Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte keine vorbereitete Rede vorlesen, sondern nur etwas zu dem sagen, was bisher ausgeführt worden ist. Zunächst scheint mir, daß wir uns in bezug auf zwei Hauptprobleme einig sind. Einigkeit zwischen der Regierung, der Regierungsmehrheit und auch der Opposition besteht darin, daß die jetzige Aufteilung der Steuerquellen der Aufgabenteilung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden nicht mehr gerecht wird. Da wir nunmehr die Aufgaben, die dem Bund, den Ländern und den Gemeinden auf die Dauer wohl verbleiben werden, im wesentlichen erkennen können, ist es dringend notwendig, zu der großen Finanzreform zu kommen.
Das zweite Problem liegt darin, daß die einzelnen Gemeinden eine außerordentlich unterschiedliche Steuerkraft haben. Daher müssen wir Maßnahmen treffen, durch die ein Ausgleich erfolgt. Es muß, wie auch der Herr Staatssekretär ausgeführt hat, dafür gesorgt werden, daß die Finanzgrundlage der Gemeinden zunächst allgemein gesichert ist.
Dieses Problem erörtern wir nicht deswegen so eingehend mit Ihnen, meine Damen und Herren von der Opposition, weil wir glaubten, die Not in den Gemeinden sei so groß und es brenne dort so sehr, daß man dringendst für Abhilfe sorgen müsse, sondern deshalb, weil die Gemeiniden trotz gestiegener Einnahmen unserer Ansicht nach keine gesicherte finanzielle Grundlage haben, solange sie noch zu 70 oder 75 % von der Gewerbesteuer abhängig sind.
Wir wünschen energisch, daß hier etwas geschieht; denn wir sind der Ansicht, daß die Gemeinden heute ein zu hohes Konjunkturrisiko tragen. Die Differenz zwischen steuerstarken und steuerschwachen Gemeinden ist, wie eben auch der Herr Staatssekretär ausgeführt hat, nicht mehr erträglich. Ich glaube, darin sind wir einig. Es wäre aber falsch, hier einfach nur die kleinen Gemeinden, also die Landgemeinden, auf der einen und die Großstädte auf der anderen Seite zu sehen. Das ist einfach falsch! Hier darf ich, glaube ich, den Landgemeinden sagen, daß die Großstädte des Ruhrgebietes sich völlig an ihrer Seite befinden; denn Sie sind ebenfalls weitaus steuerschwächer als der Durchschnitt der Städte und Großgemeinden.
Ich habe das Wort gewünscht, um Ihnen zu sagen, daß ich es nicht für richtig halte, daß man hier so tut, als sei der Rückstand im Schulbau oder im Wohnungsbau darauf zurückzuführen, daß Bund, Länder und Gemeinden -die Finanzquellen nicht so ausgeschöpft hätten, wie es notwendig gewesen wäre, 'um dieser Probleme Herr zu werden. Wer wie ich in der Kommune steht, weiß genau, daß wir heute Gott 'sei Dank so weit sind, einen Teil der Aufgaben, die wir normalerweise nur über den außerordentlichen Haushalt hätten lösen können, über den ordentlichen Haushalt der Lösung entgegenbringen zu können.
Es kann doch nicht geleugnet werden, daß unsere Bauämter in den Großstädten überlastet sind. Die Städte sind darauf angewiesen, auch im Bauwesen Schwerpunkte zu bilden und dafür zu sorgen, daß die Aufgaben nicht so, wie das zur Zeit der Fall ist, nebeneinander herlaufen. Die Städte müssen dafür sorgen, daß die Aufgaben entsprechend ihrer Dringlichkeit durchgeführt werden, damit solide Arbeit geleistet werden kann.
— Das beweist, daß Ihre Behauptungen in der Öffentlichkeit, nach denen sich die Gemeinden in einer Not befinden, .der sofort abgeholfen werden muß, nicht den Tatsachen entsprechen.
Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 136. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Dezember 1960 7799
Dr. Toussaint
-- Ich habe jetzt nicht von Ihnen, sondern von meinem Kollegen Keuning gesprochen.
— Ich habe eben noch die Überschrift einer Zeitung gelesen: „Die dringende Not der Gemeinden". Herr Kollege Keuning, Sie wissen genau wie ich, daß die Not, die wir noch in den Gemeinden haben, zur Zeit nicht allein mit finanziellen Mitteln behoben werden kann, sondern daß wir Schwierigkeiten auf den Bauämtern und auf dem Arbeitsmarkt haben.
Wenn wir vernünftige Arbeit leisten wollen, dürfen wir nichts übersteigern, sonst kommt etwas heraus, was nicht in Ordnung ist.
In einem Punkte bin ich vielleicht mit Ihnen einig. Ich bedauere es, daß eine Reihe von Gemeinden kein Auge mehr für das Maßhalten hat.
Diese Gemeinden werden zu beweisen haben, ob ihre Nachkriegspolitik richtig war. Ich bedauere es mit Ihnen, daß hier noch kein echter Steuerkraftausgleich stattfinden kann, durch den diesen Gemeinden die Möglichkeit genommen wird, so horrende Ausgaben für Aufgaben zu machen, deren Lösung nicht so dringlich ist wie die vieler anderer Aufgaben, die die Landgemeinden und meinetwegen auch die Ruhrgebietsstädte wie auch andere Großstädte zu lösen haben.
-- Was wollen Sie konkreter ausgeführt haben?
— Ich sage nicht, daß das allgemeingültig ist. Ich sage nur, daß nicht allgemeingültig ist, was Sie sagen, daß sich alle deutschen Gemeinden in Not befänden.
Infolge der günstigen Wirtschaftslage, die wir haben, und infolge des Steuerstroms, den wir alle Gott sei Dank in den Gemeinden zu verzeichnen haben, stehen wir nicht unter Druck bei der Lösung der Aufgaben, die wir uns und die Sie und die Regierung sich gestellt haben. Wir sind im Prinzip einig. Wir glauben aber, daß es eine schlechte Politik ist, gute Ziele so zu begründen, wie Sie es getan haben.