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ID0313902100

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    Deutscher Bundestag 139. Sitzung Bonn, den 20. Januar 1961 Inhalt Glückwünsche zum Geburtstag des Abg. Dr. Kohut . . . . . . . . . . . 3903 A Fragestunde (Drucksachen 2385, 2396) Frage des Abg. Kühn (Bonn) : Schutz der Düne in Bonn-Tannenbusch 7903 B Frage des Abg. Neumann: Akten des früheren Staatssekretärs Klopfer Schäffer, Bundesminister . 7903 D, 7904 A Neumann (SPD) . . . . 7903 D, 7904 A Frage des Abg. Dr. Bucher: Äußerung des Staatssekretärs Dr. Thedieck in der „Welt am Sonntag" Lemmer, Bundesminister . . . . 7904 A, D Dr. Bucher (FDP) 7904 C Mündlicher Bericht des Haushaltsausschusses über den Antrag des Bundesministers der Finanzen betr Entlastung der Bundesregierung wegen der Bundeshaushaltsrechnung für das Rechnungsjahr 1956 auf Grund der Bemerkungen des Bundesrechnungshofes (Drucksachen 1518, 2169) 7904 D Antrag betr. Schiffbarmachung der Lahn (Abg. Gontrum, Dr. Löhr, Dr. Reinhard, Worms, Dr. Martin u. Gen.); Schriftlicher Bericht des Verkehrsausschusses (Drucksachen 1374, 2323) Cramer (SPD) . . . . . . . . 7905 A Antrag betr. Abkommen über die einheitliche Auslegung der europäischen Verträge (Abg. Dr. Wahl, Dr. Harm, Dr. Mende u. Gen.); Mündlicher Bericht des Auswärt. Ausschusses (Drucksachen 1731, 2333) 7905 B Antrag betr. Zusatzprotokoll zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Abg. Dr. Wahl, Dr. Harm, Dr. Mende u. Gen.) (Drucksachen 1732, 2334) 7905 B Antrag des Bundesministers der Finanzen betr. Veräußerung der ehem. Deutschmeister-Kaserne (jetzt Caritaskrankenhaus) in Bad Mergentheim (Drucksache 2321) 7905 C Antrag des Bundesministers der Finanzen betr. Veräußerung eines bundeseigenen Teilgrundstücks des ehem. Flugplatzes Hamburg-Bahrenfeld (Drucksache 2363) 7905 C II Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 138. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. Januar 1961 Entschließungsantrag zur dritten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1960 (FDP) ; Schriftlicher Bericht des Ausschusses für den Lastenausgleich (Umdruck 536 [neu], Drucksache 2377) . . . . . 7905 D Interfraktioneller Antrag betr. Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse (Umdruck 731) 7905 D Entwurf eines Gesetzes über Einreise und Ausreise (Drucksache 2372) — Erste Beratung — Dr. Schröder, Bundesminister . . 7906 A, 7930 A Kühlthau (CDU/CSU) 7908 C Dr. Schäfer (SPD) . . . . . . . 7910 D Benda (CDU/CSU) . . . . . . . 7913 D Dr. Bucher (FDP) . . . . . . . 7918 A Mattick (SPD) . . . . 7920 C, 7933 D Dr. Dr. h. c. Friedensburg (CDU/CSU) 7924 A Dr. Will (FPD) . . . . . . . . 7927 A Dr. Kanka (CDU/CSU) . 7928 B, 7937 C Lemmer, Bundesminister . . . . . 7935 C Mischnick (FDP) . . . . . . . 7935 D Nächste Sitzung 7938 C Anlagen 7939 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 139. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Januar 1961 7903 139. Sitzung Bonn, den 20. Januar 1961 Stenographischer Bericht Beginn: 9.11 Uhr
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    Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete() beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Bazille 31. 1. Berberich 20. 1. Bergmann* 21. 1. Berkhan* 21. 1. Dr. Besold 20. 1. Frau Beyer (Frankfurt) 20. 1. Dr. Birrenbach ' 21. 1. Frau Blohm 20. 1. Dr. Bucerius 20. 1. Dr. Burgbacher * 21. 1. Caspers 31. 1. Dr. Conring 20. 1. Dr. Deist * 21. 1. Demmelmeier 20. 1. Deringer * 21. 1. Frau Döhring (Stuttgart) 31. 1. Dr. Dollinger 20. 1. Dowidat 20. 1. Drachsler 20. 1. Frau Eilers (Bielefeld) 20. 1. Eilers (Oldenburg) 20. 1. Engelbrecht-Greve * 21. 1. Enk 20. 1. Erler 20. 1. Even (Köln) 20. 1. Dr. Franz 20. 1. Dr. Dr. h. c. Friedensburg * 21. 1. Funk 20. 1. Dr. Furler * 21. 1. Geiger (München) * 21. 1. Dr. Gleissner 20. 1. Goldhagen 20. 1. Dr. Greve 20. 1. Hahn * 21. 1. Hermsdorf 20. 1. Heye 20. 1. Hilbert 31. 1. Dr. Höck (Salzgitter) 31. 1. Höfler 31. 1. Hufnagel 20. 1. Huth 20. 1. Illerhaus * 21. 1. Dr. Jordan 20. 1. Kalbitzer * 21. 1. Killat (Unterbach) 20. 1. Dr. Knorr 20. 1. Dr. Kohut 20. 1. Dr. Kopf * 21. 1. Dr. Kreyssig * 21. 1. Dr. Krone 20. 1. Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete() beurlaubt bis einschließlich Kühn (Bonn) 31. 1. Leber 20. 1. Lenz (Brühl) * 21. 1. Leukert 20. 1. Dr. Lindenberg * 21. 1. Dr. Löhr * 21. 1. Lücker (München) * 21. 1. Margulies * 21. 1. Marx 20. 1. Mauk 20. 1. Menke 31. 1. Dr. Menzel 28. 2. Metzger * 21. 1. Frau Nadig 20. 1. Neuburger 20. 1. Odenthal * 21. 1. Dr.-Ing. Philipp * 21. 1. Dr. Pflaumbaum 20. 1. Pöhler 20. 1. Dr. Preusker 20. 1. Frau Dr. Probst * 21. 1. Rademacher 20. 1. Rasner 28. 1. Frau Dr. Rehling 20. 1. Richarts * 21. 1. Dr. Rüdel (Kiel) 20. 1. Dr. Rutschke 27. 1. Scheel * 21. 1. Dr. Schild * 21. 1. Dr. Schmidt (Gellersen) * 21. 1. Schmidt (Hamburg) * 21. 1. Dr. Schmidt (Wuppertal) 20. 1. Schneider (Hamburg) 4. 2. Dr. Schneider (Saarbrücken) 20. 1. Schüttler 20. 1. Dr. Schwörer 20. 1. Dr. Siemer 25. 1. Spitzmüller 20. 1. Stahl 20. 1. Dr. Stammberger 4. 2. Dr. Starke * 21. 1. Stauch 20. 1. Frau Dr. Steinbiß 20. 1. Stenger 28. 2. Storch* 21. 1. Sträter * 21. 1. Frau Strobel * 21. 1. Tobaben 20. 1. Wehner 20. 1. Wehking 20. 1. Weimer 20. 1. Weinkamm* 21. 1. * für die Teilnahme an der Tagung des Europäischen Parlaments Abgeordnete(r) beurlaubt his einschließlich b) Urlaubsanträge Brese 16. 