Rede von
Dr.
Wolfgang
Imle
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, das Haus sollte der FDP sehr dankbar dafür sein, daß sie am 7. Oktober ihren Antrag auf Einführung eines Unternehmerfreibetrags in Höhe von 7200 DM eingebracht hat, damit wir heute einmal diese grundsätzliche Aussprache haben. Es war wohl an der Zeit, daß diese Aussprache kam. Denn ich darf daran erinnern, daß bereits in dem von der Bundesregierung erstatteten Mittelstandsbericht darauf hingewiesen wurde, daß die Einführung eines solchen Freibetrags für Personenunternehmen beabsichtigt sei. Leider ist bis auf den vor kurzem bekanntgewordenen Beschluß des Kabinetts, einen solchen Antrag zu stellen, bisher nichts geschehen.
Der Entwurf der Bundesregierung steht in Aussicht. Wir sind der Meinung, daß eine Beschränkung auf 50 000 DM des Gewerbesteuerertrages nicht erfolgen sollte. Wir sehen diese Beschränkung als ungerechtfertigt an.
Es ist noch etwas in Ergänzung zu dem zu sagen, was der Herr Staatssekretär Hettlage über die Entwicklung der Gewerbesteuer gesagt hat. Im Jahre 1894/95 betrug der Anteil der Gewerbesteuer am Gemeindesteueraufkommen 2,37 %, 1911 waren es 11,59 % und 1925 rund 25 %. Bis 1949 stieg der Anteil dann auf 44,43 %, 1954 auf 66,32%. Soeben haben wir gehört, daß 1960 die Gewerbesteuer einen Anteil am Gemeindesteueraufkommen von rund 77 % erreichen wird. Mit anderen Worten: wenn das so weitergeht, haben wir in sechs Jahren bereits einen Anteil von 90%; und wiederum mit anderen Worten: die Gewerbesteuer und das Hauptgemeindeaufkommen wird allein von den Unternehmern aufgebracht.
— Sie können ruhig anderer Meinung sein, aber Ihre Behauptung werden Sie schwer beweisen können. Jedenfalls steht doch wohl fest, daß kein angemessenes Verhältnis zu den übrigen Gemeindesteuern besteht.
Ich darf noch folgendes erklären. Der Anteil der Gewerbesteuern am Haushaltsbedarf zwischen den beiden Weltkriegen ergab fast gleichmäßige Jahressummen für die Zwecke der gemeindlichen Aufgaben. Jetzt hat sich das grundlegend geändert. Nun wird hier gesagt, die Steueranträge, die von der Bundesregierung beabsichtigt seien, brächten einen Ausfall von 500 Millionen DM und der sei doch nicht zu verkraften, um so weniger unser Antrag. Da darf ich darauf hinweisen, daß die Gewerbesteuersenkung 1956 einen Ausfall zwischen 400 Millionen DM und 450 Millionen DM gebracht hat und gleichwohl die Gewerbesteuereinnahmen immer weiter gestiegen sind, wie wir soeben gehört haben. Wenn weiterhin erklärt wird, die Schulden der Gemeinden seien bereits auf über 12 Milliarden DM gestiegen und deswegen könne eine Gewerbesteuersenkung nicht vorgenommen werden,
7778 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 136. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Dezember 1960
Dr. Imle
so ist das wohl keine richtige Begründung. Denn dann könnte man sagen: man müßte doch wegen der großen Aufgaben, die hier genannt wurden — der Schulbau, der Straßenbau —, immer noch eine höhere Verschuldung in Kauf nehmen. Das ist also keine Begründung dafür, daß man die Gewerbesteuer nicht senkt.
Es kommt die Behauptung hinzu, die Gewerbesteuersenkung wäre keine sinnvolle Hilfe für den Mittelstand, weil dann eine höhere Einkommensteuer anfiele. Es steht aber fest, daß bei Wegfall der Gewerbesteuer die Erhöhung 'der Einkommensteuer nicht so groß ist wie die weggefallene Gewerbesteuer. Es tritt also in jedem Falle eine Ersparnis ein.
Hinzu kommt, daß heute bei der Gewerbesteuer Einzelfirmen und Personengesellschaften gegenüber den Kapitalgesellschaften benachteiligt sind, weil sie im Gegensatz zu .den Kapitalgesellschaften eine Vergütung für die Unternehmensleistung im Betrieb nicht als Betriebsausgabe abziehen können. Dadurch wird heute derjenige Gewerbebetrieb, in dem der Unternehmer selbst mit tätig ist, mit einer höheren Gewerbesteuer belastet als ein völlig gleicher Betrieb, in dem zwar die gleiche Anzahl von Personen arbeiten, unter denen sich aber n nicht der Betriebseigentümer befindet.
Gelegentlich wird noch behauptet, die soziale Staffelung der Meßzahlen, wie wir sie heute schon haben, bedeute eine indirekte Berücksichtigung des Unternehmerlohnes. Dem ist aber entgegenzuhalten, daß die soziale Staffelung von der Mitarbeit des Unternehmers im Betrieb unabhängig ist. Sie kommt also auch dem Betrieb zugute, in dem der Unternehmer nicht mitarbeitet.
Im Ausschuß wäre ferner zu prüfen, ob nicht eine gleiche Regelung des Abzugs eines Unternehmerfreibetrages auch für solche Kapitalgesellschaften in Betracht kommen sollte, bei denen die Geschäftsführer und Angestellten entsprechend wesentlich beteiligt sind, was ja bisher ebenfalls schon berücksichtigt, eben hinzugerechnet wird.
Wir sind der Meinung, daß diese ganzen Probleme nun alsbald in Angriff genommen werden sollten,. damit endlich einmal die schon seit 1956 und wohl auch früher gemachten Zusagen, daß eine Neuregelung 'des Gewerbesteuerrechts erfolgen solle, in die Tat umgesetzt werden. Die Gewerbesteuer, die allgemein als drückend empfunden wird, sollte durch einen gerechten Steuerausgleich, wie er soeben auch von Herrn Staatssekretär Hettlage erwähnt wurde, wieder zu einer Steuer werden, die nicht zum Nachteil eines einzelnen Standes ist und nicht lediglich die Unternehmer verpflichtet, die gesamten Ausgaben für die Gemeinden zu tragen, an deren Nutzen alle Gemeindeeinwohner teilhaben.