Die Dezentralisation der Reichsbank hat gewisse Parallelerscheinungen und gewisse beispielhafte Vorgänge. Sie beruht
Dr. Lindenberg
ja nicht nur auf ,diesem einen Gesetz, ,das die Besatzungsmächte für die Reichsbank gemacht haben. Erinnern Sie sich ,daran, ,daß eine ähnliche Dezentralisation bei ,den Großbanken vorgenommen worden ist.
Dieser Grundsatz — Dezentralisation ging ,da-
hin, daß die Anteilseigner 'irgendeinen Nachteil durch die Dezentralisation nicht erleiden sollten. Dies war ,auch der Sinn der ausdrücklichen gesetzlichen Vorbehalte der sogenannten späteren Vermögensauseinandersetzung, in der wir uns jetzt befinden. Daher ist diese Vermögensauseinandersetzung nicht, wie ,die SPD meint, eine normale Ordnungsaufgabe der Liquidation; sie ist eine besondere, dem Gesetzgeber gestellte Aufgabe, die er natürlich nur nach Maßgabe des aus Anlaß der Währungsreform geschaffenen Umstellungsrechts durchführen konnte. Deshalb wird das Kapital auf 44 % per Währungsreform ,am 20. Juni 1948, um die aufgelaufenen Zinsen auf 662/3 % per 31. Dezember 1957 aufgestockt.
Weitermüssen die Anteilseigner nach dem Prinzip der Dezentralisation wieder Anteilsrechte an der vom Besatzungsgesetzgeber dezentralisierten und vom Bundesgesetzgeber inzwischen rezentralisierten Bundesbank erhalten, nach dem Regierungsentwurf in der Form von Bundesbankgenußrechten, ähnlich wie die Aktionäre der Großbanken wieder Aktien ,der neuen Nachfolgeinstitute erhalten haben.
Wegen des Wertes der Liquidationsrechte kann ich mich auf die sehr ausführlichen Darlegungen des Herrn Bundeswirtschaftsministers beziehen und brauche dazu keine weiteren Erklärungen abzugeben. Das Entscheidende ist dies: Die Reichsbank ist nicht, wie Herr Seume wieder betont hat, mit 7,8 Milliarden DM überschuldet. Zu ,dieser irrtümlichen Auffassung kann man nur gelangen, wenn man die Währungsreform mit einem Konkurs verwechselt. Wir können die Liquidation der Reichsbank aber nicht nach konkursrechtlichen Grundsätzen behandeln. Hier gilt vielmehr das für die Währungsreform geschaffene Umstellungsrecht. Hat denn die Opposition vergessen, daß alle Banken, insbesondere auch die Landeszentralbanken und die Bank deutscher Länder, durch die Währungsreform einen Passivüberhang hatten, der dann durch die Ausgleichsforderungen gegen die öffentliche Hand ausgeglichen wurde? Alle Unternehmen haben die Währungsreform durchlaufen müssen, die völlig abweichend von konkursrechtlichen Grundsätzen Forderungen und Schulden umwertete und zu einer daraus resultierenden Neubewertung von Kapitalanteilen führte.
Anders als im Konkurs haben die Aktionäre trotzdem die Substanz behalten. Ja, die Aktionäre sind sogar besser davon gekommen als die Gläubiger. Man mag diese Auswirkung der Währungsreform bedauern, sie entsprach ,aber ,den Vorschriften der damals geltenden Gesetze. Es wäre eine Verletzung des Gebots der Gleichbehandlung vor dem Gesetz, wenn die Reichsbankanteilseigner na ch anderen Prinzipien behandelt würden.