2. Dr. Eckhardt 28. 1. Eisenmann 11. 2. Haage 2. 2. Ollenhauer 27. 1. Werner 25. 2. Anlage 2 Umdruck 731 Interfraktioneller Antrag betreffend ÜberWeisung von Anträgen an die Ausschüsse. Der Bundestag wolle beschließen: Die folgenden Anträge werden gemäß § 99 Abs. 1 GO ohne Beratung an die zuständigen Ausschüsse überwiesen: 1. Antrag der Abgeordne- an den Ausschuß für austen Dr. Serres, Dr. Zim- wärtige Angelegenheiten mer und Genossen betr. Errichtung eines beratenden parlamentarischen Organs der Organisation für wirtschschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung — Drucksache 2205 — 2. Antrag der Abgeordne- an den Ausschuß für austen Dr. Meyer (Frank- wärtige Angelegenheiten furt), Dr. Zimmer und Genossen betr. Konferenzen europäischer Fachminister — Drucksache 2290 — Bonn, den 10. Januar 1961 Dr. Krone und Fraktion Ollenhauer und Fraktion Dr. Mende und Fraktion Schneider (Bremerhaven) und Gruppe der DP Anlage 3 Schriftliche Ausführungen des Abgeordneten Dr. Wahl zu der Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten (3. Ausschuß) über den Antrag der Abgeordneten Dr. Wahl, Dr. Harm, Dr. Mende und Genossen betreffend Abkommen über die einheitliche Auslegung der europäischen Verträge (Drucksachen 1731, 2333). Der Antrag, den seinerzeit der unterzeichnete Berichterstatter bei der Beratenden Versammlung des Europarats eingebracht hatte, eine europäische Auslegungsinstanz für europäische Konventionen zu schaffen, geht von der Erwägung aus, daß die Schaffung einheitlichen europäischen Rechts auf halbem Wege steckenbleibt, solange durch Staatenkonventionen nur Gesetze gleichen Wortlauts in den Vertragsstaaten geschaffen werden und keine Institution vorhanden ist, die auch die einheitliche Interpretation dieser Gesetze durch die nationalen Gerichte sicherstellt. Nur durch eine solche einheitliche Auslegung wird die Gegenseitigkeit gewahrt, besonders wenn ,die Konventionen unter mehr oder weniger allgemein formulierten Bedingungen Erlaubnisse und Verbote vorsehen. Aber auch soweit es sich um die Vereinheitlichung ganzer Rechtsgebiete, etwas des Kaufrechts handelt, ist es schwer erträglich, daß z. B. die Verkäufer eines Landes aus dem vereinheitlichten Recht in einem Vertragsstaat gewisse Rechte nicht geltend machen können, die den Verkäufern dieses Vertragsstaates in jenem Lande auf Grund einer abweichenden Gerichtspraxis zustehen. Als der französische Internationalist Bartin gegen Ende des vorigen Jahrhunderts das sogenannte Qualifikationsproblem entdeckte, das sich daraus ergibt, daß internationale Konventionen zur Vereinheitlichung des Kollisionsrechts in den einzelnen Vertragsstaaten bezüglich der darin verwendeten Rechtsbegriffe einen verschiedenen Sinn annehmen, wenn und weil die Richter ihre angestammten nationalen Begriffe bei der Auslegung der Abkommen zugrunde legen, hat er schon darauf hingewiesen, daß die bloße Vereinheitlichung der Gesetze des internationalen Privatrechts die Rechtseinheit nicht zu bringen vermöchte. Es hat nicht an Reaktionen gegen die Thesen Bartins gefehlt, der die Auslegung der Vereinheitlichungskonventionen nach der Lex fori des Richters als die einzig vernünftige Lösung des Qualifikationskonflikts vertrat. Praktisch am wichtigsten war der Vorschlag, der immer wieder gemacht worden ist, die nationalen Konventionen durch eine zu schaffende gemeinsame Auslegungsinstanz zu ergänzen. Die Frage, in welcher Weise diese Einheitlichkeit unter möglichster Schonung der nationalen Gerichtsorganisationen und Verfassungen erreicht werden könne, wurde in der Rechtskommission der Beratenden Versammlung des Europarats sehr lange beraten und hat nach langem Hin und Her schließlich zur Annahme meines Vorschlags geführt, in Anlehnung an deutsche und im Recht der Montanunion verhandene Vorbilder die nationalen höchsten Gerichte zu verpflichten, wenn sie vom höchsten Gericht eines anderen Staates abweichen wollen, die umstrittene Auslegungsfrage einer europäischen Instanz vorzulegen, als die schließlich der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte nach dessen Konstituierung empfohlen wurde. Offengelassen wurde die Frage, ob die Stellungnahme dieses Gerichtshofs für das anfragende nationale Gericht obligatorisch sein sollte oder ob man sich mit Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 139. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Januar 1961 7941 der moralischen Autorität seines Spruches begnügen könnte. Bei dem ersten Durchlauf dieses Vorschlags durch den Ministerrat des Europarates war die Neigung der Regierungen gering, auf diese Empfehlung der Beratenden Versammlung einzugehen. Aber die Beratende Versammlung wird sich angesichts der bedeutenden Lücke in der europäischen Organisation, die durch die Gefährdung der Gegenseitigkeit den Wert der Rechtseinheit und damit die europäische Idee selbst schwächen könnte, kaum mit dieser ablehnenden Haltung des Ministerrats abfinden. Deshalb erscheint es richtig und wichtig, daß der Bundestag durch einen Beschluß die Bundesregierung bittet, sich zu diesen Vorschlägen, wie schon bisher geschehen, positiv einzustellen und diese Haltung auch in Zukunft beizubehalten und zu verstärken. Deshalb hat der Auswärtige Ausschuß einstimmig die Annahme des Antrags auf Drucksache 1731 beschlossen. Dr. Wahl
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Walter Kühlthau


