Praxis der Landwirtschaft hatten. Auch sind in der letzten Zeit Ausführungen einiger Professoren an unsere Ohren gedrungen, die ich für sehr gefährlich halte. Ich kann mir denken, daß auch ein Herr Professor Niehaus inzwischen gemerkt haben wird, daß man so keine Politik auf weite Sicht durchziehen kann, ohne der Gesamtpolitik in Europa zu schaden.
    Meine Damen und Herren, ich sprach soeben von einem sogenannten bekannten Nationalökonomen, der diese Worte schrieb. Es ist bedauerlich, daß man aus diesen Kreisen, denen man gemeinhin eine große Wirtschafts- und Finanzweisheit zuschreiben müßte, solche Sätze hört. Eine solche Eisenbartkur würde doch bedeuten, daß wir einem mehr oder minder großen Teil des Bauernstandes, der von der Bundesregierung 1949 und auch später noch als sehr notwendiger Stabilisator und als sehr notwendiger Starthelfer für die Gesamtwirtschaft anerkannt wurde, jetzt, nachdem man ihn bewußt hat krank werden lassen, gewissermaßen den Gnadenstoß geben. Sollte dies auch die Meinung des Herrn Bundeskanzlers und einiger Mitglieder des Wirtschaftskabinetts sein, so würde ich wegen der Zukunft unserer Politik größte Sorgen und Bedenken haben. Ich muß hier feststellen, daß wir schon einen gefährlichen Weg in Richtung auf eine Auszehrung der Ernährungskraft unseres Volkes gegangen sind. Die Abgabe von 1,3 Million Vollarbeitskräften seit 1950 an die gewerbliche Wirtschaft hat zur Folge gehabt, daß in vielen Betrieben das technisch und menschlich verantwortliche Maß schon unterschritten worden ist. Das hat auch der Herr Bundeslandwirtschaftsminister in seinem mündlichen Bericht zugeben müssen; ich bin ihm dafür sehr dankbar.
    Da ich selber kleiner Bauer bin, muß ich mich hier ganz energisch gegen etwas verwahren, was Sie, Frau Strobel, gesagt haben. Die größeren Betriebe — ich weiß nicht, was für Sie groß und klein ist; das ist bekanntlich relativ — haben ihren Landarbeitern ohne weiteres den Lohn gegeben, der ihnen zustand. Seien Sie überzeugt, daß sie dazu auch nach wie vor bereit sind. Wir alle, auch wir, die wir ein oder zwei Arbeitskräfte beschäftigen, wollen den Arbeitskräften gern den Lohn zahlen, der ihnen zusteht und den sie in der Industrie erhalten würden. Man sollte der deutschen Landwirtschaft aber endlich auch die Möglichkeit geben, über einen kostendeckenden Preis diese Löhne bezahlen zu können.

    (Zustimmung bei der FDP.)

    Gestatten Sie mir, um dies noch einmal deutlicher zu machen, einige Daten aus meiner niedersächsischen Heimat anzuführen. Was heute im deutschen Blätterwald immer noch von dem sogenannten



