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ID0313902300

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    Deutscher Bundestag 139. Sitzung Bonn, den 20. Januar 1961 Inhalt Glückwünsche zum Geburtstag des Abg. Dr. Kohut . . . . . . . . . . . 3903 A Fragestunde (Drucksachen 2385, 2396) Frage des Abg. Kühn (Bonn) : Schutz der Düne in Bonn-Tannenbusch 7903 B Frage des Abg. Neumann: Akten des früheren Staatssekretärs Klopfer Schäffer, Bundesminister . 7903 D, 7904 A Neumann (SPD) . . . . 7903 D, 7904 A Frage des Abg. Dr. Bucher: Äußerung des Staatssekretärs Dr. Thedieck in der „Welt am Sonntag" Lemmer, Bundesminister . . . . 7904 A, D Dr. Bucher (FDP) 7904 C Mündlicher Bericht des Haushaltsausschusses über den Antrag des Bundesministers der Finanzen betr Entlastung der Bundesregierung wegen der Bundeshaushaltsrechnung für das Rechnungsjahr 1956 auf Grund der Bemerkungen des Bundesrechnungshofes (Drucksachen 1518, 2169) 7904 D Antrag betr. Schiffbarmachung der Lahn (Abg. Gontrum, Dr. Löhr, Dr. Reinhard, Worms, Dr. Martin u. Gen.); Schriftlicher Bericht des Verkehrsausschusses (Drucksachen 1374, 2323) Cramer (SPD) . . . . . . . . 7905 A Antrag betr. Abkommen über die einheitliche Auslegung der europäischen Verträge (Abg. Dr. Wahl, Dr. Harm, Dr. Mende u. Gen.); Mündlicher Bericht des Auswärt. Ausschusses (Drucksachen 1731, 2333) 7905 B Antrag betr. Zusatzprotokoll zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Abg. Dr. Wahl, Dr. Harm, Dr. Mende u. Gen.) (Drucksachen 1732, 2334) 7905 B Antrag des Bundesministers der Finanzen betr. Veräußerung der ehem. Deutschmeister-Kaserne (jetzt Caritaskrankenhaus) in Bad Mergentheim (Drucksache 2321) 7905 C Antrag des Bundesministers der Finanzen betr. Veräußerung eines bundeseigenen Teilgrundstücks des ehem. Flugplatzes Hamburg-Bahrenfeld (Drucksache 2363) 7905 C II Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 138. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. Januar 1961 Entschließungsantrag zur dritten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1960 (FDP) ; Schriftlicher Bericht des Ausschusses für den Lastenausgleich (Umdruck 536 [neu], Drucksache 2377) . . . . . 7905 D Interfraktioneller Antrag betr. Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse (Umdruck 731) 7905 D Entwurf eines Gesetzes über Einreise und Ausreise (Drucksache 2372) — Erste Beratung — Dr. Schröder, Bundesminister . . 7906 A, 7930 A Kühlthau (CDU/CSU) 7908 C Dr. Schäfer (SPD) . . . . . . . 7910 D Benda (CDU/CSU) . . . . . . . 7913 D Dr. Bucher (FDP) . . . . . . . 7918 A Mattick (SPD) . . . . 7920 C, 7933 D Dr. Dr. h. c. Friedensburg (CDU/CSU) 7924 A Dr. Will (FPD) . . . . . . . . 7927 A Dr. Kanka (CDU/CSU) . 7928 B, 7937 C Lemmer, Bundesminister . . . . . 7935 C Mischnick (FDP) . . . . . . . 7935 D Nächste Sitzung 7938 C Anlagen 7939 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 139. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Januar 1961 7903 139. Sitzung Bonn, den 20. Januar 1961 Stenographischer Bericht Beginn: 9.11 Uhr
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    Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete() beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Bazille 31. 1. Berberich 20. 1. Bergmann* 21. 1. Berkhan* 21. 1. Dr. Besold 20. 1. Frau Beyer (Frankfurt) 20. 1. Dr. Birrenbach ' 21. 1. Frau Blohm 20. 1. Dr. Bucerius 20. 1. Dr. Burgbacher * 21. 1. Caspers 31. 1. Dr. Conring 20. 1. Dr. Deist * 21. 1. Demmelmeier 20. 1. Deringer * 21. 1. Frau Döhring (Stuttgart) 31. 1. Dr. Dollinger 20. 1. Dowidat 20. 1. Drachsler 20. 1. Frau Eilers (Bielefeld) 20. 1. Eilers (Oldenburg) 20. 1. Engelbrecht-Greve * 21. 1. Enk 20. 1. Erler 20. 1. Even (Köln) 20. 1. Dr. Franz 20. 1. Dr. Dr. h. c. Friedensburg * 21. 1. Funk 20. 1. Dr. Furler * 21. 1. Geiger (München) * 21. 1. Dr. Gleissner 20. 1. Goldhagen 20. 1. Dr. Greve 20. 1. Hahn * 21. 1. Hermsdorf 20. 1. Heye 20. 1. Hilbert 31. 1. Dr. Höck (Salzgitter) 31. 1. Höfler 31. 1. Hufnagel 20. 1. Huth 20. 1. Illerhaus * 21. 1. Dr. Jordan 20. 1. Kalbitzer * 21. 1. Killat (Unterbach) 20. 1. Dr. Knorr 20. 1. Dr. Kohut 20. 1. Dr. Kopf * 21. 1. Dr. Kreyssig * 21. 1. Dr. Krone 20. 1. Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete() beurlaubt bis einschließlich Kühn (Bonn) 31. 1. Leber 20. 1. Lenz (Brühl) * 21. 1. Leukert 20. 1. Dr. Lindenberg * 21. 1. Dr. Löhr * 21. 1. Lücker (München) * 21. 1. Margulies * 21. 1. Marx 20. 1. Mauk 20. 1. Menke 31. 1. Dr. Menzel 28. 2. Metzger * 21. 1. Frau Nadig 20. 1. Neuburger 20. 1. Odenthal * 21. 1. Dr.-Ing. Philipp * 21. 1. Dr. Pflaumbaum 20. 1. Pöhler 20. 1. Dr. Preusker 20. 1. Frau Dr. Probst * 21. 1. Rademacher 20. 1. Rasner 28. 1. Frau Dr. Rehling 20. 1. Richarts * 21. 1. Dr. Rüdel (Kiel) 20. 1. Dr. Rutschke 27. 1. Scheel * 21. 1. Dr. Schild * 21. 1. Dr. Schmidt (Gellersen) * 21. 1. Schmidt (Hamburg) * 21. 1. Dr. Schmidt (Wuppertal) 20. 1. Schneider (Hamburg) 4. 2. Dr. Schneider (Saarbrücken) 20. 1. Schüttler 20. 1. Dr. Schwörer 20. 1. Dr. Siemer 25. 1. Spitzmüller 20. 1. Stahl 20. 1. Dr. Stammberger 4. 2. Dr. Starke * 21. 1. Stauch 20. 1. Frau Dr. Steinbiß 20. 1. Stenger 28. 2. Storch* 21. 1. Sträter * 21. 1. Frau Strobel * 21. 1. Tobaben 20. 1. Wehner 20. 1. Wehking 20. 1. Weimer 20. 1. Weinkamm* 21. 1. * für die Teilnahme an der Tagung des Europäischen Parlaments Abgeordnete(r) beurlaubt his einschließlich b) Urlaubsanträge Brese 16. 2. Dr. Eckhardt 28. 1. Eisenmann 11. 2. Haage 2. 2. Ollenhauer 27. 1. Werner 25. 2. Anlage 2 Umdruck 731 Interfraktioneller Antrag betreffend ÜberWeisung von Anträgen an die Ausschüsse. Der Bundestag wolle beschließen: Die folgenden Anträge werden gemäß § 99 Abs. 1 GO ohne Beratung an die zuständigen Ausschüsse überwiesen: 1. Antrag der Abgeordne- an den Ausschuß für austen Dr. Serres, Dr. Zim- wärtige Angelegenheiten mer und Genossen betr. Errichtung eines beratenden parlamentarischen Organs der Organisation für wirtschschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung — Drucksache 2205 — 2. Antrag der Abgeordne- an den Ausschuß für austen Dr. Meyer (Frank- wärtige Angelegenheiten furt), Dr. Zimmer und Genossen betr. Konferenzen europäischer Fachminister — Drucksache 2290 — Bonn, den 10. Januar 1961 Dr. Krone und Fraktion Ollenhauer und Fraktion Dr. Mende und Fraktion Schneider (Bremerhaven) und Gruppe der DP Anlage 3 Schriftliche Ausführungen des Abgeordneten Dr. Wahl zu der Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten (3. Ausschuß) über den Antrag der Abgeordneten Dr. Wahl, Dr. Harm, Dr. Mende und Genossen betreffend Abkommen über die einheitliche Auslegung der europäischen Verträge (Drucksachen 1731, 2333). Der Antrag, den seinerzeit der unterzeichnete Berichterstatter bei der Beratenden Versammlung des Europarats eingebracht hatte, eine europäische Auslegungsinstanz für europäische Konventionen zu schaffen, geht von der Erwägung aus, daß die Schaffung einheitlichen europäischen Rechts auf halbem Wege steckenbleibt, solange durch Staatenkonventionen nur Gesetze gleichen Wortlauts in den Vertragsstaaten geschaffen werden und keine Institution vorhanden ist, die auch die einheitliche Interpretation dieser Gesetze durch die nationalen Gerichte sicherstellt. Nur durch eine solche einheitliche Auslegung wird die Gegenseitigkeit gewahrt, besonders wenn ,die Konventionen unter mehr oder weniger allgemein formulierten Bedingungen Erlaubnisse und Verbote vorsehen. Aber auch soweit es sich um die Vereinheitlichung ganzer Rechtsgebiete, etwas des Kaufrechts handelt, ist es schwer erträglich, daß z. B. die Verkäufer eines Landes aus dem vereinheitlichten Recht in einem Vertragsstaat gewisse Rechte nicht geltend machen können, die den Verkäufern dieses Vertragsstaates in jenem Lande auf Grund einer abweichenden Gerichtspraxis zustehen. Als der französische Internationalist Bartin gegen Ende des vorigen Jahrhunderts das sogenannte Qualifikationsproblem entdeckte, das sich daraus ergibt, daß internationale Konventionen zur Vereinheitlichung des Kollisionsrechts in den einzelnen Vertragsstaaten bezüglich der darin verwendeten Rechtsbegriffe einen verschiedenen Sinn annehmen, wenn und weil die Richter ihre angestammten nationalen Begriffe bei der Auslegung der Abkommen zugrunde legen, hat er schon darauf hingewiesen, daß die bloße Vereinheitlichung der Gesetze des internationalen Privatrechts die Rechtseinheit nicht zu bringen vermöchte. Es hat nicht an Reaktionen gegen die Thesen Bartins gefehlt, der die Auslegung der Vereinheitlichungskonventionen nach der Lex fori des Richters als die einzig vernünftige Lösung des Qualifikationskonflikts vertrat. Praktisch am wichtigsten war der Vorschlag, der immer wieder gemacht worden ist, die nationalen Konventionen durch eine zu schaffende gemeinsame Auslegungsinstanz zu ergänzen. Die Frage, in welcher Weise diese Einheitlichkeit unter möglichster Schonung der nationalen Gerichtsorganisationen und Verfassungen erreicht werden könne, wurde in der Rechtskommission der Beratenden Versammlung des Europarats sehr lange beraten und hat nach langem Hin und Her schließlich zur Annahme meines Vorschlags geführt, in Anlehnung an deutsche und im Recht der Montanunion verhandene Vorbilder die nationalen höchsten Gerichte zu verpflichten, wenn sie vom höchsten Gericht eines anderen Staates abweichen wollen, die umstrittene Auslegungsfrage einer europäischen Instanz vorzulegen, als die schließlich der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte nach dessen Konstituierung empfohlen wurde. Offengelassen wurde die Frage, ob die Stellungnahme dieses Gerichtshofs für das anfragende nationale Gericht obligatorisch sein sollte oder ob man sich mit Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 139. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Januar 1961 7941 der moralischen Autorität seines Spruches begnügen könnte. Bei dem ersten Durchlauf dieses Vorschlags durch den Ministerrat des Europarates war die Neigung der Regierungen gering, auf diese Empfehlung der Beratenden Versammlung einzugehen. Aber die Beratende Versammlung wird sich angesichts der bedeutenden Lücke in der europäischen Organisation, die durch die Gefährdung der Gegenseitigkeit den Wert der Rechtseinheit und damit die europäische Idee selbst schwächen könnte, kaum mit dieser ablehnenden Haltung des Ministerrats abfinden. Deshalb erscheint es richtig und wichtig, daß der Bundestag durch einen Beschluß die Bundesregierung bittet, sich zu diesen Vorschlägen, wie schon bisher geschehen, positiv einzustellen und diese Haltung auch in Zukunft beizubehalten und zu verstärken. Deshalb hat der Auswärtige Ausschuß einstimmig die Annahme des Antrags auf Drucksache 1731 beschlossen. Dr. Wahl
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Friedrich Schäfer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als vor sieben Jahren auf Bemühen deutscher Stellen die Interzonenpässe abgeschafft wurden, hat sich damit die Hoffnung verbunden, daß sich der Reiseverkehr zwischen den beiden Teilen Deutschlands beleben möge. Diese Hoffnung ist zum Teil erfüllt worden. Aber sehr bald hat sich gezeigt, daß diese Freizügigkeit den Machthabern in Pankow unangenehm war. Sie haben Schranken aufgebaut; sie haben Reisegenehmigungen verlangt; sie haben die polizeiliche Überwachung des Reiseweges angeordnet; sie haben die örtliche Überwachung angeordnet.