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wohl selten hat ein von der Bundesregierung vorgelegter Gesetzentwurf das Interesse der breiten Öffentlichkeit so sehr geweckt, wie es bei dem durch den Bundesinnenminister vorgelegten und begründeten Entwurf eines Gesetzes über Ein- und Ausreise der Fall ist. Seit Bekanntwerden der wesentlichen Grundsätze dieses Gesetzes hat sich die Öffentlichkeit in einem seltenen Maße, in einem seltenen Umfang mit diesem Problem beschäftigt. Das ist verständlich, denn durch dieses Gesetz werden weitreichende rechtliche und verfassungspolitische, besonders aber bedeutsame echte politische und vor allem gesamtdeutsche Fragen angeschnitten, so daß die Anteilnahme der Öffentlichkeit groß sein mußte.
    Wenn heute hier in der ersten Lesung zu dem Gesetzentwurf Stellung genommen werden soll, muß man sehr wohl zwischen den Motiven, die zur Einbringung des Gesetzentwurfs geführt haben, und dem Weg unterscheiden, der gegangen werden soll, um das erstrebte Ziel zu erreichen. Der Bundesregierung ist es im Hinblick auf die gerade für die menschlichen Kontakte zu unseren Brüdern und Schwestern jenseits der Zonengrenze schwerwiegenden Vorschläge zur Bekämpfung der zunehmenden kommunistischen Unterwühlung sicherlich nicht leicht gefallen, dem Bundestag diesen Gesetzentwurf zur Abwehr der uns drohenden Gefahren vorzulegen. Die Anteilnahme der breiten Öffentlichkeit an diesem Gesetzentwurf mußte lebhaft sein. Ich darf auch auf die vom hohen Verantwortungsbewußtsein und von tiefem Ernst getragenen Diskussionen im Bundesrat und seinen Ausschüssen hinweisen.
    Es dreht sich praktisch um ,die Frage, ob man zum Schutz der Freiheit die Freiheit kontrollieren und einschränken darf. In einem freiheitlichen Rechtsstaat wird eine solche Frage immer zu lebhaften Diskussionen führen müssen.
    Die CDU-Fraktion bejaht in vollem Umfang die Motive, die die Bundesregierung zur Einbringung dieses Gesetzentwurfs veranlaßt haben. Ja, sie glaubt sagen zu dürfen, daß sie sich hierin mit allen Parteien und Fraktionen hier im Hause einig weiß. Auch bei allen kritischen Stimmen, die gelegentlich der Diskussion im Bundesrat aufklangen, drang doch immer wieder die Bejahung der Motive durch.
    Wir sind glücklich und zufrieden, in einem freiheitlichen Rechtsstaat leben zu dürfen, dem wir alle dienen und den wir zu verteidigen entschlossen sind. Aber dieses Glück ist nicht ungetrübt; denn wir wissen, daß unsere Menschen drüben hinter der Zonengrenze nicht in der von uns so geschätzten



    Kühlthau
    Freiheit leben dürfen. Wir haben unseren Brüdern und Schwestern jenseits der Zonengrenze die Tür daher immer weit offengehalten. Wir haben den Reiseverkehr zwischen hüben und drüben sich praktisch ungehindert entwickeln lassen. Die Zonenmachthaber allein haben diesem Reiseverkehr Beschränkungen auferlegt. Wir hielten die Tore trotz ihrer Maßnahmen weit offen.
    Bei manchen klang schon hin und wieder einmal die Frage besorgt auf, ob von unserer Seite dem innerdeutschen Reiseverkehr über die Zonengrenze nicht zu freier Raum gelassen würde.
    Ich erinnere mich, daß, als ich vor ein paar Monaten mit Kollegen des Innenausschusses an der Zonengrenze stand und die mit Bunkern und Wachtürmen jenseits der Zonengrenze gespickte Demarkationslinie sah, selbst in diesem Kreise die Frage auftauchte, ob wir die offene Grenze angesichts der Gefahren, die uns von drüben drohen, verantworten könnten. Aber wir waren uns darin einig, daß die Bundesrepublik von sich aus nichts tun dürfe, was den Anschein erwecken könnte, als wenn auch wir von hier aus den Eisernen Vorhang einer Demarkationslinie herunterlassen wollten. Die auf unserer Seite offene Zonengrenze ist der beredte Beweis dafür, daß wir uns von unseren Brüdern und Schwestern drüben nicht trennen lassen und auch in der Zukunft alles vermieden sehen wollen, was die uns aufgezwungene Trennung noch verschärfen könnte.

    (Beifall in der Mitte.)