    Sander
    Überschuß an Arbeitskräften in der Landwirtschaft behauptet wird, beruht entweder auf Unkenntnis oder stellt eine bewußte Verhöhung dar. So müssen es jedenfalls die Bauern empfinden. Nach den vorläufigen Ergebnissen der landwirtschaftlichen Betriebszählung 1960 ist die Zahl der in der niedersächsischen Landwirtschaft vollbeschäftigten Personen gegenüber der letzten Zählung 1949 um 36 % d. h. von 955 000 auf 612 000 Personen zurückgegangen. Und nun kommt das Bedenkliche unserer Wirtschaftspolitik der letzten zwei Jahre. Aus einer Repräsentativerhebung geht hervor, daß die Abwanderung der Arbeitskräfte aus der niedersächsischen Landwirtschaft in den letzten Jahren besonders stark war. Die Zahl der ständig beschäftigten Arbeitskräfte ging allein in der Zeit von 1958 bis 1960 weiter um annähernd ein Drittel zurück. Interessant ist dabei — verehrte Frau Strobel, entschuldigen Sie, wenn ich Sie ansprechen muß —, daß besonders die Familienbetriebe, d. h. die bäuerlichen Betriebe, die wir nicht nur in Deutschland, sondern auch innerhalb der EWG fördern wollen, mit einer landwirtschaftlichen Nutzfläche von 80 bis 200 Morgen stark betroffen sind. Sie haben doppelt soviel Arbeitskräfte verloren wie die — nach Ihrer Meinung so zu bezeichnenden — Großbetriebe über 50 Hektar.
    Wegen der hohen Industrielöhne müssen uns die Arbeitskräfte abwandern. Wir können auf sie aber nicht verzichten. Bedenklich ist auch, daß schon heute unsere bestens ausgebildeten Söhne und Töchter — Sie, Herr Dr. Pflaumenbaum kennen ja die Verhältnisse in Uelzen und den umliegenden Kreisen sehr genau — bei dieser bewußten Unterbewertung der Bauernarbeit nicht mehr gewillt sind, den Hof anzunehmen bzw. das schwere Los einer Bäuerin auf sich zu nehmen.
    Die durch den Verlust der Arbeitskräfte den Betrieben aufgezwungene Mechanisierung hat die Schuldenlast sprunghaft steigen lassen. In meiner niedersächsischen Heimat war am Stichtag 30. Juni 1960 eine durchschnittliche Verschuldung von 1140 DM je Hektar festzustellen. Und nun, meine Damen und Herren, ist es wieder sehr interessant, daß die Hackfruchtbetriebe, die hier in diesem Hohen Hause so oft als sich besonders gut rentierend bezeichnet werden, bei uns in Niedersachsen mit 1500 DM je Hektar verschuldet sind. In den Mitteilungen des niedersächsischen Ministeriums gibt Herr Minister Kubel ja auch mit Recht zu, daß die Verschuldung jetzt allmählich in vielen Betrieben den Einheitswert erreicht, ja weit überschritten habe. Er erklärt ganz offen: Im letzten Jahr betrug die Neuverschuldung 14%. Hier, Herr Minister Schwarz, kann ich nun allerdings Ihren Optimismus, daß die Einnahmen für das laufende Wirtschaftsjahr, d. h. das Jahr vom 1. Juli 1960 bis 30. Juni 1961, sich verbessern würden, nicht teilen, zumindest was die Länder Schleswig-Holstein und Niedersachsen betrifft. Ich bin fest davon überzeugt, daß infolge der schlechten Kartoffelpreise, der verspäteten Bezahlung der Zuckerrüben, der Witterungsschäden bei der letzten Getreideernte eine weitere Verschuldung unabwendbar ist. Die Verschuldung ist deshalb so bedenklich, weil es sich meist um kurz- und mittelfristige Kredite mit relativ hohen Zinssätzen handelt. Es ist auch nicht so — ich wollte, es wäre so! —, verehrter Herr Kollege Bauknecht, daß wir sie der Landwirtschaft schon mit 5 und 5 1/2 % geben könnten.

    (Abg. Bauknecht: Ich meinte die verbilligten!)

    — Herzlichen Dank, Herr Bauknecht. Wir alle, die wir in der Wirtschaft stehen, wissen, daß diese starke Verschuldung und diese hohen Zinssätze mit die Hauptbelastungen in der Landwirtschaft sind.
    Ich muß die 'bittere Feststellung treffen, 'daß der Investitionsantrag der FDP - die vor Jahren schon einen billigen Zinssatz gefordert hat — noch heute in der Schublade liegt. Ich will hoffen, daß sich dies ändert und man recht bald analog der Zinsverbilligung in anderen europäischen Ländern und auch in Amerika hier einen Zinssatz von 2 bis 2 1/2% für die gesamte Landwirtschaft ermöglicht.
    Das ist nun leider — ich betone: leider — das wahre Bild von der Lage -der Landwirtschaft und von der Disparität der Agrar- und der Wirtschaftspolitik.
    Daß jetzt selbst aus jenen bäuerlichen Kreisen — meine Damen mid Herren, nehmen Sie es nicht zu hart -, die, wie man bisher in der Regierung wähnte, unbedingt fest zur Parteifahne der Bundesregierung stehen 'würden, scharfe Proteste und eine berechtigte verbitterte Kritik an der amtlichen Politik laut werden, ist doch jedem verständlich, der um die Dinge weiß. Es ist doch nicht so, wie man sich immer noch innerhalb der Regierungskreise beruhigend zusichert. Daß diese Treuesten der Treuen — und das waren doch die Landwirte; sie sind es doch zu allen Zeiten mit all den mittelständischen Berufen und Arbeitern gewesen — sich jetzt betrogen fühlen, weil der Kanzler seine Zusagen im Verlauf einer nach unserer Ansicht nicht konsequent durchgeführten Wirtschaftspolitik im Rahmen einer sozialen Marktwirtschaft nicht gehalten hat, ist doch selbstverständlich.
    Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluß.

