Rede von
Dr.
Fritz
Burgbacher
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Also, meine Damen und Herren, es wäre so billig, zu sagen: jawohl. Ich sage das nicht. Nicht nur auf Ihren Parteitagen, z. B. in Hannover, was wir gern anerkennen, herrscht die absolute Freiheit der Gedankenäußerung; die herrscht bei uns in der Fraktion auch.
Und die Frage des Kollegen Atzenroth möchte ich
dahin beantworten, daß dies die Auffassung der Mehrheit der Fraktion ist. Mit anderen Worten, zum Eigentum gehört die Personenbezogenheit und nicht die Anonymität. Daß wir in unserer modernen industrialisierten Wirtschaft bei wachsenden Märkten in bestimmten Branchen immer größere, opti-
Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 134. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. Dezember 1960 7675
Dr. Burgbacher
male Unternehmensformen bekommen werden, das werden wir nicht ändern können. Das wollen wir im Interesse des Wettbewerbs unserer Volkswirtschaft auch nicht ändern. Davon scharf zu unterscheiden ist die unnötige Konzentration, die mit der optimalen Betriebsgröße nichts zu tun hat.
Daß wir auf diese Weise mit der Aktie schon in ein teilweise anonymes Eigentum hineingeraten sind, ist klar. Die Aktiengesellschaft heißt ja im französischen Sprachgebrauch „Société anonyme", wobei aber die Anonymität nicht auf das bezogen ist, was ich meine, sondern auf die mangelnde Personenidentität der Gesellschaft selbst. Bei den klassischen Eigentumsformen sieht man genau, was wir meinen: Beim landwirtschaftlichen Besitz, beim Eigenheim erkennt jedermann klar die Beziehung zwischen Mensch und Sache, die die moralische Basis des Eigentumsbegriffes ist. Nicht der Wert, sondern 'die lebendige Beziehung zwischen Mensch und Sache ist es, die dem Eigentumsbegriff primär die moralische Basis gibt.
Wenn wir nicht nur landwirtschaftliches Eigentum, nicht nur Hauseigentum haben können, wenn wir in der modernen Wirtschaft auch Pfandbriefeigentum, auch Sparkasseneigentum — das übrigens gar nicht anonym ist, weil jeder jeden Tag damit machen kann, was er will — und auch Aktien haben müssen, dann ist das noch lange kein Grund, die Anonymität über die Grenze hinaus zu treiben, die durch die wirtschaftliche Entwicklung zwingend vorgeschrieben wird.
Nun sind hier wieder einmal die großen Gesellschaften kritisch behandelt worden. Auch auf die Gefahr hin, daß ich spätestens jetzt — wenn es nicht schon vorher geschehen sein sollte — wie der Kollege Barzel zu den Vertretern der Industrie gerechnet werde, möchte ich für die Großbetriebe auch einiges Positive sagen.
Zunächst einmal haben laut „Wirtschaft und Statistik" die vom Kollegen Deist zahlenmäßig richtig genannten Gewinne 14 % des Nennkapitals und 8% der offen ausgewiesenen Eigenmittel in 1959 betragen. Ich glaube sagen zu dürfen, daß eine Durchschnittsrendite von 8 % der offen ausgewiesenen Eigenkapitalien in einer Zeit der Hochkonjunktur nicht als sensationell angesehen werden kann.
Aber etwas anderes! Wie wäre heute unser Lohn-und Gehaltsniveau, wo stünde heute die Sozialpolitik ohne die beachtenswerte Tatsache, daß primär die von Ihnen so heftig kritisierten Großunternehmen -- die Kritik machen wir uns zum Teil, vor allem bei unsachgemäßer Konzentration, zu eigen, aber im übrigen halten wir sie für zu heftig oder zu einseitig — die Leistungen auf diesen Gebieten vorwärtsgetrieben haben?!
— Ich polemisiere gegen Ihre gegen die Großunternehmen gerichtete Politik.