    Aber, so müssen wir uns fragen, dürfen wir trotz unseres unbedingten Willens, die Trennung von unseren Brüdern und Schwestern drüben nicht noch zu verstärken und die bestehenden Kontakte nicht zu stören, unsere Augen vor einer allen offenbaren Gefahr für den Bestand unseres Staates verschließen? Hier an dieser Stelle ist in den zurtickliegenden Jahren oft die Frage aufgeworfen worden, ob nicht der Weimarer Staat den Fehler begangen habe, von seinen Machtmitteln, die er besaß, gegenüber denjenigen, die ihn zu zerstören trachteten, nicht den rechten und den rechtzeitigen Gebrauch gemacht zu haben. Wären uns nicht möglicherweise die schrecklichen Jahre seit 1933 erspart geblieben? So ist hier oft gefragt worden.
    Man muß aus den Fehlern der Vergangenheit lernen und den Anfängen wehren. Die Freiheit, die wir jedem Staatsbürger in der Bundesrepublik als das höchste Gut sicherten, darf nicht von denen mißbraucht werden, deren Trachten allein darauf gerichtet ist, diesen freiheitlichen Rechtsstaat zu untergraben und zu zerstören.

    (Beifall.)

    Angesichts der in den letzten Monaten dauernd zunehmenden Infiltration kommunistischer Kräfte und der Unterwanderung des Gebiets der Bundesrepublik durch SED-Funktionäre und ihre Helfershelfer müssen wir ernstliche Überlegungen darüber anstellen, wie wir dieser Gefahr begegnen können, ehe es zu spät ist. Hierzu hat die Bundesregierung mit dem heute vorgelegten Entwurf eines Gesetzes
    über Einreise und Ausreise nachdrücklichst den Anstoß gegeben.
    Die CDU-Fraktion ist der Auffassung, daß die Bundesregierung, und insbesondere der für die Sicherung des Staatslebens verantwortliche Bundesminister des Innern, nicht rechtzeitig und nachdrücklich genug auf die Gefahren hinweisen konnte, die sie sieht. Ja, wir glauben, daß das deutsche Volk der Bundesregierung und dem verantwortlichen Ressortminister schwere Vorwürfe nicht ersparen würde, wenn sie die Dinge hätten treiben lassen. In dieser Grundfrage, meine Damen und Herren, gibt es in meiner Fraktion keine Meinungsverschiedenheit, und ich bin überzeugt, in diesem Hause auf allen Seiten nicht. Freiheit ist uns allen das höchste Gut, das es zu bewahren gilt.
    Ist es nicht bezeichnend, daß in dem Augenblick, in dem bei uns kundgetan wird, daß wir entschlossen sind, der Infiltration kommunistischer Kräfte entgegenzutreten, die drüben die Freiheit mit Füßen treten, hier aber die Freiheit für sich in Anspruch nehmen und mißbrauchen, ausgerechnet die soeben in Stuttgart begründete Deutsche Friedensunion, von der sich alle Fraktionen dieses Hauses deutlich distanziert haben, angekündigt hat - es war, glaube ich, ihre erste Verlautbarung überhaupt —, daß sie das Bundesverfassungsgericht anrufen und seine Überprüfung verlangen werde, ob durch eine gesetzliche Einschränkung des Reiseverkehrs nicht die verfassungsmäßig garantierte Freizügigkeit in der Bundesrepublik grundgesetzwidrig eingeschränkt werde.

    (Abg. Stingl: Sie sollen mal das Zonengericht anrufen!)

    Dieses Recht, meine Damen und Herren, steht demjenigen zu, der die freiheitlich-demokratische Grundordnung uneingeschränkt bejaht, und nicht denjenigen, die darauf aus sind oder entsprechenden Bemühungen zumindest den Weg ebnen, die dem Bundesbürger garantierte Freiheit auszuhöhlen und zu beseitigen.
    Meine Fraktion bejaht die Motive dieses Gesetzentwurfs in vollem Umfange. Es sei aber nicht verschwiegen, was auch ein jeder aus den Presseberichten der zurückliegenden Wochen entnehmen konnte, daß über den Weg, den der Entwurf zur Bekämpfung der staatsfeindlichen Kräfte in der Bundesrepublik weist, auch in meiner Fraktion mancher Vorbehalt geltend gemacht worden ist. Das gilt sowohl für die rechtlichen als auch für die verfahrungsmäßigen Fragen, insbesondere aber im Hinblick auf die möglichen Auswirkungen auf die bestehenden menschlichen Kontakte mit dem deutschen Volke drüben hinter der Zonengrenze. Wie soll die vorgeschlagene Kontrolle an der Grenze praktiziert werden, ohne daß die, Gott sei es gedankt, immer noch bestehenden menschlichen Beziehungen zu den deutschen Menschen drüben nicht gestört werden? Es wird zu prüfen sein, inwieweit bereits das geltende Recht Möglichkeiten bietet, der gefahrvollen Entwicklung, die wir sehen, zu begegnen, und welche anderen Maßnahmen ergänzend zur Abwehr der Gefahr getroffen werden müssen.



    Kühlthau
    Wir sind dem Herrn Bundesminister des Innern dankbar, daß er sich soeben, nachdem er dasselbe auch schon in der Plenarsitzung des Bundesrates getan hat, zu einer Diskussion über geeignete Vorschläge bereiterklärt hat. Er selbst sprach im Bundesrat von besseren Vorschlägen, begründeteren Vorschlägen, einsichtsvolleren Vorschlägen. Er sprach davon, daß wir über solche Vorschläge, die dem gleichen Ziel dienen können, freimütig diskutieren können. Wir wollen offen und freimütig die Probleme erörtern, unvoreingenommen gegenüber jedermann. Es geht nicht darum, ob etwas gegen die uns feindlichen Kräfte getan werden muß, sondern darum, was und wie es zu tun ist. Hier erwächst den zuständigen Ausschüssen dieses Hauses eine .keineswegs leichte und politisch höchst bedeutsame Aufgabe, die in den nächsten Wochen zu lösen sein wird. Die Ausschüsse werden bei ihren Überlegungen die gesamtdeutschen Probleme, die menschlichen Kontakte zwischen hüben und drüben nicht aus dem Auge verlieren dürfen. Der Bundesminister des Innern selbst hat immer wieder betont, daß Unverdächtige von Kontrollen im innerdeutschen Reiseverkehr zwischen der Zone und der Bundesrepublik weitestgehend unberührt bleiben sollen; daß das Gesetz insbesondere unseren Willen unterstreichen solle und müsse, daß wir dem Agentenunwesen und allen anderen Erscheinungen der kommunistischen Infiltration entschlossen und abwehrbereiter gegenübertreten, als wir bisher tun konnten.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

    Dazu gehört auch eine mögliche Überwachung der Reisen derjenigen Zonenbewohner, die ihrem System politisch verpflichtet sind. Nur sie sollen getroffen und der Kontrolle unterworfen werden.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

    Der übrige Reiseverkehr soll und darf — das hat der Herr Bundesminister des Innern immer wieder als Auffassung der Bundesregierung betont — nicht gestört werden.