    Dr. Schäfer
    Als ich vor einigen Monaten an der Zonengrenze stand, hat es mich doch verführt, hinüberzugehen und einmal mit ostzonalen Volkspolizisten zu sprechen. Dabei war es ein deprimierender Eindruck, zu sehen, wie sich der Stacheldraht entlangzieht, wie die Brükken von der anderen Seite abgebrochen sind, wie der Zehn-Meter-Streifen geführt ist, wie der erste Posten steht und nach 500 m der nächste Posten. Die Unterhaltung mit diesen jungen Volkspolizisten — ich sagte, ich wolle nach Magdeburg — war kennzeichnend. Mir wurde gesagt: „Sie brauchen eine Bescheinigung." — „Ja, wer kann die Bescheinigung ausstellen? Mit welcher Begründung kann man eine Bescheinigung bekommen?" — Die ganze Hilflosigkeit des Systems kam zum Vorschein, daß man nicht einmal einen Bürger unseres ganzen Volkes hier hineinlassen konnte.
    Wir sind uns in diesem Hause alle einig, daß wir alles tun müssen, daß nicht auch auf unserer Seite eine Art Verhau entsteht, daß nicht einmal ein Wall auf unserer Seite entsteht, den man mühsam überschreiten muß. Wir hier wollen unsere Grenze so weit, wie es irgendwie verantwortet werden kann, so weit wie irgend möglich, offenhalten, wirklich, de facto ganz offenhalten, so, wie es sich an der Demarkationslinie jedem deutlich zeigt. Drüben sind die Wege abgebrochen, dort sind die Brücken abgebrochen, und dort ist der Stacheldraht. Für jeden Bürger, der in Mitteldeutschland lebt, muß es klar sein, daß er an jeder Stelle hier willkommen ist, wo er herüberkommt, daß er nicht gezwungen ist, sich an Paßstellen Kontrollen zu unterziehen, sondern daß es keine Grenze gibt, daß er uns — ich wiederhole es — an jeder Stelle willkommen ist. Das müssen wir als politische Forderung festhalten.
    Ich darf - ich werde das wiederholt tun müssen
    — aus einer Leserzuschrift eines Bürgers aus der sowjetischen Besatzungszone zitieren, die „Christ und Welt" veröffentlicht hat. Dort steht:
    Wir leben in der Meinung - oder Illusion? ,
    die Bundesrepublik sei groß, mächtig, frei, wenigstens aufs ganze gesehen. Wenn wir sie kleinlich, ängstlich, hilflos und unklug in der Wahl ihrer Mittel sehen, das weckt Zweifel und hat Folgen.
    Meine Damen und Herren, diese psychologischen Rückwirkungen, von denen auch der Herr Bundesinnenminister sprach, dürfen wir gar nicht unterschätzen. Wir sind der Auffassung, daß wir es mit Art. 11, mit dem Grundsatz der Freizügigkeit, ernst nehmen müssen in einem Gesamtdeutschland. Wir vertreten den Standpunkt — wir, das ganze Haus — und haben es immer getan, daß es nur ein einheitliches deutsches Staatsgebiet, nur eine einheitliche deutsche Staatsangehörigkeit gibt