— Nein, lieber Herr Kollege Carlo Schmid! Sollte es Ihnen bei Ihrer Intelligenz entgangen sein, daß die Mittelbetriebe in der Zeit der Großunternehmen zwar in manchen Branchen zum Tode verurteilt sind, in sehr vielen Branchen ,aber zu neuem Leben erwachen?
— Herr Kollege, auch auf die Gefahr hin, bei einigen einen schwarzen Punkt in Idas Tagebuch zu bekommen, kann ich nicht umhin, ,die teilweise Berechtigung Ihrer Frage anzuerkennen.
Ich darf Ihnen als meine persönliche Ansicht sagen: Eine Vermögensabgabe aus fiskalischen Gründen an sich ,durchaus diskutierbar; sie ist ein völlig legales Mittel und könnte auch einmal notwendig werden. Wir möchten auf jeden Fall scharf unterschieden wissen zwischen einer Vermögensabgabe, die aus nationalen oder volkswirtschaftlichen Gründen erforderlich sein kann, und Ihrem Plan, der eine Umverteilung des Vermögens darstellt. Es ist wirklich ein einmaliger Vorgang, daß man mit Mitteln des Steuerrechts Abgaben kassiert und den Erlös dann weiter verkauft. So ist nämlich der Vorgang bei dieser Deutschen Nationalstiftung.
— Verzeihung, Sie sagen Streuung. Das ist vielleicht das Ergebnis. Ich sage Verteilung; das ist der Tatbestand. — Der Jurist beachtet sehr den Tatbestand.
Herr Kollege Deist, Sie haben gefragt, wo jemals eine derartige Spannung zwischen Großvermögen und Kleinvermögen oder keinem Vermögen war. Herr Kollege Deist, das hätten Sie nicht sagen sollen. Ich verweise Sie auf die ganze Geschichte der Welt und der Menschheit. Ich verweise Sie sogar
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auf das heutige Problem in den Entwicklungsländern. Die Spannung zwischen arm und reich gehört zur Menschheitsgeschichte. Wer glaubt, er könne sie völlig beseitigen, lebt in einer utopischen Illusion.
Ich habe schon wiederholt von diesem Platz aus gesagt: Wir müssen die Menschen nehmen, wie sie sind. Wir müssen mit Ihnen arbeiten, wie sie sind. Wir müssen sie bitten, so zu sein, wie sie sein sollten, uns zuerst, im übrigen aber Realpolitik machen. Ihre Frage, Herr Kollege Deist, möchte ich damit beantworten, daß es kein Volk ,der Welt und kein Zeitalter der Geschichte ,gegeben hat, in dem nicht um eine gerechtere Vermögensverteilung gerungen wurde. Damit soll nicht gesagt werden, daß man nicht dafür ringen müßte. Bekanntlich besteht die Politik in dem ewigen Versuch, Gerechtigkeit mit Freiheit zu verbinden. Diesen Versuch wollen wir alle machen.
Die Volksaktie, unsere Volksaktie — —.
— Das war noch nicht einmal mit einer Spitze gegen die SPD, sondern weil wir darauf angesprochen worden sind. Es trifft zu, daß wir der Legislative noch keine Defination der Volksaktie vorgelegt haben. Es trifft zu, daß wir darum ringen. Das Problem ist — das können Sie alle ruhig wissen —, daß wir einmal für den Volksaktionär — lies: Kleinaktionär — besonderen Rechtsschutz für sein Eigentum, für sein Stimmrecht und für die praktische Wahrnehmung seines Stimmrechts haben wollen, daß wir aber andererseits am Ende der Entwicklung nicht zwei Klassen von Aktionären haben wollen.
Ob der Herr Flick — halten Sie sich fest, wenn ich den Namen nenne — eine Aktie besitzt oder Lieschen Müller, muß letzten Endes eigentumsrechtlich dasselbe sein.
— Weil es in einem Rechtsstaat nicht Eigentum zweierlei Rechts geben sollte!