    (Abg. Dr. Dr. h. c. Friedensburg: Wie wollen Sie das denn unterscheiden?!)

    — Herr Kollege, lassen Sie uns diese Frage wie manche andere einer ernsten Überprüfung in den zuständigen Ausschüssen des Bundestages zuführen. Wir werden dort überlegen müssen, wie die Einwände, die gegen die vorgesehene Regelung erhoben werden können, so berücksichtigt werden können, daß vielleicht doch am Ende ein Verfahren erarbeitet werden kann, dessen Bestimmungen so sind, daß sie den immer wieder vorgetragenen Bedenken Rechnung tragen.
    Die Bundesregierung hat immer und immer wieder betont, hat nie einen Zweifel daran gelassen und immer wieder hervorgehoben, daß sie den normalen unpolitischen innerdeutschen Reiseverkehr nicht stören will. Die auch in unserer Fraktion aufgekommenen Bedenken gehen dahin, ob die Beschränkungen nicht doch möglicherweise zu einer Beeinträchtigung des allgemeinen Reiseverkehrs mit der Ostzone führen könnten. Dabei wird das
    Land Berlin und seine tapfere Bevölkerung eine Berücksichtigung seiner besonderen Belange fordern können. Das versteht sich am Rande. Es wird vor allem jegliche unterschiedliche Behandlung der Bewohner der Bundesrepublik und der Bewohner im Lande Berlin vermieden werden müssen. Auf diese berechtigte Frage hat der Bundesrat bereits mit allem Nachdruck hingewiesen. Im übrigen wird mein Kollege Benda nachher gerade zu diesen Fragen noch einige besondere Ergänzungen geben. Die Erhaltung der gesamtdeutschen Freizügigkeit unter besonderer Berücksichtigung der Berliner Interessen wird also oberste Richtschnur der kommenden Ausschußberatungen sein müssen.
    Lassen wir, wie es auch der Herr Bundesinnenminister am Schluß seiner Rede ausgedrückt hat, diese Beratungen gemeinsam aufnehmen! Wenn wir uns in den Motiven der Notwendigkeit entschlossener Abwehrmaßnahmen gegenüber den uns drohenden Gefahren einig sind, muß sich auch gemeinsam ein Weg finden lassen, der zu diesem Ziele führt.
    Es ist in meiner Fraktion immer ein dringendes Anliegen gewesen und bleibt es auch für alle Zukunft, die menschlichen Kontakte zu unseren Brüdern und Schwestern jenseits der Zonengrenze nicht nur nicht abreißen zu lassen, sondern sie täglich neu zu hegen und zu pflegen. Zur Pflege dieser Kontakte ist in der Vergangenheit vieles getan worden, nicht nur von Bundesseite, sondern auch von den Ländern und Gemeinden, die alle bemüht waren, ihren Beitrag zur Aufrechterhaltung und Intensivierung der menschlichen Kontakte zu den deutschen Menschen hinter der Zonengrenze zu leisten. Vieles bleibt noch zu tun. Das geht einen jeden von uns an.
    Auf der anderen Seite dürfen wir einer kommunistischen Verseuchung ,der Bundesrepublik und einer gefährlichen Unterminierung unseres demokratischen Staates nicht tatenlos zusehen. Hier den richtigen Ausgleich zwischen allen Interessen zu finden, ist gewiß nicht leicht. Es wird eine Aufgabe der Ausschüsse dieses Hauses sein, den Weg, der zu diesem Ziel führt, gemeinsam zu suchen. Die CDU ist bereit, dieses Problem gemeinsam zu prüfen und zu lösen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)



Rede von Dr. Carlo Schmid
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Schäfer.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Friedrich Schäfer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als vor sieben Jahren auf Bemühen deutscher Stellen die Interzonenpässe abgeschafft wurden, hat sich damit die Hoffnung verbunden, daß sich der Reiseverkehr zwischen den beiden Teilen Deutschlands beleben möge. Diese Hoffnung ist zum Teil erfüllt worden. Aber sehr bald hat sich gezeigt, daß diese Freizügigkeit den Machthabern in Pankow unangenehm war. Sie haben Schranken aufgebaut; sie haben Reisegenehmigungen verlangt; sie haben die polizeiliche Überwachung des Reiseweges angeordnet; sie haben die örtliche Überwachung angeordnet.



