Rede von
Hans
Geiger
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben schon eine Reihe von gut begründeten Anträgen zu diesem Unfallversicherungsneuregelungsgesetz gestellt. Leider haben Sie alle diese Anträge abgelehnt.
In Ihrer Begründung der Ablehnung unserer wohldurchdachten Anträge haben Sie allerdings — möchte ich fast zurückgeben — wider besseres Wissen Argumente angeführt, Herr Kollege Stingl, die Sie nicht vertreten können und die den wirklichen Verhältnissen nicht entsprechen.
Obwohl schon in der vorangegangenen Debatte die Frage der Dynamisierung der Unfallversicherungsrenten angesprochen worden ist, will ich dieses Problem noch einmal besonders behandeln, weil wir die Einfügung eines § 9 a in dieses Neuregelungsgesetz mit dem Ziel der Dynamisierung der Rente fordern. Wir bitten darum, daß künftig die
7690 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 134. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. Dezember 1960
Geiger
Unfallversicherungsrenten ebenso behandelt werden wie die Renten der Angestellten- und der Invalidenversicherung. Ich darf mich dabei auf Zeugen aus Ihren Reihen berufen,
die ja immer wieder — Herr Kollege Ruf — herausstellen, daß Gerechtigkeit gegenüber jedermann geübt werden und daß eine Gleichbehandlung aller erfolgen muß. Das sollten wir, glaube ich, nicht nur beim Aktienrecht, sondern auch bei der Neugestaltung der Unfallversicherungsrenten tun.
Meine Damen und Herren, wenn wir, wie es der Sozialbeirat vorschlägt, in einem gemeinsamen Gesetz bestimmt haben, daß sowohl die Renten in der Angestellten- und in der Invalidenversicherung als auch die Renten in ¡der Unfallversicherung den veränderten Einkommensverhältnissen und Lebenshaltungskosten angepaßt werden,
wird dieses Recht — Herr Kollege Schütz — nicht mehr auseinanderklaffen, sondern ein einheitliches Recht sein. Es ist notwendig, daß auch die Renteneinkommen der unfallgeschädigten Menschen den veränderten Verdienstverhältnissen und den veränderten Lebenshaltungskosten angepaßt werden.
— Nein, Herr Kollege Ruf! Natürlich tun Sie das für eine zurückliegende Zeit von vier Jahren. Sie wollen sich das wieder bis zur nächsten Bundestagswahl aufsparen, damit Sie dann wieder einen neuen Ausgangspunkt haben.
— Nein, wir werden das noch mehr ausbauen. Sie brauchen keine solche Zurückhaltung zu üben, Herr Kollege Schütz.
Wir verlangen hier ja nicht etwas, was wir als Sozialdemokraten etwa aus irgendwelchen wahltaktischen oder sonstigen Gründen wollen.
— Aber nein, wir befinden uns heute in einer guten Gesellschaft. Sie machen es uns nur außerordentlich schwer, die Vorstellungen der Bundesregierung zu verwirklichen. In allen Fragen, die wir heute angesprochen haben, und mit allen Anträgen, die wir heute gestellt haben, bewegen wir uns auf der Linie der Vorschläge der Bundesregierung, die dem Hohen Hause seit dem Jahre 1957, also noch seit der Zeit des 2. Bundestages, vorliegen. Sie verhindern die Verabschiedung. Wenn Sie heute sagen, diese Probleme könnten nur in einem Reformgesetz gelöst werden, — ja, meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie hätten doch die Möglichkeit gehabt, das ganz allein zu beschließen! Seit dem Jahre 1957 haben Sie die absolute Mehrheit.
— Herr Kollege Schütz, wenn Sie ernstlich den Willen gehabt hätten, hätten Sie allein mit Ihrer Mehrheit diese Reformgesetzgebung verabschieden können. Sie wären dann heute nicht mehr in der unangenehmen Lage, immer wieder etwas vorschieben zu müssen, was in Wirklichkeit gar nicht vorhanden ist. Ich weiß nicht, warum Sie sich nicht mehr zu den Vorschlägen der Bundesregierung bekennen; vielleicht, weil in der Zwischenzeit bei Ihnen das Wort vom „Stilwandel in der Sozialpolitik" die Runde gemacht hat. Vielleicht ist das der Grund, warum Sie nicht mehr zu den Vorschlägen der Bundesregierung stehen. Wir sollen also nach Ihrem Willen, wie das vorhin der Kollege Stingl vorgetragen hat, jedes Jahr im Bundestag oder in diesem Falle alle vier Jahre die Auseinandersetzung um die Anpassung der Unfallversicherungsrenten führen.
Meine Damen und Herren, wollen Sie das denn? Wollen Sie jedes Jahr eine solche Auseinandersetzung haben? Sie sind doch mit mir der Meinung, daß dieser Fragenkomplex genauso gut durch die Bestimmungen geregelt werden kann, die im Rentenversicherungsgesetz enthalten sind. Die Berechtigung auch für die Unfallversicherungsrentner ist gegeben, Herr Kollege Ruf! Sie sagen zwar, die Renten würden nach dem jeweiligen Jahresarbeitsverdienst berechnet. Das trifft zu. Sie werden nach dem jeweiligen Jahresarbeitsverdienst des vorhergehenden Jahres berechnet.
— Nein, Herr Kollege Ruf, wenn Sie die Frage so stellen, muß ich sagen, daß es sich darüber hinaus auch um die Schadensabgeltung handelt und daß jeder, der einen Schaden abzugelten hat, verpflichtet ist, den Geschädigten so zu entgelten, wie Zeit, Umstände und Entwicklung es mit sich bringen. Das trifft doch auch hier zu. Ich freue mich darüber; Herr Kollege Horn, Sie brauchen Herrn Kollegen Ruf gar nicht zu beschwichtigen!
— Um 9 Uhr wird sowieso Schluß gemacht; das wird nicht allzu gefährlich sein.
Die Renten, die wir heute auch nach Ihren Vorschlägen anheben, sind nach dem Jahresarbeitsverdienst des Jahres 1956 festgesetzt worden. Wollen Sie etwa behaupten, daß die Rentenfestsetzung aus idem Jahre 1956 und die damals erzielte Höhe der Renten noch die gleichen sind wie heute?
— Aber die vier Jahre, die zurückliegen, sind für die Rentenbezieher verlorengegangen. Ich will das an einem Beispiel klarmachen und Ihnen mit Erlaubns ,des Herrn Präsidenten aus dem Bulletin der Bundesregierung vorlesen, damit Sie von vornherein wissen, — —
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