Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte um Entschuldigung, wenn ich Ihre Zeit nochmals für einige Bemerkungen zu einer Rechtfertigung in Anspruch nehme. Ich nehme an, daß die Begründung des Herrn Ministers hinsichtlich der zeitlichen Beanspruchung durch dieses Gesetz auch für uns zutrifft.
Mit der „Rechtfertigung" meine ich zunächst folgendes. Ich habe durch meine Bemerkungen über die Broschüre bei der CDU-Fraktion einige Empörung ausgelöst.
— Ich hoffe, Herr Horn, ,daß Sie sich die Schrift einmal in Ruhe ansehen.
Ich bin seit 1924 sozialdemokratischer Funktionär in der Stadt Berlin. Jeder hier im Hause wird wissen, was die Sozialdemokratische Partei in der Auseinandersetzung mit dem Kommunismus in Berlin schon vor 1933 getan und geleistet hat. Da kommt mir nun eine Broschüre der Bundesregierung auf ,den Tisch, ,die als Überschrift die Worte trägt „Gegen den roten Funktionär". Wäre es nicht genauso einfach gewesen, wenn man geschrieben hätte „Gegen den kommunistischen Funktionär"? Herr
7934 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 139. Sitzung. Bonn. Freitag. den 20. Januar 1961
Mattick
Minister, Sie wissen ganz genau, daß Sie hiermit einige traditionelle Gefühle ansprechen.
— Sie tun dann immer so, als ob wir so etwas nicht sagen dürften.
In ,dem Vorwort des Herrn Ministers heißt es nach einer Einleitung: Die SPD hat sich damit leider festgelegt — sie hat nein gesagt — und will sich nicht mehr überzeugen lassen. — Nun hat auch die SPD überall, wo sie darüber gesprochen hat, gesagt: Wir sind bereit, über die Form zu reden, wie man gegen die kommunistischen Methoden vorgeht, und Wege zu suchen. Nein gesagt haben wir zu dem Grenzgesetz. — Es wird also in jedem Satz und in allem, was der Herr Minister hier schreibt, von vornherein die Differenz zur SPD aufgezeigt.
Der Herr Minister sagt dann weiter in dieser Schrift: „Auf diese und ähnliche Fragen will die vorliegende Schrift eine Antwort geben." Das heißt, daß sich der Herr Minister auch die Auswahl der Presseerklärungen und Erläuterungen in diesem Zusammenhang zu eigen macht. Er zitiert ausgerechnet das Blatt der Bundesregierung, die „Neue Zürcher Zeitung", wo man von FDGB-Aktivisten und SED-Aktivisten spricht und wo es dann heißt, daß sie unter Ausnützung ,der mancherorts herrschenden Sorglosigkeit und Naivität bei Betriebsräten — man weiß, wohin sie hauptsächlich gehören —, Ortsvereinen der SPD und Kommunalpolitikern vorsprächen. Da ist nicht ein Herr Horn oder sonst irgend jemand erwähnt; da ist niemand erwähnt, der in Leipzig dumme Reden gehalten hat. Der Herr Minister hat nur Dinge herausgesucht, die sich mit der Sozialdemokratischen Partei beschäftigen. Sie werden mir gestatten, daß ich das „Schlagseite" nenne und hier zum Ausdruck bringe, daß der Herr Minister nicht sorgfältig darauf geachtet hat, die Dinge so anzusprechen, wie sie nun einmal sind, sondern mit dieser Broschüre gleichzeitig einer sorglosen Öffentlichkeit kundtun wollte, daß die Gefahr bei den Gewerkschaften und bei der SPD liege.
Herr Minister, es tut mir leid, daß ich noch einmal auf die Zahlen zurückkommen muß. Die Zahlen stimmen mit denen überein, die das „Neue Deutschland" über einige Treffen bekanntgegeben hat. Das würde bedeuten — das ist für mich sehr erstaunlich —, daß das „Neue Deutschland" richtige Zahlen veröffentlicht. Und dann heißt es „Aus den Akten der Sicherheitsbehörden" — da kommt wieder, meine Damen und Herren, die Bemerkung —: ,,... Hier einige Beispiele von Veranstaltungen für Mitglieder der Gewerkschaften, für Mitglieder der SPD und für Jugendliche und Sportler:..."
Es ist immer der Versuch, ausgerechnet die Partei zu denunzieren, die — zumindest in den ersten Jahren, als es darauf ankam — in ganz Deutschland den Hauptwiderstand gegen die kommunistische Politik und Infiltration geleistet hat. Ich sage Ihnen noch einmal: zu einem guten Klima für eine gemeinsame Arbeit gehört, daß der Herr Minister von dieser Einseitigkeit der Broschüre Abstand nimmt. Das habe ich vorhin ausdrücken wollen. Ich wollte es jetzt noch einmal begründen.
Ich darf noch ein paar Bemerkungen zu den Ausführungen anschließen, die der Herr Minister jetzt gemacht hat. Er sprach von einer wehrhaften Demokratie und meinte, wenn ich es richtig verstanden habe, daß wir diese ablehnten, wenn wir das Gesetz ablehnen. Herr Minister, unter wehrhafter Demokratie verstehe ich etwas anderes. Ich verstehe durchaus, daß sich die Demokratie Gesetze schaffen muß, um den einzelnen Landes- und Hochverräter und politischen Gegner der Demokratie zu treffen. Aber die Wehrhaftigkeit einer Demokratie liegt nicht in der Gesetzgebung, hinter die sich die Bürgerschaft schlafmützig zurückzieht, sondern liegt darin, daß jeder einzelne Bürger gefestigt wird, um sich mit den Antidemokraten auseinanderzusetzen, wo immer sie auftreten.
Das haben wir in Berlin — das wird jeder zugeben müssen — durch unsere Politik erreicht, daß sich die Menschen dort auseinandersetzen.
— Aber bitte, gerne.