Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Daß wir uns heute, acht Jahre nach der Verkündung .des Lastenausgleichsgesetzes, wieder mit ,der Problematik befassen müssen, liegt wohl zum Teil daran, daß den Erwartungen der Kriegssachgeschädigten, Heimatvertriebenen und Flüchtlinge auf entscheidende Verbesserungen des Lastenausgleichsgesetzes seitens der Bundesregierung nicht entsprochen worden ist. Die SPD-Fraktion hat diese Wünsche in ihren Gesetzentwurf Drucksache 2078 aufgenommen.
Es ist nicht das erntemal, daß eine Fraktion dieses Hauses die Initiative ergriffen hat, um Verbesserungen des Lastenausgleichsgesetzes zu erreichen. Ich erinnere nur an den einstimmigen Beschluß des Deutschen Bundestages vom Dezember 1958, der ebenfalls auf einen Antrag der SPD vom Mai 1958 zurückging und in der 11. Novelle vom Juli 1959 seinen Niederschlag gefunden hat.
Diesmal haben wir eine eigene Vorlage erarbeitet, die am 27. Juni 1960 dem Bundestag zugeleitet worden ist. Heute ist festzustellen, daß sich nach dieser Vorlage die Bundesregierung bemühen mußte, ,selbst einen Entwurf zur Änderung des Lastenausgleichsgesetzes vorzulegen. Nach einem halben Jahr müssen wir schon wieder überprüfen, ob nicht die bisher gesammelten Erfahrungen Verbesserungen über die Vorlage hinaus notwendig erscheinen lassen.
Wie dem auch sei, unser besonderer Wunsch — ich will nicht sagen: Forderung — geht dahin, eine schnellere Abwicklung des Lastenausgleichsgesetzes zu erreichen, damit die noch lebenden unmittelbar Geschädigten in den Genuß ,der Leistungen kommen.
Die Leistungen müssen den veränderten Lebenshaltungskosten und der wirtschaftlichen Entwicklung angepaßt werden.
Ich hoffe auf Ihr Verständnis, wenn ich sage, daß die Änderungsvorschläge in der ersten Lesung nicht bis ins letzte Detail begründet und erörtert werden können. Wir werden uns in den Ausschußberatungen mit diesem sehr komplizierten Fragenkomplex ausgiebig zu beschäftigen haben.
Unsere Vorlage ist nach dem Gesetz aufgebaut. Ich klammere jetzt einmal bewußt den § 6 — Beitrag der öffentlichen Haushalte zum Ausgleichsfonds — vorläufig aus. Ich werde die Frage zum Schluß noch einmal kurz aufgreifen.
Nun zu unseren grundsätzlichen Forderungen. Was ist ein Vertreibungsschaden? Diese Frage muß erneut erörtert werden. Die 11. Novelle brachte die Lastenausgleichsberechtigung von Erben von nach dem 1. April 1952 in der Heimat verstorbenen Personen, sofern es sich um Erben handelt, die nach dem Tode des Erblassers ausgesiedelt worden sind. Die grundsätzlich zu begrüßende Neuregelung kann jedoch nicht als ausreichend angesehen werden. Für diejenigen Erben, die bereits vor dem Tode des Erblassers ausgesiedelt wurden oder sonstwie in die Bundesrepublik kamen, ergeben sich unüberbrückbare Härten. Nicht selten kommt der Fall vor, daß der 1945 nach Westdeutschland geflohene oder ausgesiedelte Ehegatte keine Leistungen erhält, während später ausgesiedelten entfernteren Erben jetzt Lastenausgleichsleistungen gezahlt werden. Eine die Härten beseitigende Novellierung ist deshalb erforderlich. Nach der jetzigen Fassung des Gesetzes würden zwar Ehegatten und Kinder als antragsberechtigt anerkannt es führt jedoch zu Härten, wenn diese Antragsberechtigung davon abhängig gemacht wird, daß die Erben erst nach dem Tode des unmittelbar Geschädigten ausgesiedelt wurden.
Ein zweiter Fragenkomplex betrifft die Berechnung des Schadens, und zwar insbesondere bei Kriegssachgeschädigten. Es wird als besondere Härte empfunden, daß für vor dem 21. Juni 1948 beseitigte Kriegsschäden keine Entschädigung gewährt wird und darüber hinaus unvermindert Vermögensabgabe gezahlt werden muß. In diesen Fällen wird empfohlen, nach Totalzerstörung oder Betriebszerstörung in Teilen eine Abgabeminderung herbeizuführen.
Eine der schwierigsten Fragen ist vielleicht die des Stichtages. Sie beschäftigt den Bundestag nun schon seit vier oder sechs Jahren. Die Verlegung des Stichtages erscheint unerläßlich, da sich die bisherige Regelung insbesondere zum Nachteil derjenigen Geschädigten ausgewirkt hat, die nach der Vertreibung ihren ständigen Aufenthalt zunächst im Gebiet der sowjetischen Besatzungszone oder des sowjetisch besetzten Sektors von Berlin genommen hatten. Für die Gewährung von Leistungen aus dem Lastenausgleich sollte bei diesem Personenkreis kein anderer sozialer Ausgangspunkt zugrunde gelegt werden als bei denjenigen Geschädigten, die unmittelbar nach der Vertreibung in den Geltungsbereich des Grundgesetzes gekommen sind oder in den darauf folgenden Jahren ihren ständigen Aufenthalt in diesem Gebiet genommen haben.
Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 137. Sitzung. Bonn, Freitag, den 16. Dezember 1960 7829
Zühlke
Der bisherige Stichtag hat u. a. zu einer aus politischen und sozialen Gründen unvertretbaren Kategorisierung, nämlich zu einer unterschiedlichen Bewertung bestimmter Kreise der Geschädigten geführt. Er erscheint auch im Hinblick auf die politische Entwicklung überholt.
Durch die Neuregelung wollen wir diesen Stichtag ändern.
Ich komme nunmehr zum Begriff des Schadensbetrages. Schon in früheren Novellen haben wir eine Aufstockung des errechneten Schadensbetrages vorgesehen. Wir sehen jedoch, daß sich die bisher geltende Erhöhung des Schadensbetrages bei festgestellten Schäden an forstwirtschaftlichem Vermögen als ungenügend erwiesen hat. Die Schadensfeststellung hat gerade bei Schäden dieser Art nur zu festgestellten Schäden in einer verhältnismäßig niedrigen Größenordnung geführt. Die auf Grund der bisherigen Berechnung zustehende Hauptentschädigung steht darüber hinaus in keinem Verhältnis zu dem Wertzuwachs bei forstwirtschaftlichem Vermögen Nichtgeschädigter im Geltungsbereich des Grundgesetzes. Das ist die Frage, die wir erörtern müssen. Die gleichen Gesichtspunkte gelten auch für Schäden an Wirtschaftsgütern.
Ich darf mich jetzt dem großen Komplex der Hauptentschädigung zuwenden. Dabei will ich hier jetzt nicht die ganze Skala der Schadensgruppen aufzeigen. Wir sind der Meinung, daß die Anhebung der Grundbeträge, die auch im Regierungsentwurf vorgesehen ist, insbesondere im Bereich des mittelständischen Vermögens für eine angemessene Entschädigung nicht ausreicht.
Überdies sollte auch der Grundsatz beachtet werden, daß für den Verlust von Sachwerten einheitlich eine bestimmte Entschädigungsquote zu gewähren ist. Als Mindestquote bietet sich die bei der Währungsreform angewandte Umstellungsquote an. Das würde dazu führen, daß auch bei Schäden, ganz gleich welcher Höhe, der Grundbetrag in einer Höhe von mindestens 6,5 v. H. angesetzt werden muß, eine Frage, die wir im Ausschuß mit Interesse diskutieren werden, allein schon mit Rücksicht auf den Gleichheitsgrundsatz.
— Bitte, ja!
Die Regelung des Zuschlages und der Kürzung des Grundbetrages ist bei den Kriegssachgeschädigten und Heimatvertriebenen etwas unterschiedlich.
Wir haben den Wunsch, die gegenwärtige Regelung durch Einführung eines Freibetrages in Höhe von 5000 DM zu verbessern. Das erscheint uns sozial eher gerechtfertigt als die im Regierungsentwurf vorgesehene Verbesserung unter Anhebung des Prozentsatzes von 30 auf 35 %. Bei der Anwendung der
Kürzungsbestimmungen haben sich vielfach Härten ergeben. Aus diesen Gründen sollte ein Mindestgrundbetrag von 25 % als Hauptentschädigung übrigbleiben.
Soweit ich aus den Vorlagen ersehe, herrscht hinsichtlich der Auszahlung der Zinsen eine ziemlich einheitliche Auffassung. Ich kann mich also ganz kurz fassen. In unserem Entwurf ist das enthalten! Wir haben in unserem Entwurf § 252 bewußt nicht aufigeführt, weil es hier um die 'grundsätzliche Frage der Vorfinanzierung geht. Wir begrüßen es, daß die Bundesregierung und auch die CDU/CSU diese Frage zur Diskussion stellen. Wir werden sehen, was damit zu erreichen ist, um eine schnellere Abwicklung des Lastenausgleichs zu ermöglichen, wie es der Wunsch meiner Fraktion ist. Wir stehen auf dem Standpunkt, daß die Zinsen recht bald auch an denjenigen gezahlt werden müssen, der nach der Struktur des Gesetzes noch keine Hauptentschädigung erhalten kann.
Von dem Problem der Kriegsschadensrente behandeln wir hier die Altersversorgung der ehemals Selbständigen. Eines der noch offenen Probleme der immer wieder 'diskutierten Altersversorgung der geschädigten ehemals Selbständigen ist die Einbeziehung eines Teils der nach dem 31. August 1953 erwerbsunfähig gewordenen Personen in den Kreis der Empfänger von Kriegsschadensrente. Es handelt sich dabei um 'diejenigen Geschädigten, deren Betrieb eine nicht unerhebliche Größe hatte und die im Zeitpunkt des Schadenseintrittes das 40. Lebensjahr bereits überschritten hatten.