    Dr. Schäfer
    Als ich vor einigen Monaten an der Zonengrenze stand, hat es mich doch verführt, hinüberzugehen und einmal mit ostzonalen Volkspolizisten zu sprechen. Dabei war es ein deprimierender Eindruck, zu sehen, wie sich der Stacheldraht entlangzieht, wie die Brükken von der anderen Seite abgebrochen sind, wie der Zehn-Meter-Streifen geführt ist, wie der erste Posten steht und nach 500 m der nächste Posten. Die Unterhaltung mit diesen jungen Volkspolizisten — ich sagte, ich wolle nach Magdeburg — war kennzeichnend. Mir wurde gesagt: „Sie brauchen eine Bescheinigung." — „Ja, wer kann die Bescheinigung ausstellen? Mit welcher Begründung kann man eine Bescheinigung bekommen?" — Die ganze Hilflosigkeit des Systems kam zum Vorschein, daß man nicht einmal einen Bürger unseres ganzen Volkes hier hineinlassen konnte.
    Wir sind uns in diesem Hause alle einig, daß wir alles tun müssen, daß nicht auch auf unserer Seite eine Art Verhau entsteht, daß nicht einmal ein Wall auf unserer Seite entsteht, den man mühsam überschreiten muß. Wir hier wollen unsere Grenze so weit, wie es irgendwie verantwortet werden kann, so weit wie irgend möglich, offenhalten, wirklich, de facto ganz offenhalten, so, wie es sich an der Demarkationslinie jedem deutlich zeigt. Drüben sind die Wege abgebrochen, dort sind die Brücken abgebrochen, und dort ist der Stacheldraht. Für jeden Bürger, der in Mitteldeutschland lebt, muß es klar sein, daß er an jeder Stelle hier willkommen ist, wo er herüberkommt, daß er nicht gezwungen ist, sich an Paßstellen Kontrollen zu unterziehen, sondern daß es keine Grenze gibt, daß er uns — ich wiederhole es — an jeder Stelle willkommen ist. Das müssen wir als politische Forderung festhalten.
    Ich darf - ich werde das wiederholt tun müssen
    — aus einer Leserzuschrift eines Bürgers aus der sowjetischen Besatzungszone zitieren, die „Christ und Welt" veröffentlicht hat. Dort steht:
    Wir leben in der Meinung - oder Illusion? ,
    die Bundesrepublik sei groß, mächtig, frei, wenigstens aufs ganze gesehen. Wenn wir sie kleinlich, ängstlich, hilflos und unklug in der Wahl ihrer Mittel sehen, das weckt Zweifel und hat Folgen.
    Meine Damen und Herren, diese psychologischen Rückwirkungen, von denen auch der Herr Bundesinnenminister sprach, dürfen wir gar nicht unterschätzen. Wir sind der Auffassung, daß wir es mit Art. 11, mit dem Grundsatz der Freizügigkeit, ernst nehmen müssen in einem Gesamtdeutschland. Wir vertreten den Standpunkt — wir, das ganze Haus — und haben es immer getan, daß es nur ein einheitliches deutsches Staatsgebiet, nur eine einheitliche deutsche Staatsangehörigkeit gibt

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    und nie von unserer Seite aus irgend etwas getan werden darf, was Entwicklungen in Bewegung setzen könnte, die im Endergebnis anders geartete Fakten schaffen würden. Wir wollen, daß derjenige, der hier herüberkommt, für sich einmal spürt: Hier gibt es sozusagen keine Polizei, hier gibt es sozusagen
    kein Instrument, das ihn auf Schritt und Tritt überwacht, bei dem er sich melden muß, dem er sich unterwerfen muß.
    Wieder dieser Brief:
    Es ist wahrhaftig unerträglich für uns Zonenleute, in der freien Welt noch einmal das Sieb einer polizeilichen Kontrolle durchmachen zu müssen, wieder verdächtiger Bürger zu sein.
    Sehen Sie, das ist einer der entscheidenden politischen Gesichtspunkte. Wir sind deshalb immer der Auffassung gewesen, daß hier etwas geschehen muß.
    Es muß tatsächlich einiges geschehen. Wir waren aber der Auffassung, daß man möglichst — ich betone: möglichst — nicht mit polizeilichen Mitteln arbeiten sollte, sondern daß eine Abwehraktion und eine deutlich spürbare Abwehrkraft des ganzen deutschen Volkes notwendig ist, eine Abwehrkraft, die auch dem Regime drüben in kürze zeigt: Sie können versuchen, was sie wollen; wir sind, aufs ganze gesehen, immun. Wir alle, die wir im politischen Leben stehen, das ganze deutsche Volk ist, aufs ganze gesehen, immun gegen diese Infiltrationsversuche.
    Das muß aber auch gepflegt, das muß bewußt gefördert werden. Wir haben deshalb vor einem Jahr bei den Haushaltsberatungen hier den Antrag gestellt, der Bundeszentrale für Heimatdienst 845 000 DM mehr zur Verfügung zu stellen. Ich darf ganz kurz zitieren, was unser stellvertretender Fraktionsvorsitzender Erler damals hierzu ausgeführt hat. Er sagte:
    In der Bundeszentrale für Heimatdienst wollen wir alle zusammenwirken, um .das notwendige positive staatsbürgerliche, freiheitliche Bewußtsein in unserem Volke zu stärken und auf diese Weise der kommunistischen Infiltrationsweise entgegenzuwirken.
    Meine Damen und Herren, Sie werden mit mir einig sein, daß es letztlich darauf ankommt.
    Nun, wir sind keine Illusionisten, wir sehen natürlich, was sich in dieser Auseinandersetzung, in diesem Kampf abspielt. Wir sehen auch, daß es verschiedene Gruppen von Menschen gibt, die zu uns kommen. Da gibt es den Agenten; da gibt es den Spion. Meine Damen und Herren, sie werden mit mir einig sein: gegen Agenten und Spione soll mit. aller Schärfe des Strafgesetzes vorgegangen werden. Sie werden aber auch mit mir darüber einig sein, daß man Agenten und Spione nicht mit Polizeikontrollen findet. Die finden den Weg hierher. Sie finden ihn nicht über die Demarkationslinie, sondern über das Ausland, und Gott sei Dank ist der Grenzübertritt in den anderen Ländern Europas liberalisiert worden; und wir sind für weitere Liberalisierung.
    Die zweite und die dritte Gruppe interessieren uns hier am meisten. Die zweite Gruppe ist die der politisch uninteressanten Reisenden, der - so möchte ich sagen — dem ostzonalen Regime nicht. Verpflichteten. Hier müssen wir alles tun, damit sie möglichst frei hereinkommen. Der Herr Bundes-



    Dr. Schäfer
    innenminister sagte es, und Herr Kollege Kühlthau sagte es; aber wir wollen uns später ansehen, wie sich das in der Praxis auswirkt.
    Es gibt eine dritte Gruppe, das sind die Geschickten, die Delegationen, das sind diejenigen, die auf Befehl hierher reisen. Glauben Sie mir, die meisten kommen nicht sehr gerne. Wir wissen doch — wir haben doch die Erfahrungen mit einer Diktatur hinter uns —, wie man solche Befehle bekommt und in welcher schwierigen Situation die Betreffenden sind.

    (Zuruf von der Mitte: Da hat er recht!)

    Aber im ganzen gesehen: was können sie uns anhaben? Es ist schlimmstenfalls ein Ärgernis, eine Unannehmlichkeit, die uns diese Delegationen bereiten; mehr ist es nicht. Wenn es mehr ist, haben wir Grund, bei uns nachzuprüfen, warum es mehr sein kann.