    (Zuruf von der CDU/CSU.)

    — Vielleicht haben Sie nachher Gelegenheit, bessere Gedanken dazu 'beizutragen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Aber kürzer, Herr Kollege!)

    Meine Fraktion fordert das gleiche Recht für alle Bereiche und insbesondere eine paritätische Wirtschaftspolitik zur Gesundung und Erhaltung der bäuerlichen Familienwirtschaft. Es muß endlich aufhören, daß die schwächeren Mitglieder unserer Wirtschaft und ganz besonders der Bauernstand weiterhin von einer Politik nach dem Gesetz der Ellbogenfreiheit und des Rechts des Stärkeren übervorteilt werden.

    (Beifall bei der FDP.)






Rede von Dr. Thomas Dehler
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Das Wort hat der Abgeordnete Logemann.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Fritz Logemann


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (DP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei der heutigen Aussprache ist mir eines aufgefallen, das gegenüber den Erörterungen, die wir bisher bei den „grünen Debatten" geführt haben, eigentlich neu ist, nämlich: daß wir uns anscheinend einer gemeinsamen Agrarpolitik der SPD und der CDU nähern. Diesen sanften Wind von links, diese weiche Welle haben wir bisher noch nicht gekannt.
    Noch eine andere Bemerkung vorweg. Ich habe die hier heute vorliegenden Anträge recht sorgfältig gelesen und dabei festgestellt, daß die darin enthaltenen Forderungen dem Parlament eigentlich schon seit Jahren vorliegen. Damit ergibt sich die Frage — und ich möchte sie vor allem an die Kollegen der CDU richten —, warum es bisher nicht möglich gewesen ist, die seit Jahren in diesen Anträgen gestellten Forderungen zu realisieren, obwohl eine Fraktion die Mehrheit dazu hatte. Meine Damen und Herren von der CDU, ich stelle diese Frage nicht, um in diese Auseinandersetzung irgendeine Polemik hereinzubringen. Aber draußen werden wir doch immer wieder gefragt: „Was ist denn nun mit dieser Riesenfraktion der CDU? Da hört man auf der einen Seite dauernd Kritik, und auf der andern Seite hören wir, daß die bäuerlichen Vertreter sehr fleißig Anträge einbringen."
    Meine Damen und Herren, ich möchte jetzt nicht in den Fehler verfallen, im einzelnen auf die Wirtschaftspolitik einzugehen; denn wir sollten uns wirklich bemühen, in dieser Debatte vor allem die Agrarpolitik zu behandeln. Aber ich darf in diesem Zusammenhang noch folgendes betonen. Ich mache Herrn Minister Schwarz nicht für das Wetter verantwortlich. Ich will hier keine Agrarpolitik mit dem Wetter betreiben. Trotzdem mache ich den Minister für einiges verantwortlich, was auch im letzten Jahre unter seiner Amtsführung zu Beanstandungen Anlaß gegeben hat. Wenn man hier schon, wie es vorhin geschehen ist, Kritik an der Wirtschafts- und Agrarpolitik übt, dann sollte man dabei gerecht sein und nicht nur an dem Wirtschaftsminister Erhard, an dem Finanzminister Etzel und an anderen Kritik üben, sondern auch nicht vergessen, daß der Herr Bundeskanzler die Richtlinien der Politik bestimmt. Bei einer solchen Kritik kommt man nicht an dem Herrn Bundeskanzler vorbei. Sein Paritätsversprechen von Rhöndorf ist von verschiedenen Seiten schon erwähnt worden. Es liegt etwa zehn Jahre zurück, aber es war damals in der Tat so, daß uns der Bundeskanzler eine ganz klare und, wie er sagte, vorher schriftlich formulierte Zusage gegeben hat. Wenn ich nun diese Zusage mit der Entschließung des Deutschen Bauernverbandes vergleiche, dann ergibt sich doch ein erheblicher Gegensatz zwischen damals und heute.