Dazu ist um so weniger Veranlassung, als bei der Reichsbankrestmasse als solcher, wenn man sie einmal isoliert von dem Schicksal der Nachfolgeinstitute betrachtet, die Dinge ganz offensichtlich zugunsten der Reichsbankanteilseigner liegen. Stellen Sie sich bitte vor, es wäre rechtlich und wirtschaftlich möglich, die Reichsbankrestmasse auszuliquidieren. Wäre das möglich, so wäre diese Reichsbankrestmasse trotz ihres Verlustes an Aktiven anläßlich der Dezentralisation immer noch aktiv.
Wenn die SPD glaubt, mit einer Abfindung von 10 bis 20 % auskommen zu können, weil sie von einer echten Liquidation ausgeht, dann möchte ich sie darauf aufmerksam machen, daß der Bund, wenn es zu einer echten Liquidation im Rahmen der allgemeinen Vorschriften käme, nicht 10 oder 20 % zahlen müßte, sondern daß der Bund dann angesichts der vorliegenden Aktivmasse verpflichtet wäre, 300 % für 100 RM zu zahlen.
— Das hängt natürlich mit der Dego zusammen, denn der Wert ,der Reichsbankaktien wird repräsentiert durch die Degoaktien.
Man kann also wirklich nicht von einer Pleite der Reichsbank sprechen, wie wir das aus den Reihen der Opposition immer wieder hören, auch heute. Natürlich verschwindet das Restvermögen der Reichsbank, wenn ihre Liquidationsmasse unter dem Zwang der Vermögensauseinandersetzung an den Bund abgeführt wird, der seinerseits in vollem Umfang Schuldner der 7,8 Milliarden DM Ausgleichsforderungen bleibt. Hierfür erwirbt aber die Reichsbank das Recht, eine eigene fiktive Umstellungsrechnung aufzumachen mit dem schon erwähnten Ergebnis, daß über ein zu errechnendes Kapital die Anteilseigner 44 % per Währungsreform bekommen.
Auf keinen Fall kann man aber sagen, daß der Passivüberhang der Landeszentralbanken ein handelsrechtliches oder gar konkursrechtliches Passivum der Reichsbank sei.
Ich möchte also nochmals ganz entschieden der These widersprechen, die heute hier aufgestellt worden ist, die Reichsbank sei mit 7,8 Milliarden DM überschuldet.
— Die Reichsbank hat ein Vermögen von 350 Millionen DM. Wenn Sie auf DM umstellen, ergibt sich keine Überschuldung, sondern es zeigt sich, daß die Reichsbank ein sehr positives Vermögen hat.
— Natürlich! Sie können es aber noch in der Bilanz aufführen und kommen zu einem Vermögen von 350 Millionen DM.
- Nein, das ist ein positiver Saldo. Aber bitte,
lassen Sie uns im Ausschuß noch einmal darüber
Dr. Lindenberg
sprechen. Ich hatte es nicht für richtig, daß wir das
Haus mit dieser Frage belasten.
Die Opposition hat weiter erklärt, es handele sich beim Reichsbank- und Dego-Liquidationsgesetz um eine rein politische Entscheidung, der jedoch eine entsprechende politische Begründung fehle. Natürlich handelt es sich um eine politische Entscheidung, um eine sehr weitgehende politische Entscheidung, und zwar eine solche, die eine sehr handfeste Begründung hat. Ich glaube, in diesem Punkt liegt überhaupt die Entscheidung, die wir aus politischer Sicht treffen müssen. Es hat gar keinen Sinn, sich in die Einzelheiten dieses Gesetzes zu vertiefen. Natürlich machen wir das im Ausschuß. Aber die politische Entscheidung, die hier vorliegt, betrifft einfach die Frage: Sollen wir die Reichsbank, die ein Nachzügler im Rahmen der Umstellung ist, anders behandeln, als wir sämtliche Unternehmungen — die Unternehmungen der- privaten Wirtschaft, Kreditinstitute und alle sonstigen Unternehmungen — im Rahmen der Währungsreform behandelt haben?
— Wir liquidieren ja erst hier! Das ist der Auftrag, den die Bundesregierung durch den Besatzungsgesetzgeber bekommen hat: die Reichsbank im Wege der Vermögensauseinandersetzung zu liquidieren.