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    und nie von unserer Seite aus irgend etwas getan werden darf, was Entwicklungen in Bewegung setzen könnte, die im Endergebnis anders geartete Fakten schaffen würden. Wir wollen, daß derjenige, der hier herüberkommt, für sich einmal spürt: Hier gibt es sozusagen keine Polizei, hier gibt es sozusagen
    kein Instrument, das ihn auf Schritt und Tritt überwacht, bei dem er sich melden muß, dem er sich unterwerfen muß.
    Wieder dieser Brief:
    Es ist wahrhaftig unerträglich für uns Zonenleute, in der freien Welt noch einmal das Sieb einer polizeilichen Kontrolle durchmachen zu müssen, wieder verdächtiger Bürger zu sein.
    Sehen Sie, das ist einer der entscheidenden politischen Gesichtspunkte. Wir sind deshalb immer der Auffassung gewesen, daß hier etwas geschehen muß.
    Es muß tatsächlich einiges geschehen. Wir waren aber der Auffassung, daß man möglichst — ich betone: möglichst — nicht mit polizeilichen Mitteln arbeiten sollte, sondern daß eine Abwehraktion und eine deutlich spürbare Abwehrkraft des ganzen deutschen Volkes notwendig ist, eine Abwehrkraft, die auch dem Regime drüben in kürze zeigt: Sie können versuchen, was sie wollen; wir sind, aufs ganze gesehen, immun. Wir alle, die wir im politischen Leben stehen, das ganze deutsche Volk ist, aufs ganze gesehen, immun gegen diese Infiltrationsversuche.
    Das muß aber auch gepflegt, das muß bewußt gefördert werden. Wir haben deshalb vor einem Jahr bei den Haushaltsberatungen hier den Antrag gestellt, der Bundeszentrale für Heimatdienst 845 000 DM mehr zur Verfügung zu stellen. Ich darf ganz kurz zitieren, was unser stellvertretender Fraktionsvorsitzender Erler damals hierzu ausgeführt hat. Er sagte:
    In der Bundeszentrale für Heimatdienst wollen wir alle zusammenwirken, um .das notwendige positive staatsbürgerliche, freiheitliche Bewußtsein in unserem Volke zu stärken und auf diese Weise der kommunistischen Infiltrationsweise entgegenzuwirken.
    Meine Damen und Herren, Sie werden mit mir einig sein, daß es letztlich darauf ankommt.
    Nun, wir sind keine Illusionisten, wir sehen natürlich, was sich in dieser Auseinandersetzung, in diesem Kampf abspielt. Wir sehen auch, daß es verschiedene Gruppen von Menschen gibt, die zu uns kommen. Da gibt es den Agenten; da gibt es den Spion. Meine Damen und Herren, sie werden mit mir einig sein: gegen Agenten und Spione soll mit. aller Schärfe des Strafgesetzes vorgegangen werden. Sie werden aber auch mit mir darüber einig sein, daß man Agenten und Spione nicht mit Polizeikontrollen findet. Die finden den Weg hierher. Sie finden ihn nicht über die Demarkationslinie, sondern über das Ausland, und Gott sei Dank ist der Grenzübertritt in den anderen Ländern Europas liberalisiert worden; und wir sind für weitere Liberalisierung.
    Die zweite und die dritte Gruppe interessieren uns hier am meisten. Die zweite Gruppe ist die der politisch uninteressanten Reisenden, der - so möchte ich sagen — dem ostzonalen Regime nicht. Verpflichteten. Hier müssen wir alles tun, damit sie möglichst frei hereinkommen. Der Herr Bundes-



    Dr. Schäfer
    innenminister sagte es, und Herr Kollege Kühlthau sagte es; aber wir wollen uns später ansehen, wie sich das in der Praxis auswirkt.
    Es gibt eine dritte Gruppe, das sind die Geschickten, die Delegationen, das sind diejenigen, die auf Befehl hierher reisen. Glauben Sie mir, die meisten kommen nicht sehr gerne. Wir wissen doch — wir haben doch die Erfahrungen mit einer Diktatur hinter uns —, wie man solche Befehle bekommt und in welcher schwierigen Situation die Betreffenden sind.

    (Zuruf von der Mitte: Da hat er recht!)

    Aber im ganzen gesehen: was können sie uns anhaben? Es ist schlimmstenfalls ein Ärgernis, eine Unannehmlichkeit, die uns diese Delegationen bereiten; mehr ist es nicht. Wenn es mehr ist, haben wir Grund, bei uns nachzuprüfen, warum es mehr sein kann.

    (Beifall bei der SPD.)

    Mehr ist es nicht, und mehr kann es und wird es auch gar nicht sein.
    Deshalb müssen wir von verschiedenen Seiten her prüfen, wie wir die einen ganz frei reisen lassen können und wie wir den anderen vielleicht dazu helfen können, daß sie diese unangenehme Aufgabe nicht durchführen können, die für sie im Endergebnis Unannehmlichkeiten bringt, uns schlimmstenfalls kleine Unannehmlichkeiten. Ein Mückenstich, mehr ist es nicht.
    Herr Bundesinnenminister, Sie haben die Broschüre „Gegen den roten Funktionär" herausgegeben. Sie sind der Auffassung, daß Sie damit eine gute Arbeit geleistet haben. Ich darf Ihnen folgendes zu bedenken geben, Herr Bundesinnenminister. Wir sind uns doch in diesem Hause wohl alle einig, daß die Abwehr der kommunistischen Infiltration eine Aufgabe aller politischen Kräfte ist und daß wir alle miteinander der Gefahr ausgesetzt sind, angeknabbert zu werden, weil sie an allen Stellen versuchen, irgendwie Kontakt zu bekommen. Alle sind sie betroffen. Es befremdet aber, Herr Innenminister, wenn Sie in einer offiziellen Broschüre Material abdrucken, das einseitig und offensichtlich diffamierend für den Deutschen Gewerkschaftsbund und für die SPD ist. Das tut man in einer offiziellen Broschüre nicht. Sie sind nicht der Minister einer Partei, Sie sind Bundesinnenminister, Herr Dr. Schröder!