    Zu dieser Entschließung des Bauernverbandes darf ich vielleicht noch sagen, daß es sich hier nicht um die Arbeit eines einzelnen Präsidenten handelt, sondern um eine Gemeinschaftsarbeit des Präsidiums, also auch der Präsidenten, die als CDU-Kollegen mit uns im Parlament tätig sind. Damals in Rhöndorf war der Bundeskanzler sehr agrarfreundlich. Der Bauer hat in der Zwischenzeit versucht, darauf zu vertrauen, und hat gepflügt. Aber wenn ich mir jetzt die Entschließung des Bauernverbandes ansehe, muß ich in der Tat feststellen, daß die Entwicklung der Agrarpolitik, die durch den damals agrarfreundlichen Bundeskanzler mit gestaltet worden ist, in Wirklichkeit agrarfeindlich verlaufen ist. Den Nachweis für die Richtigkeit dieser Behauptung zu führen, ist verhältnismäßig leicht. Ich möchte es nur kurz tun und zusammenfassend sagen: Trotz jahrelanger Bemühungen in der Agrarpolitik, trotz Landwirtschaftsgesetz, trotz Grüner Pläne ist es eben nicht gelungen, dem Bauern einen gerechten Lohn für seine in der Zwischenzeit laufend verbesserten Leistungen zu verschaffen.
    Ich möchte aber auch auf etwas anderes hinweisen, was für uns Bauern genauso besorgniserregend ist: daß wir bei diesem System der Agrarpolitik in der Öffentlichkeit immer mehr zu Subventionsempfängern abgestempelt werden. Dazu hat jetzt wiederum erheblich eine Aufstellung des Finanzministeriums beigetragen, eine Zusammenfassung der finanziellen Leistungen für die Landwirtschaft. Ich bedaure, daß dadurch wieder in der Öffentlichkeit der Eindruck entstanden ist, als sei die Landwirtschaft nur noch Subventionsempfänger. Ich bedaure aber auch sehr, Herr Minister Schwarz — das soll gleichzeitig eine Kritik sein —, daß Sie nicht den Mut hatten, nun in ähnlicher Form eine Zusammenfassung über die gesamte Disparität, den gesamten Lohnabstand der Landwirtschaft zu bringen. Aus Gründen der Optik wäre es für uns draußen viel günstiger, diese Zahl als Vergleichszahl genauso nennen zu können wie die Zusammenfassung der Leistungen für die Landwirtschaft, die vom Bundesfinanzministerium gegeben worden ist.
    Ebensosehr bedaure ich, Herr Minister Schwarz — und hier stehe ich im Widerspruch zu dem Kollegen Bading —, daß Sie auch nicht den Mut hatten, den Stundenlohnvergleich, der durch eine Entschließung des Parlaments verlangt worden ist, im Grünen Bericht mitaufzuführen. Ich finde, diese Unterlassungssünde wird sich in der Zukunft für die Landwirtschaft immer stärker rächen, weil alle Grünen Berichte und die gesamte Entwicklung nachweisen, daß einmal der Lohnabstand im landwirtschaftlichen Bereich immer größer wird, daß vor allen Dingen aber die Arbeitszeit der in der Landwirtschaft noch tätigen Menschen im Gegensatz zu der Entwicklung im industriellen und gewerblichen Bereich nicht kürzer, sondern von Jahr zu Jahr länger wird.
    Herr Minister, Sie haben sich kürzlich mit so warmem Herzen für die Bäuerin eingesetzt. Sicher, Sie wollen für Zwecke der Arbeitserleichterung für die Bäuerin 30 Millionen DM ansetzen, aber Sie hätten unseren Bäuerinnen einen noch viel besseren Dank abstatten können, wenn Sie endlich auch die Landfrauenarbeit in dem Grünen Bericht gerecht bewertet hätten, wenn Sie endlich den langen Arbeitstag gerecht bewertet hätten, den gerade die Landfrau