    (Beifall bei der SPD.)

    Mehr ist es nicht, und mehr kann es und wird es auch gar nicht sein.
    Deshalb müssen wir von verschiedenen Seiten her prüfen, wie wir die einen ganz frei reisen lassen können und wie wir den anderen vielleicht dazu helfen können, daß sie diese unangenehme Aufgabe nicht durchführen können, die für sie im Endergebnis Unannehmlichkeiten bringt, uns schlimmstenfalls kleine Unannehmlichkeiten. Ein Mückenstich, mehr ist es nicht.
    Herr Bundesinnenminister, Sie haben die Broschüre „Gegen den roten Funktionär" herausgegeben. Sie sind der Auffassung, daß Sie damit eine gute Arbeit geleistet haben. Ich darf Ihnen folgendes zu bedenken geben, Herr Bundesinnenminister. Wir sind uns doch in diesem Hause wohl alle einig, daß die Abwehr der kommunistischen Infiltration eine Aufgabe aller politischen Kräfte ist und daß wir alle miteinander der Gefahr ausgesetzt sind, angeknabbert zu werden, weil sie an allen Stellen versuchen, irgendwie Kontakt zu bekommen. Alle sind sie betroffen. Es befremdet aber, Herr Innenminister, wenn Sie in einer offiziellen Broschüre Material abdrucken, das einseitig und offensichtlich diffamierend für den Deutschen Gewerkschaftsbund und für die SPD ist. Das tut man in einer offiziellen Broschüre nicht. Sie sind nicht der Minister einer Partei, Sie sind Bundesinnenminister, Herr Dr. Schröder!

    (Beifall hei der SPD und Zuruf: Sollte es sein!)

    Ich möchte es bei dieser Bemerkung zu der Broschüre zunächst bewenden lassen.
    Nun zu Ihrem Gesetzentwurf selbst. Herr Minister, wir wollen uns einmal ansehen, wie Sie sich die Dinge vorstellen. Sie treffen in Ihrem Gesetzentwurf Tatbestände. Es ist richtig: wenn man an die Frage herangeht, ob man die Dinge mit einem Gesetz treffen kann, ob man sich mit einem Gesetz wehren kann, ist es notwendig, das tatbestandsmäßig zu fassen. Aber so, wie Sie § 1 Abs. 1 Buchstabe b gefaßt haben, geht es nicht, Herr Minister. Ich darf das einmal vorlesen:
    Die Einreise in den Geltungsbereich dieses Gesetzes ist verboten, wenn der Einreisende beabsichtigt, im Geltungsbereich dieses Gesetzes ... sonstige Bestrebungen gegen den Bestand, die äußere oder innere Sicherheit oder die freiheitliche demokratische Grundordnung der Bundesrepublik zu verfolgen oder sich in ihren Dienst zu stellen ...
    Eine solche Generalvollmacht darf nie gegeben werden. Wir sind mit Ihnen der Meinung, daß wir eine wehrhafte Demokratie haben, und wir sind in diesem Hause einheitlich der Meinung: Keine Freiheit für die Feinde der Freiheit!

    (Beifall bei der SPD.)

    Da haben wir alle miteinander den gleichen Mut, auch die notfalls entsprechend harten Maßnahmen gegen die Betreffenden zu ergreifen. Aber es geht nicht mit Generalermächtigungen, meine Damen und Herren. Das ist unmöglich. Das ist eine Ausdehnung einer polizeilichen Kontrolle, die wir nicht für gut halten. Wer wird denn z. B. im Falle des § 6 so dumm sein, bei einem Antrag auf Genehmigung der Ausreise Dinge anzugeben, die ihm dann hinderlich sind? Ein solches Antragsverfahren hat doch de facto gar keinen Wert. Wir müssen uns das einmal praktisch vorstellen. Sie, Herr Minister, betonen, und Sie, Herr Kollege Kühlthau, betonen es ebenfalls: „Freiheit des Verkehrs für alle übrigen!" Sehen Sie sich doch in der Praxis an, wie das aussehen muß! Sie müssen ja erst suchen, wem Sie Freiheit geben wollen!

    (Zurufe von der Mitte: Eben!)

    Das heißt: Sie müssen alle, jeden einzelnen einer Prüfung unterziehen.
    Man spricht davon, daß jährlich 12 Millionen Menschen die Zonengrenze überschreiten. Ob es richtig ist, kann ich nicht nachprüfen. Man muß damit rechnen, daß sich sehr wahrscheinlich eine solche Zahl von Übertritten über die Zonengrenze ergibt; viele überschreiten sie ja hundertmal und öfter. Mit dieser Zahl sind also nicht 12 Millionen Menschen im ganzen gemeint; das wäre ja nicht möglich. Ich habe diese Zahl aus einem Bericht des Herrn Ministers Dufhues entnommen; sie mag wohl stimmen. Aber lassen wir das dahingestellt. Dann muß an der Zonengrenze, an der Demarkationslinie für jeden, der dort durchwill, ein Überprüfungsverfahren stattfinden, und dort erst muß dann festgestellt werden, wer für uns uninteressant ist.
    Meine Damen und Herren, Sie werden mir zugeben: Entweder macht das die deutsche Bürokratie in ihrer üblichen Pünktlichkeit wirklich pünktlich, dann wird eine abschreckende Wirkung davon ausgehen, und derjenige, der aus eigenem Interesse herüber-reisen will, wird davor zurückscheuen. Oder derjenige, der den Auftrag hat, hierherzureisen, wird die Überprüfung als „selbstverständliche Schikane dieses Systems" über sich ergehen lassen.
    Es kommt darauf an, wenn man die Frage vom Polizeirechtlichen her - denn es ist eine Frage des allgemeinen Polizeirechts — prüft, eine Möglichkeit zu suchen, nicht jeden einzelnen einem Ver-