    (Beifall hei der SPD und Zuruf: Sollte es sein!)

    Ich möchte es bei dieser Bemerkung zu der Broschüre zunächst bewenden lassen.
    Nun zu Ihrem Gesetzentwurf selbst. Herr Minister, wir wollen uns einmal ansehen, wie Sie sich die Dinge vorstellen. Sie treffen in Ihrem Gesetzentwurf Tatbestände. Es ist richtig: wenn man an die Frage herangeht, ob man die Dinge mit einem Gesetz treffen kann, ob man sich mit einem Gesetz wehren kann, ist es notwendig, das tatbestandsmäßig zu fassen. Aber so, wie Sie § 1 Abs. 1 Buchstabe b gefaßt haben, geht es nicht, Herr Minister. Ich darf das einmal vorlesen:
    Die Einreise in den Geltungsbereich dieses Gesetzes ist verboten, wenn der Einreisende beabsichtigt, im Geltungsbereich dieses Gesetzes ... sonstige Bestrebungen gegen den Bestand, die äußere oder innere Sicherheit oder die freiheitliche demokratische Grundordnung der Bundesrepublik zu verfolgen oder sich in ihren Dienst zu stellen ...
    Eine solche Generalvollmacht darf nie gegeben werden. Wir sind mit Ihnen der Meinung, daß wir eine wehrhafte Demokratie haben, und wir sind in diesem Hause einheitlich der Meinung: Keine Freiheit für die Feinde der Freiheit!

    (Beifall bei der SPD.)

    Da haben wir alle miteinander den gleichen Mut, auch die notfalls entsprechend harten Maßnahmen gegen die Betreffenden zu ergreifen. Aber es geht nicht mit Generalermächtigungen, meine Damen und Herren. Das ist unmöglich. Das ist eine Ausdehnung einer polizeilichen Kontrolle, die wir nicht für gut halten. Wer wird denn z. B. im Falle des § 6 so dumm sein, bei einem Antrag auf Genehmigung der Ausreise Dinge anzugeben, die ihm dann hinderlich sind? Ein solches Antragsverfahren hat doch de facto gar keinen Wert. Wir müssen uns das einmal praktisch vorstellen. Sie, Herr Minister, betonen, und Sie, Herr Kollege Kühlthau, betonen es ebenfalls: „Freiheit des Verkehrs für alle übrigen!" Sehen Sie sich doch in der Praxis an, wie das aussehen muß! Sie müssen ja erst suchen, wem Sie Freiheit geben wollen!

    (Zurufe von der Mitte: Eben!)

    Das heißt: Sie müssen alle, jeden einzelnen einer Prüfung unterziehen.
    Man spricht davon, daß jährlich 12 Millionen Menschen die Zonengrenze überschreiten. Ob es richtig ist, kann ich nicht nachprüfen. Man muß damit rechnen, daß sich sehr wahrscheinlich eine solche Zahl von Übertritten über die Zonengrenze ergibt; viele überschreiten sie ja hundertmal und öfter. Mit dieser Zahl sind also nicht 12 Millionen Menschen im ganzen gemeint; das wäre ja nicht möglich. Ich habe diese Zahl aus einem Bericht des Herrn Ministers Dufhues entnommen; sie mag wohl stimmen. Aber lassen wir das dahingestellt. Dann muß an der Zonengrenze, an der Demarkationslinie für jeden, der dort durchwill, ein Überprüfungsverfahren stattfinden, und dort erst muß dann festgestellt werden, wer für uns uninteressant ist.
    Meine Damen und Herren, Sie werden mir zugeben: Entweder macht das die deutsche Bürokratie in ihrer üblichen Pünktlichkeit wirklich pünktlich, dann wird eine abschreckende Wirkung davon ausgehen, und derjenige, der aus eigenem Interesse herüber-reisen will, wird davor zurückscheuen. Oder derjenige, der den Auftrag hat, hierherzureisen, wird die Überprüfung als „selbstverständliche Schikane dieses Systems" über sich ergehen lassen.
    Es kommt darauf an, wenn man die Frage vom Polizeirechtlichen her - denn es ist eine Frage des allgemeinen Polizeirechts — prüft, eine Möglichkeit zu suchen, nicht jeden einzelnen einem Ver-



    Dr. Schäfer
    fahren zu unterziehen, sondern nur den sogenannten Störer, also denjenigen, der durch seine Handlung gezeigt hat, daß er die öffentliche Ordnung und Sicherheit stört.
    Lassen Sie mich ganz offen sagen, wie sich eine solche nach dem Gesetzentwurf notwendige Generalüberprüfung entwickeln würde. In aller Kürze würden wir die Situation haben, daß man nicht mehr dem einzelnen nachweist, daß er hier nicht erwünscht ist, sondern in aller Bälde wäre es so, daß er nachweisen muß, daß er für uns ungefährlich ist, womit sich also die Beweislast umdrehen würde.
    Meine Damen und Herren, überlegen Sie es sich doch bitte einmal in der Auswirkung! Nehmen Sie an, daß ein Bewohner der sowjetischen Besatzungszone abgelehnt wird, und im Zweifel wird er abgelehnt werden. Dann hat ihn der freiheitliche Teil Deutschlands zurückgestoßen. Wird er angenommen, dann ist er für die drüben der Verdächtige, weil er für uns nicht verdächtig ist. Sie mögen es so oder so machen, Sie machen es falsch. Sie machen es rechtlich falsch, Sie machen es auf jeden Fall politisch falsch.
    Deshalb kann der Gesetzentwurf so, wie er hier vorliegt, überhaupt nicht verabschiedet werden. Ich habe den Eindruck, daß auch der Herr Innenminister das in der Zwischenzeit eingesehen hat. Wir lehnen diesen Gesetzentwurf ab; aber wir sind bereit, in den Ausschüssen über die ganze Problematik dieser Situation nicht nur zu diskutieren, sondern mit Ihnen zusammen Möglichkeiten zu einer Lösung der Frage zu suchen. Ich darf Ihnen zur Erörterung, als Anregung einmal zu bedenken geben: Was meinen Sie, wenn man z. B. folgendes Verfahren wählen würde: Wenn jemand, der seinen ständigen Wohnsitz in der sowjetischen Besatzungszone hat, durch seine besonderen Taten, seine besondere Aktivität gewisse im Gesetz festzulegende Tatbestände erfüllt, dann wird er in Zukunft nicht mehr hereingelassen, dann hat er durch sein Verhalten gezeigt, daß er sich außerhalb dieser Ordnung stellt. — Das ist nur einmal ein Gedanke, der zu prüfen ist, nicht ein Antrag von uns. Derjenige, der hier seinen Wohnsitz hat und hinüberfährt, drüben sich so aufführt, wie wir es nicht sehen wollen und wie wir es tatbestandsmäßig festhalten würden, der würde eben das nächste Mal nicht wieder herausfahren können.
    Der große Unterschied, Herr Innenminister, läge darin, daß von vornherein die ganze Überprüfung sich nur auf diejenigen beschränken würde, die durch ihr eigenes Verhalten schon einen Vorgang geschaffen haben; alle anderen würden tatsächlich frei gelassen. Auf jeden Fall darf aber nicht eintreten — und daß wir auf diesem Gebiet Sorgen haben, wissen Sie —, daß das Verhältnis der beiden Teile Deutschlands nur noch über die Bestimmungen des Strafgesetzbuches hinweg betrachtet werden kann. Das darf unter gar keinen Umständen eintreten. Es darf auch nicht sein, daß man es nur über ein Polizeigesetz hinweg sehen kann:
    Ich wollte diese Gedanken nur einmal zu erwägen geben. Wir sind bereit, im Innenausschuß, in den zuständigen Ausschüssen mit Ihnen darüber
    zu sprechen, mit Ihnen zusammen zu suchen, ob diese Regelung möglich ist. Aber, meine Damen und Herren, eine gesetzliche Regelung, gleichgültig, wie sie aussehen wird, auch wenn Sie der Meinung sind, daß Sie damit einen wirksamen Beitrag zur Abwehr geleistet hätten, wird im Endergebnis die Fragen nicht regeln, vor denen wir stehen. Sie kann man weder mit Strafgesetzen noch mit Polizeigesetzen regeln. Die Auseinandersetzung mit dem Kommunismus, die uns in unserer geographischen und politischen Lage niemand abnehmen und die uns nicht erspart werden kann — das kann man nicht mit Gesetzen —, ist eine Auseinandersetzung tatsächlicher Art. Sie nun mit einem solchen Gesetz vollkommen in Frage zu stellen, halte ich für außerordentlich kritisch.
    Ich meine, daß der Herr Bundeskanzler schon recht hat, wenn er in seinem Schreiben vom 1. August 1960 - also in einem Schreiben aus neuerer Zeit, aus der Zeit, in der das Gesetz im Hause des Herrn Bundesinnenministers ausgearbeitet wurde — an unseren Kollegen Leber, den Vorsitzenden der Industriegewerkschaft Bau, Steine, Erden, in erster Linie ganz konkret in sechs Punkten davon spricht, daß alles getan werden müsse, die sowjetzonalen Sperrgebiete aufzuheben, die Wiedereröffnung der Grenzübergänge zu erreichen, eine Verbesserung und Wiederherstellung der Verkehrswege, eine Zulassung neuer Kraftfahrtlinien, den Wegfall der Behinderungen, die Wiederfreigabe des Besuchsverkehrs in beiden Richtungen — so heißt es hier ausdrücklich — und die Wiederherstellung der Freizügigkeit über die Demarkationslinie auch in Ost- a West-Richtung.
    Wenn der Herr Bundeskanzler, der ja die Richtlinien der Politik bestimmt und Vorsitzender der CDU ist, die Meinung vertritt, daß das vorrangig ist, und wenn wir der gleichen Meinung sind, dann sollte die Regierung Wege suchen, in erster Linie in diesem Sinne tätig zu werden, und sie sollte erst in letzter Linie mit polizeilichen Gesetzen versuchen, dem zu begegnen. Ich bin deshalb der Meinung, daß wir im Ausschuß nicht in erster Linie danach suchen sollten, welche beste strafrechtliche oder polizeiliche Lösung wir finden, sondern danach, welche beste politische Abwehrkraft wir schaffen können. Und dazu mitzuwirken, meine Damen und Herren, dürfte das ganze Haus willens sein.