    Logemann
    draußen hat. Ich brauche das nicht näher auszuführen; darüber besteht wohl weitgehend Einigkeit.
    Das alles ist nicht geschehen. Daher gibt der Grüne Bericht ein viel günstigeres Bild und zeigt nicht, wie es in Wahrheit um die Landwirtschaft bestellt ist.
    Noch ein Wort zu den 300 Millionen DM, Herr Minister Schwarz, die Sie als Entwicklungshilfe für die Landwirtschaft bezeichnet haben. Sie haben auch noch geglaubt, darauf hinweisen zu müssen, daß, obwohl hier nun 300 Millionen DM nachbewilligt werden, doch der Zusammenhang zwischen Grünem Bericht und Grünem Plan gewahrt sei. Da bin ich allerdings völlig anderer Auffassung. Ich finde, daß gerade diese Nachbewilligung von 300 Millionen DM, die Sie hier vorschlagen mußten, ganz deutlich zeigt, daß der Zusammenhang nicht da ist. Wir bedauern das sehr. Sie haben damals den Grünen Plan vor dem Grünen Bericht vorgelegt. Wir haben seit Jahren vor einem solchen Vorgehen gewarnt und uns bemüht, den Grünen Bericht frühzeitiger zu bekommen. Die jetzige Entwicklung führt zu einer weiteren Verwirrung in der Öffentlichkeit. Es ist in der Tat so, daß in der Öffentlichkeit der Grüne Bericht gar nicht entsprechend bewertet wird, sondern nur noch die Vorschau, und daß dann draußen die Mittel, die wir in den Etat einsetzen, die Mittel des Grünen Plans und die Nachzahlung erörtert werden.
    Herr Minister Schwarz sprach in seiner Rede davon, daß die Mittel zur Stärkung der bäuerlichen Familienbetriebe eingesetzt werden sollten. Herr Minister, ich begrüße das durchaus. Wir haben uns seit Jahren darum bemüht. Aber heute muß ich wieder die Frage an Sie richten: Was stellen Sie sich denn unter diesem Leitbild „bäuerlicher Familienbetrieb" künftig vor? Welche Vorstellungen haben Sie davon? Ich habe mich seit langem durch Anträge darum bemüht, eine Antwort darauf zu bekommen; es ist mir bisher nicht gelungen.
    Als ich zum ersten Male davon hörte, daß nun 300 Millionen DM nachbewilligt werden sollen, fiel mir das Märchen aus Tausendundeiner Nacht ein. Ich habe mir so im stillen gedacht: Na also, der Herr Bundeskanzler hat das Zauberwort gesprochen: „Sesam öffne Dich!", es gibt jetzt etwas für die Landwirtschaft. — Es ist durchaus verständlich, Herr Minister Schwarz, daß Sie, als dieses Zauberwort gefallen war, mit in die Höhle gingen und versuchten, für die Landwirtschaft etwas herauszuholen. Die 300 Millionen DM sind ja nun bereitgestellt worden. Sie werden nicht der einzige sein, der etwas bekommt, sondern hier stehen noch verschiedene andere Dinge an. Ich habe das Gefühl, daß Herr Arbeits- und Sozialminister Blank noch am allereichlichsten beschenkt werden wird. Es ist gedacht an eine Erweiterung des Kindergeldes, an die Lohnfortzahlung, an eine Steuererleichterung für den Mittelstand. All das kommt noch dazu.
    Diese Rechnung enthält jedoch einen ganz großen Fehler, der sich an uns noch einmal rächen wird. Es ist — gerade in einem Wahljahr — leicht, solche Mittel einmal zu bewilligen. Aber es ist doch in der