Ich darf noch einmal auf das Kernproblem dieses Gesetzes zu sprechen kommen, auf den politischen Gehalt. Ich sehe ihn, um es nochmals zu wiederholen, darin, daß hier das Umstellungsrecht auf eine Gesellschaft angewendet werden muß, die, hätten wir sie 1948 oder 1949 liquidiert, genauso behandelt worden wäre wie jede andere Gesellschaft.
Ich bin dem Herrn Wirtschaftsminister sehr dankbar, daß er zur allgemeinen Begründung unseres Standpunktes darauf hingewiesen hat, daß die Anteile der Reichsbank, insbesondere die Reichsbankaktien, so wie sie in der Zeit vor 1948 bestanden haben, als echte Volksaktien bezeichnet werden konnten. Ich habe diesen Gedanken schon in der zweiten und dritten Lesung am 19. Mai 1960 zum Ausdruck gebracht. Ich freue mich, daß diese meine Auffassung von ,der Bundesregierung geteilt wird.
Schließlich noch ein Hinweis auf die Lösung des Reichsbankproblems in Verbindung mit der Dego. Voraussetzung für die Regelung der Dego ist die im Gesetz vorgesehene Übernahme der reichsbankeigenen Degoaktien auf den Bund. Es ist dann Aufgabe des Bundes, sich mit den freien Degoaktionären auseinanderzusetzen und zu einem Vergleich zu kommen. Dazu sind diese Degoaktionäre bereit. Aber es ist notwendig, daß zunächst einmal der Bund in den Besitz der Degoaktien kommt, und er hat Anspruch darauf, dieses Dego-Paket zu bekommen, weil er ja weiterhin im Rahmen der Bundesbank Schuldner der 7,8 Milliarden DM Ausgleichsforderungen bleibt. Er hätte natürlich saldieren können, hätte das Vermögen der Reichsbank von 350 Millionen DM mit den geschuldeten Ausgleichsforderungen aufrechnen können. Er ist den anderen
Weg gegangen; er übernimmt das Vermögen und
bleibt weiter Schuldner der Ausgleichsforderungen.
Infolge der jahrelangen Verzögerung des Reichsbankliquidationsgesetzes ist es bei den ausländischen Degoaktionären bereits zu einer starken Verstimmung gekommen. Ich kann hier die Worte des Herrn Bundeswirtschaftsministers nur unterstreichen. Ich stehe völlig auf dem Boden des Appells, den er an uns gerichtet hat, nunmehr mit der Verabschiedung des Reichsbank- und Degogesetzes die Voraussetzungen zu schaffen, unter denen zwischen dem Bund und den Degoaktionären ein klares Verhältnis begründet werden kann.
Noch ein Wort zu der Frage, ob die Reichsbank zur Vermögensabgabe im Rahmen des Lastenausgleichs herangezogen werden kann! Das ist eine sehr schwierige Frage, die sich auch bei den bei der Behandlung dieses Gesetzes anzustellenden Erörterungen nicht ohne weiteres beantworten läßt. Es wird Aufgabe der Regierung und des Lastenausgleichsausschusses sein, diese Frage zu prüfen. Dadurch brauchen in der Bearbeitung des vorliegenden Entwurfs keine Verzögerungen einzutreten.
Damit habe ich ganz kurz zu den Hauptargumenten der Opposition Stellung genommen; ich kann es dabei bewenden lassen. Die Opposition hat angekündigt, daß sie im Ausschuß ihre Argumente eingehend darlegen wolle; sie wünscht sogar, daß die Überschrift des Gesetzes geändert wird. Wir sehen dieser Ausschußarbeit mit Ruhe entgegen.
Ich beantrage, den Gesetzentwurf zur weiteren Behandlung an den Wirtschaftsausschuß zu überweisen.