    (Beifall bei der SPD und Abgeordneten in der Mitte und rechts.)



Rede von Dr. Carlo Schmid
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Abgeordnete Benda.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Ernst Benda


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mein Kollege Kühlthau hat den gegenwärtigen Stand der Diskussion in meiner Fraktion richtig und vollständig aufgezeigt. Ich habe seinen Ausführungen insoweit nichts hinzuzufügen, sondern schließe mich ihnen in vollem Umfang an. Meine Ausführungen sollen dazu dienen, eine Stellungnahme nicht für die gesamte Fraktion der CDU/CSU, aber doch für einen Teil dieser Fraktion und insbesondere für die Berliner Kollegen innerhalb der CDU/CSU-Fraktion abzugeben.



    Benda
    Wir kommen in dieser Diskussion nicht nur mit einem weißen Blatt Papier. Wir kommen, Herr Bundesinnenminister, allerdings auch nicht, wie Sie es ausgedrückt haben, mit präfabrizierten Kompromissen. Ich nehme an, die weitere Diskussion in den Ausschüssen über unsere konkreten Vorschläge wird Gelegenheit geben, festzustellen, daß wir unsere Vorschläge ernst meinen, auch von der Sache her. Wir folgen mit der Vorlage besonderer Vorschläge der Aufforderung des Herrn Bundesinnenministers im Bundesrat, „bessere Vorschläge, begründetere Vorschläge, einsichtsvollere Vorschläge" vorzulegen.
    Meine Freunde und ich haben einen Vorschlag ausgearbeitet, den wir hier nicht formell als besonderen Gesetzentwurf einbringen, sondern den wir in der Form von Änderungsanträgen während der Beratung des Gesetzentwurfs in den Ausschüssen vorlegen werden. Es ist meine Hauptaufgabe in dieser Diskussion, die wesentlichen Grundzügen dieser Gedanken hier darzulegen.
    Ich möchte zunächst das aufgreifen, was der Kollege Kühlthau gesagt und was der Herr Bundesinnenminister bestätigt hat. Es besteht volle Einigkeit innerhalb unserer Fraktion und, wie ich hoffe und wie die bisherige Diskussion zu zeigen scheint, darüber hinaus im ganzen Haus darüber, daß die Motive, die zur Vorlage dieses Gesetzentwurfs geführt haben, berechtigt sind und daß man sie anerkennen muß. Das bedeutet allerdings nur, wie der Herr Bundesinnenminister zutreffend gesagt hat, daß eine Einigkeit im Ziele, aber noch nicht im Wege besteht.
    Auch aus dem, was mein Kollege Kühlthau für die Fraktion vorgetragen hat, hat sich die Anerkennung des Ziels, aber doch eine gewisse Skepsis hinsichtlich des vorgeschlagenen Weges ergeben.
    Immerhin, auch nach unserer Meinung kann kein Zweifel darüber bestehen, daß gesetzgeberische, allerdings auch andere, Maßnahmen erforderlich sein werden, um der wachsenden kommunistischen Infiltration wirksamer als bisher begegnen zu können. Zu den anderen Maßnahmen gehört das, was man mit einem Schlagwort als den sogenannten positiven Verfassungsschutz bezeichnet. Ich möchte darauf nicht näher eingehen. Sicher wird dazu auch gehören, daß die personelle Ausstattung der mit dieser Frage befaßten Behörden verstärkt wird. Wir wissen ja, daß die zuständigen Ausschüsse einen guten und erfreulichen Schritt in dieser Richtung getan haben.
    Ich stimme dem Herrn Bundesinnenminister auch darin vollauf zu, daß es notwendig sein wird, die gesetzlichen, insbesondere die geltenden strafrechtlichen Vorschriften voller auszuschöpfen, als das bisher der Fall ist. In dieser Hinsicht scheint mir nicht alles getan worden zu sein. Der Bundesgerichtshof hat insbesondere in seiner Rechtsprechung zu § 42 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes festgestellt, die Bestimmung diene der Sicherung des Gebots der Auflösung der KPD, gegen das jeder verstoße, der auf irgendeine Weise die gesetzwidrige Wirksamkeit der verbotenen Partei fördert.

    (Abg. Stingl: Hoffentlich hören das manche Staatsanwälte!)

    Das gilt für denjenigen, der seinen Wohnsitz im Bundesgebiet hat, genauso wie für einen Agenten, der aus der Sowjetzone kommt. Ich wiederhole und unterstütze das, was der Herr Bundesinnenminister gesagt hat: Das Legalitätsprinzip erfordert, daß die Staatsanwaltschaften — und das schließt auch die Bundesanwaltschaft ein — in den Fällen, in denen nach den Grundsätzen der höchstrichterlichen Rechtsprechung ein strafbares Verhalten vorliegt oder ein hinreichender Tatverdacht begründet ist, diesen Dingen nachgehen und sie nicht auf andere Weise erledigen.

    (Beifall bei Abgeordneten in der Mitte.)