    Tat so, und das sollten wir nicht übersehen, daß die Anforderungen an unseren Etat auch von außen her — die USA drängen ja zur Kasse — von Jahr zu Jahr größer werden und daß wir befürchten müssen, eines Tages die Mittel, die man der Landwirtschaft auf diese Weise — einmalige Nachbewilligungen -
    gibt, nicht mehr zur Verfügung zu haben. Wir Bauern sollten solche und ähnliche Methoden ablehnen. Sie sind letzten Endes doch nur Ausdruck einer Agrarpolitik des Improvisierens.
    Statt dessen sollten wir uns bemühen, endlich einmal den § 1 des Landwirtschaftsgesetzes ernst zu nehmen. Erfreulicherweise habe ich heute morgen feststellen können, daß es ein besonderes Anliegen gerade der SPD-Fraktion geworden ist — wenigstens sieht es nach dem Antrag so aus —, daß der § 1 des Landwirtschaftsgesetzes beachtet werde. Es ist wichtig, daß wir uns bemühen, gerade auf diese Vorschrift immer wieder zurückzukommen. Es geht doch in unserer Agrarpolitik um nicht mehr als darum, zu einer gerechten Entlohnung für den ordnungsgemäß geführten landwirtschaftlichen Betrieb zu kommen. Hier sind wir dem Gesetz bisher eben noch nicht gefolgt, wir haben es in der amtlichen Agrarpolitik nicht entsprechend angewendet. Und bitte, meine Damen und Herren, aus all dem resultiert doch die große Unruhe draußen im Landvolk.
    Nach meinen Feststellungen haben gerade auch die Stimmen prominenter Wissenschaftler — einer wurde hier schon zitiert — in den letzten Monaten und Jahren sehr stark zu dieser Unruhe beigetragen. Ich kann hierzu über die Schlagzeilen berichten, die anläßlich einer Tagung der Evangelischen Akademie draußen in den Bauernzeitungen und in den Kreiszeitungen standen. Da konnte man nach der Rede eines prominenten Professors etwa folgende Überschriften lesen: „Subventionen nur noch Sterbegeld für kleine Bauern", „Schluß mit der Schollenkleberei!", „Schluß mit einer falsch verstandenen Bauernromantik!".
    In diesem Zusammenhang aber auch noch ein Wort an die Kollegen von der SPD. Wir haben in der letzten Zeit noch einen Aufsatz von Herrn Professor Baade lesen können. In diesem Aufsatz steht geschrieben, daß - nach seiner, Professor Baades, Auffassung — die Landwirtschaft in den nächsten zehn Jahren noch etwa mit der Abwanderung von einer Million landwirtschaftlicher Arbeitskräfte zu rechnen habe. Meine Damen und Herren von der SPD, es wäre interessant, dazu von Ihrer Seite nachher noch eine Stellungnahme zu hören.
    Ich habe in den letzten Jahren in meinen Reden darauf hingewiesen, daß wir trotz Abwanderung der landwirtschaftlichen Arbeitskräfte; obwohl die Zahl der Menschen in der Landwirtschaft von Jahr zu Jahr geringer geworden ist, doch der Parität nicht nähergekommen sind. In Amerika hat dieses Rezept noch keineswegs zu einem Erfolg geführt. Obwohl dort die Menschen in noch viel stärkerem Umfang aus der Landwirtschaft weggegangen sind, ist die Parität keineswegs erreicht worden, sondern der Abstand ist größer denn je.