    Dr. Schäfer
    fahren zu unterziehen, sondern nur den sogenannten Störer, also denjenigen, der durch seine Handlung gezeigt hat, daß er die öffentliche Ordnung und Sicherheit stört.
    Lassen Sie mich ganz offen sagen, wie sich eine solche nach dem Gesetzentwurf notwendige Generalüberprüfung entwickeln würde. In aller Kürze würden wir die Situation haben, daß man nicht mehr dem einzelnen nachweist, daß er hier nicht erwünscht ist, sondern in aller Bälde wäre es so, daß er nachweisen muß, daß er für uns ungefährlich ist, womit sich also die Beweislast umdrehen würde.
    Meine Damen und Herren, überlegen Sie es sich doch bitte einmal in der Auswirkung! Nehmen Sie an, daß ein Bewohner der sowjetischen Besatzungszone abgelehnt wird, und im Zweifel wird er abgelehnt werden. Dann hat ihn der freiheitliche Teil Deutschlands zurückgestoßen. Wird er angenommen, dann ist er für die drüben der Verdächtige, weil er für uns nicht verdächtig ist. Sie mögen es so oder so machen, Sie machen es falsch. Sie machen es rechtlich falsch, Sie machen es auf jeden Fall politisch falsch.
    Deshalb kann der Gesetzentwurf so, wie er hier vorliegt, überhaupt nicht verabschiedet werden. Ich habe den Eindruck, daß auch der Herr Innenminister das in der Zwischenzeit eingesehen hat. Wir lehnen diesen Gesetzentwurf ab; aber wir sind bereit, in den Ausschüssen über die ganze Problematik dieser Situation nicht nur zu diskutieren, sondern mit Ihnen zusammen Möglichkeiten zu einer Lösung der Frage zu suchen. Ich darf Ihnen zur Erörterung, als Anregung einmal zu bedenken geben: Was meinen Sie, wenn man z. B. folgendes Verfahren wählen würde: Wenn jemand, der seinen ständigen Wohnsitz in der sowjetischen Besatzungszone hat, durch seine besonderen Taten, seine besondere Aktivität gewisse im Gesetz festzulegende Tatbestände erfüllt, dann wird er in Zukunft nicht mehr hereingelassen, dann hat er durch sein Verhalten gezeigt, daß er sich außerhalb dieser Ordnung stellt. — Das ist nur einmal ein Gedanke, der zu prüfen ist, nicht ein Antrag von uns. Derjenige, der hier seinen Wohnsitz hat und hinüberfährt, drüben sich so aufführt, wie wir es nicht sehen wollen und wie wir es tatbestandsmäßig festhalten würden, der würde eben das nächste Mal nicht wieder herausfahren können.
    Der große Unterschied, Herr Innenminister, läge darin, daß von vornherein die ganze Überprüfung sich nur auf diejenigen beschränken würde, die durch ihr eigenes Verhalten schon einen Vorgang geschaffen haben; alle anderen würden tatsächlich frei gelassen. Auf jeden Fall darf aber nicht eintreten — und daß wir auf diesem Gebiet Sorgen haben, wissen Sie —, daß das Verhältnis der beiden Teile Deutschlands nur noch über die Bestimmungen des Strafgesetzbuches hinweg betrachtet werden kann. Das darf unter gar keinen Umständen eintreten. Es darf auch nicht sein, daß man es nur über ein Polizeigesetz hinweg sehen kann:
    Ich wollte diese Gedanken nur einmal zu erwägen geben. Wir sind bereit, im Innenausschuß, in den zuständigen Ausschüssen mit Ihnen darüber
    zu sprechen, mit Ihnen zusammen zu suchen, ob diese Regelung möglich ist. Aber, meine Damen und Herren, eine gesetzliche Regelung, gleichgültig, wie sie aussehen wird, auch wenn Sie der Meinung sind, daß Sie damit einen wirksamen Beitrag zur Abwehr geleistet hätten, wird im Endergebnis die Fragen nicht regeln, vor denen wir stehen. Sie kann man weder mit Strafgesetzen noch mit Polizeigesetzen regeln. Die Auseinandersetzung mit dem Kommunismus, die uns in unserer geographischen und politischen Lage niemand abnehmen und die uns nicht erspart werden kann — das kann man nicht mit Gesetzen —, ist eine Auseinandersetzung tatsächlicher Art. Sie nun mit einem solchen Gesetz vollkommen in Frage zu stellen, halte ich für außerordentlich kritisch.
    Ich meine, daß der Herr Bundeskanzler schon recht hat, wenn er in seinem Schreiben vom 1. August 1960 - also in einem Schreiben aus neuerer Zeit, aus der Zeit, in der das Gesetz im Hause des Herrn Bundesinnenministers ausgearbeitet wurde — an unseren Kollegen Leber, den Vorsitzenden der Industriegewerkschaft Bau, Steine, Erden, in erster Linie ganz konkret in sechs Punkten davon spricht, daß alles getan werden müsse, die sowjetzonalen Sperrgebiete aufzuheben, die Wiedereröffnung der Grenzübergänge zu erreichen, eine Verbesserung und Wiederherstellung der Verkehrswege, eine Zulassung neuer Kraftfahrtlinien, den Wegfall der Behinderungen, die Wiederfreigabe des Besuchsverkehrs in beiden Richtungen — so heißt es hier ausdrücklich — und die Wiederherstellung der Freizügigkeit über die Demarkationslinie auch in Ost- a West-Richtung.
    Wenn der Herr Bundeskanzler, der ja die Richtlinien der Politik bestimmt und Vorsitzender der CDU ist, die Meinung vertritt, daß das vorrangig ist, und wenn wir der gleichen Meinung sind, dann sollte die Regierung Wege suchen, in erster Linie in diesem Sinne tätig zu werden, und sie sollte erst in letzter Linie mit polizeilichen Gesetzen versuchen, dem zu begegnen. Ich bin deshalb der Meinung, daß wir im Ausschuß nicht in erster Linie danach suchen sollten, welche beste strafrechtliche oder polizeiliche Lösung wir finden, sondern danach, welche beste politische Abwehrkraft wir schaffen können. Und dazu mitzuwirken, meine Damen und Herren, dürfte das ganze Haus willens sein.

    (Beifall bei der SPD und Abgeordneten in der Mitte und rechts.)