    Ich habe den Eindruck, daß in dieser Hinsicht noch einiges getan werden könnte.
    Bei den gesetzgeberischen Maßnahmen sind aus politischen und rechtlichen Gründen bestimmte Grenzen zu beachten. Ich kann nicht anerkennen, Herr Bundesinnenminister, daß es bei dieser Beratung nur einen 'Test, nämlich den Test der Zweckmäßigkeit und Praktikabilität gibt. Der eine und oberste Test alles dessen, was wir tun können und tun müssen, wird sein, zu prüfen, welche Möglichkeiten uns das Grundgesetz selbst einräumt und welche Möglichkeiten es uns nicht einräumt. Ich gebe zu — darin sind wir uns einig —, daß Liberalität und Toleranz auf unsere Gegner sicherlich keinen sehr großen Eindruck machen. Ich möchte aber meinen, daß Liberalität und Toleranz ihren Wert nicht nur in ihrer Wirkung auf den Gegner, sondern in erster Linie in sich selbst und in ihrer Wirkung auf uns und auf unsere Freunde haben, und ich meine, daß wir das nicht gering schätzen dürfen.

    (Allgemeiner Beifall.)

    Bei den Grenzen, die wir zu beachten haben — ich werde mich in möglichster Kürze insbesondere mit den rechtlichen Grenzen zu befassen haben —, haben wir vor allem die uns durch das Grundgesetz auferlegte Verpflichtung zu berücksichtigen, in allem, was wir tun, die Erhaltung der staatlichen und die Wiederherstellung der politischen Einheit Deutschlands zu fördern.
    Meine Damen und Herren, wer von zwei deutschen Teilstaaten in dieser oder jener Form spricht, mag sich über diese Grenzen hinwegsetzen. Wir, die wir von einem gesamtdeutschen Staat sprechen, wollen das unter keinen Umständen tun.

    (Beifall im ganzen Hause.)

    Das Grundgesetz hat uns — das muß man zugeben —die Bewältigung des Problems der inneren Sicherheit der Bundesrepublik bewußt nicht leicht gemacht. Ich zitiere:
    Das Grundgesetz geht aus
    — das bestätigt das Bundesverfassungsgericht in seiner ständigen Rechtsprechung —
    vom gesamtdeutschen Staatsvolk, vom gesamtdeutschen Staatsgebiet und insbesondere von der gesamtdeutschen Staatsgewalt.



    Benda
    Das Grundgesetz hat uns in der Hoffnung auf baldige Wiedervereinigung aufgegeben, die Grenzen zum anderen Teil Deutschlands offenzuhalten.
    Der Begriff der Freizügigkeit bedeutet,
    — ich zitiere wiederum das Bundesverfassungsgericht —
    daß die Bundesrepublik Deutschland es übernimmt, nicht einen großen Teil der Staatsangehörigen des deutschen Gesamtstaates an den Grenzen ihres Machtbereiches abzuweisen ...

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Art. 11 Abs. 2 des Grundgesetzes erlaubt nicht, — so sagt das Bundesverfassungsgericht —
    in dieser für Gestaltung und Funktion der Bundesrepublik ausschlaggebenden Frage durch einfaches Gesetz das wieder zu nehmen, was Art. 11 Abs. 1 des Grundgesetzes bewußt und unter Inkaufnahme schwerwiegender Folgen um prinzipieller politischer Ziele willen als eine Vorleistung auf die deutsche Gesamtstaatlichkeit gewährt.
    So, meine Damen und Herren, sagt ,das Bundesverfassungsgericht der Bundesrepublik Deutschland.

    (Allgemeiner Beifall. — Abg. Dr. Mommer: das ist der Kernpunkt!)

    Ich darf an einen anderen Gedanken, den der Herr Bundesinnenminister ausgesprochen hat, anknüpfen. Er sprach von den psychologischen Grenzen, innerhalb deren sich die Diskussion bewegt. Ich erkenne I an, daß diese psychologischen Grenzen, soweit sie begründet sind, durchbrochen und überwunden werden sollten. Aber, meine Damen und Herren, die Gefühle und die Meinungen, mit denen die Menschen in der sowjetisch besetzten Zone diese Debatte und die künftigen Debatten verfolgen werden, sind keine bloßen psychologischen Barrieren. Es geht dabei um prinzipielle politische Entscheidungen, die auch hinsichtlich der Frage der Zweckmäßigkeit der von uns vorzuschlagenden Maßnahmen von grundsätzlicher Bedeutung sind.
    Meine Damen und Herren, es ist nicht nur eine psychologische Frage, ob ich jemanden, der in mein Haus kommt, frage, was er bei mir will und warum er kommt. Den Fremden, der kommt, mag ich fragen, ob er berechtigt Eintritt verlangt; den Bruder, die Schwester, die kommen, darf ich nicht fragen; denen muß ich sagen: du bist willkommen, und gar nichts anderes.

    (Beifall im ganzen Hause.)

    Ich sprach davon, daß das Grundgesetz bewußt schwerwiegende Folgen, schwerwiegende Gefahren auch im Bereich des notwendigen Staatsschutzes in Kauf nimmt. Ich gebe vollauf zu, daß ein schwerlösbarer Konflikt besteht zwischen dem völlig berechtigten und legitimen Anliegen der Bundesregierung, unsere Bundesrepublik Deutschland zu sichern, und dem ebenso legitimen Anliegen des Grundgesetzes, von uns jene Vorleistung auf die deutsche Gesamtstaatlichkeit zu verlangen, von der ich sprach und die leider — aus heutiger Sicht — eben doch in eine nicht näher festzustellende Ferne gerückt ist.
    Daher hat der Parlamentarische Rat - im Gegensitz zu seinem Hauptausschuß — bewußt einen Antrag abgelehnt, der in der Fassung des Hauptausschusses des Parlamentarischen Rats die Freizügigkeit einschränken wollte — ich zitiere die damalige Fassung — „zur Abwehr einer schweren Gefährdung der öffentlichen Sicherheit". Der Parlamentarische Rat hat die Einschränkung der Freizügigkeit nur in dem Ihnen bekannten Rahmen zugelassen, nämlich um — unter anderem — strafbaren Handlungen vorzubeugen.
    Das Grundgesetz — das darf ich zusammenfassend sagen — faßt unter bewußter Inkaufnahme dieser offenkundigen und völlig zutreffend geschilderten politischen Gefahren die Freizügigkeit so auf, daß sie die Regel ist, auf die sich jeder berufen kann, ohne daß er sein Recht im Einzelfall dem Staat gegenüber besonders dartun oder gar nachweisen muß. Wer als Deutscher einreisen will, darf — vom Recht her — nicht gezwungen werden, ein berechtigtes Interesse oder seine politische Unbedenklichkeit nachzuweisen. Er darf nicht auf Grund bloßer Anhaltspunkte gehindert werden, sondern umgekehrt muß ihm nachgewiesen werden, daß bei ihm die Voraussetzungen vorliegen, wegen derer er ausnahmsweise nicht von dem Grundrecht der Freizügigkeit Gebrauch machen darf.

    (Zuruf von der SPD: Ganz richtig!)