    Logemann
    All diese Tatsachen tragen zu der Unruhe bei. Die verstärkte Abwanderung von Menschen aus der Landwirtschaft überfordert unser Landvolk, überfordert vor allen Dingen die familieneigenen Arbeitskräfte in der Landwirtschaft.
    Gestatten Sie noch eine kurze Stellungnahme zu einigen Kernfragen der Agrarpolitik. Es ist wichtig, daß wir von der Bundesregerung endlich erfahren: Will denn die Bundesregierung angesichts der Entwicklung — EWG, Drittländer — wirklich eine eigene leistungsfähige Landwirtschaft? Will sie den Vorrang der eigenen Erzeugung bei der Versorgung unseres Volkes mit Nahrung sichern? Ich bin der Auffassung, daß eine Antwort auf eine solche Frage an sich nicht schwer sein dürfte. Wir wohnen im Herzen Europas. Es ist vielleicht bekannt, daß wir jeden Tag etwa 70 ha landwirtschaftlicher Nutzfläche für die industrielle oder städtebauliche Nutzung abgeben. Es ist wohl weiter bekannt, daß wir auch im letzten Jahr in der Bundesrepublik zusätzlich 400 000 Verbraucher hinzubekommen haben. Daher unsere Forderung: Vorrang der Eigenerzeugung in der Versorgung mit Nahrung. Aber ich habe immer wieder das Gefühl, daß führende Agrarpolitiker, besonders auf der linken Seite dieses Hauses, geradezu eine Angst vor der Selbstversorgung haben. Wir sollten uns heute morgen doch noch einmal in aller Deutlichkeit vom Landwirtschaftsminister sagen lassen, was angesichts der Entwicklung, in die wir jetzt hineingeraten, zu diesem Punkte gesagt werden muß.
    Erschütternd ist für mich im letzten Grünen Bericht, daß der Netto-Nahrungsanteil unserer heimischen Landwirtschaft am Gesamtverbrauch an Nahrung von 70 auf 66 v. H. zurückgegangen ist. Ich glaube, das kann man nicht allein mit schlechten Ernten begründen, sondern hier haben in der Tat die gestiegenen Einfuhren diesen Rückgang verursacht. Ebenso wichtig wäre es, daß uns endlich einmal klar gesagt würde, wann die Bundesregierung daran denkt, Mindestpreise und Abschöpfungssysteme einzuführen, wie es in anderen Ländern noch laufend geschieht. Die Anwort auf diese Frage, Herr Minister Schwarz, ist seit Jahren überfällig! Wenn Sie zu dieser eigenen Landwirtschaft und ihrem Produktionsraum ja sagen, haben Sie daraus auch die Konsequenzen zu ziehen.
    Ich möchte nicht mehr groß auf den Grünen Plan eingehehen, sondern nur noch einmal sagen, daß nach unserer Auffassung die Preispolitik entscheidend ist. Gerade hier beweisen die Versäumnisse der letzten Jahre, daß man mit Subventionen keinen Ausgleich schaffen kann. Die Landwirtschaft muß sich bemühen, wieder zu gerechten Preisen zu kommen. Diese gerechten Preise wären in vielen Fällen durch eine Rückgewinnung schon einmal erzielter Preise zu erreichen.
    Herr Minister, vielleicht darf ich doch eines zur Entwicklungshilfe für die Milchviehhaltung, wenn ich es so nennen darf, sagen. Ich möchte vor der Auffassung warnen, die neulich bei Ihnen anklang, daß die Milchprämie nach der Zahl der Kühe verteilt werden solle. Ich halte diesen Aufteilungsschlüssel nicht für gut. Es ist doch in der Tat so, daß die Futterkosten je Kuh auch in größeren Betrieben nicht niedriger sind als in den kleinen. Es ist auch nicht so, daß auf der größeren landwirtschaftlichen Nutzfläche weniger Regen niederkäme oder mehr Dürre hersrchte. Vielmehr sind gerade in den größeren Betrieben die Lohnkosten, also die Fremdlöhne, erheblich gestiegen, und sie werden weiter steigen. Sie sollten sich, Herr Minister, bemühen, die Milchprämie auf das Dauergrünland auszurichten. Es müßte nach einer Möglichkeit gesucht werden, diese Prämie an den Dauergrünlandanteil zu koppeln. Das scheint mir die gerechtere Lösung zu sein.
    Damit möchte ich meine Ausführungen zum Grünen Plan schließen. Ich darf nur noch einmal feststellen, daß auch der jetzige Grüne Bericht und auch die Vorausschau zeigen, daß die bisherigen agrarpolitischen Maßnahmen nicht ausreichen und nicht geeignet waren, die Zielsetzung des Landwirtschaftsgesetzes zu erfüllen. Die Erfüllung dieser Ziele wird dann möglich sein, wenn sich wirklich die Mehrheit, die wir in der Bonner Regierungspartei haben, eindeutig für diese Ziele eingesetzt haben wird. Die heutige Situation in der Landwirtschaft ist ja nicht schicksalsbedingt. Sie als Kollegen einer einzigen Partei könnten sie ändern. Meine Bitte zum Schluß ist vor allen Dingen an die Kollegen der CDU gerichtet; ich möchte sie auffordern: Lassen Sie künftig in der Agrarpolitik nicht alles beim alten!

    (Beifall rechts.)