    Das Bundesverwaltungsgericht hat in einem grundsätzlichen Urteil zu dieser Frage festgestellt, daß dieser Grundsatz hundert Jahre alt ist; er steht schon im § 4 des Freizügigkeitsgesetzes von 1867. Wir wollen nicht hinter 1867 zurückgehen.
    Der Grundsatz des Rechtsstaates erfordert, daß - ich zitiere jetzt —
    die den Verwaltungsbehörden erteilte Ermächtigung zu belastenden Verwaltungsakten so be- grenzt und bestimmt ist, daß vorausgesehen werden kann, in welchen Fällen und mit welchem Sinn und Zweck von der Ermächtigung Gebrauch gemacht werden wird.
    Ich zitiere weiter:
    Der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung verliert seinen verfassungspolitischen Sinn und büßt seine Funktion, Freiheit und Eigentum der Bürger vor staatlicher Willkür zu schützen, dort ein, wo der Gesetzgeber der Verwaltung eine Generalermächtigung erteilt, die in Wahrheit nur einen Generaldispens, nämlich von den Grundrechten, enthält.
    In diesem Zusammenhang ein anderer vom Bundesverwaltungsgericht ausgesprochener Gesichtspunkt! Gegen Verweigerung der Freizügigkeit muß ein klarer Rechtsschutz gewährleistet sein. Das erfordert Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes. Dieser Rechtsschutz scheint uns dann nur theoretisch, aber doch schwerlich praktisch denkbar, wenn man so verfährt, wie der Regierungsentwurf es vorschlägt. Es ist mir wirklich nicht klar, wie man eine Maßnahme des Rechtsschutzes ergreifen soll gegen eine mündliche Anweisung eines namentlich nicht bekannten Grenzkontrollbeamten, der einen zunächst

    Benda
    einmal nach Magdeburg oder Cottbus zurückbefördert. Es ist mir einfach nicht klar, wie man das machen kann.
    Im Zusammenhang mit dem Gesamtthema möchte ich über das besondere Problem Berlin nur wenig sagen. Es handelt sich hier um ein Problem, das ganz sicherlich von besonderer Bedeutung ist, das ich aber ganz unabhängig von den allgemeinen und grundsätzlichen Erwägungen sehen möchte.
    Wir sind, Herr Bundesinnenminister, in dieser Beziehung — ich hoffe, darin sind wir uns einig — weder böse noch gar ungezogen, um Ihre Rede zu zitieren. Aber wir bestehen darauf, daß der Gesetzgeber wegen der grundsätzlichen Auffassung vom Fortbestand der Gesamtstaatlichkeit Deutschlands und wegen der rechtlichen Einbeziehung Berlins in den Geltungsbereich des Grundgesetzes rechtlich verpflichtet ist, Berlin nicht anders als jeden anderen Teil des Bundesgebietes zu behandeln, soweit nicht die bekannten alliierten Vorbehaltsrechte aus zwingenden Gründen eine abweichende Regelung erfordern. Die bloßen Überlegungen der Zweckmäßigkeit sind kein hinreichendes Argument. Im übrigen möchte ich meinen, daß eine Sonderbehandlung der Berliner insoweit auch nicht erforderlich ist, da eine Gefahr, daß durch eine Gleichstellung der Westberliner mit den Bürgern der Bundesrepublik der Gesetzeszweck vereitelt würde, nach unserer Auffassung nicht erkennbar ist. Denn ich darf darauf aufmerksam machen, daß in Berlin nach wie vor ein Zuzugsgesetz besteht — ich glaube, als einzigem Ort im gesamten freien Teil Deutschlands — und daß
    B) wir in Berlin damit die rechtliche Handhabe besitzen, jeden unerwünschten Bürger, der zu uns zuziehen will, daran zu hindern, seinen Wohnsitz oder ständigen Aufenthalt in West-Berlin zu nehmen. Insofern bestehen ausreichende rechtliche Möglichkeiten, derartige Dinge zu verhindern, und ich darf Sie nochmals bitten, auch in diesem Punkte ,die psychologischen Auswirkungen zu beachten, die dann eintreten würden, wenn man die Berliner „draußen vor der Tür" stehen ließe.
    Meine Damen und Herren! Nach diesen allgemeinen, grundsätzlichen Ausführungen darf ich Ihnen nun die Grundzüge — es ist mir im Rahmen der ersten Lesung natürlich nur möglich, Grundzüge vorzutragen — der von uns konkret formulierten Vorschläge vortragen. Sie ergeben sich aus den Grundsätzen, die ich dargelegt habe.
    Der Regierungsentwurf schlägt, wie Ihnen bekannt ist, vor, an der Demarkationslinie eine Personenkontrolle durchzuführen mit der Möglichkeit, bestimmte Personen bei Vorliegen von Anhaltspunkten für die Absicht bestimmter strafbarer Handlungen an der Ein- oder Ausreise zu hindern. Unser Gegenvorschlag läuft auf folgendes hinaus: Wir sehen von jeder Grenzkontrolle ab, weil wir meinen, die Kontrolle an der Grenze bedeutet, daß, um den Staatsfeind festzustellen — und das ist ja das Ziel des Gesetzes —, eine Kontrolle aller Reisenden durchgeführt werden muß; denn der Staatsfeind pflegt sich ja nicht an der Grenze als solcher vorzustellen. Wir haben, abgesehen von den grundsätzlichen Fragen, die ich erörtert habe, dagegen Be-
    denken, weil es bedeuten würde, daß Beamte, in der Regel wohl untere Dienstgrade, sofort oder doch in sehr kurzer Zeit lediglich auf Grund eigener Angaben der Reisenden — und die Verdächtigen werden vermutlich nicht gerade die Wahrheit sagen — oder nach sonstigen sogenannten Anhaltspunkten entscheiden müssen.
    Wir kommen daher zu dem Ergebnis, daß man Ort und Zeit des Einschreitens gegen die Personen, die strafbare Handlungen gegen den Staat vorbereiten — also ohne den Buchstaben b), Herr Kollege Schäfer —, an ihren Aufenthaltsort im Bundesgebiet, zu dem sie sich hinbegeben, verlegen und die Entscheidung der dort zuständigen Behörde, also etwa der Kreispolizeibehürde, überlassen sollte. Es wird niemand angesprochen oder belästigt, der nicht durch sein eigenes Verhalten — ich greife das auf, was Sie sagen; es deckt sich insoweit mit unseren Gedanken — einen greifbaren Verdacht für die Absicht einer strafbaren Handlung begründet. Es gibt keine Auskunftspflicht, keine Registrierung, keine Gepäckdurchsuchung und ähnliche Akzessorien eines Staates, die wir alle und nicht nur aus psychologischen Gründen — nicht gern sehen. Die Behörde kann — und das ist ein Vorteil — den Ort und den Zeitpunkt ihres Eingreifens selbst be- stimmen. Sie wird in Einzelfällen sogar ein Interesse daran haben — etwa um Kontaktmänner festzustellen —, bei derartigen Dingen nicht sofort einzugreifen, und wird den Mann gerade dorthin fahren lassen, wohin er fahren will. Wir wollen also in dieser Hinsicht die Möglichkeiten gegenüber dem Regierungsentwurf nicht nur nicht einschränken, sondern sogar erweitern.
    Also noch einmal: Getroffen wird der Personenkreis, der seinen Wohnsitz außerhalb des Geltungsbereichs des Grundgesetzes hat. Wer von diesem Personenkreis durch ein konkretes Verhalten im Bundesgebiet den Verdacht begründet, daß er strafbare Handlungen gegen den Staat begehen will, wird durch eine sofort vollziehbare Verfügung der Polizeibehörde aus dem Bundesgebiet entfernt, oder es kann gegen ihn ein Aufenthaltsverbot erlassen werden. Nach unserer Vorstellung hat diese Entfernung gleichzeitig die Wirkung eines vorläufigen Aufenthaltsverbots, dessen Wirksamkeit wir zeitlich auf sechs Wochen begrenzen wollen. Innerhalb dieser Frist kann ein endgültiges, und zwar entweder befristetes oder unter Umständen auch unbefristetes, Aufenthaltsverbot erlassen werden. Wenn das nicht geschieht, erlischt das vorläufige Aufenthaltsverbot nach sechs Wochen. Die Zustellung und ähnliche Formalien richten sich nach dem Verwaltungszustellungsgesetz, das auch hinsichtlich der Zustellung an Personen, die außerhalb des Geltungsbereichs des Grundgesetzes ihren Wohnsitz haben, hinreichende Möglichkeiten eröffnet. Ich brauche auf diese Einzelheiten nicht einzugehen.
    Für die Zukunft gibt es, wenn ein Aufenthaltsverbot erlassen wird, eine klare und eindeutige Rechtslage. Eine erneute Einreise trotz eines erfolgten Verbotes kann mit polizeilichen Mitteln verhindert werden. Die Regelung ermöglicht eine volle richterliche Nachprüfung, wobei wir natürlich und



    Benda
    zweckmäßigerweise die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage ausschließen wollen. Wir schlagen auch vor, den Verstoß gegen ein verhängtes Aufenthaltsverbot unter selbständige Strafandrohung als Vergehen zu stellen.
    Diese Regelung ermöglicht es nach unserer Auffassung, innerhalb der dargestellten und vom Grundgesetz gezogenen Grenzen ,den Aufenthalt von Staatsfeinden im Bundesgebiet mindestens gleich wirksam zu verhindern, wie dies der Regierungsentwurf tut. Wir glauben, daß darüber hinaus die Gefahr von Fehlentscheidungen geringer ist. Wie ich bereits gesagt habe, besteht dadurch die Möglichkeit, Kontaktmenschen festzustellen. Alle Belästigungen und Schikanen wie Gepäckkontrollen, die Auskunftseinholung von Reisenden usw. könnten damit ohne weiteres wegfallen.
    Ein weiterer Gedanke. Der Herr Bundesinnenminister hat bereits im Bundesrat mit Recht beklagt, daß nach geltendem Recht keine Möglichkeit besteht, bereits verurteilten Agenten den Aufenthalt im Bundesgebiet zu verbieten. Wir sehen daher in einem ergänzenden Vorschlag vor: Im Anschluß an eine strafgerichtliche Verurteilung wegen bestimmter politischer Delikte — also die Gruppe der sogenannten Staatsfeinde — soll zugleich mit dem Urteil ein entweder befristetes oder unbefristetes Aufenthaltsverbot verhängt werden können. Die Einzelheiten dieser Regelung stellen wir uns im Prinzip — um nur den Gedanken zu skizzieren — ähnlich vor wie bei der Gestaltung des Berufsverbots oder der Entziehung der Fahrerlaubnis. Auch dieses wäre eine echte Sicherungsmaßnahme.
    Hinsichtlich der Ausreise gelten die gleichen grundsätzlichen Probleme wie für die Regelung der Einreise. Nach unserer Auffassung und auch nach der Begründung des Regierungsentwurfs bestehen nach wie vor erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken, ob eine Reise zwar nicht ins Ausland — das ist durch das Urteil des Bundesverfassungsgericht entschieden —, aber eine Reise innerhalb des Inlandes, nämlich vom Bundesgebiet in den unfreien Teil Deutschlands, nicht durch den Grundsatz der Freizügigkeit in gleicher Weise wie die Einreise geschützt wäre. Wir haben daher zur Zeit davon abgesehen, in dieser Beziehung hier einen konkreten Gegenvorschlag zu unterbreiten. Wir haben zu diesem Punkt ebenfalls einen formulierten Vorschlag bereit. Ich brauche ihn aber nicht darzulegen; denn er ist das genaue Spiegelbild des vorgeschlagenen Aufenthaltsverbots und ermöglicht ebenso gezielte Maßnahmen, wie wir sie uns hinsichtlich der Einreise vorstellen.
    Ein besonderes Problem in diesem Zusammenhang sind die sogenannten Kinder- und Gruppenreisen in die sowjetisch besetzte Zone. Wir sind mit der Regierung und, ich glaube, mit dem ganzen Hause der Auffassung, daß diese systematische Vergiftung unserer Kinder und Jugendlichen in den sogenannten Ferienlagern der sowjetisch besetzten Zone unerträglich ist und daß hier endlich Abhilfe geschaffen werden muß.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP.)

    Es kann nur bedauert werden, daß die Maßnahmen von seiten der Erziehungsberechtigten und der Erziehungsverpflichteten, also Schulen usw., bisher offensichtlich nicht dazu ausgereicht haben, diese Dinge zu unterbinden.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Wir meinen, daß diese Frage unter dem Gesichtspunkt nicht der Polizei, sondern des Jugendschutzes gesehen werden muß. Wir schlagen daher vor, derartige Gruppenreisen bzw. Einzelreisen zu Gemeinschaftsveranstaltungen von Kindern oder Jugendlichen in der sowjetisch besetzten Zone in Zukunft von einer Genehmigung des örtlich zuständigen Jugendamtes abhängig zu machen. Diese Genehmigung soll nach unserer Vorstellung versagt werden, wenn die Reise oder die Veranstaltung, zu der die Reise gehen soll, Bestrebungen fördert, die gegen den Bestand der freiheitlichen demokratischen Grundordnung gerichtet sind. Wir sehen bestimmte Strafsanktionen als Ordnungswidrigkeit gegen Sorgeberechtigte und Unternehmer des Personenverkehrs vor, die ohne Genehmigung solche Reisen zulassen oder durchführen.
    Die übrigen Vorschläge, die wir unterbreiten werden, betreffen technische Vorschriften, auf die ich hier nicht eingehen kann und möchte.
    Hinsichtlich der Behördenzuständigkeit meinen wir, daß die von den Landesregierungen bestimmten Behörden — wir würden die Kreispolizeiebene für zweckmäßig halten — sowie im Rahmen seiner allgemeinen Zuständigkeit der Bundesgrenzschutz zuständig sein sollen. Der Bundesinnenminister soll mit Zustimmung des Bundesrates allgemeine Verwaltungsvorschriften erlassen können, um die einheitliche Anwendung zu sichern.
    Meine Damen und Herren! Wir schlagen diese Regelung nicht etwa vor, um hier Kompromisse zu finden, sosehr wir uns freuen würden, wenn wir in dieser Frage zu einer einheitlichen Auffassung kämen; denn diese Frage verträgt keine Auseinandersetzung, sondern es handelt sich um eine der Grundfragen, die uns alle bewegen sollten. Wir schlagen eine solche Regelung vor, weil wir sie für praktikabel und mindestens ebenso wirksam und vernünftig halten wie den Vorschlag der Bundesregierung und weil wir meinen, daß sie den verfassungsrechtlichen und politischen Bedenken nicht begegnet, die sich gegen den Regierungsentwurf ergeben können.
    Wir werden diese Vorschläge bei der Beratung des Regierungsentwurfs in den Ausschüssen vortragen; sie sind formuliert, sie liegen uns vor, und wir werden entsprechende Änderungsanträge stellen und auf diese Art unsere Vorschläge in die Beratung einbeziehen. Wir meinen, daß sie insgesamt an die Stelle des Regierungsentwurfs treten sollten und könnten.
    Ich fasse zusammen. Wir sagen zu dem Regierungsentwurf nicht: „Ja, aber", sondern wir sagen: „So nicht, sondern so". Wir schlagen einen Weg vor, der praktikabel ist und den wir gehen sollten. Wir wollen — und die Überschrift unseres Vorschlages ist vielleicht kennzeichnend für das, was wir wollen — kein Gesetz über Einreise und Ausreise, sondern stellen uns ein Gesetz vor, das dazu hilft, Miß-
    7918 Deutscher Bundestag 3. Wahlperiode — 139. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Januar 1961
    Benda
    bräuche im innerdeutschen Reiseverkehr zu bekämpfen. Dieses Gesetz wollen wir, und ich hoffe, daß wir es gemeinsam zustande bringen.

    (Beifall.)